Spruch:
Ob die Regel des § 1152 ABGB für Dienstleistungen von Kindern im Hauswesen und Geschäft der Eltern gilt, ob also diese Dienstleistungen entgeltlich sind, richtet sich danach, ob nach dem Parteiwillen, hilfsweise nach den gesamten, auf Grund redlicher Verkehrssitte zu beurteilenden Umständen des Falles, die Arbeitsleistung das Gepräge einer unentgeltlichen Gefälligkeit hat oder nicht
Der Sohn ist bei Übernahme des väterlichen Betriebes mit allen Aktiven nach Treu und Glauben verpflichtet, allfällige Lohnforderungen zu stellen oder sich solche ausdrücklich vorzubehalten
OGH 6. März 1974, 4 Ob 6/74 (LGZ Graz 2 Cg 19/73; ArbG Furstenfeld Cr 3/73)
Text
Der Kläger begehrte zunächst von seinem Vater Wilhelm I sen. die Bezahlung von 55.786 S samt 4%Zinsen seit 1. Mai 1972. Nachdem über das Vermögen des Wilhelm I sen. mit Beschluß des Landesgerichtes für ZRS Graz vom 26. Juni 1973, 21 S. 6/73, der Anschlußkonkurs eröffnet worden war, stellte der Kläger im Berufungsverfahren das Begehren gegen den Masseverwalter auf die Feststellung um, daß diese Forderung in die dritte Klasse der Konkursforderungen gehöre. Er brachte vor, daß er seit Beendigung der Handelsschule im Jahr 1965 bei seinem Vater als kaufmännischer Angestellter beschäftigt gewesen sei. Zunächst habe er die Buchhaltung geführt und sei als Fahrverkäufer tätig gewesen. Seit 12. Feber 1970, als sein Vater den Betrieb verlassen habe und zu seiner nunmehrigen zweiten Gattin gezogen sei, habe der Kläger das Unternehmen geleitet. Erst 1968 sei er von seinem Vater mit einem Monatsgehalt von nur 960 S bei der Sozialversicherung angemeldet worden. Tatsächlich habe er niemals ein Gehalt bezogen sondern lediglich volle freie Station im ehelichen Haushalt seiner Eltern und gelegentlich von seiner Mutter ein kleines Taschengeld erhalten. Der Vater des Klägers welcher diesem mit Vertrag vom 11. Jänner 1971 per 1. Jänner 1971 sein Unternehmen übergab hatte dem Kläger das kollektivvertragsmäßige Gehalt für Handelsangestellte bezahlen müssen jedoch nichts bezahlt obwohl er die Früchte des Unternehmens bis zuletzt genossen habe. Dem Kläger stehe für die Zeit vom 1. Juni 1969 bis 12. Feber 1970 die Entlohnung nach der Beschäftigungsgruppe IV per 3454S brutto somit 29.359 S, und vom 12 Feber 1970 bis 31. Dezember 1970 nach der Beschäftigungsgruppe V per 5374 S somit weitere 56.427 S zu. Von diesem Betrag von insgesamt 85.786 S ziehe der Kläger monatlich 1000 S für 30 Monate freie Station zusammen daher 30.000 S ab, so daß noch ein Betrag von 55.786 S offen sei. Im Verfahren zweiter Instanz brachte der Kläger weiters vor, daß zwischen ihm und seinem Vater ausdrücklich Entgeltlichkeit für seine Tätigkeit im Betrieb vereinbart worden sei.
Die beklagte Partei hat beantragt das Klagebegehren abzuweisen. Sie wandte ein, daß sich der Vater des Klägers auf Grund unhaltbarer Familienverhaltnisse außerstande gesehen habe den Betrieb weiterzuführen und deshalb Anfang 1970 von zu Hause weggegangen sei. Ab diesem Zeitpunkt habe der Kläger den Betrieb eigenmächtig allein weitergeführt und auch Entnahmen getätigt, welche ein Mehrfaches des Klagsbetrages ausmachten. Der Kläger habe den ganzen Reingewinn verbraucht, ohne abzurechnen. Da der Kläger dem Steuerberater seines Vaters nicht die notwendigen Unterlagen zur Verfügung gestellt habe, sei es wegen verspäteter Steuererklärungen zu Zuschlägen gekommen. Der Kläger sei nie Angestellter seines Vaters gewesen. Letzterer habe unter dem massiven Druck der Familienverhaltnisse und wegen der vom Kläger geschaffenen vollendeten Tatsachen am 11. Jänner 1971 dem Kläger seine Liegenschäftshälfte geschenkt und den Betrieb mit allen Aktiven und Passiven per 31. Dezember 1970 übergeben, womit der Kläger auch seine eigene allenfalls bestandene Lohnforderung übernommen habe
Das Erstgericht hat das Klagebegehren mit der Begründung abgewiesen, daß durch die Betriebsübernahme mit allen Aktiven und Passiven unter Haftungsausschluß eine allenfalls noch bestandene Lohnforderung des Klägers durch Vereinigung erloschen sei.
Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht Folge und bestätigte das Ersturteil mit der Maßgabe, daß das nunmehr geltend gemachte Feststellungsbegehren abgewiesen wurde. Es führte das Verfahren gemäß § 25 Abs. 1 Z. 3 ArbGerG neu durch und stellte folgenden Sachverhalt fest:
Nach Beendigung seiner Schulzeit im Jahr 1965 arbeitete der Klager im Betrieb seines Vaters mit. In der Folge führte er auch die Buchhaltung. Wilhelm 1 sen. lebte mit seiner Gattin - der Mutter des Klägers - und mit diesem im gemeinsamen Haushalt. Der Kläger konnte sich selbst Taschengeld nehmen und auch den PKW seines Vaters benützen. Zwischen dem Kläger und seinem Vater war nie von einer Lohnzahlung an den Kläger die Rede. In dieser Richtung wurden keinerlei Vereinbarungen getroffen. Der Kläger wurde aber im Jahre 1968 (seit diesem Zeitpunkt mußte die Anmeldung bei der Gebietskrankenkasse erfolgen) als Familienangehöriger sozialversichert. Wilhelm I sen. ist im Feber 1970 von seiner Gattin weggezogen. Seither hat der Kläger den Betrieb allein geführt. Auch nach dem Wegzug des Wilhelm I sen. wurde zwischen diesem und dem Kläger nichts über eine Entlohnung gesprochen. Am 11. Jänner 1971 wurde zwischen dem Kläger und seinem Vater mit Notariatsakt ein Schenkungs- und Übergabsvertrag abgeschlossen. Die Schenkung betraf die dem Vater gehörige Liegenschaftshälfte der EZ 1957 KG F mit den Grundstücken 1178 Baufläche mit Wohnhaus, und 691/14 Acker. Der Übergabsvertrag bezog sich auf den Großhandelsbetrieb, Liegenschaftshälfte und Betrieb wurden dem Kläger geschenkt, bzw. übergeben. Auch anläßlich der Errichtung dieses Vertrages wurde zwischen dem Kläger und seinem Vater nichts über eine allfallige Entlohnung des Klägers gesprochen Wilhelm I sen. hat gegen den Kläger zu 8 Cg 243/73 des Landesgerichtes für ZRS Graz eine Klage auf Bezahlung von 42.963 S samt Anhang eingebracht. Nach den Behauptungen dieser Klage sei dem dortigen Kläger dieser Betrag vom Finanzamt zur Bezahlung vorgeschrieben worden, doch habe Wilhelm 1 jun. nach den Vereinbarungen zwischen den Streitteilen diesen Betrag zu bezahlen. Nach Einbringung jener Klage hat der Kläger von seinem Vater erstmals die Bezahlung eines Lohnes verlangt.
Rechtlich beurteilte das Berufungsgericht diesen Sachverhalt dahin, daß die Vermutung des § 1152 ABGB hier nicht anzuwenden sei, weil Kinder an dem, was ihren Eltern durch ihre Arbeitskraft zukommt, seinerzeit im Erbrechtswege partizipierten. Ein Dienstverhältnis zwischen Eltern und Kindern sei nur anzunehmen, wenn eine ausdrückliche Vereinbarung vorliege, was im Verfahren jedoch nicht bewiesen werden konnte.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Klägers nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Es mag dahingestellt bleiben, ob die Vermutung des § 1152 ABGB in jedem Falle nicht für Dienstleistungen von Kindern im Hauswesen und Geschäft der Eltern gilt. Wohl hat diesen Standpunkt ein Teil der Lehre und Rechtsprechung (Adler - Höller in Klang[2] V, 176; Arb. 6048; SZ 38/156; EF-Slg. 8382 u. a.) eingenommen und ausgesprochen, daß den Kindern nur dann ein Anspruch auf Entlohnung zusteht, wenn eine solche ausdrücklich oder stillschweigend zugesagt wurde oder die Dienste nur in der Erwartung eines in Aussicht gestellten Vorteiles geleistet wurden und diese Erwartung nicht in Erfüllung gegangen ist. Bydlinski (Lohn- und Kondiktionsansprüche aus zweckverfehlenden Arbeitsleistungen in Wilburg, Festschrift 45, 56 und 57) hat aber mit beachtlichen Gründen darauf hingewiesen, daß es verfehlt wäre, die Regel, daß Familienangehörige keinen Anspruch aus § 1152 ABGB haben, als Rechtssatz von eigenem Gewicht oder gar als ausnahmslos geltende Norm anzusehen. Es müsse vielmehr darauf ankommen, ob nach dem Parteiwillen, hilfsweise nach den gesamten, auf Grund redlicher Verkehrssitte zu beurteilenden Umständen des Falles, die Arbeitsleistung das Gepräge einer unentgeltlichen Gefälligkeit hat. Daß diese Ansicht durchaus vertretbar ist, ergibt sich bei Anwendung auf den gegenständlichen Fall. Denn wenn auch hinsichtlich der Tätigkeit des Klägers im Betrieb seines Vaters bis zum Auszug des Letzteren gefolgert werden könnte, daß es sich dabei - mangels einer Entgeltvereinbarung - um die Erfüllung einer sittlichen Verpflichtung handelte, welche aus dem Familienverhältnis folgt, so kann dies für die Zeit danach doch nicht mehr ohne weiteres angenommen werden. Denn mit dem Auszug des Beklagten aus der Familiengemeinschaft ist der Grund für die Annahme weggefallen, daß der Kläger seine Leistungen in Hinblick auf das Familienverhältnis unentgeltlich erbringen wollte. Spätestens ab diesem Zeitpunkt könnte daher Entgeltlichkeit der erbrachten Leistungen angenommen werden, wobei der Kläger möglicherweise in der Erwartung der seinerzeitigen Übernahme des Betriebes die Bezahlung eines Entgelts vorerst nicht verlangt hat. Diese Frage ist jedoch hier nicht entscheidend. Denn spätestens im Zeitpunkt der Errichtung des Übergabsvertrages vom 11. Jänner 1971, womit dem Kläger der Betrieb von seinem Vater mit allen Aktiven und Passiven übergeben wurde, wäre der Kläger nach Treu und Glauben verpflichtet gewesen, allfällige Lohnforderungen zu stellen oder sich solche ausdrücklich vorzubehalten. Sein Schweigen kann daher nicht anders gedeutet werden, als daß er damit konkludent auf ihm allenfalls noch zustehende persönliche Ansprüche gegen seinen Vater aus den geleisteten Diensten verzichtet hat. Er kann sich daher nun nicht mehr darauf berufen, daß er seine Dienstleistungen nur entgeltlich erbracht habe.
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