Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Der angefochtene Beschluß wird dahin abgeändert, daß die einstweilige Verfügung des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.
Die klagende Partei hat die Kosten des Rechtsmittelverfahrens vorläufig, die beklagte Partei hat die Kosten des Rechtsmittelverfahrens endgültig selbst zu tragen.
Text
Begründung
Die Klägerin vertreibt ua Zahnpflegeprodukte der Marken "Mentadent C", "Signal" und "Ziel". Unternehmensgegenstand der Beklagten ist die Herstellung und der Vertrieb von Zahnpflegeprodukten, u.a. der Marke
"SENSODYNE F".
Seit Februar 1992 läuft eine Fernsehwerbung der Beklagten in der Länge von 20 Sekunden, in welcher zwei Männer und eine Frau auftreten und folgenden Text sprechen:
"Er: 'Autsch!
Heiß',
Er II: 'Autsch!'
Er: 'Kalt'
Sie: 'Autsch!'
Er: 'Häufig die Ursache:
Schmerzempfindliche Zähne.
Nehmen Sie dagegen täglich SENSODYNE F, Zahncreme mit Fluor.
Fragen Sie Ihren Zahnarzt.
SENSODYNE F, Zahncreme für schmerzempfindliche Zähne.
Jetzt auch im Spender. ' "
Mit der Behauptung, daß diese Werbung gegen § 9 Abs 1 lit b, § 26 Abs 2 LMG und damit gleichzeitig gegen die guten Sitten im Wettbewerb (§ 1 UWG) verstoße, begehrt die Klägerin zur Sicherung eines inhaltsgleichen Unterlassungsanspruches, der Beklagten mit einstweiliger Verfügung zu untersagen, in der Werbung für das Zahnpflegeprodukt "SENSODYNE F" auf ärztliche Empfehlungen hinzuweisen, insbesondere durch die Aufforderung "Fragen Sie ihren Zahnarzt" im Zusammenhang mit der Aussage "Schmerzempfindliche Zähne. Nehmen Sie dagegen täglich 'SENSODYNE F'".
Die Beklagte beantragt die Abweisung des Sicherungsbegehrens. Die beanstandete Werbung verstoße nicht gegen das Gesetz, weil sie vom angesprochene Publikum nicht als Hinweis auf eine ärztliche Empfehlung verstanden werde.
Das Erstgericht erließ die einstweilige Verfügung. Für die Beurteilung, ob eine gesundheitsbezogene Angabe im Sinne des § 9 Abs 1 LMG vorliegt, sei die Verkehrsauffassung maßgebend. Die Verwendung des beanstandeten Satzes in Verbindung mit dem Hinweis auf "schmerzempfindliche Zähne" erwecke beim Publikum fraglos die Auffassung, daß ein Zahnarzt die Wirksamkeit des Produktes bestätigen könne; die in Rede stehende Äußerung sei daher als Hinweis auf eine ärztliche Empfehlung aufzufassen. Die Übertretung des § 9 LMG begründe zugleich einen Verstoß gegen § 1 UWG.
Das Rekursgericht wies den Sicherungsantrag ab und sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000 übersteige und der Revisionsrekurs zulässig sei. Aus dem Gesamteindruck der beanstandeten Werbeankündigung könne kein Hinweis auf eine ärztliche Empfehlung entnommen werden; vielmehr werde hier nur an die "Sorgfaltspflicht des Verbrauchers zur Information" appelliert.
Gegen diesen Beschluß wendet sich der Revisionsrekurs der Klägerin wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, die einstweilige Verfügung des Erstgerichtes wiederherzustellen.
Die Beklagte beantragt, dem Revisionsrekurs nicht Folge zu geben.
Der Revisionsrekurs ist berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Nach § 9 Abs 1 lit b LMG ist es verboten, beim Inverkehrbringen von Lebensmitteln, Verzehrprodukten oder Zusatzstoffen ua auf ärztliche Empfehlungen hinzuweisen. Für kosmetische Mittel - zu denen Zahnpflegemittel ohne Zweifel gehören - gilt diese Bestimmung mit der hier nicht in Betracht kommenden Ausnahme (ÖBl 1990, 23), daß nicht irreführende Hinweise auf physiologische oder pharmakologische Wirkungen sowie bildliche Darstellungen zur Erläuterung des Anwendungsbereiches zulässig sind (§ 26 Abs 2 LMG).
Wie schon die Vorinstanzen im Einklang mit der höchstgerichtlichen
Rechtsprechung (VwGH 5.11.1984, abgedruckt in Barfuß-Pindur-Smolka,
Lebensmittelrecht, BaPiSmo 28 mit weiteren Judikaturnachweisen; OGH
in ÖBl 1990, 23) ausgeführt haben, ist für die Beurteilung, ob eine
gesundheitsbezogene Angabe im Sinne des § 9 Abs 1 LMG vorliegt, wegen
des erklärten Zwecks dieser Bestimmung, die Verbraucher vor
Täuschungen zu schützen (§ 9 Abs 3 LMG), die Verkehrsauffassung
maßgebend. Danach kommt es bei der Beurteilung der Frage, ob die in
der Werbung der Beklagten enthaltene Aufforderung "Fragen Sie einen
Zahnarzt" als Hinweis auf eine ärztliche Empfehlung zu werten ist,
darauf an, wie diese Werbung vom Verkehr aufgefaßt wird. Die für die
Beurteilung von Werbeankündigungen zu § 2 UWG entwickelten Grundsätze
sind auch hier heranzuziehen; entscheidend ist demnach der
Gesamteindruck der Ankündigung, wie er sich bei flüchtiger Wahrnehmung für einen nicht ganz unerheblichen Teil der angesprochenen Kreise ergibt (ÖBl 1990, 23 mwN).
Wendet man diese Grundsätze hier an, dann kann der Auffassung des Rekursgerichtes, die Beklagte habe nur an die Verbraucher appelliert, sich zu informieren, nicht geteilt werden. Da in dem beanstandeten Werbespot der Behauptung, daß die tägliche Verwendung von "SENSODYNE F", der "Zahncreme mit Fluor" gegen schmerzempfindliche Zähne wirke, die Aufforderung "Fragen Sie Ihren Zahnarzt" folgt, wird das vom Publikum - jedenfalls zu einem nicht unbeträchtlichen Teil - dahin verstanden werden, daß der Zahnarzt diese Werbeaussage bestätigen werde; die zahnärztliche Auskunft wird also - im Sinne der bei Gericht üblichen Ausdruckweise - als "Beweismittel" angeboten. Die Anregung oder Aufforderung, einen Fachmann zu fragen, wird ja nur dort als Aufforderung, sich zu informieren, verstanden werden, wo der Auffordernde selbst unsicher ist und Zweifel anklingen läßt. Wird dagegen - wie hier - eine sichere Behauptung aufgestellt, dann dient die Äußerung "Fragen Sie einen Fachmann" lediglich zur Bekräftigung; sie soll dann bedeuten, daß der Fachmann die Behauptung des Werbenden bestätigen werde. Eine solche Bestätigung kann aber der Zahnarzt nur dann geben, wenn er bereits über die schmerzbeseitigende oder -stillende Wirkung von "SENSODYNE F" Bescheid weiß. Das aber wiederum setzt voraus, daß dieses Mittel bereits medizinisch getestet und für geeignet befunden wurde, die Schmerzempfindlichkeit von Zähnen zu beseitigen. Der beanstandeten Werbeankündigung ist somit ein deutlicher Hinweis auf eine angeblich gesicherte medizinische Erkenntnis sowie eine sich daraus ergebende ärztliche Empfehlung für das betreffende Mittel zu entnehmen.
Ein solcher Hinweis ist aber nach § 9 Abs 1 lit b, § 26 Abs 2 LMG ohne Einschränkung verboten (ÖBl 1990, 23); er verstößt zugleich gegen die guten Sitten im Sinne des § 1 UWG (ÖBl 1982, 39, ÖBl 1990, 23 ua).
Aus diesen Erwägungen war dem Revisionsrekurs Folge zu geben und die einstweilige Verfügung des Erstgerichtes wiederherzustellen.
Der Ausspruch über die Rechtsmittelkosten der Klägerin gründet sich auf § 393 Abs 1 EO, jener über die Kosten der Beklagten auf §§ 78, 402 Abs 2 EO, §§ 40, 50, 52 ZPO.
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