OGH 4Ob62/95

OGH4Ob62/9511.7.1995

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Gamerith als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kodek, Dr.Niederreiter, Dr.Redl und Dr.Griß als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei "D*****GesellschaftmbH, ***** vertreten durch Dr.Heinrich Kammerlander und Dr.Martin Piaty, Rechtsanwälte in Graz, wider die beklagten Parteien 1. Oscar B***** GesellschaftmbH & Co KG, 2. Oscar B***** GesellschaftmbH, ***** beide vertreten durch Dr.Harald Schmidt I, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert S 500.000), infolge Revision der Beklagten gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 26.Jänner 1995, GZ 1 R 310/94-19, womit das Urteil des Handelsgerichtes Wien vom 26.September 1994, GZ 37 Cg 279/93w-14, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben. Die Rechtssache wird an das Erstgericht zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung zurückverwiesen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Die Klägerin ist Medieninhaberin und Verlegerin der Tageszeitung "Die Presse". Die Erstbeklagte ist Medieninhaberin und Verlegerin der Tageszeitung "Der Standard". Die Zweitbeklagte ist persönlich haftende Gesellschafterin und Geschäftsführerin der Erstbeklagten.

In der Ausgabe der Zeitschrift "Horizont" vom 16.4.1993 und in der Ausgabe der Druckschrift "Extradienst" vom 21.5.1993 schalteten die Beklagten folgendes Inserat ein:

"Was macht Ihr Inserat in Österreichs größter Qualitätszeitung?

Sinn.

Der Standard

die Zeitung für Leser."

Beide Zeitschriften, "Horizont" und "Extradienst", richten sich an Werbeagenturen, Werbeabteilungen, Marketing-Leiter und Media-Planer.

Die Klägerin begehrt, die Beklagten schuldig zu erkennen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbes die Behauptung, "Der Standard" sei "Österreichs größte Qualitätszeitung" oder gleichsinnige Behauptungen zu unterlassen. Die Klägerin stellt auch ein Veröffentlichungsbegehren.

Die beanstandete Behauptung enthalte eine objektiv überprüfbare Aussage, die nicht richtig sei. "Der Standard" sei weder nach seinem Format noch nach seiner Leserzahl die größte österreichische Qualitätszeitung. Qualitätszeitungen seien (ua) die "Kleine Zeitung", der "Kurier" und die Oberösterreichischen Nachrichten"; sie hätten mehr Leser als "Der Standard".

Die Beklagten beantragen, das Klagebegehren abzuweisen.

Die Größe einer Tageszeitung werde nach der Leserzahl bestimmt. "Der Standard" habe 292.000 Leser, die "Salzburger Nachrichten" 227.000 Leser und die "Die Presse" 180.000 Leser. Die anderen von der Klägerin genannten Tageszeitungen seien keine "Qualitätszeitungen", sondern "Massenzeitungen". Die Verbraucher hätten eine klare Vorstellung, was unter einer "Qualitätszeitung" zu verstehen sei. Eine nicht im gesamten Bundesgebiet verbreitete Zeitung falle nicht darunter.

Das Erstgericht gab dem Unterlassungsbegehren zur Gänze, dem Veröffentlichungsbegehren teilweise statt. Das Begehren, die Klägerin auch zur Veröffentlichung der Ermächtigung zur Urteilsveröffentlichung und der Kostenentscheidung auf Kosten der Beklagten zu ermächtigen, wies es ab.

Die "Oberösterreichischen Nachrichten" seien eine Qualitätszeitung; "Der Standard" sei daher nicht die meistgelesene Zeitung Österreichs mit Qualitätsanspruch. Der gegenteilige Eindruck werde aber durch die beanstandete Einschaltung beim flüchtigen Durchschnittsinteressenten erweckt. Dem Inserat sei nicht zu entnehmen, daß die Beklagten beabsichtigt hätten, ihre Zeitung nur mit Zeitungen überregionaler Bedeutung zu vergleichen. Die Ankündigung sei daher zur Irreführung geeignet.

Das Berufungsgericht bestätigte die Entscheidung des Erstgerichtes. Es sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes 50.000 S übersteige und die Revision nicht zulässig sei.

Die Beklagten hätten zugestanden, daß die "Oberösterreichischen Nachrichten" eine regionale Qualitätszeitung seien. Auch wenn die besonderen Fachkenntnisse der angesprochenen Inserenten zugrundegelegt würden, sei darauf Bedacht zu nehmen, daß die beanstandete Werbeaussage keine Einschränkung enthalte. Nach ihrem klaren Wortsinn beziehe sie sich auch auf regionale Qualitätszeitungen. Bei einer - wie hier - mehrdeutigen Ankündigung sei die für den Ankündigenden ungünstigste Auslegung maßgebend. Die Erfahrungen des täglichen Lebens reichten aus, um die Wirkungen der Angabe auf die beteiligten Verkehrkreise zu beurteilen.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen diese Entscheidung gerichtete Revision der Beklagten ist zulässig, weil das Berufungsgericht von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes abgewichen ist; sie ist auch berechtigt.

Die Beklagten verweisen auf ihre Behauptung, daß die angesprochenen Fachkreise unter "Österreichs größte Qualitätszeitung" nur eine Qualitätszeitung überregionaler Bedeutung verstünden. Diese Frage sei eine Tatfrage und könne nicht von Richtern gelöst werden, die den angesprochenen Fachkreisen nicht angehörten.

Ob eine Angabe über geschäftliche Verhältnisse geeignet ist, den Verkehr irrezuführen, hängt davon ab, wie die Verkehrskreise, an die sich die Werbung richtet, die Angabe auffassen (stRsp ÖBl 1970, 20 -

Forstsaatgut; ÖBl 1976, 19 - G macht Mode; ecolex 1992, 35 = WBl

1992, 99 - Nur kurze Zeit; RdW 1993, 76 = ecolex 1993, 252 -

Naturkautschuk; s auch Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht17 § 3 dUWG Rz 2). Die Frage, welche Wirkung eine Werbeaussage auf die beteiligten Verkehrskreise hat, ist eine Rechtsfrage, wenn zu ihrer Beurteilung die Erfahrungen des täglichen Lebens ausreichen; sie ist aber immer dann eine Tatfrage, wenn dies nicht der Fall ist (ÖBl 1982, 123 - Staatlich befugter Konsulent; ÖBl 1990, 170 - Tolle Duos;

JBl 1993, 330 - Webpelz mit Anm von Berka; ecolex 1993, 178 = WBl

1993, 96 - Neueröffnung; MR 1993, 116 = WBl 1993, 337 -

Reichweitenrekord ua). Den Parteien ist es auch unbenommen, einen abweichenden Inhalt von Erfahrungssätzen zu behaupten und zu beweisen (ÖBl 1985, 105 - C & A; ÖBl 1992, 114 - Prioflor; MR 1994, 209 - Bedeutendste Tageszeitung Oberösterreichs mit Anm Korn ua).

Die Beklagten haben - erst im Hauptverfahren - behauptet, daß sich das Inserat an ein Fachpublikum wende und daß die beteiligten Verkehrskreise die beanstandete Werbeaussage in einem bestimmten Sinn verstünden. Da die Richter den angesprochenen Fachkreisen nicht angehören, reicht ihre Erfahrung nicht aus, die Wirkung der Ankündigung zu beurteilen. Die Frage, wie die beteiligten Verkehrskreise die beanstandete Werbeaussage verstehen, ist daher im vorliegenden Fall keine Rechtsfrage, sondern eine Tatfrage.

Die Beklagten haben sich zum Beweis der von ihnen behaupteten Wirkung der Werbeaussage (ua) auf ein Sachverständigengutachten berufen. Dieses Beweisanbot darf nicht dadurch gegenstandslos gemacht werden, daß die Mehrdeutigkeit der Aussage unterstellt wird. Damit wird das Gegenteil dessen vorweggenommen, was die Beklagten zu beweisen anbieten.

Daß die Wirkung der Ankündigung im vorangegangenen Provisorialverfahren als Rechtsfrage beurteilt wurde, steht dieser Auffassung nicht entgegen. Die Beklagten haben sich in der Äußerung zum Sicherungsantrag nicht darauf berufen, daß die Werbeaussage von den angesprochenen Fachkreisen in einem bestimmten Sinn verstanden werde.

Ergeben die nunmehr aufzunehmenden Beweise, daß die angesprochenen Verkehrskreise unter "Österreichs größter Qualitätszeitung" eine Zeitung, die, wie die "Oberösterreichischen Nachrichten", vorwiegend regionale Bedeutung hat, nicht verstehen, so ist die beanstandete Werbeaussage nicht zur Irreführung geeignet. Daß "Der Standard" im maßgebenden Zeitpunkt mehr Leser hatte als die anderen überregionalen "Qualitätszeitungen", ist unstreitig.

Der Revision war Folge zu geben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.

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