Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei hat die Kosten ihrer Revision selbst zu tragen.
Text
Entscheidungsgründe:
Über das Geschäftslokal top. Nr. 1 im Hause
Wien 1., Wollzeile 2, wurde Ende des 19. Jahrhunderts zwischen der Beklagten als Hauseigentümerin und der Firma P*** & Co., welche im Jahr 1884 gegründet worden war, ein Mietvertrag abgeschlossen. Die letztgenannte offene Handelsgesellschaft betrieb in dem Bestandobjekt ein Textileinzelhandelsunternehmen. Seit 1953 war der Geschäftsführer der Klägerin, Dkfm.Fritz R***, Alleininhaber dieses Unternehmens. Im Jahre 1970 wurde die Firma P*** & Co. als Sacheinlage in die Welser Textil-Fabrik I*** UND N*** Gesellschaft mbH eingebracht; im Hinblick darauf wurde im Jahr 1972 die Firma P*** & Co im Handelsregister gelöscht.
Im Jahr 1974 wurde die klagende P*** & Co Gesellschaft mbH im Handelsregister eingetragen. Seit ihrer Gründung betreibt sie in dem Bestandobjekt den Textilhandel. Die Beklagte hat den Mietzins weiterhin der Firma P*** & Co. vorgeschrieben. Zwischen den Streitteilen kam es zu keinen geschäftlichen Kontakten; es konnte nicht festgestellt werden, daß zwischen den Streitteilen eine Mietzinsvereinbarung getroffen worden wäre.
Die Klägerin begehrt die Feststellung, daß sie Mieterin des Geschäftslokales top. 1 im Haus Wien 1., Wollzeile 2, sei. Sie benützte das Bestandobjekt seit ihrer Gründung und zahle dafür den ihr vorgeschriebenen Mietzins. Im Jahr 1982 sei die Beklagte an die Klägerin wegen einer Mietzinserhöhung herangetreten; die Streitteile hätten dann eine Mietzinserhöhung vereinbart. Die Beklagte stehe auf dem unrichtigen Standpunkt, daß der Geschäftsführer der Klägerin, Dkfm. Heinz R***, persönlich Mieter des Geschäftslokales sei, und habe ihm den Bestandvertrag wegen gänzlicher Untervermietung aufgekündigt.
Die Beklagte beantragt die Abweisung der Klage. Nicht die Klägerin, sondern Dkfm.Heinz R*** sei Mieter des Geschäftslokals. Die Klägerin habe das Unternehmen der Firma P*** & Co. nicht erworben; der Beklagten sei auch kein Unternehmensübergang angezeigt worden. Erst seit kurzer Zeit zahle die Klägerin den Zins im eigenen Namen; ihre Zahlungen habe jedoch die Beklagte nicht angenommen. Von der Existenz der Klägerin habe die Beklagte keine Kenntnis gehabt. Das Erstgericht wies die Klage ab. Aus dem eingangs wiedergegebenen Sachverhalt leitete es rechtlich ab, daß die Mietrechte der Firma P*** & Co. auf deren letzten Gesellschafter als Alleininhaber übergegangen seien. Die Einbringung des Unternehmens der Personengesellschaft in eine Kapitalgesellschaft habe am Bestehen dieser Mietrechte nichts geändert. Zwischen den Streitteilen sei ein Mietvertrag weder ausdrücklich noch durch schlüssige Erklärungen zustande gekommen. Die Beklagte habe die Mietzinse immer der Firma P*** & Co. vorgeschrieben und von deren Löschung keine Kenntnis gehabt. Die Klägerin habe ihr nach ihrer Gründung nie mitgeteilt, daß das Bestandobjekt nunmehr von ihr benützt werde. Auch aus Anlaß der Vereinbarung einer Mietzinserhöhung habe die Beklagte noch keine Kenntnis von der Existenz der Klägerin gehabt. In der Vereinbarung einer Mietzinserhöhung (mit dem bisherigen Mieter) könne daher kein schlüssiger Mietvertragsabschluß zwischen den Streitteilen liegen. Das Berufungsgericht bestätigte das Urteil des Erstgerichtes und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes S 300.000 übersteige. Es übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes mit Ausnahme jener, die Beklagte habe Dkfm.Heinz R*** als Mieter angesehen, sowie der weiteren in der rechtlichen Beurteilung des Erstgerichts enthaltenen, als Feststellung beurteilten Annahme, die Beklagte habe sich wegen der Zinserhöhung an Dkfm.Heinz R*** gewandt. In rechtlicher Hinsicht führte das Berufungsgericht folgendes aus:
Die Klägerin ziehe im Berufungsverfahren nicht mehr in Zweifel, daß die Beklagte die Mietzinse stets der Firma P*** & Co. vorgeschrieben habe. Da die Klägerin der Beklagten nicht bekanntgegeben habe, daß die Firma P*** & Co. gelöscht worden sei und sie nunmehr das Bestandobjekt benütze, habe die Beklagte vom Wechsel der Benützer keine Kenntnis erhalten. Die Beklagte sei auch nicht verpflichtet gewesen, nach dem tatsächlichen Benützer zu forschen. Mangels Kenntnis dieser Umstände habe zwischen den Streitteilen auch kein Mietvertragsabschluß durch schlüssige Erklärungen zustande kommen können. Eine schlüssige Erklärung der Beklagten, die Klägerin als Mieterin zu akzeptieren, könne auch nicht in der Vereinbarung einer Mietzinserhöhung liegen, weil nicht hervorgekommen sei, daß die Beklagte das Ansinnen auf Mietzinserhöhung an die Klägerin gerichtet und mit dieser darüber verhandelt habe. Da die Klägerin der Beklagten die tatsächlichen Benützungsverhältnisse verschwiegen habe, habe sie auch nicht annehmen dürfen, daß die Beklagte das Ansinnen, den Mietzins zu erhöhen, an sie gerichtet habe.
Rechtliche Beurteilung
Gegen dieses Urteil richtet sich die auf die Revisionsgründe nach § 503 Abs 1 Z 3 und 4 ZPO gestützte Revision der Klägerin mit dem Antrag, das Urteil des Berufungsgerichtes im Sinne der Stattgebung des Klagebegehrens abzuändern, hilfsweise es aufzuheben und die Sache an das Berufungsgericht oder an das Erstgericht zurückzuverweisen.
Die Beklagte hat sich am Revisionsverfahren nicht beteiligt. Die Vorinstanzen haben die Beklagte zutreffend als parteifähige Rechtspersönlichkeit behandelt (SZ 25/222; SZ 37/3; Aicher in Rummel, ABGB. Rz 9 zu § 26).
Die gerügte Aktenwidrigkeit liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO). In ihrer Rechtsrüge macht die Klägerin nur noch das Zustandekommen eines Mietvertrages zwischen den Streitteilen durch schlüssige Erklärung geltend. Sie benütze das Geschäftslokal seit mehr als 15 Jahren und habe den dafür vorgeschriebenen Mietzins gezahlt. Die Vereinbarung über die Zinserhöhung vom Jahr 1982 sei in einer Besprechung zwischen dem Verwalter der Beklagten und einer Angestellten der Klägerin zustande gekommen. Bei der Beurteilung einer schlüssigen Willenserklärung komme es nicht darauf an, was sich der Erklärende gedacht habe, sondern darauf, wie der Erklärungsempfänger die Erklärung nach Treu und Glauben habe auffassen dürfen. Die Klägerin habe nicht annehmen müssen, daß sich die Beklagte in der Person des Mieters geirrt habe, weil die Zinsvorschreibungen stets an die Firma P*** & Co. gerichtet waren; im Geschäftsleben sei es durchaus üblich, die zusätzliche Bezeichnung "Gesellschaft mbH" in der Firma einer solchen Gesellschaft wegzulassen. Diesen Ausführungen kann nicht beigepflichtet werden:
Eine schlüssige Willenserklärung liegt dann vor, wenn der Erklärungswert nicht so sehr aus bestimmten Worten oder aus einem bestimmten Verhalten, als vielmehr aus den Begleitumständen erschlossen wird. Bei der Beurteilung einer Handlung auf ihre konkludente Aussage ist größte Vorsicht geboten, weil die Gefahr besteht, daß dem Handelnden Äußerungen unterstellt werden, die nicht in seinem Sinn sind. Eine konkludente Erklärung darf daher gemäß § 863 ABGB nur angenommen werden, wenn die Handlung nach der Verkehrssitte, nach den üblichen Gewohnheiten und Gebräuchen eindeutig in einer bestimmten Richtung zu verstehen ist; es darf kein vernünftiger Grund übrig bleiben, daran zu zweifeln daß ein Rechtsfolgewille in bestimmter Richtung vorliegt (Koziol-Welser8 I 83; Rummel in Rummel ABGB, Rz 14 zu § 863 und die dort angeführte Judikatur). Für das Vorliegen und die Bedeutung einer Erklärung kommt es nicht primär auf den Willen des Erklärenden, sondern vielmehr auf das Verhältnis an, das ein redlicher Erklärungsempfänger von dieser Erklärung gewinnen durfte und gewonnen hat (Rummel aaO Rz 8). Daher hat der Oberste Gerichtshof bereits ausgesprochen, daß nur dann eine schlüssige Zustimmung des Vermieters zum Mieterwechsel angenommen werden kann, wenn die konkludente Willensäußerung ein so hohes Maß an Eindeutigkeit aufweist, daß eine andere Auslegung vernünftigerweise nicht in Frage kommt (MietSlg. 24.078).
Danach konnte aber die Klägerin nicht annehmen, daß sich die Beklagte mit ihren regelmäßigen Zinsvorschreibungen und dem Ansinnen, den Mietzins zu erhöhen, an sie habe wenden wollen. Die Beklagte wußte nämlich weder, daß ihr Vertragspartner, die Firma P*** & Co, im Handelsregister gelöscht worden war, noch daß die Klägerin seit ihrer Gründung im Jahr 1972 das Bestandobjekt benützte. Die Klägerin brachte ausdrücklich vor, daß sie keinen Anlaß gesehen habe, die Beklagte über diese Umstände zu informieren. Sie konnte daher redlicherweise auch nicht annehmen, daß die Beklagte den Beisatz "Gesellschaft mbH" in ihren Zinsvorschreibungen bloß aus den im Geschäftsverkehr zur Vereinfachung üblichen Gründen weggelassen und damit sie habe ansprechen wollen; aus den Umständen ergibt sich vielmehr, daß sich die Beklagte an ihren bisherigen Mieter - die Firma P*** & Co. - wenden wollte. Aus den gleichen Gründen konnte die Klägerin aber auch nicht annehmen, daß die Beklagte die später vereinbarte Zinserhöhung von ihr begehrt habe. Der Revision war somit ein Erfolg zu versagen.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.
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