OGH 5Nc26/23b

OGH5Nc26/23b19.1.2024

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofräte Mag. Wurzer und Mag. Painsi als weitere Richter in der Pflegschaftssache des minderjährigen J*, geboren * 2008, wegen Übertragung der Zuständigkeit nach § 111 JN, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0050NC00026.23B.0119.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Die mit Beschluss des Bezirksgerichts Klagenfurt vom 19. 10. 2023, GZ 2 Pu 200/22p-73, gemäß § 111 Abs 1 JN verfügte Übertragung der Zuständigkeit zur Führung der Unterhaltssache an das Bezirksgericht Neunkirchen wird nicht genehmigt.

 

Begründung:

[1] Der Minderjährige J*ist der Sohn von G* und C*. Auf Wunsch beider Elternteile übertrug das Bezirksgericht Klagenfurt mit Beschluss vom 9. 1. 2023 die Obsorge alleinedem Vater, der im Sprengel dieses Gerichts lebt und bei dem der Minderjährige seit 25. 10. 2022 seinen Hauptwohnsitz hat. Die Mutter ist zur Leistung eines Unterhalts für ihren Sohn von monatlich 350 EUR verpflichtet. Mit Schreiben vom 15. 9. 2023 beantragte sie die Herabsetzung des von ihr zu leistenden Unterhalts.

[2] Das Bezirksgericht Klagenfurt übertrug mit Beschluss vom 19. 10. 2023 die Zuständigkeit zur Führung der Unterhaltssache an das Bezirksgericht Neunkirchen, weil sich „das Kind jetzt ständig“ im Sprengel dieses Gerichts aufhalte.

[3] Tatsächlich verfügt der Minderjährige seit 7. 8. 2023 über einen Nebenwohnsitz im Sprengel des Bezirksgerichts Neunkirchen. Dazu teilte er in der von ihm selbst verfassten Eingabe vom 8. 11. 2023 mit, dass er aufgrund von unüberbrückbaren familiären Problemen von seinem Vater zu seiner Großcousine, die im Sprengel des Bezirksgerichts Neunkirchen wohne, gezogen sei. Zugleich ersuchte er (unvertreten), unter anderem seinen Vater zu Unterhaltsleistungen zu verpflichten.

[4] Das Bezirksgericht Neunkirchen lehnte die Übernahme des Verfahrens über den Unterhalt mit dem Hinweis darauf ab, dass derzeit kein konstanter Aufenthalt des Minderjährigen in dessen Sprengel bestehe, worauf das Bezirksgericht Klagenfurt den Akt dem Obersten Gerichtshof zur Entscheidung nach § 111 JN vorlegte.

Rechtliche Beurteilung

[5] Die Übertragung der Zuständigkeit ist nicht zu genehmigen:

[6] 1. Nach § 111 Abs 1 JN kann das Pflegschaftsgericht seine Zuständigkeit einem anderen Gericht übertragen, wenn dies im Interesse des Minderjährigen oder sonstigen Pflegebefohlenen gelegen erscheint, insbesondere, wenn dadurch die wirksame Handhabung des pflegschaftsgerichtlichen Schutzes voraussichtlich gefördert wird.

[7] 2. Offene Anträge sprechen nicht generell gegen eine Übertragung der Zuständigkeit. Sie können einer Übertragung der Zuständigkeit aber dann entgegen stehen, wenn dem übertragenden Gericht eine besondere Sachkenntnis zukommt (RIS‑Justiz RS0047032). In der Regel entspricht es den Interessen von Kindern, wenn als Pflegschaftsgericht jenes Gericht tätig wird, in dessen Sprengel der Mittelpunkt ihrer Lebensführung liegt (RS0047300). Steht der künftige Aufenthalt aber noch nicht endgültig fest, ist eine Zuständigkeitsverlagerung nach ständiger Rechtsprechung abzulehnen (7 Nc 20/09i mwN).

[8] 3. Der (allein) Obsorgeberechtigte, dem die Pflege und Erziehung zukommt, hat das alleinige Recht, den Wohnort des Kindes zu bestimmen (9 Ob 19/22t mwN). Nach der Aktenlage hält sich der Minderjährige ohne Zustimmung des Vaters im Sprengel des Bezirksgerichts Neunkirchen auf, dem derzeit die Obsorge alleine zukommt. Solange die (alleinige) Obsorge nicht auf eine andere Person übertragen ist, oder der Vater dem Wechsel des Aufenthalts doch zustimmt, steht noch gar nicht fest, ob der Minderjährige tatsächlich im Sprengel des Bezirksgerichts bleiben wird, an das die Zuständigkeit übertragen werden soll (RS0047032 [T20]; 5 Nc 36/14k). Eine Übertragung der Unterhaltssache an das Bezirksgericht Neunkirchen ist damit derzeit nicht zu genehmigen.

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