OGH 4Ob9/95

OGH4Ob9/9517.1.1995

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Gamerith als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kodek, Dr.Niederreiter, Dr.Redl und Dr.Griß als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei G***** GmbH & Co KG, ***** vertreten durch Dr.Gottfried Korn, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei PM***** GmbH, ***** vertreten durch Dr.Ulrich Polley und Dr.Helmut Sommer, Rechtsanwälte in Klagenfurt, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Gesamtstreitwert S 500.000,--), infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht vom 29.Juli 1994, GZ 6 R 44/94-25, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt vom 20.Dezember 1993, GZ 27 Cg 218/93z-19, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird teilweise Folge gegeben. Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, daß die Entscheidung wie folgt zu lauten hat:

"1.) Die beklagte Partei ist bei Exekution schuldig, im geschäftlichen Verkehr die Ankündigung, die Zeitschrift 'PM-Privatmarkt' enthalte 'schon wieder' eine bestimmte Anzahl von Anzeigen, insbesondere die Ankündigung, die Zeitschrift 'PM-Privatmarkt' enthalte 'schon wieder 5.000 Anzeigen' oder Ankündigungen gleichen Inhalts zu unterlassen, wenn die von der Ankündigung betroffene Ausgabe der Zeitschrift 'PM-Privatmarkt' Anzeigen aus älteren Nummern dieser Zeitschrift in erheblichem Ausmaß übernimmt;

2.) der klagenden Partei wird die Ermächtigung erteilt, den Spruch des über die Unterlassungsklage ergehenden Urteiles innerhalb von sechs Monaten ab Rechtskraft auf Seite 1 einer Nummer der periodischen Druckschrift 'PM-Privatmarkt' mit gesperrt geschriebenen Prozeßparteien, die Überschrift 'Im Namen der Republik' in Fettdruck mit Fettdruckumrandung veröffentlichen zu lassen.

3.) Das auf Urteilsveröffentlichung in der periodischen Druckschrift 'Fundgrube' gerichtete Mehrbegehren wird abgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 61.243,20 bestimmten Prozeßkosten (darin enthalten S 9.167,20 USt und S 6.240,-- Barauslagen) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen."

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 78.237,20 bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens (darin enthalten S 3.307,50 USt und S 12.000,-- Barauslagen) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin ist Medieninhaberin und Herausgeberin der Inseratenzeitschrift "Fundgrube", welche in verschiedenen Regionalausgaben, darunter auch für das Bundesland Kärnten, erscheint. Die Beklagte ist die Verlegerin und Herausgeberin der Inseratenzeitschrift "PM-Privatmarkt". Beide Zeitschriften werden entgeltlich abgegeben und enthalten unentgeltlich eingeschaltete Privatanzeigen.

Die Titelseite der Nr 10/92 der Zeitschrift "PM-Privatmarkt" enthielt die Ankündigungen "Schon wieder 5.000 Anzeigen" sowie "Jeden Freitag neu". Die veröffentlichten Inserate waren jedoch in erheblichem Ausmaß Wiederholungen der in den vorangegangenen Zeitschriften Nr 8 und 9/92 erschienenen Inserate. An sich sind Wiederholungen von Gratisanzeigen in Anzeigenzeitungen üblich. In den Zeitschriften beider Streitteile sind Kupons für die Inseratenbestellung abgedruckt, in denen angegeben werden kann, ob Inserate einmal oder zweimal veröffentlicht werden sollen.

Die Klägerin beantragt, die Beklagte schuldig zu erkennen, im geschäftlichen Verkehr die Ankündigung, der "PM-Privatmarkt" enthalte "schon wieder" eine bestimmte Anzahl von Anzeigen, insbesondere die Ankündigung, der "PM-Privatmarkt" enthalte "schon wieder 5.000 Anzeigen" bzw Ankündigungen gleichen Inhalts bei Exekution zu unterlassen, wenn die von der Ankündigung betroffene Ausgabe der Zeitschrift "PM-Privatmarkt" Anzeigen älterer Nummern des "PM-Privatmarktes" in erheblichem Ausmaß übernimmt. Ferner erhob die Klägerin drei Eventualbegehren sowie das weitere Begehren auf Ermächtigung zur Veröffentlichung des über die Unterlassungsklage ergehenden Urteiles in den Zeitschriften "PM-Privatmarkt" und "Fundgrube".

Von den in der Nr 10/92 der Zeitschrift "PM-Privatmarkt" erschienenen Inseraten seien ca zwei Drittel schon in vorangegangenen Zeitschriftennummern eingeschaltet gewesen und zwar 1.117 Inserate in der Nr 9/92 und 1.805 Inserate in der Nr 8/92. Der Hinweis "Schon wieder 5.000 Inserate" suggeriere jedoch, daß die Inserate neu seien. Aus der großen Anzahl von Wiederholungen lasse sich auch ableiten, daß eine große Anzahl der wiederholten Inserate zum Zeitpunkt ihrer weiteren Veröffentlichung bereits überholt gewesen seien. Interessenten, die die Anzeigenzeitschrift der Beklagten wegen der Ankündigung "Schon wieder 5.000 Anzeigen" kaufen, würden weder mit einer derart großen Anzahl von Wiederholungen noch damit rechnen, daß Anzeigen in erheblichem Ausmaß nicht mehr aktuell seien.

Die Beklagte beantragt die Abweisung sämtlicher Klagebegehren. Von den in der Nr 10/92 der Zeitschrift "PM-Privatmarkt" veröffentlichten Anzeigen seien zwar rund 1.000 schon in der Nr 9/92 und "mindestens 1.000 Inserate" in der Ausgabe 8/92 der Zeitschrift "PM-Privatmarkt" erschienen. Dennoch sei die beanstandete Ankündigung nicht irreführend, weil das angesprochene Publikum - schon im Hinblick auf die in den Anzeigenkupons vorgesehene Möglichkeit von Mehrfacheinschaltungen - beim Kauf von Inseratenzeitungen nicht erwarte, daß sämtliche darin enthaltenen Anzeigen tatsächlich neu seien, also erstmals veröffentlicht würden. Vielmehr sei die Wiederholung von Inseraten in Inseratenzeitungen üblich. Auch die weitere Ankündigung "Jeden Freitag neu" sei nicht irreführend, weil diese vom Publikum nur auf das wöchentliche Erscheinen des Mediums bezogen werde.

Das Erstgericht wies das Haupt- und sämtliche Eventualbegehren ab. Die Anzahl der wiederholten Inserate stellte es im Umfang des Zugeständnisses der Beklagten fest.

In rechtlicher Hinsicht vertrat das Erstgericht die Auffassung, daß die Ankündigung "Schon wieder 5.000 Anzeigen" im Zusammenhang mit den festgestellten Wiederholungen nicht irreführend sei. Für Erstleser seien Wiederholungen ohne jede Bedeutung. Jeder andere Leser kenne aber bereits die Einschaltregeln und wisse somit, daß Anzeigen auch mehrmals veröffentlicht werden. Daran ändere auch der Umstand nichts, daß eine bestimmte Anzahl von Inseraten bei ihrem wiederholten Erscheinen naturgemäß gegenstandslos geworden sei. Unerheblich sei auch, ob die von der beanstandeten Ankündigung betroffene Zeitschriftenausgabe 2.900 Anzeigen aus älteren Zeitschriftennummern übernommen habe. Die Beklagte sei auch nicht verpflichtet, die Ankündigung "Schon wieder 5.000 Anzeigen" zu unterlassen, wenn nicht darauf hingewiesen werde, daß Anzeigen aus älteren Zeitschriftennummern in erheblichem Ausmaß übernommen worden seien.

Das Berufungsgericht bestätigte das Urteil des Erstgerichtes und sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000,-- übersteige und die ordentliche Revision nicht zulässig sei.

Daß die Beklagte auf Wunsch der Inserenten Anzeigen mehrmals in aufeinanderfolgenden Zeitschriftennummern veröffentliche, führe nicht schon dazu, daß die wiederholten Inserate schlechthin nicht mehr aktuell ("Karteileichen") seien. Selbst wenn die von der Klägerin behauptete Anzahl von Wiederholungen zutreffe, sei daraus für ihren Standpunkt nichts zu gewinnen, weil Erstlesern die Inserate ohnedies nicht bekannt seien und alle übrigen Leser wüßten, daß Inserateneinschaltungen in Anzeigenzeitungen wiederholt würden. Die Ankündigung "Schon wieder 5.000 Anzeigen" begründe unter diesen Umständen auch nicht die Erwartung, daß sämtliche in dieser Zeitschriftennummer enthaltenen Anzeigen neu seien. Daß Werbemaßnahmen wiederholt werden, sei so lange nicht zu beanstanden, als ihre Aktualität nicht generell in Frage gestellt sei.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen von der Klägerin erhobene Revision ist aus Gründen der Rechtssicherheit zulässig, weil das Berufungsgericht den Eindruck, den die beanstandete Werbeankündigung beim angesprochenen Publikum zu erwecken geeignet war, unrichtig beurteilt hat; sie ist auch berechtigt.

Die Frage, ob eine Angabe im geschäftlichen Verkehr zur Irreführung geeignet ist, ist im Sinne der ständigen Rechtsprechung (ÖBl 1981, 77 - Die einzige oberösterreichische Zeitung; ÖBl 1985, 105 - C & A mwN; ÖBl 1987, 78 - Wärmeabgabetabellen; ÖBl 1992, 114 - Prioflor; zuletzt 4 Ob 96/94) als Rechtsfrage zu behandeln, wenn für die Beurteilung ihrer Wirkung auf die angesprochenen Verkehrskreise die Erfahrungssätze des täglichen Lebens ausreichen. Den Parteien steht es allerdings frei, selbst Erfahrungssätze zu behaupten und unter Beweis zu stellen (ÖBl 1985, 105 - C & A; ÖBl 1992, 114 - Prioflor; MR 1987, 181 - OÖ. Rundschau). Eines solchen Beweises hätte es hier nur dann bedurft, wenn die Entscheidung bloß von der nicht gerichtsbekannten Tatsache abhinge, in welchem Ausmaß Inserate in Inseratenzeitungen üblicherweise wiederholt werden.

Die Erfahrung des Publikums, daß Werbemaßnahmen häufig wiederholt werden, erstreckt sich auch auf Anzeigen in Inseratenzeitschriften. Mit den Worten "Schon wieder 5.000 Anzeigen" hat aber die Beklagte über die üblichen Kundenerwartungen hinaus den Eindruck erweckt, daß es sich bei diesem Anbot im wesentlichen um neue Anzeigen und nicht in größerem Umfang um bloß aus Vornummern wiederholte Inserate handelt. Damit kommt es aber hier nicht darauf an, mit welchem Höchstausmaß die Leser von Inseratenzeitschriften normalerweise mit Wiederholungen von Anzeigen rechnen. Die durch die Ankündigung "Schon wieder 5.000 Anzeigen" erweckte Publikumserwartung wird jedenfalls getäuscht, wenn von den angekündigten 5.000 Inseraten - wie die Beklagte zugegeben hat - mehr als 2.000 Inserate bereits in vorangegangenen Zeitschriftennummern veröffentlicht worden waren.

Diese Täuschung trifft vor allem die nicht unbeträchtliche Anzahl von Lesern, die die betreffenden Vornummern der Zeitschrift der Beklagten schon gekauft und gelesen haben, so daß für sie die in der Zeitschrift Nr 10/92 wiederholten Inserate nicht mehr neu waren. Gerade dieser Interessentenkreis durfte die beanstandete Werbeankündigung der Beklagten dahin verstehen, daß von den angepriesenen 5.000 Inseraten, nicht mehr als 2.000 bloße Wiederholungen aus Vornummern seien.

Die beanstandete Werbeankündigung ist daher in dem vom Hauptbegehren erfaßten Sinn irreführend.

Das Interesse der Klägerin an der Richtigstellung der durch die beanstandete Werbeankündigung hervorgerufenen unrichtigen Meinung begründet den Anspruch auf Urteilsveröffentlichung allerdings nur in der Zeitschrift der Beklagten, in der die Irreführung begangen wurde. Das Veröffentlichungsmehrbegehren war daher abzuweisen.

Die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens erster Instanz gründet sich auf § 43 Abs 2 ZPO, und jene über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens auch § 50 ZPO. Die Klägerin ist trotz Umformulierung ihres Hauptbegehrens im wesentlichen durchgedrungen. Die Geltendmachung des abgewiesenen, im Verhältnis zum gesamten Streitwert geringfügigen Teiles ihres Urteilsveröffentlichungsbegehrens hat besondere Kosten nicht veranlaßt. Als Kostenbemessungsgrundlage konnte jedoch nur der Betrag von S 450.000,-- herangezogen werden.

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