OGH 4Ob76/92

OGH4Ob76/9229.9.1992

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Prof. Dr.Friedl als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr.Gamerith, Dr.Kodek, Dr.Niederreiter und Dr.Redl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S*****verband *****, vertreten durch Dr.Walter Prunbauer und andere Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei Rudolf B*****, vertreten durch Dr.Günther Clemens Musil, Rechtsanwalt in Linz, wegen Unterlassung (Streitwert S 200.000), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht vom 7. Mai 1992, GZ 6 R 306/91-17, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Linz vom 17.September 1991, GZ 4 Cg 145/91-10, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 8.836,20 (darin enthalten S 1.472,70 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Beklagte betreibt seit Ende 1991 in L*****, den Einzelhandel mit Schuhen und Zubehör. Vom Beginn dieser Geschäftseröffnung an bis Anfang Mai 1991 kündigte er auf - in den Auslagen seines Geschäftslokales angebrachten - Plakaten folgendes an: "Neueröffnung - Verkauf nur kurze Zeit". Daneben warb der Beklagte auch mit Preisreduzierungen bis zu 40 %. In einem Zeitungsinserat vom 8.5.1991 warb der Beklagte mit den Worten "40 % billiger, Verkauf nur kurze Zeit". Tatsächlich gewährt der Beklagte Preisnachlässe zwischen 10 und 60 %.

Der klagende Verband beantragt, den Beklagten schuldig zu erkennen, es im geschäftlichen Verkehr beim Einzelhandel mit Schuhen zu unterlassen,

den Slogan "Neueröffnung - Verkauf nur kurze Zeit" länger als drei Wochen nach der Geschäftseröffnung anzukündigen;

in eventu: Geschäftseröffnungswerbung mit dem Slogan "Neueröffnung - Verkauf nur kurze Zeit" zu betreiben, wenn diese Werbung über die handelsübliche Dauer einer Neueröffnungswerbung hinaus, etwa mehr als drei Wochen (im Schuhhandel), angekündigt wird;

in eventu: mit Slogans, die eine aktuelle Preisherabsetzung vortäuschen, wie "bis 40 % billiger - Verkauf nur kurze Zeit", zu werben, wenn die Preisherabsetzung schon längere Zeit, insbesondere mehr als einen Monat, zurückliegt.

Weiters begehrte der Kläger die Ermächtigung zur Veröffentlichung des Urteils in drei Tageszeitungen.

Mit einer Neueröffnung werde regelmäßig nur wenige Tage geworben; in Oberösterreich bestehe die Übung, daß eine solche Werbung nur in einem Zeitraum von drei Wochen nach der Geschäftseröffnung zulässig sei. Der Beklagte habe die "Neueröffnung" länger als drei Monate angekündigt und damit den unrichtigen Eindruck erweckt, daß sein Geschäft erst jetzt neu eröffnet worden sei. Die angesprochenen Verbraucherkreise würden annehmen, daß der Beklagte besondere Begünstigungen, wie "Preisgeschenke", "Werbegeschenke" odgl., anbiete; tatsächlich verkaufe er seine Ware jedoch zu Marktpreisen. Auch die seit 8.Mai 1991 verwendete Werbeaussage "bis 40 % billiger - Verkauf nur kurze Zeit" sei irreführend, weil damit eine aktuelle Preisherabsetzung vorgetäuscht werde, die aber im Hinblick auf die bereits drei Monate laufende Aktion nicht mehr gegeben sei.

Der Beklagte beantragt die Abweisung der Klage und bestritt ausdrücklich nur die vom Kläger behauptete Branchenübung.

Das Erstgericht gab dem Unterlassungshauptbegehren statt und erteilte dem Kläger die Ermächtigung zur Urteilsveröffentlichung in einer oberösterreichischen Tageszeitung; das Veröffentlichungsmehrbegehren wies es ab. Über den eingangs wiedergegebenen Sachverhalt hinaus traf es noch die weitere Feststellung, daß in Oberösterreich im Schuhhandel die Werbung mit der Neueröffnung eines Geschäftes höchstens für die Dauer von drei Wochen als zulässig angesehen werde.

In rechtlicher Hinsicht hielt das Erstgericht die Neueröffnungswerbung des Beklagten wegen ihrer langen Dauer für irreführend; das Publikum werde dadurch zu der unrichtigen Auffassung veranlaßt, daß die Neueröffnung nur kurze Zeit zurückliege. Wegen der in Oberösterreich im Schuheinzelhandel bestehenden Übung werde das Publikum erwarten, daß nur drei Wochen lang mit einer Neueröffnung geworben werde. Die Wiederholungsgefahr sei zu vermuten; angesichts seiner Haltung im Prozeß, wonach er zu dieser Art der Werbung berechtigt sei, habe der Beklagte ihren Wegfall auch nicht bewiesen. Ferner bejahte das Erstgericht das Interesse des Klägers an einer Urteilsveröffentlichung, jedoch nur in einer oberösterreichischen Tageszeitung.

Das Berufungsgericht bestätigte das Urteil des Erstgerichtes hinsichtlich des Unterlassungsausspruches und wies das Urteilsveröffentlichungsbegehren zur Gänze ab; es sprach aus, daß

der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000 übersteige und

die ordentliche Revision zulässig sei. Die Feststellung, daß in Oberösterreich im Schuheinzelhandel die Werbung mit einer Neueröffnung nur für einen Zeitraum von drei Wochen für zulässig gehalten werde, wurde vom Berufungsgericht nicht übernommen. In rechtlicher Hinsicht führte die zweite Instanz folgendes aus:

Auch Äußerungen über eine Geschäftseröffnung seien Angaben über geschäftliche Verhältnisse, die geeignet seien, den Kaufentschluß des angesprochenen Publikums zu beeinflussen. Mit der Ankündigung einer "Neueröffnung" verbänden die Interessenten die Vorstellung günstiger Einkaufsmöglichkeiten. Nach der maßgebenden Verkehrsauffassung werde auch bei der Ankündigung einer "Neueröffnung" - wie bei sonstigen Ankündigungen einer Neuerung auch - erwartet, daß diese nicht allzu lange Zeit zurückliege. Davon könne aber dann nicht mehr gesprochen werden, wenn die Neueröffnung schon vor drei Monaten stattgefunden habe. Diese Art der Werbung sei der Werbung mit Preisgegenüberstellungen gleichzuhalten, weil auch dort eine entsprechende Aktualität der Aktion gefordert werde. Die Ankündigung einer Neueröffnung sei bei kurzlebigen Wirtschaftsgütern, wie Schuhen, nur in einem Zeitraum von rund drei Wochen ausreichend aktuell; danach dürfe nicht mehr von einer Neueröffnung gesprochen werden. Die Wiederholungsgefahr wurde vom Berufungsgericht gleich dem Erstgericht bejaht; an einer Urteilsveröffentlichung bestehe jedoch kein Interesse mehr.

Gegen dieses Urteil richtet sich die wegen Nichtigkeit und unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobene Revision des Beklagten mit dem Antrag, die Entscheidung im Sinne der gänzlichen Abweisung der Klage abzuändern, zumindest aber das auf ein Verbot der Ankündigung "Verkauf nur kurze Zeit" erhobene Begehren abzuweisen; hilfsweise wird auch ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, weil zur Frage, wielange mit der Neueröffnung eines Geschäfts geworben werden darf, keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs besteht; sie ist jedoch nicht berechtigt.

Nichtig soll das angefochtene Urteil nach Auffassung der Revision deshalb sein, weil das Unterlassungsgebot hinsichtlich des Werbeslogans "Verkauf nur kurze Zeit" überhaupt nicht begründet worden sei. Eine solche Nichtigkeit liegt aber schon deshalb nicht vor, weil das Berufungsgericht die Gründe seiner Entscheidung auf das gesamte Unterlassungsgebot bezogen hat; einer Überprüfung seiner Entscheidung steht daher nichts im Wege. Ob jedoch die angeführten Gründe zutreffen, ist eine Frage der rechtlichen Beurteilung.

In seiner Rechtsrüge wendet sich der Beklagte gegen die - im Rahmen der rechtlichen Beurteilung zum Ausdruck gebrachte - Auffassung des Berufungsgerichtes, daß auch im Schuheinzelhandel durch die Ankündigung einer Geschäftsneueröffnung die Erwartung besonders günstiger Einkaufsmöglichkeiten erweckt werde; zur Ermittlung dieser Verkehrsauffassung hätte es jedoch der Aufnahme von Beweisen bedurft. Auch der Zeitraum, wie lange im Schuheinzelhandel mit einer Neueröffnung geworben werden darf, hätte nur durch einen Vergleich mit anderen Branchen ermittelt werden können. Die selbständige Ankündigung "Verkauf nur kurze Zeit" sei, für sich gesehen, nicht irreführend, weil der Beklagte nur über kurzfristige Mietverträge verfüge und jederzeit damit rechnen müsse, sein Geschäftslokal wieder aufgeben zu müssen. Wegen der Einstellung des beanstandeten Verhaltens im Mai 1991 fehle es aber auch an der Wiederholungsgefahr. Diesen Ausführungen kann nicht beigepflichtet werden.

Nach ständiger Rechtsprechung wird die Beurteilung der Wirkung einer Werbeankündigung auf die angesprochenen Verkehrskreise als Rechtsfrage angesehen, soweit dazu die Erfahrungen des täglichen Lebens genügen; nur wo dem Richter die erforderliche Erfahrung fehlt, sieht es die Rechtsprechung als notwendig an, zur Beurteilung der Frage, welche Wirkung eine bestimmte Werbung auf die angesprochenen Verkehrskreise hat, Beweise aufzunehmen (ÖBl 1985, 105; ÖBl 1990, 176). Welchen Eindruck die Ankündigung einer Neueröffnung im Schuheinzelhandel auf die angesprochenen Konsumentenkreise macht, ist aber eine Frage, für deren Beantwortung die Erfahrungen des täglichen Lebens ohne weiteres ausreichen. Auch der Beklagte hat im Verfahren erster Instanz nicht vorgetragen, daß in Konsumentenkreisen bestimmte, mit den Erfahrungen des täglichen Lebens nicht ermittelbare Vorstellungen über die Werbung mit einer Eröffnung verbunden würden. Ob aber eine Branchenübung im Schuheinzelhandel in Linz, wonach drei Wochen nach einer Geschäftseröffnung mit einem Hinweis darauf nicht mehr geworben werden dürfe, nicht besteht - nur darauf hatte sich das Vorbringen des Beklagten im Verfahren erster Instanz gerichtet -, ist für die Beurteilung der maßgebenden Auffassung der angesprochenen Verbraucherkreise nicht entscheidend.

Auch eine Werbung mit Neuerungen, wie z.B. mit einer Geschäftseröffnung, muß wahr sein. Die Neueröffnung darf dabei nicht allzu lange zurückliegen, weil sonst beim Publikum der unrichtige Eindruck entstehen kann, daß die angekündigte Neuerung gerade erst jetzt eingetreten sei. Die Länge des Zeitraums, innerhalb dessen eine Werbung mit einer Neuheit zulässig ist, hängt von der jeweiligen Branche und der Warenart ab; sie läßt sich nur für den Einzelfall bestimmen (Baumbach-Hefermehl, Wettbewerbsrecht16, 918 Rz 398 zu § 3 dUWG). Während die Ankündigung von "Eröffnungspreisen" erfahrungsgemäß auch längere Zeit üblich ist (Baumbach-Hefermehl aaO 889 Rz 333 zu § 3 dUWG), verbinden die angesprochenen Verbraucherkreise mit der Ankündigung einer "Neueröffnung" schlechthin aber auch die Vorstellung, daß sonstige übliche Eröffnungsvorteile, wie Waren- und Werbegeschenke oder besondere Eröffnungsveranstaltungen, nur kurzfristig nach der Eröffnung gewährt bzw durchgeführt werden. Im allgemeinen wird zwar der Zeitraum, in welchem derartige Ankündigungen zulässig sind, je nach der Art der Eröffnungsveranstaltung drei Wochen übersteigen können; in Verbindung mit der weiteren Ankündigung "Verkauf nur kurze Zeit", welche vom Verkehr als Hinweis auf besonders kurzfristige Eröffnungsvorteile aufgefaßt wird, ist aber die zulässige Dauer einer solchen

Eröffnungswerbung nur mit einem Zeitraum von etwa drei Wochen

anzunehmen. Was sich der Beklagte bei dieser Ankündigung gedacht hat,

ist bei der Beurteilung der Irreführungseignung ohne rechtliche Bedeutung (Hohenecker-Friedl, Wettbewerbsrecht 23).

Daß der Beklagte das wettbewerbswidrige Verhalten nach rund drei Monaten eingestellt hat, kann die Wiederholungsgefahr nicht beseitigen; auch sein Verhalten im Prozeß läßt keinen Gesinnungswandel in der Richtung erkennen, daß er von einem solchen wettbewerbswidrigen Verhalten in Zukunft Abstand nehmen werde. Auf die richtigen Ausführungen des Berufungsgerichtes kann daher verwiesen werden (§ 510 Abs 3 Satz 2 ZPO).

Der Revision war somit ein Erfolg zu versagen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.

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