OGH 4Ob75/93

OGH4Ob75/9329.6.1993

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Prof. Dr.Friedl als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kodek, Dr.Niederreiter, Dr.Redl und Dr.Rohrer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei W***** Gesellschaft m.b.H., ***** vertreten durch Hule & Heinke Rechtsanwalts-Partnerschaft in Wien, wider die beklagte Partei Michael F**********, Bahnhofstraße 13, vertreten durch Dr.Anton Tschann und andere Rechtsanwälte in Bludenz, wegen Unterlassung (Streitwert im Provisorialverfahren: 500.000 S;

Revisonsrekursinteresse: 100.000 S) infolge Revisionsrekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Rekursgericht vom 8.April 1993, GZ 2 R 85/93-12, womit der Beschluß des Landesgerichtes Feldkirch vom 1.Februar 1993, GZ 5 Cg 21/93 f-3, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben; der angefochtene Beschluß wird dahin abgeändert, daß er zu lauten hat:

"Der Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung, mit welcher der beklagten Partei verboten werden möge, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs beim Vertrieb von Ski-Service- Maschinen und deren Zubehör ihr Unternehmen mit dem Zusatz 'AUSTRIA' zu bezeichnen, wird abgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 2.538,72 S bestimmten Kosten des Provisorialverfahrens (darin enthalten 423,12 S Umsatzsteuer) binnen vierzehn Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen."

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 9.338,40 S bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens (darin enthalten 1.556,40 S Umsatzsteuer) binnen vierzehn Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Text

Begründung

Die Klägerin erzeugt und vertreibt (ua) Ski-Service-Maschinen.

Der Beklagte ist Inhaber der prot.Firma "CRYSTAL SKI-SERVICE Miki F*****"; er vertreibt (ua) Ski-Service-Maschinen der "Marke Montana" (übereinstimmendes Parteienvorbringen).

Der Beklagte verwendet im geschäftlichen Verkehr folgendes Firmenlogo:

Der Marktanteil der Streitteile beim Vertrieb von Ski-Service-Maschinen liegt österreichweit bei je ca 50 %; sonstige Mitbewerber erzielen nur einen äußerst geringen Umsatz. Der Umsatz des Beklagten verteilt sich in Österreich wie folgt auf die einzelnen Bundesländer:

Vorarlberg 7,5 %

Tirol 50 %

Salzburg 22,5 %

Oberösterreich 3,75 %

Niederösterreich 1,25 %

Wien 2,5 %

Steiermark 7,5 %

Kärnten 5 %

Mit der Behauptung, daß der beanstandete Zusatz "AUSTRIA" zum Unternehmenskennzeichen des Beklagten zur Irreführung über Größe und Marktstellung seines Unternehmens geeignet sei, weil die geschäftlichen Aktivitäten des Beklagten vorwiegend von lokaler Natur seien und sich im wesentlichen auf Tirol und Vorarlberg beschränkten, wo der Beklagte rund 80 % seines Umsatzes erziele, beantragt die Klägerin - soweit für das vorliegende Revisionsrekursverfahren noch von Interesse - zur Sicherung eines inhaltsgleichen Unterlassungsanspruches dem Beklagten mit einstweiliger Verfügung zu untersagen, im geschäftlichen Verkehr mit Ski-Service-Maschinen und deren Zubehör zur Irreführung geeignete Angaben über geschäftliche Verhältnisse zu machen, insbesondere sein Unternehmen mit dem Zusatz "AUSTRIA" zu bezeichnen.

Der Beklagte beantragt die Abweisung dieses Sicherungsbegehrens. Er vertreibe Service-Anlagen der "Marke Montana" nicht nur hauptsächlich in Tirol und Vorarlberg, sondern österreichweit und erziele aus dem Vertrieb solcher Produkte einen jährlichen Bruttoumsatz von mindestens 50 Millionen S. Sein Unternehmen gehöre in der spezifischen Branche in Österreich zu den führenden Anbietern, seien doch die Streitteile beim Vertrieb von Ski-Service-Maschinen zu annähernd gleichen Teilen die Marktführer. Mit den vom Beklagten vertriebenen Steinschliff-Anlagen sei im Unterschied zu den Bandschliff-Anlagen der Klägerin eine qualitativ optimale und schonende Präparation garantiert. Beim Verauf von "Großanlagen" sei der Beklagte überhaupt führend.

Das Erstgericht erließ die einstweilige Verfügung. Bei Unternehmen mit dem Zusatz "AUSTRIA" werde der Verkehr in der Regel annehmen, daß sie nach Ausstattung und Umsatz auf den österreichischen Markt als ganzen zugeschnitten seien. Das treffe aber auf das Unternehmen des Beklagten schon deshalb nicht zu, weil er 80 % seines Umsatzes in den Bundesländern Vorarlberg, Tirol und Salzburg erziele, während sein Umsatz in den übrigen Bundesländern nur sehr gering sei und im Burgenland ein Umsatz überhaupt fehle.

Das Rekursgericht bestätigte diesen Beschluß und sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes 50.000 S übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Mit der beanstandeten Unternehmensbezeichnung habe der Beklagte schon deshalb die Gefahr einer Irreführung über die Herkunft seiner Waren geschaffen, weil er ausländische Produkte, nämlich Ski-Service-Maschinen der in der Schweiz ansässigen Montana Sport GmbH, vertreibe. Abgesehen davon dürfe das Wort "AUSTRIA" nur dann als Unternehmenskennzeichen verwendet werden, wenn das betreffende Unternehmen von größerem Umfang und größerer Wichtigkeit für Österreich ist. Als Importeur schweizerischer Erzeugnisse müßte aber der Beklagte ganz besondere Voraussetzungen erfüllen, um diesem Erfordernis gerecht zu werden. Bei einem Marktanteil von ca 50 % und einem Übergewicht in bezug auf "Großanlagen" gegenüber seinem einzigen Konkurrenten komme dem Beklagten noch nicht jene für Österreich erhebliche Bedeutung zu, die ein maßgeblicher Teil der angesprochenen Verkehrskreise aus der Verwendung des Zusatzes "AUSTRIA" ableiten werde.

Gegen den Beschluß des Rekursgerichtes wendet sich der Revisionsrekurs des Beklagten mit dem Antrag auf Abweisung des Sicherungsbegehrens; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Klägerin stellt den Antrag, das Rechtsmittel des Beklagten als unzulässig zurückzuweisen, hilfsweise ihm nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist entgegen der Meinung der Klägerin schon deshalb zulässig, weil ein gleichartiger Fall ("AUSTRIA" als Zusatz zu einer Unternehmensbezeichnung in einer speziellen Branche, welche nur aus zwei annähernd gleich umsatzstarken Konkurrenten besteht) - soweit überblickbar - noch nicht Gegenstand der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes war und das Rekursgericht überdies das Neuerungsverbot im Rechtsmittelverfahren mißachtet hat; der Revisionsrekurs ist auch berechtigt.

Zutreffend verweist der Beklagte darauf, daß die Klägerin ihren Unterlassungsanspruch in erster Instanz ausschließlich auf eine Irreführung des Publikums über die Größe und die Marktstellung des mit dem Zusatz "AUSTRIA" bezeichneten Unternehmens des Beklagten gestützt hat, nicht aber darauf, daß damit (auch) eine Täuschung über die Herkunft der vom Beklagten vertriebenen Waren bewirkt werde, weil es sich dabei um schweizerische Erzeugnisse handle. Letzteres hat die Klägerin erstmals in ihrer Rekursbeantwortung behauptet und damit einen neuen Anspruchsgrund geltend gemacht, auf welchen das Rekursgericht entgegen dem Neuerungsverbot eingegangen ist. Der Oberste Gerichtshof hat daher nur noch zu prüfen, ob der Beklagte durch die Verwendung der Bezeichnung "CRYSTAL SKI AUSTRIA" im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs zur Irreführung über seine Größe und Marktstellung geeignete Angaben macht (§ 2 Abs. 1 UWG).

Nach ständiger Rechtsprechung sind geographische Zusätze in einer Firma oder in einem Unternehmenskennzeichen dann irreführend im Sinne des § 2 UWG, wenn ihnen von einem zumindest nicht ganz unerheblichen Teil der angesprochenen Verkehrskreise eine nicht den Tatsachen entsprechende Aussage über eine besondere Bedeutung, einen besonderen Umfang des Geschäftes oder eine besondere Eigenart der angebotenen Waren entnommen werden kann; welche Vorstellung der Geschäftsverkehr mit einer bestimmten Bezeichnung verbindet, hängt dabei immer von den Umständen des Einzelfalles ab (ÖBl 1982, 69 mwN; vgl auch Baumbach-Hefermehl, Wettbewerbsrecht17, 957 Rz 407 zu § 3 dUWG; Lindacher im UWG-Großkommentar Rz 323 zu § 3 dUWG). Nach der Judikatur setzen insbesondere Zusätze wie "Österreich", "Austria" und "Austro" voraus, daß das Unternehmen von größerem Umfang und von größerer Wichtigkeit für Österreich ist oder Erzeugnisse typisch österreichischen Gepräges oder wesentlich höherer Qualität herstellt (SZ 43/153; ÖBl 1975, 61; NZ 1988, 285 uva; zuletzt etwa 4 Ob 176/89). Die letztgenannte Rechtsprechung ist zwar überwiegend zur Frage der Beurteilung der Täuschungseignung des Firmenzusatzes "AUSTRIA" im Sinne des § 18 Abs. 2 HGB ergangen, doch ist dort der gleiche Prüfungsmaßstab wie bei § 2 UWG anzulegen (WBl 1991, 30). In diesem Zusammenhang hat die Beklagte schon in erster Instanz zutreffend auch darauf hingewiesen, daß im Einzelfall die Bedeutungsvorstellungen des mit dem Zusatz "AUSTRIA" in einer Unternehmensbezeichnung angesprochenen Publikums nicht nur von den sonstigen Elementen der Bezeichnung, sondern auch von der jeweiligen Branche abhängen (Lindacher aaO). Ebenso ist darauf Bedacht zu nehmen, an welchen Interessentenkreis die Ankündigung gerichtet ist (ÖBl 1977, 39): Wendet sich nämlich die beanstandete Unternehmensbezeichnung ausschließlich oder doch überwiegend an fachkundige Abnehmer, dann ist davon auszugehen, daß diesen die Markt- und Branchenverhältnisse, jedenfalls aber die maßgebenden Anbieter im Inland, bekannt sind (Helm in Gloy, Handbuch des Wettbewerbsrechts 642 Rz 301; vgl auch SZ 63/108; ÖBl 1991, 71 und 160).

Der vorliegende Fall ist nun dadurch gekennzeichnet, daß die Branche der Anbieter von Ski-Service-Maschinen in Österreich klein und überschaubar ist, besteht sie doch praktisch nur aus zwei Unternehmen, welche sich den gesamten Markt annähernd teilen. Als Abnehmer solcher Maschinen kommen in erster Linie Sportfachgeschäfte in Wintersportgebieten und Skiproduzenten, daneben aber auch sonstige Sportartikelhändler in Betracht, welche Skier von Kunden zum Eigenservice übernehmen wollen. Die beanstandete Unternehmensbezeichnung des Beklagten wendet sich daher ausschließlich an fachkundige Gewerbetreibende. Auch wenn der Beklagte seinen Umsatz vorwiegend in den drei westlichen Bundesländern erzielt, in denen sich die Zentren des alpinen Skisports massieren, ist sein Unternehmen doch infolge des Umsatzes - mit Ausnahme des Burgenlandes - auch in den anderen Bundesländern auf den österreichischen Markt als ganzen zugeschnitten (Baumbach-Hefermehl aaO 958 f Rz 409 zu § 3 dUWG; Lindacher aaO Rz 308 zu § 3 dUWG; Helm aaO), was auf ein entsprechendes umfassendes Vertriebsnetz schließen läßt. In den umsatzschwächeren Bundesländern gibt es zwar nicht so viele Wintersportzentren, doch entfallen immerhin noch 12,5 % des Umsatzes des Beklagten auf die Bundesländer Steiermark und Kärnten. Einer großräumig ausgewogenen Absatzstreuung in ganz Österreich (vgl dazu Lindacher aaO Rz 309 zu § 3 dUWG) steht somit in erster Linie schon die spezifische Natur des beworbenen Produktes entgegen. Bei dieser Sachlage fällt es auch nicht mehr ins Gewicht, daß der Beklagte im Burgenland noch keine einzige Ski-Service-Maschine verkauft hat.

Die von der Unternehmensbezeichnung des Beklagten angesprochenen Interessenten für Ski-Service-Maschinen werden demnach dem beanstandeten Zusatz "AUSTRIA" nur entnehmen, daß das Unternehmen des Beklagten zum Kreis der bedeutenden Unternehmen seiner Branche gehört; dieser Eindruck steht aber nach dem Gesagten mit den tatsächlichen Verhältnissen im Einklang. Der beanstandete Zusatz "AUSTRIA" verstößt somit nicht gegen § 2 UWG, so daß in Stattgebung des Revisionsrekurses der Antrag auf Erlassung der beantragten einstweiligen Verfügung in diesem Umfang abzuweisen war.

Der Ausspruch über die Kosten gründet sich in allen Instanzen auf § 402 Abs. 4, § 78 EO und § 41 (§ 50) ZPO. Der Beklagte hat in erster Instanz mit einem Fünftel des von der Klägerin global mit 500.000 S bewerteten Streitgegenstandes obsiegt, so daß ihm ein Fünftel der auf dieser Bemessungsgrundlage errechneten Kosten zuzusprechen waren. Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens waren hingegen von vornherein nur auf der Basis des jeweils eingeschränkten Rechtsmittelinteresses von 100.000 S zu bemessen.

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