OGH 4Ob98/89

OGH4Ob98/8912.9.1989

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Prof.Dr.Friedl als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Gamerith, Dr. Kodek, Dr. Redl und Dr. Graf als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei D*** AG, Zug, Poststraße 9, Schweiz, vertreten durch Dr. Wolfgang Mayr, Rechtsanwalt in Salzburg, wider die beklagte Partei C*** Handelsgesellschaft mbH, Perchtoldsdorf, Wiener Gasse 63, vertreten durch Dr. Walter Schuppich und andere Rechtsanwälte in Wien, wegen Unterlassung und Schadenersatz (Gesamtstreitwert 700.000 S; Revisionsinteresse 500.000 S), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 21. April 1989, GZ 4 R 66/89-12, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Versäumungsurteil des Handelsgerichtes Wien vom 23. Jänner 1989, GZ 19 Cg 47/88-7, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 17.317,80 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 2.886,30 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu zahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin begehrt von der Beklagten (u.a.) 500.000 S sA. Sie habe mit der W. K*** Gesellschaft mbH (im folgenden kurz: Firma K***) datumsmäßig näher bezeichnete Verträge über die Entwicklung und die Weitergabe von Informationen über die Herstellung weißer Korrekturflüssigkeiten auf Lösemittelbasis sowie auf wässriger Basis geschlossen. Darin sei festgehalten, daß die Firma K*** diese Entwicklungen ausschließlich zum eigenen Gebrauch bestelle und die Informationen nur zum ausschließlichen und direkten Gebrauch für sich selbst zum Zweck der Aufnahme einer entsprechenden Fertigung in Österreich erhalte. Die Firma K*** habe sich für einen Zeitraum von 10 Jahren nach Abschluß der jeweiligen Verträge verpflichtet, die Information streng geheim und vertraulich zu behandeln und Dritten - von ihren eigenen Angestellten abgesehen - weder entgeltlich noch unentgeltlich, weder ganz noch teilweise zugänglich zu machen. Der Geschäftsführer der Firma K***, Dkfm. Peter K***, sei vor der Eröffnung des Ausgleichsverfahrens über diese Gesellschaft bestrebt gewesen, möglichst viele Werte der Gesellschaft dem Zugriff des Masseverwalters und der Gläubiger zu entziehen und vor allem die besonders wertvolle Produktionslinie der von der Klägerin entwickelten Korrekturmittel über ein von der Insolvenz nicht betroffenes Unternehmen zu verwerten. Zu diesem Zweck habe er zwei Tage nach der Eröffnung des Ausgleichsverfahrens, nämlich am 4. Juli 1986, die Beklagte, die er allein beherrsche, gegründet. Nachdem mit 31. Oktober 1986 über die Firma K*** (nunmehr "O*** Bürobedarfsartikel Gesellschaft mbH") der Konkurs eröffnet worden war, habe die Beklagte aus der Konkursmasse den größten Teil der Produktionslinie "Korrekturmittel" erworben. Seit der Aufnahme ihrer Produktionstätigkeit, spätestens seit 1. Jänner 1987, erzeuge nun die Beklagte weiße Korrekturflüssigkeiten auf Lösemittelbasis und auf wässriger Basis exakt nach den von der Klägerin entwickelten Produktionsmethoden und Rezepten. Diese sklavische Fortführung der Herstellung solcher Flüssigkeiten nach den streng geheimzuhaltenden und ausschließlich für den Gebrauch der Firma K*** bestimmten Informationen und Rezepten der Klägerin verstoße insbesondere gegen die §§ 1, 11 und 12 UWG sowie § 1295 Abs 2 ABGB. Der Klägerin stehe daher ein Schadenersatzanspruch von mindestens 500.000 S zu, welcher sich einerseits auf eine an den Verträgen mit der Firma K*** orientierte Lizenzgebühr von insgesamt sfr 145.000, die die Firma K*** vertragsgemäß zu entrichten gehabt hätte, gründe und andererseits auf die Herausgabe der Bereicherung aus der eigenmächtigen und sittenwidrigen Verwertung des Immaterialgüterrechts der Klägerin stütze. Nachdem die Beklagte "im Hinblick auf die Unschlüssigkeit der Klage und die mangelnde Exekutionsfähigkeit des Klagebegehrens" davon Abstand genommen hatte, fristgerecht eine Klagebeantwortung zu erstatten (ON 6), erkannte das Erstgericht die Beklagte mit Versäumungsurteil schuldig, der Klägerin 500.000 S sA zu zahlen. Das Berufungsgericht bestätigte dieses Versäumungsurteil. Die Klägerin sei ihrer Verpflichtung, die rechtserzeugenden Tatsachen kurz und vollständig vorzutragen, nachgekommen: Eine genaue Beschreibung der von der Beklagten zum Nachteil der Klägerin verwendeten Rezepte sei zur Begründung der Schadenersatzforderung nicht nötig. Das Gesetz fordere nur das Vorbringen der wesentlichen Tatsachen; daß die Klägerin den gesamten Tatbestand vortrage, werde nicht verlangt. Das Vorbringen der Klägerin sei auch durch das von der Beklagten im Provisorialverfahren vorgelegte Gutachten des Sachverständigen Dipl.Ing.R*** nicht widerlegt worden. Nur Tatsachen, deren Existenz logisch zwingend die Klagebehauptungen widerlege, führten zu einem die Klage abweisenden Versäumungsurteil; auf die aus den vorliegenden Beweisen ableitbare bloße Möglichkeit der Einwendung eines Tatbestandes dispositiven Rechtes könne hingegen ein Versäumungsurteil gegen den Antragsteller nicht gegründet werden. Durch den Inhalt des erwähnten Gutachtens wurden aber die Klagebehauptungen nicht logisch zwingend widerlegt, zumal dieses Gutachten von den von der "K*** Handelsgesellschaft mbH" verwendeten Rezepturen spreche. Selbst wenn man aber davon ausginge, daß die von der Beklagten und nicht die von der K*** Handelsgesellschaft mbH verwendeten Rezepturen untersucht worden seien, könnten die Klagebehauptungen nicht als zwingend widerlegt angesehen werden, weil in dem Gutachten die Rezepturen der Klägerin mit den von der K*** Handelsgesellschaft mbH derzeit verwendeten verglichen würden, die Klägerin aber behauptet habe, daß die Beklagte spätestens seit 1. Jänner 1987 nach den von ihr, der Klägerin, entwickelten Methoden und Rezepten produziere. Für die Zeit vom 1. Jänner 1987 bis zum November 1988 (Erstellung des Gutachtens) seien die Klagebehauptungen sohin keineswegs widerlegt. Gegen dieses Urteil wendet sich die Revision der Beklagten wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, die Urteile der Vorinstanzen dahin abzuändern, daß das Klagebegehren abgewiesen werde.

Die Klägerin beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Überreicht ein Beklagter die Klagebeantwortung nicht rechtzeitig, dann hat das Gericht gemäß § 398 Abs 1 ZPO auf Antrag des Klägers ein (echtes) Versäumungsurteil nach § 396 ZPO zu fällen; dabei ist das auf den Gegenstand des Rechtsstreites bezügliche tatsächliche Vorbringen des Klägers, soweit es nicht durch die vorliegenden Beweise widerlegt wird, für wahr zu halten und auf dieser Grundlage zu erkennen. "Für wahr zu halten" sind immer nur die tatsächlichen, nicht aber rechtliche Behauptungen; solche hat der Richter auch bei Fällung eines Versäumungsurteiles nachzuprüfen und das Klagebegehren abzuweisen, wenn der vorgrbrachte Sachverhalt den geltend gemachten Anspruch nicht erzeugt (SZ 47/93 u.a.). Soll das auf Antrag des Klägers zu fällende Versäumungsurteil dem Klagebegehren stattgeben, dann muß schon die Klage alle für das Begehren notwendigen rechtserzeugenden Tatsachen enthalten; ist das Vorbringen und damit in der Folge auch die Sachgrundlage gemäß § 396 ZPO unvollständig, dann ist das Klagebegehren mangels Schlüssigkeit abzuweisen (SZ 57/69; Fasching III 621 f).

Der Ansicht der Beklagten, daß sich das geltend gemachte Zahlungsbegehren aus dem von der Klägerin behaupteten Sachverhalt nicht ableiten lasse, die Klage also unschlüssig sei, kann nicht gefolgt werden. Es trifft zwar zu, daß die Klägerin nicht ausdrücklich vorgebracht hat, daß sie tatsächlich der Firma K*** Rezepte zur Produktion weißer Korrekturflüssigkeiten zur Verfügung gestellt habe; die Klagebehauptungen können aber nur dahin verstanden werden, daß die Firma K*** sehr wohl diese Rezepte erhalten habe. Das ergibt sich zwingend aus der Klagebehauptung, daß die Beklagte die besonders wertvolle Produktionslinie der von der Klägerin entwickelten Korrekturmittel aus der Konkursmasse der Firma K*** erworben habe (S. 4) und nun exakt nach diesen Methoden produziere (S. 5). Nach § 226 Abs 1 ZPO sind die rechtserzeugenden Tatsachen in der Klage kurz und vollständig anzugeben; daraus folgt, daß das Fehlen einer ausdrücklichen Behauptung (nur) dann nicht schadet, wenn sich die betreffende Tatsache schlüssig aus dem übrigen Tatsachenvorbringen des Klägers ergibt (SZ 57/69; Fasching III 36 f). Diese Voraussetzung ist hier erfüllt.

Daß die Klägerin die Rezepte, die sie - nach ihren

Behauptungen - der Firma K*** zur Verfügung gestellt hat und die nun von der Beklagten verwendet wurden, nicht im einzelnen aufgezählt hat, schadet nicht, weil diesem Umstand für die rechtliche Beurteilung keine Bedeutung zukäme. Nach der Behauptung der Klägerin hat die Beklagte alle der Firma K*** zugänglich gemachten Rezepte verwendet; eine nähere Abgrenzung der sklavisch nachgeahmten Rezepte von anderen kam daher nicht in Frage. Ist das Klagevorbringen sohin schlüssig, dann bedarf es keiner Erörterung der Frage, ob eine lückenhaft oder unzureichend begründete Klage, welcher die für eine rechtliche Beurteilung des Begehrens erforderlichen Mindestangaben fehlen, sogleich wegen Unschlüssigkeit mit Urteil abzuweisen oder unter sinngemäßer Anwendung des § 84 Abs 3 ZPO zur Verbesserung zurückzustellen ist (vgl. Fasching LB Rz 1042).

Auch davon, daß das Tatsachenvorbringen der Klägerin durch bei der Fällung des Versäumungsurteiles vorliegende Beweise widerlegt gewesen wäre, kann keine Rede sein. Wie schon das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, geht aus dem - von der Beklagten im Provisorialverfahren vorgelegten - Gutachten des Sachverständigen Dipl.Ing.Arno R*** vom 21. November 1988, das nur die derzeit von der "K*** Handels-GesmbH, Wienergasse 63, 2380 Perchtoldsdorf, verwendeten Rezepturen" zum Gegenstand hatte, nicht hervor, daß die Beklagte auch vorher, also bei der Aufnahme ihrer Produktion, andere Rezepturen als jene der Klägerin verwendet hätte. Wie weit ein Gutachten, auf das sich die beklagte Partei (im Hauptverfahren) gar nicht berufen hat und das nicht Gegenstand von Erörterungen war, überhaupt als ein das Vorbringen der erschienenen Partei widerlegender Beweis im Sinne des § 396 ZPO gewertet werden könnte, muß daher nicht untersucht werden.

Der Revision mußte sohin ein Erfolg versagt bleiben. Der Kostenausspruch gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

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