Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben; das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, daß das Urteil des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 9.404,64 (darin enthalten S 1.317,44 Umsatzsteuer und S 1.500 Barauslagen) bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Beklagte ist Mieter der Geschäftsräumlichkeiten top.Nr.4 im Haus des Klägers in Wien 1., Opernring 6; er betreibt in diesem Bestandobjekt eine Diskothek. Mit Vertrag vom 22.Dezember 1986 hatte der Beklagte vom Kläger auch die im selben Haus gelegenen Geschäftsräumlichkeiten top.Nr. 10, 11 und 25 gemietet. Am 12.Juni 1987 vereinbarte der Beklagte mit der L*** AIR Luftfahrtgesellschaft mbH (im folgenden kurz: L*** AIR), daß er seine Mietrechte an den Geschäftsräumlichkeiten top.Nr.10, 11 und 25 zugunsten dieser Gesellschaft zurücklege. Für den Fall, daß der Kläger mit der L*** AIR einen Mietvertrag über diese Bestandobjekte abschließe, hatten der Beklagte und die L*** AIR bereits am 9.Juni 1987 eine Vereinbarung abgeschlossen, mit welcher der Beklagte eine Reihe von Verpflichtungen im Zusammenhang mit der Führung seines Diskothekenbetriebes übernahm; dabei kamen der Beklagte und die L*** AIR überein, daß der Eingang zur Diskothek in die Fassade des Stadtbüros der L*** AIR eingegliedert werden sollte. Punkt 4 der Vereinbarung vom 9.Juni 1987 lautete:
"Die L*** AIR Luftfahrtgesellschaft mbH ist berechtigt, die Fassade auch im Bereich des Einganges zur Diskothek beliebig zu gestalten."
In der Folge schloß die L*** AIR mit dem Kläger einen Mietvertrag ab und zahlte an den Beklagten eine Ablöse von 5 Millionen S.
Zum Zeitpunkt des Abschlusses der Vereinbarung vom 9.Juni 1987 hatte die L*** AIR noch keine konkreten Pläne für die Gestaltung der Fassade; sie beauftragte damit die Architektin Dipl.Ing.Andrea F***. Im ursprünglichen Einreichplan war für den Eingang zur Diskothek des Beklagten ein Glasportal vorgesehen. In der Folge kam jedoch die Architektin mit der L*** AIR überein, eine geschlossene Blechtüre mit einer Glasöffnung auszuführen; diese Planänderung wurde der Baubehörde angezeigt. Mit dem vom Beklagten nur mit der Innenausstattung der Diskothek beauftragten Christian S*** vereinbarte Dipl.Ing.Andrea F*** am 12.Dezember 1987, daß die Eingangstür zur Diskothek des Beklagten in Blech mit zwei segmentförmigen Fenstern ausgeführt werde; Christian S*** war jedoch vom Beklagten nicht bevollmächtigt worden, eine Vereinbarung über die Gestaltung dieser Tür zu schließen.
Der Beklagte beanstandete im Februar 1988 die Ausführung der Eingangstüre zur Diskothek und ersuchte die L*** AIR, ihm bis 31. März 1988 geeignete Vorschläge zur Bereinigung der Angelegenheit zu machen. Schon zuvor hatte die L*** AIR eine Beanstandung der Blechtüre durch den Beklagten unter Hinweis auf Punkt 4 der Vereinbarung vom 9.Juni 1987 zurückgewiesen.
Kurz nach dem 5.März 1988 beauftragte der Beklagte Christian S***, die Blechtüre durch eine Glastüre zu ersetzen; er hatte sich zu diesem Vorgehen entschlossen, weil er Nachteile für den Geschäftsgang der Diskothek befürchtete, wenn die Eingangstür nicht einsehbar ist. Am Tag vor der feierlichen Eröffnung des Stadtbüros der L*** AIR (9.März 1988) wurde dieser Austausch - trotz des Widerspruches der zufällig anwesenden Architektin - vorgenommen; dabei wurden der Rahmen der Blechtüre entfernt und angeschweißte Bänder abgeschnitten. An der Innenseite der Glastüre ließ der Beklagte auch eine - programmierbare - Leuchtschrift anbringen. Mit Fernschreiben vom 8.März 1988 verlangte die L*** AIR vom Beklagten, die Blechtüre noch vor der Eröffnung ihres Stadtbüros wieder einzusetzen; der Beklagte kam dieser Aufforderung nicht nach. Wegen des Abschneidens der Bänder wäre ein Austausch der Türen nicht mehr ohne weiteres möglich gewesen. In einem von der L*** AIR eingeleiteten Besitzstörungsverfahren wurde der Beklagte zur Wiederherstellung des vorherigen Zustandes verhalten; diese Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig.
Für die gesamte Portalgestaltung im Bereich des Einganges zur Diskothek des Beklagten wendete die L*** AIR S 135.000 auf; davon entfallen S 35.000 auf die Blechtüre und ca. S 30.000 bis 35.000 auf den ober der Türe liegenden Teil des Portals, der vom Beklagten nicht verändert wurde. Die Blechtüre liegt seither im Keller des Hauses.
Der Kläger kündigte dem Beklagten die Geschäftsräumlichkeiten top.Nr. 4 im Haus Wien 1., Opernring 6, zum 30.September 1988 auf und beantragte, dem Beklagten aufzutragen, ihm das Bestandobjekt geräumt von seinen Fahrnissen zu übergeben. Der Beklagte habe der L*** AIR durch sein Verhalten im Zusammenhang mit dem Austausch der Tür zu seiner Diskothek das "Zusammenwohnen" verleidet und sich gegenüber dem Kläger und der L*** AIR auch einer mit Strafe bedrohten Handlung gegen das Eigentum schuldig gemacht; er habe damit die Kündigungstatbestände des § 30 Abs 2 Z 3, zweiter und dritter Fall, MRG verwirklicht.
Der Beklagte beantragte die Aufhebung der Aufkündigung. Allen Vereinbarungen über die Gestaltung der Fassade sei die Errichtung eines Glasportals zugrunde gelegen. Der Beklagte habe gegen die Montage einer Blechtüre sofort protestiert und in der Folge lediglich die Verwirklichung des in den Einreichplänen dargestellten Zustandes veranlaßt. Darin liege weder ein rücksichtsloses Verhalten gegen "Mitbewohner" noch eine strafbare Handlung gegen das Eigentum der durch § 30 Abs 2 Z 3 MRG geschützten Personen.
Das Erstgericht hob die Aufkündigung auf und wies das Räumungsbegehren ab. § 30 Abs 2 Z 3 MRG schütze zwar nicht nur Wohnungsmieter, sondern auch die Bestandnehmer von Geschäftslokalen vor unleidlichem Verhalten anderer Mieter. Unleidliches Verhalten im Sinne des § 30 Abs 2 Z 3, zweiter Fall, MRG setze aber eine längere Zeit hindurch fortgesetzte Störung des friedlichen Zusammenlebens voraus; ein vereinzelter Vorfall könne diesen Kündigungsgrund nur dann verwirklichen, wenn er so schwerwiegend ist, daß er Abhilfe durch Kündigung erfordert. Der Beklagte habe sich zwar gegenüber der L*** AIR grob vertragswidrig verhalten; die dadurch in ihren Rechten beeinträchtigte L*** AIR könne von ihm jedoch die Wiederherstellung des früheren Zustandes fordern. Es sei nicht zu besorgen, daß sich der Beklagte an einen derartigen Exekutionstitel nicht halten werde. Damit sei aber die Kündigung nicht das einzige zur Abhilfe gegen das Verhalten des Beklagten geeignete Mittel. Ob sich der Beklagte gegenüber dem Kläger oder der L*** AIR einer mit Strafe bedrohten Handlung gegen das Eigentum schuldig gemacht habe, müsse nicht beurteilt werden; auch wenn der Schaden, den die L*** AIR erlitten hat, ca. S 100.000 betrage, könne doch das Verhalten des Beklagten, der nur den von ihm befürchteten schlechten Geschäftsgang seines Betriebes habe abwehren wollen, keine schwerwiegende strafbare Handlung, wie sie zur Verwirklichung des Kündigungstatbestandes nach § 30 Abs 2 Z 3, dritter Fall, MRG erforderlich sei, begründen.
Das Berufungsgericht erklärte die Aufkündigung für rechtswirksam und erkannte den Beklagten schuldig, dem Kläger das Bestandobjekt geräumt zu übergeben; weiters sprach es aus, daß der Wert des Streitgegenstandes S 300.000 übersteige. Die Möglichkeit, von einem Mieter gerichtliche Abhilfe gegen störendes Verhalten - etwa durch eine Unterlassungsklage - zu erlangen, dürfe nicht dazu führen, dem Vermieter die Kündigung nach § 30 Abs 2 Z 3, zweiter Fall, MRG wegen eines zwar einmaligen, aber doch schwerwiegenden Fehlverhaltens des Mieters zu versagen. Ein derartiges schwerwiegendes Fehlverhalten sei aber dem Beklagten hier anzulasten: Der Beklagte habe der L*** AIR vertraglich die Fassadengestaltung nach deren Gutdünken überlassen; es sei davon auszugehen, daß er dafür auch ein entsprechendes Entgelt erhalten habe. Damit habe aber der Beklagte nicht nur eine allgemeine, ihn als Bestandnehmer treffende Pflicht, sondern eine vertragliche Verpflichtung verletzt. Weiters habe er der L*** AIR eine Frist bis zum 31.März 1988 für die Erstattung von Vorschlägen gesetzt; die L*** AIR habe darauf vertrauen dürfen, daß er bis dahin den bestehenden Zustand nicht verändern werde. Dennoch habe der Beklagte bereits am 8.März 1988, also am Tag vor der festlichen Eröffnung des Stadtbüros der L*** AIR, die Türe austauschen lassen. Besonders schwer wiege aber das Verhalten des Beklagten auch deshalb weil er durch das Absägen der Zargen (nach den Feststellungen richtig: der Bänder) das Wiedereinhängen der Blechtüre erschwert habe. Unter diesen Umständen begründe auch ein einmaliges Fehlverhalten des Mieters den Kündigungsgrund des unleidlichen Verhaltens. Darauf, ob der Beklagte eine strafbare Handlung im Sinne des dritten Tatbestandes des § 30 Abs 2 Z 3 MRG begangen habe, komme es somit nicht mehr an.
Gegen dieses Urteil richtet sich die wegen Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobene Revision des Beklagten mit dem Antrag, das Urteil des Erstgerichtes wiederherzustellen; hilfsweise wird auch ein Aufhebungsantrag gestellt.
Der Kläger beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist berechtigt.
Der in erster Instanz siegreich gebliebene Beklagte bekämpft mit seiner Revision - entgegen der in der Revisionsbeantwortung vertretenen Auffassung in durchaus zulässiger Weise (SZ 26/362; SZ 48/9; SZ 55/122; SZ 59/101) - eine Reihe von Feststellungen des Erstgerichtes; diese Ausführungen können jedoch auf sich beruhen, weil die geltend gemachten Kündigungstatbestände auch auf der Grundlage des festgestellten Sachverhalts nicht verwirklicht worden sind:
Eine Kündigung wegen unleidlichen Verhaltens setzt eine Störung des friedlichen Zusammenlebens voraus, die durch längere Zeit fortgesetzt wird oder sich in häufigen Wiederholungen äußert und überdies nach ihrer Art das bei den besonderen Verhältnissen geduldete Ausmaß übersteigt. Ein einmaliger Vorfall bildet den Kündigungsgrund nur, wenn er so schwer wiegt, daß er Abhilfe durch Kündigung erfordert (Würth in Rummel, ABGB, Rz 17 zu § 30 MRG; 2 Ob 571/85); das ist dann der Fall, wenn er das Maß des Zumutbaren überschreitet und objektiv geeignet erscheint, auch nur einem Mitbewohner das Zusammenleben zu verleiden. Es kommt daher, wie das Berufungsgericht richtig erkannt hat, nicht schlechthin darauf an, ob Abhilfe auf andere Art als durch Kündigung möglich ist, sondern - selbst im Fall der Möglichkeit einer solchen Abhilfe - darauf, ob ein gedeihliches Zusammenleben der "Mitbewohner" weiterhin gewährleistet ist.
Im vorliegenden Fall hat zwar der Beklagte einen von einer anderen Mieterin an seinem Geschäftsportal geschaffenen Bauzustand eigenmächtig verändert, obwohl er ihr die Gestaltung seines Geschäftsportals nach ihrem Belieben vertraglich eingeräumt hatte; er hat allerdings mit dem Austausch der Türe nur den durch die bei der Baubehörde eingereichten Pläne dokumentierten Zustand herbeigeführt und darüber hinaus in der Befürchtung gehandelt, die vorhandene Blechtüre könnte dem Geschäftsgang seiner Diskothek abträglich sein. Ein solches Verhalten kann - trotz des Verstoßes gegen eine mit dem Mitmieter getroffene Vereinbarung - nicht als rücksichtslos, anstößig oder sonst grob ungehörig qualifiziert werden. Daß der Beklagte weder die der L*** AIR zur Erstattung von Vorschlägen eingeräumte Frist abgewartet hat, noch den Termin der Eröffnung des Stadtbüros der L*** AIR verstreichen ließ, ist unter den vorliegenden Umständen gleichfalls nicht als grobe Ungehörigkeit zu werten. Daß mit dem Austausch der Türe eine Beeinträchtigung der von der L*** AIR hergestellten Fassade verbunden wäre, ist nicht hervorgekommen; welchen negativen Eindruck die Gäste der Eröffnungsfeier wegen des Austausches der Türe hätten haben können, ist daher nicht ersichtlich. Daraus folgt aber, daß auch der Zeitpunkt des Austausches keinen Rückschluß auf eine besondere Ungehörigkeit zuläßt. Ob der Beklagte seine Diskothek damals schon eröffnet hatte, ist daher gleichfalls ohne rechtliche Bedeutung; selbst wenn das der Fall gewesen wäre, konnte auch dieser Umstand der L*** AIR in Hinkunft das Zusammenleben mit dem Beklagten verleiden.
Schließlich ist aber auch im Absägen der vorhandenen Bänder keine besondere, gegen die L*** AIR gerichtete Ungehörigkeit zu erblicken. Soweit das Berufungsgericht meint, daß dadurch ein nicht mehr zu beseitigender Zustand herbeigeführt worden sei, mangelt es an der für diese Annahme erforderlichen Feststellung, daß die zur Befestigung der Türe angebrachten Bänder nicht wieder angeschweißt werden könnten; das hat aber die Klägerin nicht einmal behauptet. Da der Beklagte nach den insoweit unbekämpften Feststellungen der Vorinstanzen in der Absicht gehandelt hat, der Gefahr eines wegen der Gestaltung der Blechtüre befürchteten negativen Geschäftsganges vorzubeugen, fehlen auch Anhaltspunkte dafür, das Austauschen der Türe als feindseligen Akt gegenüber der Nachbarmieterin zu qualifizieren. Das festgestellte Verhalten des Beklagten läßt aber auch nicht die Prognose zu, daß der Beklagte in Hinkunft rechtskräftige gerichtliche Aufträge, den früheren Zustand wiederherzustellen, nicht befolgen werde. Der Tatbestand des unleidlichen Verhaltens ist durch die einmalige Handlungsweise des Beklagten somit nicht verwirklicht worden.
Im vorliegenden Fall ist aber auch der Kündigungstatbestand gemäß § 30 Abs 2 Z 3, dritter Fall, MRG nicht gegeben. Ganz abgesehen davon nämlich, daß weder auf Grund des vorgetragenen noch auf Grund des festgestellten Sachverhaltes beurteilt werden kann, ob die Blechtüre in das Eigentum des Klägers, der L*** AIR oder des Beklagten übergegangen ist, und damit auch nicht der Vorwurf begründet werden kann, daß sich der Beklagte gegenüber dem Vermieter oder einer im Hause wohnenden Person einer mit Strafe bedrohten Handlung gegen das Eigentum schuldig gemacht habe, beruht die Annahme des Erstgerichtes, daß der durch die festgestellte Maßnahme des Beklagten herbeigeführte Schaden S 100.000 betrage, auf der unrichtigen Schlußfolgerung, daß der für die Herstellung und Montage der Blechtüre erforderliche Aufwand mit dem eingetretenen Schaden gleichgesetzt werden könne. Tatsächlich kann aber die noch vorhandene Blechtüre samt Rahmen nach der Befestigung neuer Bänder wieder eingesetzt werden. Daß die damit verbundenen Kosten erheblich wären, wurde nicht einmal behauptet und ist auch nicht anzunehmen. Eine mit derartigen Folgen verbundene Sachbeschädigung wäre aber mangels der Verwirklichung des Tatbestandes der schweren Sachbeschädigung als geringfügig anzusehen. Ebensowenig bestehen aber Anhaltspunkte für die Verwirklichung des Tatbestandes der dauernden Sachentziehung.
Aus den dargelegten Gründen war der Revision Folge zu geben und das Urteil des Erstgerichtes wiederherzustellen.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.
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