European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:0040OB00096.18Y.0529.000
Spruch:
Der außerordentliche Revisionsrekurs wird gemäß §§ 78, 402 Abs 4 EO iVm § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
1. Der Kläger und die Erstbeklagte betreiben Rechtsanwaltskanzleien und wenden sich mit ihrem Beratungs- und Vertretungsangebot auch an chinesische Mandanten, insbesondere an in Österreich tätige chinesische Unternehmen. Zu diesem Zweck unterhält der Kläger in seiner Kanzlei eine „China‑Abteilung“ und die Erstbeklagte einen „China‑Desk“, der von der Drittbeklagten, einer Rechtsanwaltsanwärterin der Erstbeklagten, geleitet wird. Der Zweitbeklagte ist geschäftsführender Gesellschafter der Erstbeklagten. Am 27. 6. 2017 nahmen der Zweit- und die Drittbeklagte an einer Veranstaltung der „Vereinigung der chinesischen Unternehmen in Österreich“ teil. Dabei verteilte die Drittbeklagte von der Erstbeklagten für sie ausgestellten deutsch- sowie chinesischsprachige Kanzleivisitenkarten. Auf den chinesischsprachigen Visitenkarten wurden zusätzlich zum Namen der Drittbeklagten die chinesischen Schriftzeichen für das Wort „Lüshi“ angeführt; dieser Begriff steht für „Rechtsanwalt“ bzw „Rechtsanwältin“. Die von den Beklagten (nach Zustellung der Klage) abgegebene Unterlassungserklärung, die mit einem Angebot zum Abschluss eines Vergleichs verbunden ist, erstreckt sich nicht auf das Veröffentlichungsbegehren. Stattdessen verpflichtet sich die Drittbeklagte, in einer E-Mail an fünf von ihr angeführte Personen mitzuteilen, dass in ihrer in chinesischer Sprache gehaltenen Visitenkarte ihre Befugnis als Rechtsanwaltsanwärterin/Associate mit dem Begriff [Lüshi] übersetzt worden sei, sie in der Kanzlei der Erstbeklagten tatsächlich Head of China Desk und nach den Bestimmungen der Rechtsanwaltsordnung nur in beschränktem Umfang zur Vertretung vor Gericht und Behörden berechtigt sei, sowie dass ein entsprechender chinesischer Begriff fehle, weil die Ausbildung für Anwälte in China völlig anders als in Österreich oder Deutschland sei; sie ersuche, diesen Umstand bei der weiteren Berücksichtigung ihrer Visitenkarte zu beachten.
Zur Sicherung seines inhaltsgleichen – auf einen Verstoß gegen § 1 Abs 1 Z 1 und § 1 Abs 3 Z 2 UWG gestützten – Unterlassungsbegehrens beantragte der Kläger, den Beklagten mit einstweiliger Verfügung zu verbieten, die Drittbeklagte als „Rechtsanwältin“ („Lüshi“) zu bezeichnen und Visitenkarten der Erstbeklagten herzustellen und/oder zu verwenden, auf denen die Drittbeklagte als „Rechtsanwältin“ („Lüshi“) ausgewiesen ist.
Das Erstgericht wies das Sicherungsbegehren ab, weil die von den Beklagten angebotene Unterlassungserklärung vollständig dem Begehren des Provisorialantrags entspreche. Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Klägers teilweise Folge und erließ die beantragte einstweilige Verfügung gegen die Erst- und die Drittbeklagte; in Ansehung des Zweitbeklagten bestätigte es die abweisende Entscheidung des Erstgerichts. Die Anmaßung der unrichtigen Berufsbezeichnung der Drittbeklagten sei sowohl als Rechtsbruch gesetzwidrig als auch irreführend. Der Drittbeklagten habe der – den Vorwurf gesetzwidrigen Verhaltens begründenden – Sachverhalt bekannt sein müssen. Die angebotene Unterlassungserklärung lasse keinen ernsthaften Sinneswandel der Erst- und Drittbeklagten erkennen. Weiters sprach das Rekursgericht aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei.
2. Die Erst- und Drittbeklagten führen in ihrem außerordentlichen Revisionsrekurs aus, dass keine Gefährdungslage bestehe, weil nicht bescheinigt worden sei, dass der chinesischsprachige Begriff „Lüshi“ für die Drittbeklagte in Österreich verwendet werde. Die Drittbeklagte treffe zudem kein Verschulden, weil sie sich auf die Vorarbeiten der Marketingabteilung der Erstbeklagten habe verlassen können. Entgegen der Ansicht des Rekursgerichts habe der Kläger das Veröffentlichungsbegehren eingeschränkt und den Beklagten die Möglichkeit des Widerrufs eingeräumt. Für die Beurteilung des Veröffentlichungsinteresses kämen nur vier fremde Personen in Frage; dabei handle es sich um einen kleinen Personenkreis, weshalb kein Veröffentlichungsinteresse bestehe.
Rechtliche Beurteilung
Damit zeigen die Erst- und Drittbeklagten keine erhebliche Rechtsfrage auf.
3.1 Das Rekursgericht hat die Rechtsgrundsätze zu den behaupteten Lauterkeitsverstößen nach § 1 Abs 1 Z 1 und § 1 Abs 3 Z 2 UWG iVm § 2 Abs 1 Z 6 UWG, weiters zur Passivlegitimation von Gehilfen sowie zum Wegfall der Wiederholungsgefahr umfassend und zutreffend dargelegt. Diesen Ausführungen treten auch die Erst- und Drittbeklagten nicht entgegen.
3.2 Zur Verwendung des chinesischsprachigen Begriffs „Lüshi“ in Österreich übersehen die Erst- und Drittbeklagten, dass die Drittbeklagte die hier inkriminierten chinesischsprachigen Visitenkarten bei der in Rede stehenden Veranstaltung der „Vereinigung der chinesischen Unternehmen in Österreich“ verteilte. Diese Veranstaltung zielte auf die Teilnahme der Vertreter chinesischer Unternehmen sowie des offiziellen Chinas in Österreich ab. Da die Rechtsanwaltskanzlei der Erstbeklagten – so wie jene des Klägers – mit ihrem Beratungs- und Vertretungsangebot speziell chinesische Unternehmen ansprechen will und zu diesem Zweck einen – von der Drittbeklagten geleiteten – „China‑Desk“ eingerichtet hat, sollte das Verteilen der Visitenkarten dazu dienen, chinesische Mandanten, die in Österreich tätig sind oder in Rechtsbeziehungen zu österreichischen Geschäftspartnern stehen, zu gewinnen. Um sich mit dem rechtsanwaltschaftlichen Angebot speziell an chinesische Mandanten richten zu können, ist vor allem die Kenntnis der chinesischen Sprache, aber auch – zumindest in Grundzügen – des chinesischen Rechtssystems vorausgesetzt. Die Kommunikation mit den chinesischen Mandanten in chinesischer Sprache ist ein zentrales Leistungsmerkmal für eine auf diesem Markt spezialisierte Rechtsanwaltskanzlei. Gerade zu diesem Zweck wurden die chinesischsprachigen Visitenkarten der Drittbeklagten mit dem inkriminierten Begriff „Lüshi“ hergestellt und verteilt. Entgegen den Überlegungen der Erst- und Drittbeklagten wurden diese Visitenkarten im Kontakt mit angeworbenen chinesischsprachigen Klienten in Österreich für eine Beratung bzw Vertretung in Österreich bzw mit Bezug zu Österreich verwendet.
Die von den Erst- und Drittbeklagten aufgeworfene Frage nach einem Übersetzungsproblem stellt sich nicht, weil – worauf die Erst- und Drittbeklagten selbst hinweisen – die Visitenkarten von einer chinesischsprachigen Mitarbeiterin der Erstbeklagten erstellt wurden.
3.3 Zur Passivlegitimation der Drittbeklagten ergibt sich, dass diese Chinesisch spricht und sich als Leiterin des „China‑Desk“ der erstbeklagten Rechtsanwaltskanzlei speziell an chinesische Klienten wendet. Davon ausgehend ist die Beurteilung des Rekursgerichts, dass der Drittbeklagten der den lauterkeitsrechtlichen Vorwurf begründende Sachverhalt aufgrund ihrer Sprachkenntnisse vorwerfbar bekannt sein musste und sie daher in der Lage war, die unrichtige Berufsbezeichnung festzustellen, weshalb ihr die Täuschung der Empfänger der chinesischsprachigen Visitenkarten über ihre anwaltlichen Befugnisse bewusst war, nicht korrekturbedürftig.
3.4 Bei der Frage, ob durch einen vom Beklagten angebotenen Unterlassungsvergleich der Anspruch auf Urteilsveröffentlichung in ausreichendem Maß anerkannt wird, handelt es sich um nur einen Aspekt für die Beurteilung des Wegfalls der Wiederholungsgefahr, die typisch von den Umständen des Einzelfalls abhängt (RIS‑Justiz RS0042721 [T6]; RS0012087 [T5]).
Das Rekursgericht hat zwar zunächst den von den Beklagten anerkannten Veröffentlichungsanspruch geprüft und dazu ausgeführt, dass auch der von der Drittbeklagten angebotene Widerruf keine Sicherheit dafür biete, dass die beanstandeten Visitenkarten nicht in andere Hände als in jene der in der Unterlassungserklärung genannten Personen gekommen seien. Zusätzlich hat es seine Beurteilung jedoch darauf gestützt, dass die Erst- und Drittbeklagten auch sonst den Standpunkt des Klägers nicht vorbehaltlos anerkannt hätten und die Unterlassungserklärung dem Kläger nicht alles geboten habe, was er urteilsmäßig erwirken könne, sowie dass das Verhalten der Beklagten zwiespältig geblieben und ein ernsthafter Sinneswandel nicht erkennbar sei. Diesen zusätzlichen Schlussfolgerungen des Rekursgerichts treten die Erst- und Drittbeklagten nicht entgegen.
Der im gegebenen Zusammenhang behaupteten Aktenwidrigkeit kommt keine Bedeutung zu; davon abgesehen hat sich das Rekursgericht nicht auf die Beilage ./D gestützt (vgl RIS‑Justiz RS0043284).
4. Insgesamt gelingt es den Erst- und Drittbeklagten mit ihren Ausführungen nicht, eine erhebliche Rechtsfrage aufzuzeigen. Der außerordentliche Revisionsrekurs war daher zurückzuweisen.
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