OGH 4Ob88/82

OGH4Ob88/8210.5.1983

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Scheiderbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Friedl, Dr. Resch, Dr. Kuderna und Dr. Gamerith als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Rosalia D*****, vertreten durch Dr. Georg Grießer, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Republik Österreich (Österreichischer Bundestheaterverband), 1010 Wien, Goethegasse 1, vertreten durch die Finanzprokuratur in Wien, wegen 152.411 S brutto sA, infolge Rekurses der klagenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgerichtes in arbeitsgerichtl. Rechtsstreitigkeiten vom 17. Dezember 1981, GZ 44 Cg 117/81-16, womit aus Anlass der Berufung der klagenden Partei gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Wien vom 26. März 1981, GZ 4 Cr 1657/80-5, dieses Urteil und das diesem vorangegangene Verfahren ab Klagszustellung als nichtig behoben und die Klage zurückgewiesen wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben; die Rechtssache wird zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Die Rekurskosten sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Mit der am 6. 11. 1980 beim Erstgericht eingelangten Klage begehrte die Klägerin die Feststellung, dass die von der klagenden Partei (richtig: von der beklagten Partei) mit Schreiben vom 30. 9. 1980 ausgesprochene vorzeitige Beendigung ihres Dienstverhältnisses unwirksam sei und das Dienstverhältnis über diesen Zeitpunkt hinaus aufrecht fortbestehe sowie die Zahlung eines Betrags von 11.877 S brutto als den aus dem aufrechten Dienstverhältnis fälligen Gehaltsbezug für Oktober 1980. Sie brachte vor, die Entlassung sei gemäß § 18 des anzuwendenden Bühnenkollektivvertrags unbegründet. Zur Begründung der Zuständigkeit des Arbeitsgerichts führte die Klägerin aus, dass trotz Punkt 10 des am 9. 6. 1975 schriftlich abgeschlossenen Dienstvertrags eine Schiedsgerichtsvereinbarung zwischen den Parteien nicht wirksam zustandegekommen sei. Die Beklagte beantragte, die Klage wegen Unzuständigkeit des Arbeitsgerichts zurückzuweisen. Laut Punkt 11. des zwischen den Streitteilen abgeschlossenen Dienstvertrags sei für alle Streitigkeiten aus dem Vertrag die ausschließliche Zuständigkeit der im einschlägigen Kollektivvertrag vereinbarten Gerichtsbarkeit ausbedungen gewesen. Zuständig sei demnach das Bühnenschiedsgericht Wien 9., Maria Theresien-Straße 11. Darüber hinaus bestritt die Beklagte das Klagsvorbringen und beantragte die Abweisung des Klagebegehrens.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es bejahte aufgrund der von ihm getroffenen Feststellungen zwar das Zustandekommen einer ausdrücklichen schriftlichen Schiedsgerichtsvereinbarung zwischen den Parteien, vermeinte aber, dass im Kollektivvertrag nur ein Schlichtungsverfahren vorgesehen sei, dessen Nichtdurchführung kein Prozesshindernis darstelle, sondern bloß den Mangel der Klagbarkeit des Anspruchs. Demzufolge wies es das Klagebegehren wegen mangelnder Klagbarkeit des Anspruchs ab.

Im Berufungsverfahren ließ die Klägerin in der Tagsatzung zur mündlichen Berufungsverhandlung vom 28. 9. 1981 das Feststellungsbegehren fallen und dehnte das Leistungsbegehren auf insgesamt 152.411 S brutto samt 4 % Zinsen ab 1. 10. 1981 aus. Mit dem angefochtenen Beschluss hob das Berufungsgericht aus Anlass der Berufung der Klägerin und über Unzuständigkeitseinrede der Beklagten das Urteil des Erstgerichts und das diesem vorangegangene Verfahren als nichtig auf und wies die Klage zurück. Das Berufungsgericht verhandelte die Streitsache gemäß § 25 Abs 1 Z 3 ArbGG von neuem und stellte folgenden Sachverhalt fest:

Die Klägerin schloss mit dem Österreichischen Bundestheaterverband am 9. 6. 1975 einen schriftlichen Dienstvertrag für den Zeitraum von 1. 9. 1975 bis 31. 8. 1977. Der Vertrag wurde von der Klägerin sowie vom Generalsekretär des Österreichischen Bundestheaterverbands, Jungbluth, unterzeichnet. Am 24. 6. 1977 schlossen der Österreichische Bundestheaterverband und die Klägerin („Mitglied" genannt) einen - als solchen bezeichneten - Bühnendienstvertrag mit der Vertragsdauer vom 1. 9. 1977 bis 31. 8. 1979. Die Punkte 11 bis 15 dieses Vertrags lauten:

11. Die Vertragsteile vereinbaren für alle Streitigkeiten aus dem Vertrag die ausschließliche Zuständigkeit der im einschlägigen Kollektivvertrag vereinbarten Schiedsgerichtsbarkeit und die Anwendung österreichischen Rechtes.

12. In allen übrigen belangen finden auf diesen Vertrag die Bestimmungen des Österreichischen Schauspielergesetzes vom 13. Juli 1922, BGBl Nr 441, Anwendung, sofern nicht durch Vereinbarung mit kollektivvertraglicher Wirkung eine andere nach dem angeführten Gesetz zulässige Regelung getroffen ist oder wird. Ferner gilt die Dienstordnung für die Mitglieder der Bundestheater.

13. Das Mitglied bestätigt die Übernahme eines Exemplares oder Allgemeinen Engagementbedingungen, welche einen wesentlichen Bestandteil des Vertrages bilden, sowie jene eines Exemplares des einschlägigen Kollektivvertrages für das künstlerische Personal und die Dienstordnung für die Mitglieder der Bundestheater.

14. Der Vertrag wird mit der Unterzeichnung durch den Österreichischen Bundestheaterverband und das Mitglied rechtswirksam. Mit Beginn dieses Vertrages erlöschen alle früheren vertraglichen Abmachungen.

15. Dieser Vertrag ist nur in jenen Zeiträumen rechtswirksam, für die dem Österreichischen Bundestheaterverband eine Beschäftigungsbewilligung für den Dienstnehmer gemäß dem Ausländerbeschäftigungsgesetz BGBl Nr 218/1975 erteilt wird und in denen diese Beschäftigungsbewilligung beim Österreichischen Bundestheaterverband vorliegt.

Dieser Vertrag ist von der Klägerin als Mitglied und für den Österreichischen Bundestheaterverband vom Generalsekretär J***** unterfertigt.

Der auf das Dienstverhältnis der Klägerin anzuwendende, sohin der „einschlägige" Kollektivvertrag ist der vom 25. 4. 1960 in der geltenden Fassung, abgeschlossen zwischen dem Wiener Theaterdirektorenverband und dem Österreichischen Gewerkschaftsbund, Gewerkschaft Kunst und Freie Berufe, Sektion Bühnenangehörige, der am 1. 5. 1960 in Kraft trat. In der Präambel dieses Kollektivvertrags I lautet es weiters: „Besonders gelagerte Umstände der Bundestheater werden in einem Zusatzabkommen zu diesem Kollektivvertrag zwischen der Gewerkschaft und der Bundestheaterverwaltung geregelt". Der Kollektivvertrag regelt gemäß § 1 (Geltungsbereich) die gegenseitigen Recht und Pflichten die aus dem Dienstverhältnis der Personen entspringen, welche als bestellte und stellvertretende künstlerische Leiter, Regisseure, Ballettmeister, Bühnenbildner ... etc (Mitglieder) zur Leistung künstlerischer Dienste bei einem Theaterunternehmer beschäftigt sind, der dem eingangs erwähnten Direktorenverband angehört. § 5 des Kollektivvertrags (Schiedsgericht) bestimmt in seinem Absatz 1, dass während der Geltungsdauer dieses Kollektivvertrags und bis drei Monate nach dessen Ablauf alle aus diesem Kollektivvertrag sowie aus allen abgeschlossenen Bühnendienstverträgen und sonstigen Engagement- und Gastspielverhältnissen jederart entstehenden Streitigkeiten unter Ausschluss des ordentlichen Rechtswegs ausschließlich durch ein Schiedsgericht, das zur Entscheidung dieser Streitigkeiten errichtet wird, entschieden werden. Die Zuständigkeit des Schiedsgerichts besteht noch drei Monate nach Ablauf des Einzeldienstvertrags ...

§ 14 (Dauer und Beendigung des Bühnendienstvertrags) Absätze 2 und 3 des Kollektivvertrags lauten:

„2.) Bühnendienstverhältnisse, welche für eine bestimmte Zeit geschlossen wurden, enden mit Ablauf der Zeit, für die sie eingegangen sind.

3. Ein für bestimmte Zeit und mindestens für eine Saison abgeschlossenes Bühnendienstverhältnis verlängert sich jedoch zu den bisherigen Bestimmungen und um dieselbe Vertragsdauer, falls nicht das Mitglied bis spätestens 31. Jänner des Jahres, in welchem der Vertrag endet, mittels eingeschriebenen Briefes eine Verständigung seitens des Theaterunternehmens erhält, dass die Fortsetzung des Bühnendienstvertrags nicht mehr in Frage kommt. Das Mitglied muss, falls es nicht mit einer Verlängerung des Bühnendienstvertrags einverstanden ist, dies dem Theaterunternehmer bis spätestens 15. Februar des Jahres, in welchem der Vertrag endet, bekanntgegeben. Dies gilt auch für die folgenden Jahre. Die Verständigung gilt als rechtzeitig erfolgt, wenn das diesbezügliche Schreiben spätestens am 31. Jänner bzw 15. Februar eingeschrieben zur Post aufgegeben wurde."

Demnach endete der Bühnendienstvertrag Beilage 1 nicht mit dem 31. August 1979, sondern verlängerte sich zu den bisherigen Bestimmungen und um dieselbe Vertragsdauer, sohin bis 31. August 1981. Einen anderen, das künstlerische Personal der Theater erfassenden Kollektivvertrag gibt es nicht.

Der Österreichische Bundestheaterverband gehört dem Wiener Theaterdirektorenverband an.

Mit Erlass des Bundesministeriums für Unterricht und Kunst vom 10. 5. 1971 wurde die Bundestheaterverwaltung einschließlich der von ihr verwalteten Theater in den Österreichischen Bundestheaterverband umgewandelt. Die Leitung des Österreichischen Bundestheaterverbands wurde den Direktoren des Burgtheaters, der Staatsoper, dem Direktor für kulturelle Angelegenheiten und dem Generalsekretär übertragen (§ 1). Der Erlass weist jedem der vier Direktoren und dem Generalsekretär einen selbständigen Aufgabenbereich zu. Aus den den Generalsekretär betreffenden Bestimmungen (§§ 11 ff) ist erkennbar, dass die nicht in den selbständigen Wirkungsbereich der Direktoren fallenden Agenden dem Generalsekretär zukommen sollen. Gemäß § 16 des Erlasses fallen in seine Zuständigkeit insbesondere Verhandlungen und Abschluss von Kollektivverträgen, alle Kollektivvertrags- und Besoldungsangelegenheiten für die Gruppen des künstlerischen Personals, die zentrale Werkstättenverwaltung und anderes. Die Klägerin war in der Dekorationswerkstätte beschäftigt, die unbestritten dem Generalsekretariat des Österreichischen Bundestheaterverbandes untersteht.

Rechtlich vertrat das Berufungsgericht die Auffassung, zwischen den Streitteilen liege eine gültige Schiedsgerichtsvereinbarung vor. Zum Einwand der Berufung, dass nach dem Kollektivvertrag die Zuständigkeit des Schiedsgerichts noch drei Monate nach Ablauf des Einzeldienstvertrags bestehe, im Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung am 20. 3. 1981 daher auf keinen Fall mehr gegeben gewesen sei, sei festzuhalten, dass maßgebend für die Zuständigkeit bzw Unzuständigkeit des Arbeitgerichts der Sachverhalt zur Zeit der Klagseinbringung nicht aber jeder bei Schluss der Verhandlung sei. Es liege demnach die sachliche Unzuständigkeit des Arbeitsgerichts vor, die in jeder Lage des Verfahrens wahrzunehmen sei.

Gegen diesen Beschluss richtet sich der Rekurs der Klägerin, mit dem Antrag, den Beschluss des Berufungsgericht aufzuheben und diesem eine meritorische Entscheidung aufzutragen.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist gerechtfertigt.

Gemäß Punkt 11 des Dienstvertrags vom 22. 6. 1977 (gleichlautend mit Punkt 10 des Dienstvertrags vom 9. 6. 1975) vereinbaren die Vertragsteile für alle Streitigkeiten aus dem Vertrag die ausschließliche Zuständigkeit der im einschlägigen Kollektivvertrag vereinbarten Schiedsgerichtsbarkeit und die Anwendung österreichischen Rechts. Die Parteien haben also nicht etwa nur die Zuständigkeit des in diesem Kollektivvertrag vorgesehenen Schiedsgerichts, sondern die darin vereinbarte Schiedsgerichtsbarkeit vereinbart. Daraus ergibt sich, dass alle diesbezüglichen Bestimmungen des Kollektivvertrags angewendet werden sollten und damit auch die im § 5 Abs 1 des Kollektivvertrags vorgesehene zeitliche Beschränkung der Zuständigkeit dieses Schiedsgerichts. Nach dieser Bestimmung besteht aber die Zuständigkeit des Schiedsgerichts noch drei Monate nach Ablauf des Einzeldienstvertrags. Damit ist klargestellt, dass nach Ablauf dieser drei Monate eine Zuständigkeit des Schiedsgerichts nicht mehr gegeben ist und die Schiedsgerichtsklausel daher der Anrufung der Gerichte nicht mehr entgegensteht.

Dem Berufungsgericht kann nun nicht beigepflichtet werden, dass die Unzuständigkeit des Gerichts auch dann noch wahrzunehmen ist, wenn sie während des Verfahrens noch vor der Entscheidung des Gerichts wegfällt. Wohl müssen die Prozessvoraussetzungen in jeder Lage des Verfahrens gegeben sein. Ihr früheres Fehlen wird jedoch unbeachtlich, wenn ihr Vorliegen wenigstens noch im Laufe des unrichtigerweise trotz ihres Fehlens eingeleiteten Verfahrens eintritt (Fasching I 224). Daher kann eine Klage nicht mehr wegen Unzuständigkeit des Gerichts zurückgewiesen werden, wenn im Zeitpunkt der Entscheidung über die Unzuständigkeitseinrede die im Zeitpunkt der Einbringung der Klage noch fehlende Voraussetzung für die Begründung der Zuständigkeit inzwischen eingetreten ist (JBl 1975, 101; RSpr 1926/5 mit zustimmender Besprechung von Wahle; RZ 1956, 140; ZBl 1917/302). Insoweit kann die von Stanzl (arbeitsgerichtliches Verfahren 119) und der Entscheidung Arb 8028 vertretene Ansicht, es sei für die Entscheidung über die Unzuständigkeit immer der Sachverhalt zur Zeit der Klagseinbringung maßgebend, nicht uneingeschränkt geteilt werden.

Im Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht (17. 12. 1981) war aber der Dienstvertrag der Klägerin bereits mehr als drei Monate abgelaufen und zwar unabhängig davon, ob man vom vertraglichen Ende (31. 8. 1981) oder vom Zeitpunkt der Entlassung der Klägerin (30. 9. 1980) ausgeht. Damit war aber trotz der ursprünglichen vielleicht vorhanden gewesenen sachlichen Unzuständigkeit der Gerichte wegen Wegfall der Möglichkeit, das allenfalls vereinbarte Schiedsgericht anzurufen, nunmehr die Zuständigkeit der Arbeitsgerichte gegeben und eine Nichtigerklärung des Verfahrens und Zurückweisung der Klage nicht mehr zulässig. Es bedarf damit keiner Prüfung der Frage, ob überhaupt ein gültiger Schiedsvertrag vorlag.

In Stattgebung des Rekurses war daher der angefochtene Beschluss aufzuheben und die Rechtssache war zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Der Ausspruch über die Rekurskosten gründet sich auf § 52 ZPO.

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