OGH 4Ob7/95

OGH4Ob7/9517.1.1995

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Gamerith als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kodek, Dr.Niederreiter, Dr.Redl und Dr.Griß als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Peter B*****, vertreten durch Dr.Nikolaus Lehner, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei "W*****gesellschaftmbH, ***** vertreten durch Dr.Giger, Dr.Ruggenthaler & Dr.Simon Partnerschaft, Rechtsanwälte in Wien, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Provisorialverfahren S 300.000), infolge Revisionsrekurses des Klägers gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgericht vom 30.September 1994, GZ 4 R 121/94-12, mit dem der Beschluß des Handelsgerichtes Wien vom 29. März 1994, GZ 39 Cg 21/94-6, bestätigt wurde, den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, daß sie insgesamt, einschließlich des bestätigten Teiles, wie folgt zu lauten haben:

"Einstweilige Verfügung

Zur Sicherung des Anspruches des Klägers gegen die Beklagte auf Unterlassung der Veröffentlichung von Bildnissen des Klägers wird der Beklagten bis zur Rechtskraft des über diese Klage ergehenden Urteils geboten, es zu unterlassen, Bildnisse des Klägers ohne dessen Zustimmung zu veröffentlichen und/oder zu verbreiten, wenn diese Bildnisse mit ehrenrührigen Begleittexten veröffentlicht und/oder verbreitet werden, insbesondere wenn hierbei in bezug auf den Kläger behauptet wird "a Kreatur" oder "Er ist immer auf die Schwächeren losgegangen" oder "Eine gewisse Hinterhältigkeit ist in ihm drin" oder er habe eine Reihe von Straftaten, die bereits getilgt oder verblüßt sind, begangen, oder er werde in Polizeikreisen als "Halbidiot" bezeichnet.

Die Beklagte hat ihre Äußerungskosten endgültig selbst zu tragen."

Der Kläger hat die Kosten des Rechtsmittelverfahrens selbst zu tragen; die Beklagte hat die Kosten des Rechtsmittelverfahrens vorläufig endgültig selbst zu tragen.

Text

Begründung

Die Beklagte ist Medieninhaberin und Verlegerin der Zeitschrift "Profil". Der Kläger steht im Verdacht, an den Briefbombenattentaten beteiligt gewesen zu sein. Im Zusammenhang damit wurde in der Zeitschrift "Profil" unter dem Titel "Janusgesicht Peter B." und dem Untertitel "Wie aus einem sozialdemokratischen Arbeiterkind ein Neonazi wurde" ein Artikel veröffentlicht. Dieser Artikel wurde mit Bildern illustriert, die den Kläger als Jugendlichen und zwischen zwei "Sympathisanten beim Küssel-Prozeß" zeigen. Im Artikel wurde der Kläger (ua) wie folgt charakterisiert:

"Einer seiner ehemaligen Lehrer an der HTL beschreibt ihn heute so:

'A Kreatur, der hat gemacht, was er wollte. Er war immer provokant, g'fernst, er ist immer auf die Schwächeren los. A gewisse Hinterhältigkeit ist in ihm drin.'

In diesem Sommer und im darauffolgenden Herbst begeht er eine Reihe von Delikten:

Er fälscht Ausweise und bricht eine Vitrine am Bahnhof Wien-Heiligenstadt auf, in der ein elektronisches Spezialgerät ausgestellt ist.

Auf einem Weinfest in Gumpoldskirchen sticht er im Spätsommer nach einem Streit auf einen Mann ein. Peter B***** wird auf freiem Fuß angezeigt.

Dem Verfassungsschutz in Brandenburg ist der Name Peter B***** seit längerem bekannt. Unter anderem wird der Österreicher mit einem geplant gewesenen Überfall auf das Waffenlager einer russischen Kaserne in Verbindung gebracht.'

In der Ausgabe des "Profil" Nr. 51/52 wurde neuerlich ein Artikel veröffentlicht, der mit einem Bildnis des Klägers illustriert war. Der Artikel trug die Überschrift "Die Bumser-Connection" und den Untertitel "Neue Spuren führen in den Dunstkreis des Südtirol-Terrorismus - und wieder nach Deutschland. Im internationalen Nazi-Netzwerk laufen die Fäden zusammen". Im Artikel wurde (ua) darüber berichtet, daß der Kläger und Alexander W***** im Zusammenhang mit Sprengstoffattentaten der letzten Zeit in den Sicherheitstrakt des Gefangenenhauses eingeliefert worden seien. Es sei sehr wahrscheinlich, daß sich der Kläger nach dem Verbotsgesetz wegen neonazistischer Wiederbetätigung vor einem Geschwornenegericht verantworten müsse. Der Kläger werde in Polizeikreisen als "Halbidiot" bezeichnet.

Der Kläger hat der Veröffentlichung seines Bildnisses nicht zugestimmt.

Der Kläger begehrt zur Sicherung seines inhaltsgleichen Unterlassungsanspruches, der Beklagten mit einstweiliger Verfügung zu untersagen, Bildnisse des Klägers ohne seine Zustimmung zu veröffentlichen und/oder zu verbreiten, wenn diese Bildnisse im Zusammenhang mit ehrenrührigen Begleittexten veröffentlicht und/oder verbreitet werden, insbesondere wenn hierbei in bezug auf ihn behauptet wird "A Kreatur" oder "Er ist immer auf die Schwächeren losgegangen" oder "Eine gewisse Hinterhältigkeit ist in ihm drin" oder er habe eine Reihe von Straftaten, die bereits getilgt oder verbüßt sind, begangen oder er werde in Polizeikreisen als "Halbidiot" bezeichnet.

Die Bildnisveröffentlichungen verletzten berechtigte Interessen des Klägers, weil der Kläger im Begleittext beschimpft und strafbarer Handlungen beschuldigt werde. Das Interesse des Klägers am Unterbleiben einer solchen Bildnisveröffentlichung sei weit größer als ein allfälliges Informationsinteresse.

Die Beklagte beantragt, den Sicherungsantrag abzuweisen.

Der Artikel befasse sich objektiv mit der Person des Klägers, ohne sich mit den Aussagen über ihn zu identifizieren. Ziel der Berichterstattung sei es auch, auf das Äußere des Klägers aufmerksam zu machen. Die Exekutive erhoffe sich weitere Hinweise aus der Bevölkerung über den Kläger und seine allfällige Beteiligung an den Briefbombenattentaten. Das Informationsinteresse übersteige daher das Interesse des Klägers am Unterbleiben der Bildnisveröffentlichung bei weitem. Der Kläger habe nicht behauptet, daß ihm im Artikel zugeschriebene Strafttaten (Strafen) getilgt oder verbüßt seien. Das Verbot der Veröffentlichung von Bildnissen im Zusammenhang mit ehrenrührigen Begleittexten sei zu weit gefaßt.

Das Erstgericht untersagte der Beklagten, Bildnisse des Klägers ohne dessen Zustimmung zu veröffentlichen und/oder zu verbreiten, wenn im Begleittext zu diesen Bildnissen in bezug auf den Kläger behauptet wird, dieser ist "a Kreatur" oder "Er ist immer auf die Schwächeren losgegangen" oder "Eine gewisse Hinterhältigkeit ist in ihm drin" oder er werde in Polizeikreisen als "Halbidiot" bezeichnet. Das Mehrbegehren, Bildnisse des Klägers ohne dessen Zustimmung zu veröffentlichen und/oder zu verbreiten, wenn im Begleittext zu diesen Bildnissen in bezug auf den Kläger behauptet wird, dieser habe eine Reihe von Straftaten, die bereits getilgt oder verbüßt sind, begangen, wies das Erstgericht ab.

Die beanstandeten Zitate setzten den Kläger herab. Sie seien ehrenrührig und geradezu erniedrigend; die Bildnisveröffentlichungen verletzten daher berechtigte Interessen des Klägers. Die von der Beklagten angestrebte Information wäre auch ohne die reißerischen Zitate möglich gewesen. Der Sicherungsantrag sei aber als unschlüssig abzuweisen, soweit er sich auf "eine Reihe von Straftaten, die bereits getilgt oder verbüßt sind", beziehe. Dem Vorbringen des Klägers sei nämlich nicht zu entnehmen, daß er für die ihm zugeschriebenen Straftaten Strafen verbüßt habe oder daß diese getilgt seien. Das Unterlassungsgebot sei enger und präziser zu fassen, um es stärker auf den konkreten Fall abzustellen.

Das Rekursgericht bestätigte die Entscheidung des Erstgerichtes mit der Maßgabe, daß auch das Mehrbegehren, der Beklagten zu untersagen, Bildnisse des Klägers im Zusammenhang mit ehrenrührigen Begleittexten zu veröffentlichen und/oder zu verbreiten, abgewiesen wurde.

Auch die als solche erkennbare Wiedergabe der ehrenrührigen Äußerung eines Dritten verletze berechtigte Interessen des Abgebildeten. Daß die beanstandeten Äußerungen grob ehrenrührig seien, sei offenkundig. Das Mehrbegehren sei zu Recht abgewiesen worden, weil der Kläger weder behauptet nocht bescheinigt habe, daß ihm zugeschribene Straftaten (Strafen) getilgt oder verbüßt seien. Das Erstgericht nehme auf die Abweisung des generellen Verbots nur in der rechtlichen Beurteilung Bezug. Die Entscheidung sei daher mit der Maßgabe zu bestätigen gewesen, daß der Antrag, die Veröffentlichung und/oder Verbreitung von Bildnissen mit ehrenrührigen Begleittexten schlechthin zu verbieten, auch im Spruch abgewiesen werde.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen diese Entscheidung gerichtete außerordentliche Revisionsrekurs des Klägers ist zulässig und berechtigt.

Der Kläger macht geltend, daß die Vorinstanzen das Unterlassungsgebot zu eng gefaßt hätten. Er habe den Sicherungsantrag gemäß den in der Rechtsprechung aufgestellten Grundsätzen formuliert.

Der Kläger ist entgegen der Auffassung der Beklagten nicht gehindert, die zu enge Fassung des Unterlassungsgebotes auch noch im Revisionsrekursverfahren geltend zu machen. Er hat im Rekurs beantragt, die einstweilige Verfügung im vollen Umfang zu erlassen. Das Rekursgericht hat dem aus der Begründung ersichtlichen Entscheidungwillen des Erstgerichtes, mit der einstweiligen Verfügung nur Bildnisveröffentlichungen im Zusammenhang mit bestimmten Behauptungen zu untersagen und das Mehrbegehren abzuweisen, durch eine Maßgabebestätigung Ausdruck verliehen. Gegenstand des Revisionsrekursverfahrens ist daher eine Entscheidung mit der - auch im Spruch - über den Antrag des Kläger zur Gänze abgesprochen und seinem Rekurs gegen den gesamten Inhalt des erstgerichtlichen Beschlusses nicht Rechnung getragen wird.

Das Unterlassungsgebot hat sich nach stRsp an der konkreten Verletzungshandlung zu orientieren, weil der Kläger nur Anspruch auf Unterlassung solcher Verletzungshandlungen hat, die vom Beklagten oder einem Dritten in einer dem Beklagten zurechenbaren Weise begangen worden sind oder drohend bevorstehen. Ein auf Unterlassung eng umrissener Eingriffe ganz bestimmter Art lautender Exekutionstitel ist jedoch vielfach wertlos, weil der Verpflichtete durch Eingriffe ähnlicher Art den gleichen Erfolg erreichen kann. Eine gewisse allgemeine Fassung des Unterlassungsgebotes - allerdings im Verein mit konkreten Einzelverboten - ist daher meist schon deshalb notwendig, um Umgehungen nicht allzu leicht zu machen. Eine andere Möglichkeit, dem Verpflichteten die Umgehung des Exekutionstitels nicht übermäßig zu erleichtern, besteht darin, die tatsächlich verübte Handlung allgemeiner zu beschreiben und ihr so einen breiteren Rahmen zu geben. Dabei muß der Kern der Verletzungshandlung so erfaßt sein, daß unter den Schutzumfang des Unterlassungsanspruches nicht nur völlig gleichartige Handlungen, sondern auch alle anderen fallen, die diesen Kern unberührt lassen (ÖBl 1991, 105 - Hundertwasser-Pickerln II; ÖBl 1991, 108 - Sport-Sonnenbrille ua).

Diese, in der Rechtsprechung zur Fassung von Unterlassungsgeboten ganz allgemein aufgestellten Grundsätze gelten auch für Unterlassungsgebote nach § 78 UrhG. So wurde in der Entscheidung MR 1990, 224 - Falsche Ärztin untersagt, Personenbildnisse im Zusammenhang mit einer negativen Berichterstattung, insbesondere .. zu veröffentlichen; in der E MR 1993, 59 - Zielwerbung wurde ein Begehren für berechtigt erkannt, Bildnisveröffentlichungen im Zusammenhang mit herabsetzenden oder geschäftsschädigenden Behauptungen zu unterlassen.

Im vorliegenden Fall haben die Vorinstanzen der Beklagten hingegen nur untersagt, Bildnisse des Klägers im Zusammenhang mit bestimmten Äußerungen zu veröffentlichen. Damit werden die herabsetzenden Äußerungen so eng umschrieben, daß eine Umgehung des Verbotes allzu leicht gemacht wird (s MR 1993, 59 - Zielwerbung). Das Unterlassungsgebot erfaßt nur die - wenig wahrscheinliche - Bildnisveröffentlichung mit genau demselben Begleittext, den die beanstandete Veröffetnlichung enthält. Dem Kläger ist es verwehrt, Exekution wegen anderer Bildnisveröffentlichungen zu führen, selbst wenn sie mit sinngleichen ehrenrührigen Begleittexten versehen sind. Ein solcher Unterlassungstitel ist für den Kläger nahezu sinnlos. Ein wirksamer Rechtsschutz erfordert es, die Verletzungshandlung - wie vom Kläger beantragt - allgemeiner zu umschreiben.

Berechtigt ist der Antrag auch insoweit, als der Kläger die Untersagung von Bildnisveröffentlichungen im Zusammenhang mit der Behauptung begehrt, er habe eine Reihe von Straftaten, die bereits getilgt oder verbüßt sind, begangen. Daß dem Kläger im Artikel Straftaten vorgeworfen werden, ist unstrittig. Ebensowenig kann bezweifelt werden, daß der Vorwurf von Straftaten im vorliegenden Fall berechtigte Interessen des Klägers verletzt. Dadurch daß der Kläger das Verbot nur für den Vorwurf jener Straftaten beantragt, die bereits getilgt oder verbüßt sind, schränkt er sein Begehren ein. Sein Antrag ist daher in diesem Punkt umso eher berechtigt, ohne daß es darauf ankäme, ob die im Artikel erwähnten Straftaten (Strafen) tatsächlich bereits getilgt oder verbüßt sind.

Dem Revisionsrekurs war Folge zu geben.

Der Ausspruch über die Kosten des Klägers beruht auf § 393 Abs 1 EO; jener über die Kosten der Beklagten auf §§ 78, 402 Abs 4 EO iVm §§ 40, 50, 52 Abs 1 ZPO.

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