OGH 4Ob63/89

OGH4Ob63/8923.5.1989

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Prof.Dr.Friedl als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schlosser, Dr.Kodek, Dr.Niederreiter und Dr.Redl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Rudolf G***, Kaufmann, Feldkirch, Waldfriedgasse 2, vertreten durch Dr.Clement Achammer, Rechtsanwalt in Feldkirch, wider die beklagten Parteien 1. V***

G*** A*** Eugen R*** & Co, 2. Eugen A. R***,

Geschäftsführer, 3. Sophie K***, Geschäftsfrau, 4. Eugen R***, Geschäftsmann, sämtliche Bregenz, Kirchstraße 35, sämtliche vertreten durch Dr.Fritz Schuler, Rechtsanwalt in Bregenz, wegen Unterlassung, Buße und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Provisorialverfahren S 30.000), infolge Revisionsrekurses der beklagten Parteien gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Rekursgerichtes vom 13.Februar 1989, GZ 4 R 32/89-8, womit der Beschluß des Landesgerichtes Feldkirch vom 30.November 1988, GZ 8 Cg 360/88-4, abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluß wird dahin abgeändert, daß der Beschluß des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.

Die klagende Partei ist schuldig, den beklagten Parteien die mit S 6.791,04 bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens (darin S 1.131,84 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu zahlen.

Text

Begründung

Der Kläger ist Herausgeber der wöchentlich erscheinenden Zeitung "Das Kleine Blatt"; außerdem ist er Geschäftsführer und Verlagsleiter der "Das Kleine Blatt Vorarlberg Zeitungsverlagsgesellschaft mbH & Co KG". "Das Kleine Blatt" wird den Haushalten im Bundesland Vorarlberg gratis zugestellt und über Annoncen finanziert.

Die Erstbeklagte ist Verlegerin, Eigentümerin und Herausgeberin der Tageszeitung "Vorarlberger Nachrichten"; der Zweit-, die Dritt- und der Viertbeklagte sind persönlich haftende Gesellschafter der Erstbeklagten.

Der Kläger war bis zum Jahre 1981 Vorsitzender des Vorstandes der Textilwerke G*** AG; in der Folge war er in deren Aufsichtsrat tätig. Mit Beschluß des Landesgerichtes Feldkirch vom 25.September 1986, Sa 22/86, wurde über das Vermögen dieser Aktiengesellschaft das Ausgleichsverfahren eröffnet. Die einzige Aktionärin der Textilwerke G*** AG war die G*** AG, deren Aufsichtsrat der Kläger gleichfalls angehört hatte; er war auch Aktionär dieser Gesellschaft.

In Artikeln der "Vorarlberger Nachrichten" vom 27.Februar 1987 ("Das Ende von G***, doch von Ruhe keine Spur ...") und vom 2.März 1987 ("Katzenjammer wegen G*** in der gesamten Region Feldkirch") wurde über die Insolvenz der Textilwerke G*** AG sowie darüber berichtet, daß der Kläger seit längerem die Stillegung dieses Unternehmens betrieben habe und daß ihm vorgeworfen werde, er habe mit der Liquidierung gerade bis zu dem Zeitpunkt gewartet, da er nicht mehr mit seinem persönlichen Besitz haftbar gemacht werden könne; gleichzeitig habe er mit vielen Millionen eine "spanische Marmorvilla" bauen lassen. Im Gegensatz zu den Gläubigern sei er "persönlich recht unbeschadet ausgestiegen", so daß die Verbitterung von Gläubigern und "hoffnungsarmen ehemaligen G***-Mitarbeitern" verständlich sei.

Zwischen der "Das Kleine Blatt Vorarlberg Zeitungsverlagsgesellschaft mbH & Co KG" und dem Kläger einerseits sowie den Beklagten andererseits war zu 8 Cg 250/87 des Landesgerichtes Feldkirch ein Rechtsstreit wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung anhängig gewesen. Die Beklagten wurden dort schuldig erkannt, nachstehende Behauptungen und Veröffentlichtungen in welcher Form auch immer zu unterlassen:

  1. a) "Zusammenarbeit von SPÖ und Das Kleine Blatt",
  2. b) "Zusammenarbeit Kleines Blatt-SPÖ-naher Verlag",
  3. c) "Rudolf G*** ist auf der Suche nach Partnern bei der SPÖ fündig geworden",

    d) "G*** sucht seither (Sommer 1986) nach Geldgebern für die Gratisblättchen (Das Kleine Blatt)".

    Außerdem wurde den Klägern die Ermächtigung erteilt, diesen Urteilsspruch auf Kosten der Beklagten in einer Ausgabe der "Vorarlberger Nachrichten" veröffentlichen zu lassen. Dieses Urteil wurde in den "Vorarlberger Nachrichten" vom 13. Oktober 1988 veröffentlicht, wobei oberhalb des schwarz umrandeten Urteilstextes folgendes zu lesen war:

    "Aufgrund eines Urteils des Landesgerichtes sind die 'VN' verpflichtet, nachstehendem Veröffentlichtungsbegehren zu entsprechen. Da der klagende Gratisanzeiger in wesentlichen Bereichen sein Prozeßziel verfehlte und die 'VN' erfolgreich blieben, wurden die Prozeßkosten in erster Instanz vom Gericht aufgehoben. Der Leser möge uns dennoch verzeihen, daß wir auf den Gratisanzeiger des glücklosen ehemaligen Textilindustriellen Rudolf G*** nicht näher eingehen wollen."

    Mit der Behauptung, daß die Erstbeklagte mit diesem unsachlichen und rein persönlichen Angriff auf seine Erwerbstätigkeit als Mitbewerber gegen die guten Sitten (§ 1 UWG) und gegen § 7 UWG verstoßen habe, begehrt der Kläger zur Sicherung eines inhaltsgleichen Unterlassungsanspruches, den Beklagten mit einstweiliger Verfügung ab sofort zu verbieten, ihn im Zusammenhang mit seiner Eigenschaft als Herausgeber der Zeitung "Das Kleine Blatt" als "glück- und/oder erfolglosen ehemaligen Textilindustriellen" oder sinngemäß zu bezeichnen.

    Die Beklagten beantragen die Abweisung des Sicherungsantrages. Zwischen den Streitteilen bestehe kein Wettbewerbsverhältnis, weil der Kläger nur Herausgeber, nicht aber Eigentümer oder Verleger der Gratiszeitung "Das Kleine Blatt" sei. Die beanstandete Ankündigung sei auch nicht wettbewerbswidrig: Sie enthalte keinen Hinweis auf einen "erfolglosen" Textilindustriellen; jener auf einen "glücklosen ehemaligen Textilindustriellen" sei im Hinblick auf die gerichtsbekannten Vorgänge um die Textilwerke G*** AG in keiner Weise herabsetzend und sittenwidrig; die Behauptung sei auch wahr und bedeute überdies nur eine subjektive Wertung.

    Der Erstrichter wies den Sicherungsantrag ab. Da im Hinblick auf die allgemein bekannte und in aller Munde gewesene Insolvenz der Textilwerke G*** AG die Bezeichnung "glücklos" als nicht gegen die guten Sitten verstoßendes Werturteil anzusehen sei, liege weder der Tatbestand des § 1 noch jener des § 7 UWG vor; auch die Wiederholungsgefahr sei "eher" zu verneinen.

    Das Rekursgericht erliß die einstweilige Verfügung und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes S 15.000, nicht aber S 300.000 übersteige und der Revisionsrekurs zulässig sei. In der Bezeichnung des Klägers als "glückloser ehemaliger Textilindustrieller" liege die Behauptung einer der Nachprüfung zugänglichen Tatsache im Sinne des § 7 UWG. Daß der Kläger als Textilindustrieller "glücklos" (und zwar auch im Sinne von "erfolglos") gewesen sei, könne angesichts der Insolvenz der Textilwerke G*** AG wohl kaum bestritten werden; insofern liege keine unwahre Tatsachenbehauptung vor. Unwahr (halbwahr) könnte diese Behauptung nur im Zusammenhang mit der vorangegangenen Aussage über das Verfehlen des vom Kläger angestrebten Prozeßzieles in wesentlichen Bereichen sein; ob dieser Zusammenhang aus der Formulierung des "Vorspanns" ausreichend hervorgehe, sei zweifelhaft. Diese Frage könne aber offen bleiben, weil der Unterlassungsanspruch nach § 1 UWG gerechtfertigt sei. Das Hereinzerren der persönlichen Verhältnisse eines Mitbewerbers in den Wettbewerbskampf widerspreche dem Sinn des Leistungswettbewerbes; auch eine wahrheitsgemäße geschäftsschädigende Behautpung sei nur zulässig, wenn der Wettbewerber einen hinreichenden Anlaß habe, den eigenen Wettbewerb mit der Herabsetzung des Mitbewerbers zu verbinden, und sich die Kritik nach Art und Maß im Rahmen des Erforderlichen halte. D`e Verbindung eines unsachlichen, rein persönlichen Angriffs mit einem Angriff auf die Erwerbstätigkeit eines Mitbewerbers mache den ersteren unter allen Umständen sittenwidrig; auf die Wahrheit der Behauptung komme es dabei nicht an. Ob der Kläger als ehemaliger Textilindustrieller glücklos gewesen sei, stehe zum Gegenstand des Wettbewerbes zwischen den Streitteilen in keiner Beziehung. Im Zusammenhang mit der gleichzeitig erfolgten Urteilsveröffentlichung sei der Mißerfolg des Klägers als Textilindustrieller weder für die Allgemeinheit noch für die Mitteilungsempfänger (= Leser der "VN") von Interesse. Ein sachlicher Grund, diese Tatsache in die Öffentlichkeit zu bringen, habe im Zusammenhang mit der Urteilsveröffentlichung nicht bestanden; dabei handle es sich vielmehr ausschließlich um eine gehässige Herabsetzung des Klägers.

    Auch die übrigen Tatbestandsmerkmale des § 1 UWG lägen vor: Der beanstandete "Vorspann" zur Urteilsveröffentlichung sei als Handeln im geschäftlichen Verkehr zu betrachten; er sei ein Verhalten der Erstbeklagten im Rahmen ihrer "Teilnahme am Erwerbsleben". Daß die Erstbeklagte "zu Zwecken des Wettbewerbs", und zwar in ihrem Wettbewerbsverhältnis mit dem "Kleinen Blatt", gehandelt habe, könne gerade angesichts des herabsetzenden Inhaltes des beanstandeten Textes nicht zweifelhaft sein. Da das Wettbewerbsverhältnis zwischen den Zeitungen feststehe, sei auch die Wettbewerbsabsicht zu vermuten. Zu prüfen sei allerdings, ob ein Wettbewerbsverhältnis zwischen den Streitteilen besteht. Daß die Stellung eines Herausgebers (§ 1 Z 9 MedienG 1981) üblicherweise durch einen Vertrag mit dem Medieninhaber begründet wird, bedeute nicht, daß der Hera sgeber als unselbständig erwerbstätige Person anzusehen wäre. Die Aktivlegitimation nach § 14 UWG setze nicht voraus, daß ein Unternehmer selbst Waren oder Leistungen erzeugt oder sie persönlich vertreibt; es genüge, wenn er am Vertrieb beteiligt ist. Die Beteiligung müsse nur Ausdruck wettbewerblicher Tätigkeit sein. Eine solche mittelbare Beteiligung auch am wirtschaftlichen Erfolg eines Mediums sei aber bei einem Herausgeber anzunehmen.

    Die Wiederholungsgefahr sei schon deshalb zu bejahen, weil die Beklagten ihre gesetzwidrige Handlung auch im Rechtsstreit verteidigt hätten.

    Da die Erstbeklagte das Wort "glücklos" im gegebenen Zusammenhang so gebraucht habe, daß damit auch "erfolglos" gemeint gewesen sei, könne dem Sicherungsantrag im Hinblick darauf, daß eine gewisse allgemeine Fassung des Unterlassungsgebotes meist schon deshalb notwendig sei, um Umgehungen nicht allzu leicht zu machen, in der beantragten Fassung stattgegeben werden.

    Gegen diesen Beschluß wendet sich der Revisionsrekurs der Beklagten mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, daß der Beschluß des Erstrichters wiederhergestellt werde.

    Der Kläger hat sich am Revisionsrekursverfahren nicht beteiligt.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist berechtigt.

Nach Meinung der Beklagten bestehe zwischen den Streitteilen kein Wettbewerbsverhältnis; der Kläger sei als Herausgeber kein Unternehmer im Sinne des § 14 UWG und demnach nicht zur Geltendmachung eines auf das UWG gestützten Anspruches berechtigt.

Dem ist zuzustimmen:

Nach § 14 UWG kann der Unterlassungsanspruch (ua) nach § 1 UWG - neben den dort besonders erwähnten juristischen Personen - von jedem Unternehmer geltend gemacht werden, der Waren oder Leistungen gleicher oder verwandter Art herstellt oder in den geschäftlichen Verkehr bringt (Mitbewerber); auch zur Klage nach § 7 UWG sind nur Unternehmer berechtigt. Dem Kläger steht daher der - ausschließlich auf das UWG gestützte - Unterlassungsanspruch nur dann zu, wenn er Unternehmer ist und als solcher in Wettbewerb mit der Erstbeklagten tritt.

Dem Rekursgericht ist darin beizupflichten, daß hier der Begriff des Unternehmers im weitesten Sinn zu verstehen ist; er umfaßt jede selbständig betriebene Tätigkeit, die auf Erwerb gerichtet ist oder, ohne Erwerbszwecke zu verfolgen, doch wirtschaftlichen Zwecken dient (ÖBl 1960, 88; Hohenecker-Friedl 92; vgl. Baumbach-Hefermehl, Wettbewerbsrecht15, 262 Rz 198 EinlUWG zu dem in § 13 dUWG verwendeten Begriff des "Gewerbetreibenen"). Die Aktivlegitimation des Klägers kann demnach nur dann bejaht werden, wenn er selbständig tätig ist.

Als Geschäftsführer und Verlagsleiter der Medieninhaberin "Das Kleine Blatt Vorarlberg Zeitungsverlagsgesellschaft mbH & Co KG" ist der Kläger, da er in diesem Bereich nicht im eigenen Namen und auf eigene Rechnung handelt, keinesfalls Unternehmer. Zu prüfen bleibt nur, ob seine Funktion als Herausgeber eines Mediums die Unternehmereigenschaft begründen kann:

Herausgeber eines periodischen Mediums ist, wer dessen grundlegende Richtung bestimmt (§ 1 Abs 1 Z 9 MedienG), wer also die Richtlinienkompetenz hat und geistiger Führer sowie literarischer Repräsentant des Mediums ist (Hartmann-Rieder, Kommentar zum Mediengesetz 33 f); er muß nicht dienstrechtlich Vorgesetzter der Medienmitarbeiter einschließlich des Chefredakteurs sein. Seine Stellung wird üblicherweise durch einen Vertrag mit dem Medieninhaber (Verleger) - also demjenigen, der ein Medienunternehmen oder einen Mediendienst betreibt oder sonst das Erscheinen von Medienwerken durch Inverkehrbringen der Medienstücke besorgt (§ 1 Z 8 MedienG) - begründet; die Funktion des Herausgebers und des Medieninhabers (Verlegers) kann aber auch in einer einzigen Person vereinigt sein (Hartmann-Rieder aaO 34). Dem Wesen dieser Funktion entspricht es daher, für das Unternehmen eines anderen - nämlich des Medieninhabers -, wenn auch in leitender Stellung, zu wirken. Eine von dem jeweiligen Medienunternehmen unabhängige Tätigkeit des Herausgebers ist begrifflich unmöglich; seine wirtschaftliche Stellung zum Medienunternehmen hängt von der Vertragslage im einzelnen Fall ab. Aus der Funktion als "Herausgeber" folgt nicht, daß damit eine selbständige unternehmerische Tätigkeit neben dem Medienunternehmer verbunden wäre. Der Kläger, dem es obliegt, die Voraussetzungen seines Klagerechtes zu behaupten und zu beweisen (bescheinigen), hat zur Begründung seiner Unternehmereigenschaft nichts vorgebracht. Er hat sich zwar als "Kaufmann" bezeichnet (S. 1), damit aber nichts über seine Stellung als Herausgeber ausgesagt, könnte er doch diese Berufsbezeichnung keinesfalls aus seiner Tätigkeit als Herausgeber ableiten.

Ist somit der Kläger nach der Aktenlage nicht als Unternehmer, der in einem Wettbewerbsverhältnis zu den Beklagten stünde, anzusehen, dann muß sein nur auf das UWG gestützter Anspruch verneint werden.

Aus diesem Grund war dem Revisionsrekurs Folge zu geben und der - im Ergebnis richtige - Beschluß des Erstrichters wiederherzustellen.

Der Ausspruch über die Rechtsmittelkosten der Beklagten gründet sich auf die §§ 78, 402 Abs 2 EO, 41, 50, 52 ZPO.

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