Normen
Pensionsgesetz 1965 §19
Pensionsgesetz 1965 §19
Spruch:
Eine Formvorschrift, daß eine Erhöhung des festgesetzten Unterhaltsbetrages nur durch gerichtliches Urteil ausgesprochen, durch gerichtlichen Vergleich oder schriftlichen Vertrag vereinbart werden könne, ergibt sich aus § 19 PG. 1065 nicht. Die von dieser Gesetzesstelle geforderte Form der Schriftlichkeit der Vereinbarung bezieht sich nur auf die erstmalige Unterhaltsvereinbarung.
Entscheidung vom 16. Jänner 1968, 4 Ob 96/67.
I. Instanz: Arbeitsgericht Wien; II. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien.
Text
Hermann O., ein Mitglied des Staatsopernorchesters, war mit der Klägerin seit 21. Dezember 1922 verheiratet gewesen. Die Ehe wurde mit Urteil des Landesgerichtes für ZRS. Wien vom 25. Februar 1928, 29 Cg 46/28, aus dem alleinigen Verschulden des Ehemannes dem Bande nach getrennt. Vor dieser Ehetrennung hatten die Eheleute am 23. Februar 1928 ein notarielles Ehetrennungsübereinkommen geschlossen, wonach sich der Ehemann u. a. verpflichtete, seiner Ehefrau nach Auflösung der Ehe einen monatlichen Unterhaltsbetrag von 250 S (Alt-Schilling) zu bezahlen.
In ihrer am 18. Mai 1967 eingebrachten Klage behauptete die Klägerin, der vereinbarte Unterhaltsbetrag sei im Lauf der folgenden Jahre durch mündliche Vereinbarungen mehrfach erhöht worden, zuletzt am 1. Jänner 1955 auf 1200 S, welchen Betrag Hermann O. bis zu seinem am 7. Jänner 1960 erfolgten Ableben auch regelmäßig über die Firma W. J. R., deren offener Gesellschafter er gewesen sei, bezahlt habe. Sie habe am 30. Dezember 1965 beim Zentralbesoldungsamt die Zuerkennung eines Versorgungsgenusses im Sinne der §§ 19 und 63 des Pensionsgesetzes vom 18. November 1965, BGBl. Nr. 340/65 (PG. 1965) beantragt, doch sei ihr mit Schreiben des Zentralbesoldungsamtes vom 31. Jänner 1967 mitgeteilt worden, daß ihr ab 1. Jänner 1966 ein Versorgungsbezug von nur 220.50 S zustehe. Somit sei nur der im Notariatsakt vom 23. Februar 1928 vereinbarte Unterhaltsbetrag berücksichtigt worden, nicht aber die seit 1955 vereinbarten und auch geleisteten Unterhaltszahlungen von 1200 S monatlich. Gestützt auf die Bestimmung des § 19 und die Valorisierungsbestimmung des § 41 (3) PG. 1965 begehrt die Klägerin, die Beklagte schuldig zu erkennen, ihr einen monatlichen Versorgungsbezug von 1587 S brutto ab 1. Jänner 1966 und sohin am Ersten der darauffolgenden Monate zu bezahlen.
Die Beklagte beantragt, das Begehren abzuweisen. Gemäß § 19 (4) PG. 1965 dürfe der der früheren Ehefrau zu leistende Versorgungsbezug die Unterhaltsleistung nicht übersteigen, auf die sie gegen den verstorbenen Beamten an dessen Sterbetag Anspruch gehabt habe. Eine Erhöhung der Unterhaltsleistung sei nach § 19 (6) PG. 1965 nur dann beachtlich, wenn ein gerichtlicher Vergleich oder ein schriftlicher Vertrag hierüber vorliege.
Das Erstgericht wies das Begehren ab, das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Die vorgelegten Bestätigungen über die Bezahlung des erhöhten Unterhaltsbetrages von 1200 S stellten keinen schriftlichen Vertrag zwischen der Klägerin und ihrem nunmehr verstorbenen Ehegatten dar, es handle sich um von der Klägerin unterschriebene Bestätigungen über den monatlichen Erhalt gewisser Beträge von der Firma R. Das Gesetz verlange aber zur Beachtlichkeit von Erhöhungen der Unterhaltsverpflichtung einen schriftlichen Vertrag und nicht den Nachweis einer tatsächlichen Zahlung. Der vom § 19 (1) PG. 1965 geforderten Voraussetzung einer vor der Auflösung der Ehe schriftlich eingegangenen Verpflichtung sei zwar durch den Notariatsakt vom 23. Februar 1928 entsprochen, jedoch nicht der Bestimmung des § 19 (6) PG. 1965, wonach eine Erhöhung der Unterhaltsleistung durch gerichtlichen Vergleich oder durch schriftlichen Vertrag unbeachtlich sei, wenn zwischen dem Abschluß des Vergleiches oder des Vertrages und dem Sterbetag des Beamten nicht mindestens ein Jahr vergangen sei. Bei sinngemäßer Auslegung der Bestimmungen des § 19 (1) und (6) PG. 1965 könne nur davon ausgegangen werden, daß Erhöhungen der Unterhaltsleistungen durch gerichtliches Urteil jederzeit zu beachten seien, daß aber Erhöhung durch gerichtlichen Vergleich und durch schriftlichen Vertrag nur dann zu berücksichtigen seien, wenn der gerichtliche Vergleich oder der schriftliche Vertrag mehr als ein Jahr vor dem Sterbetag des Beamten abgeschlossen wurde.
Der Oberste Gerichtshof hob das Urteil des Berufungsgerichtes auf und verwies die Rechtssache an dieses Gericht zurück.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Eine Aktenwidrigkeit erblickt die Klägerin darin, daß ihre im Berufungsverfahren vorgebrachte Behauptung, die vorgelegten Zahlungsbestätigungen stellten im Zusammenhalt mit dem Punkt V des Notariatsaktes eine schriftliche Verpflichtungserklärung des verstorbenen Hermann O. dar, nicht protokolliert und somit vom Berufungsgericht nicht beachtet worden sei. Eine Aktenwidrigkeit läge indessen nur dann vor, wenn eine Feststellung auf einem bei der Darstellung der Beweisergebnisse unterlaufenen Irrtum beruhen würde, der aus den Streitakten selbst erkennbar wäre; sie liegt aber nicht in einer angeblich mangelhaften Protokollierung. Um einem solchen Mangel zu begegnen, hätte die Klägerin, da das Protokoll in Vollschrift aufgenommen wurde, die ihr nach § 212 (1) ZPO. zustehenden Schritte unternehmen müssen.
Die Untergerichte schließen aus der Bestimmung des § 19 (6) PG. 1965, daß Vereinbarungen über eine Unterhaltserhöhung, die länger als ein Jahr vor dem Tod des Beamten getroffen werden, nur dann beachtlich seien, wenn sie in einem gerichtlichen Vergleich oder schriftlich zustandegekommen seien.
Voraussetzung für den Anspruch der früheren Ehefrau auf den Versorgungsbezug ist, daß die Verpflichtung des Ehemannes, für den Lebensunterhalt seiner früheren Ehefrau aufzukommen oder dazu beizutragen, auf einem gerichtlichen Urteil, auf einem gerichtlichen Vergleich oder auf einer vor der Auflösung der Ehe schriftlich eingegangenen Verpflichtung beruht (§ 19 (1) PG. 1965). Diese Voraussetzung ist von der Klägerin, wie die Beklagte auch zugibt, durch den Notariatsakt vom 23. Februar 1928 erfüllt. Für die grundsätzliche und erstmalige Vereinbarung des Unterhaltes wird also eine vor der Auflösung der Ehe eingegangene schriftliche Vereinbarung gefordert. Die Meinung der beklagten Partei, aus den im § 19 (1) enthaltenen Worten "über den Anspruch auf Witwenversorgung und über das Ausmaß der Witwenversorgung" ergebe sich die Anwendbarkeit der Formvorschrift des § 19 (1) auf Unterhaltserhöhungen, ist unrichtig. Die Verweisung bezieht sich nämlich nur auf die in den §§ 14 ff. und 20 ff. PG. 1965 enthaltenen Bestimmungen über den Grund und das Ausmaß des Witwenversorgungsgenusses. Diese erstmalige Vereinbarung des Unterhaltes ist einer Erhöhung nicht gleichzuhalten. Die Vereinbarung wird daher auch dann zu einem Versorgungsbezug der früheren Ehefrau führen, wenn sie innerhalb des letzten Lebensjahres des Beamten (§ 19 (6) PG. 1965) getroffen wurde (so auch Gebetsroither - Grüner, Pensionsgesetz 1965, S. 153, Anm. 28). Eine Formvorschrift, daß eine Erhöhung des festgesetzten Unterhaltsbetrages nur durch gerichtliches Urteil ausgesprochen, durch gerichtlichen Vergleich oder schriftlichen Vertrag vereinbart werden könne, ergibt sich aus der Bestimmung des Abs. 1 § 19 PG. 1965 nicht. Die von dieser Gesetzesstelle geforderte Form der Schriftlichkeit der Vereinbarung bezieht sich nur auf die erstmalige Unterhaltsvereinbarung.
Mit der Erhöhung der nach § 19 (1) PG. 1965 erstmalig festgesetzten Unterhaltsleistung beschäftigt sich der Absatz 6 dieser Bestimmung, der lautet: "Eine Erhöhung der Unterhaltsleistungen durch gerichtlichen Vergleich oder durch schriftlichen Vertrag ist unbeachtlich, wenn zwischen dem Abschluß des Vergleiches oder des Vertrages und dem Sterbetag des Beamten nicht mindestens ein Jahr vergangen ist." Diese Gesetzesstelle regelt den Fall, daß eine Erhöhung während des letzten Lebensjahres des Beamten vereinbart wurde. Aus ihrem Wortlaut ergibt sich nur, daß die Erhöhung unbeachtlich sein soll, wenn sie innerhalb des letzten Lebensjahres des Beamten vereinbart worden ist, dies selbst dann, wenn sie unter Einhaltung der der Beweissicherung dienenden Form des § 19 (1) PG. 1965, den Fall des gerichtlichen Urteiles ausgenommen, vereinbart wurde. Dieser Gesetzesstelle ist aber nicht zu entnehmen, daß bei einer Erhöhung der in der vorgeschriebenen Form begrundeten Unterhaltsverpflichtung in der Zeit vor dem Beginn des letzten Lebensjahres des Beamten dieselbe Form eingehalten werden müßte. Hätte der Gesetzgeber beabsichtigt, so wie für die Begründung der Unterhaltsverpflichtung auch für die Erhöhung der Unterhaltsleistung die Einhaltung der schriftlichen Form zu fordern, hätte er dies ausdrücklich anordnen müssen.
Gerade für die Zeit vor dem Wirksamkeitsbeginn des Pensionsgesetzes 1965 würde eine ausdehnende Auslegung des § 19 (1) PG. 1965, wie sie die Untergerichte im Auge haben, zu unverständlichen Härten führen, da der Wortlaut des Pensionsgesetzes 1965 bis zu dessen Verlautbarung den Pensionsparteien nicht bekannt war. Die frühere Ehefrau, die die durch die Währungsabwertung erforderlich gewordene Erhöhung der ihr zustehenden Unterhaltsleistung stets auf Grund mündlicher Vereinbarung und ohne Inanspruchnahme des Gerichtes erreichen konnte, wäre ohne ersichtlichen Grund schlechter gestellt als eine frühere Ehefrau, die immer wieder auf schriftliche Vereinbarung gedrängt hat, wenn sie glaubte, eine höhere Unterhaltsleistung fordern zu können.
Es ist verständlich, daß der Gesetzgeber für die erste Begründung des Unterhaltsanspruches besondere Formerfordernisse aufgestellt hat. Die Sicherung der Beweisgrundlage erforderte diese Vorsichtsmaßnahme, wie auch der § 258 (4) ASVG. eine vor Auflösung der Ehe vertraglich, wenn auch nicht in Schriftform, eingegangene Verpflichtung verlangt (vgl. auch SSV VI 116, V 26, IV 61, III 161; Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu § 19 PG. 1965 liegt nicht vor).
Einen anderen Zweck aber verfolgt die Bestimmung des § 19 (6) PG. 1965. Durch sie soll verhindert werden, daß etwa im Fall einer schweren Erkrankung oder einer Todeskrankheit des Beamten der früheren Ehefrau durch eine nur dem Parteiwillen unterliegende Vereinbarung ein höherer Pensionsanspruch verschafft werde als jener, der ihr auf Grund der bisherigen Rechtslage zugekommen wäre. Mit Rücksicht auf die wenig glückliche Fassung dieser Gesetzesbestimmung wird allerdings dieser Zweck nicht in jedem Fall erreicht werden können. Der Fall eines gerichtlichen Urteiles wird in dieser Gesetzesstelle nicht genannt, woraus in Übereinstimmung mit den Vorinstanzen geschlossen werden kann, daß eine Erhöhung der Unterhaltsleistung durch gerichtliches Urteil noch im letzten Lebensjahr zu einem erhöhten Versorgungsgenuß führen kann. Dabei wurde offenbar nicht bedacht, daß eine sich zum Nachteil der Republik Österreich auswirkende Erhöhung der Unterhaltsleistung auch durch ein Anerkenntnis- oder Versäumungsurteil erreicht werden könnte. Daß diese Gesetzesbestimmung aber auch den Zweck verfolge, die Beweisgrundlage für eine bereits vor Beginn des letzten Lebensjahres vereinbarte Erhöhung der Unterhaltsleistung zu sichern, läßt sich ihrem Wortlaut nicht entnehmen.
Es war Absicht des Gesetzgebers, die die früheren Ehefrauen treffende Härte zu beseitigen, die bisher keinen Pensionsanspruch nach ihrem verstorbenen Mann hatten, obwohl sie ihm gegenüber bis zu seinem Tod einen Unterhaltsanspruch besessen hatten. Die unterhaltsberechtigte frühere Ehefrau sollte durch den Tod des geschiedenen Mannes in ihrer Lebenshaltung keine Veränderung erfahren (878 der Beilagen zu den stenographischen Protokollen des Nationalrates X. GP.). Es konnte daher nicht die Absicht des Gesetzgebers gewesen sein, diesen von ihm angestrebten Erfolg mehr oder weniger dem Zufall zu überlassen, nämlich, ob sich die Ehefrau, deren Anspruch in der vom Gesetz vorgeschriebenen Form begrundet worden war, die Erhöhung der den Lebenserfordernissen nicht mehr entsprechenden Unterhaltsleistungen hatte schriftlich geben oder nur mündlich versprechen lassen.
Nach dem Klagsvorbringen, dessen Richtigkeit noch zu überprüfen sein wird, wurde von den geschiedenen Ehegatten eine Erhöhung mündlich vereinbart. Da eine derartige Vereinbarung an keine besondere Form gebunden ist, könnte die frühere Ehefrau in diesem Fall einen Anspruch auf die erhöhte Unterhaltsleistung gegenüber ihrem Ehemann erworben haben. Der Meinung der Vorinstanzen, eine Erhöhung der Unterhaltsleistung könne nur bei Einhaltung der Schriftform beachtet werden, kann daher nicht gefolgt werden.
Da das Berufungsgericht, von seiner unrichtigen rechtlichen Beurteilung ausgehend, über die von der Klägerin behauptete Tatsache, zwischen ihr und ihrem geschiedenen Ehemann seinen mündliche Verträge über die Erhöhung ihrer Unterhaltsleistung abgeschlossen worden, keine Feststellungen getroffen hat, mußte das angefochtene Urteil aufgehoben und die Rechtssache zur ergänzenden Verhandlung und neuerlichen Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden.
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