Spruch:
Zuständigkeit des Arbeitsgerichtes im Falle der Schuldübernahme einer Lohnforderung, der ordentlichen Gerichte bei bloßem Schuldbeitritt.
Entscheidung vom 6. September 1955, 4 Ob 86/55.
I. Instanz: Arbeitsgericht Bad Ischl; II. Instanz: Kreisgericht Wels
Text
Der Kläger behauptet, eine Lohnforderung gegen die I.-GesmbH. zu besitzen. Die Beklagte und ihr Mitgesellschafter Karl W. haben ihren Gesellschaftsanteil an Franz E. und Johann E. übertragen. Bei dieser Gelegenheit verpflichtete sich die Beklagte gegenüber Johann E., daß sie für die Lohnansprüche des Klägers voll aufkommen werde.
Das Kreisgericht Wels wies die beim Arbeitsgericht Bad Ischl eingebrachte Klage wegen sachlicher Unzuständigkeit zurück. Die Beklagte habe ihren Geschäftsanteil auf Johann E. übertragen und sich diesem gegenüber verpflichtet, für die Forderung des Klägers aufzukommen. Nach diesem Vorbringen sei die Zuständigkeit des Arbeitsgerichtes für die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreites nicht gegeben. Denn dieses sei nach § 1 ArbGerG. nur für bürgerliche Rechtsstreitigkeiten zwischen Unternehmern und Beschäftigten aus einem Arbeitsverhältnisse und aus dessen Nachwirkungen zuständig, dies auch dann, wenn der Rechtsstreit durch einen Rechtsnachfolger geführt werde (Abs. 2). Nun sei aber die Beklagte nie Unternehmerin gewesen, was aus § 61 GesmbHG. eindeutig hervorgehe; Unternehmer und Beschäftigungsgeber sei nur die GesmbH. allein, ebensowenig sei die Beklagte Rechtsnachfolgerin dieser GesmbH. Klagegrund sei eine Vereinbarung zwischen der Beklagten als der ausscheidenden Gesellschafterin mit dem an ihre Stelle in die Gesellschaft eingetretenen neuen Gesellschafter. Hiedurch sei die Beklagte weder Rechtsnachfolgerin der Gesellschaft geworden, noch sei dadurch ein arbeitnehmerähnliches Verhältnis zwischen ihr und dem Kläger begrundet worden. Ebensowenig sei diese Vereinbarung eine Auswirkung des Beschäftigungsverhältnisses, da ein solches zwischen den Streitteilen nie bestanden habe.
Der Oberste Gerichtshof trug dem Berufungsgericht die sachliche Erledigung der Berufung auf.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Dem Kläger muß zugestimmt werden, wenn er den Beschluß des Rekursgerichtes als materiell verfehlt bezeichnet. Als Klagegrund macht der Kläger gegenüber der Beklagten die Übernahme einer Schuld der I.-GesmbH. aus einem Arbeitsverhältnis mit dem Kläger durch die Beklagte geltend. Dieses Vorbringen läßt offen, ob es sich um einen Schuldbeitritt (§ 1404 ABGB.) oder um eine Schuldübernahme (§ 1405 ABGB.) handelt. Dies schadet aber nicht, weil das Vorbringen jedenfalls auch die Schuldübernahme (§ 1405 ABGB.) begreift. Für den Fall der Schuldübernahme besteht aber gegenüber dem Rechtsnachfolger die arbeitsgerichtliche Zuständigkeit (§ 1 Abs. 2 ArbGerG.). Bei einem bloßen Schuldbeitritt wäre allerdings nach dem klaren Wortlaut des Gesetzes (arg. "Rechtsnachfolger" in § 1 Abs. 2, 1. Fall ArbGerG.) die arbeitsgerichtliche Zuständigkeit nicht gegeben. Dieser Unterschied zwischen Schuldübernahme und Schuldbeitritt hinsichtlich der arbeitsgerichtlichen Zuständigkeit ist auch begrundet, weil gerade wegen des Schuldbeitrittes insbesondere bei der Passivenübernahme nach §§ 1409 ABGB., 25 HGB. häufig arbeitsrechtsfremde Fragen entstehen. Dazu kommt, daß ohne Bestehen der arbeitsgerichtlichen Zuständigkeit gegenüber dem Rechtsnachfolger dem Beschäftigten bei der Schuldübernahme die Möglichkeit, die Arbeitsgerichtsbarkeit anzurufen, verloren gegangen wäre, während ihm bei einem bloßen Schuldbeitritt diese Möglichkeit gegenüber dem Unternehmer, der weiter sein Schuldner bleibt, erhalten bleibt und ihm gegenüber dem beitretenden Schuldner ohnehin die Zusammenhangszuständigkeit nach § 1 Abs. 3 ArbGerG. offen steht. Im vorliegenden Fall ist allerdings die Klage nur gegen den beitretenden Schuldner gerichtet. Da aber das Vorbringen des Klägers sowohl Schuldbeitritt wie Schuldübernahme deckt, läßt sich der Sachverhalt sowohl der Zuständigkeit des Arbeitsgerichtes wie der des ordentlichen Gerichtes zuordnen. Das angerufene Gericht, hier das Arbeitsgericht, ist daher zur Beurteilung des ganzen einheitlichen Sachverhaltes unter allen rechtlichen Gesichtspunkten berufen (1 Ob 948/52, 2 Ob 398/53, 3 Ob 760, 761/53, ArbSlg. 5902). Abschließend bleibt noch festzuhalten, daß es nicht auf die Richtigkeit der erstgerichtlichen Feststellung der Schuldübernahme nach § 1405 ABGB., sondern bloß auf das Vorbringen des Klägers für die Begründung der arbeitsgerichtlichen Zuständigkeit ankommt, weil der vorgetragene Sachverhalt für sich allein sowohl für die Zuständigkeits- wie für die Anspruchsbegründung ausreicht (JBl. 1953 S. 552 = ArbSlg. 5691; 4 Ob 6/54).
Dem Revisionsrekurs war daher Folge zu geben und die Rechtssache an das Berufungsgericht zur Fortsetzung des gesetzmäßigen Verfahrens zurückzuverweisen.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)