Spruch:
Der außerordentliche Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
Text
Begründung
Der Minderjährige befindet sich auf Grund einer vorläufigen Anordnung des Erstgerichtes in Pflege und Erziehung der Mutter (ON 25). Im Scheidungsvergleich vom 13. Jänner 1988 (ON 49) haben die Eltern vereinbart, daß der Minderjährige bei der Mutter bleibt, der in Hinkunft das Recht zusteht, ihn zu pflegen und zu erziehen, ihn gesetzlich zu vertreten und sein Vermögen zu verwalten. Die gerichtliche Genehmigung dieser Vereinbarung (§ 177 Abs. 1 ABGB) steht noch aus. Das Besuchsrecht des Vaters wurde einer späteren gerichtlichen Regelung vorbehalten.
Auf Grund der Anträge des Vaters (ON 33 und 56) regelte das Erstgericht das Besuchsrecht des Vaters dahin, daß dieser berechtigt ist, den Minderjährigen an jedem 1. und 3. Samstag im Monat um 9 Uhr früh bei der Mutter abzuholen, und verpflichtet ist, ihn am jeweils darauffolgenden Sonntag um 18 Uhr zur Mutter zurückzubringen; weiters erkannte es dem Vater das Besuchsrecht an jedem 26. Dezember und jedem Ostermontag in der Zeit von 9 Uhr bis 18 Uhr zu und erklärte ihn überdies für berechtigt, den Minderjährigen in den Sommerferien - nach Anzeige spätestens 6 Wochen davor - 14 Tage hindurch zu sich zu nehmen bzw. mit ihm seinen Urlaub zu verbringen. Trotz des Einflusses der Auseinandersetzungen, die die Eltern vor dem Kind vor der Scheidung der Ehe ausgetragen hätten, auf die Einstellung des Minderjährigen zu seinem Vater sei die Einräumung eines Besuchsrechtes geboten gewesen, weil es im Interesse des Minderjährigen liege, normale Beziehungen zu beiden Elternteilen zu haben. Gewichtige Gründe, dem Vater das Besuchsrecht zu versagen, lägen nicht vor.
Das Rekursgericht bestätigte den Beschluß des Erstgerichtes. Den vom Vater vor der Scheidung gesetzten Aggressionshandlungen sei nicht mehr so viel Gewicht beizumessen, weil nach der Trennung der ehelichen Gemeinschaft Konfliktsituationen nicht mehr so häufig auftreten würden. Daß der Vater die Mutter vor zwei Jahren mißhandelt habe, rechtfertige nicht die - von der Mutter begehrte - weitere Einschränkung des Besuchsrechtes auf einen Samstag im Monat ohne Übernachtungsmöglichkeit. Die vom Erstgericht getroffene Regelung gestatte der Mutter auch, ihren Urlaub, Verwandtenbesuche udgl. auf das Besuchsrecht des Vaters abzustimmen, Äußerungen des Vaters anläßlich der Scheidungsverhandlung, er brauche das Kind nicht, könnten nicht als Verzicht auf eine Besuchsrechtsregelung gewertet werden. Die Besuche des Minderjährigen beim Vater gefährdeten nach dem vorliegenden Sachverständigengutachten auch nicht das Wohl des Kindes; vielmehr diene das Besuchsrecht der Vertiefung der Vater-Kind-Beziehung und damit auch dem Wohl des Kindes.
Rechtliche Beurteilung
Der gegen diesen Beschluß erhobene außerordentliche Revisionsrekurs der Mutter ist unzulässig.
Die Mutter beantragt in ihrem Rechtsmittel, das Besuchsrecht dahin zu regeln, daß der Vater jeden 3. Samstag im Monat berechtigt sei, den Minderjährigen von 9 Uhr bis 18 Uhr von der nunmehrigen Wohnung der Mutter in Maria-Enzersdorf, Südstadt, Wienerbruckstraße 124/56, abzuholen, nicht aber berechtigt sei, das Kind nach Linz mitzunehmen; die Besuche an den Feiertagen und in den Ferien sollten nur auf Grund einer Aussprache der Eltern ausgeübt werden dürfen. Die Revisionswerberin verweist dabei auf ihre - nach der Vorlage ihres Rekurses beim Erstgericht eingelangte - Eingabe vom 14. September 1988, wonach sie nunmehr nach Maria-Enzersdorf, Südstadt, Wienerbruckstraße 124/56, übersiedelt sei. Das Rekursgericht hätte diesem neuen Umstand Rechnung tragen müssen: Dem Minderjährigen könne nicht zugemutet werden, an den Besuchstagen mit dem Vater jeweils nach Linz zu fahren; dadurch werde sein bisheriger guter Schulerfolg gefährdet. Der Minderjährige wolle nicht immer nach Linz fahren. Im übrigen sei eine sinnvolle Ausübung des Besuchsrechtes bisher nicht möglich gewesen. Der Vater sei jähzornig und betrachte das Kind als "Dressurobjekt". Auch die Besuche bei der Mutter des Vaters, die der Vater mit dem Kind vornehme, seien für das Kind nicht vorteilhaft.
Vorauszuschicken ist zunächst, daß die bestätigende Entscheidung des Rekursgerichtes gemäß § 16 AußStrG nur wegen einer offenbaren Gesetz- oder Aktenwidrigkeit oder wegen einer "Nullität" (Nichtigkeit) bekämpft werden kann. Die Geltendmachung einer Aktenwidrigkeit läßt sich dem Revisionsrekurs der Mutter überhaupt nicht entnehmen. Der Vorwurf, daß das Rekursgericht nicht alle Umstände des Falles berücksichtigt habe, kann bei der nach den Umständen des Einzelfalles zu treffenden Regelung des Besuchsrechtes die in § 16 AußStrG angeführte Rechtsmittelvoraussetzung der offenbaren Gesetzwidrigkeit nicht herstellen (7 Ob 21/70; 4 Ob 538/88). Mit ihren Ausführungen, das Rekursgericht habe die Wohnortänderung nicht berücksichtigt, vermag die Mutter aber auch keine Nichtigkeit darzustellen:
Grundsätzlich sind zwar auch im Außerstreitverfahren Neuerungen nur insofern zulässig, als sie sich auf vor der Beschlußfassung in erster Instanz eingetretene Tatsachen beziehen (EFSlg. 52.617; EFSlg. 42.221; EFSlg. 39.662 ua); eine Ausnahme davon besteht aber nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes dann, wenn die Berücksichtigung der nach dem erstgerichtlichen Beschluß eingetretenen Sachverhaltsänderungen im Interesse des Kindeswohles erforderlich ist (EFSlg. 47.079; EFSlg. 39.662; EFSlg. 25.831; EFSlg. 21.301; EFSlg. 12.667 ua). Daher ist - allerdings immer nur im Rahmen eines ordentlichen Revisionsrekurses - selbst solchen Änderungen Rechnung getragen worden, die sich erst nach der Beschlußfassung des Rekursgerichtes ergeben haben (EFSlg. 39.662). Für den außerordentlichen Revisionsrekurs gilt aber auch im Außerstreitverfahren des Neuerungsverbot (EFSlg. 39.777 ua). Die Nichtberücksichtigung zusätzlicher neuer Tatsachenbehauptungen und Beweise begründet an sich nur einen einfachen Verfahrensverstoß. Das Gewicht einer Nichtigkeit im Sinne des § 16 AußStrG kann einem solchen Verstoß nur dann zukommen, wenn die Neuerung geeignet ist, die gesamten Entscheidungsgrundlagen umzustoßen (EFSlg. 19.053). Ein derartiger Verfahrensmangel vom Range einer Nichtigkeit fällt aber dem Rekursgericht im vorliegenden Fall nicht zur Last, hat doch die Mutter den Wohnungswechsel nicht schon in ihrem Rekurs, sondern erst in einer weiteren, nach Ablauf der Rekursfrist beim Erstgericht eingelangten Eingabe bekanntgegeben. Von einem dem Rekursgericht unterlaufenen Verfahrensverstoß kann somit keine Rede sein. Da somit ein gesetzmäßiger Anfechtungsgrund im Sinne des § 16 AußStrG nicht geltend gemacht wurde, war der außerordentliche Revisionsrekurs zurückzuweisen. Im Außerstreitverfahren bezieht sich die Rechtskraft einer Entscheidung allerdings nur auf den Tatbestand, der zur Zeit der früheren Entscheidung gegeben war; die Entscheidung kann geändert werden, wenn sich dieser Tatbestand später geändert hat (JBl. 1974, 268). Dem Erstgericht bleibt es daher vorbehalten, die behauptete Sachverhaltsänderung zu prüfen und über das Besuchsrecht des Vaters eine neue Entscheidung zu treffen.
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