OGH 4Ob588/95

OGH4Ob588/955.12.1995

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes HonProf.Dr.Gamerith als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kodek, Dr.Niederreiter, Dr.Redl und Dr.Griß als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei V***** GesellschaftmbH, *****, vertreten durch Dr.Erhart Weiss, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei K***** GesellschaftmbH, ***** vertreten durch Dr.Ronald Rast und Dr.Christian Werner, Rechtsanwälte in Wien, wegen Nichtigerklärung von Gesellschafterbeschlüssen (Streitwert S 1 Mio.; Revisionsinteresse S 333.333,33), infolge Revision der Klägerin gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 29. Juni 1995, GZ 6 R 562/94-31, mit dem das Urteil des Handelsgerichtes Wien vom 28.Juli 1994, GZ 14 Cg 34/94g-26, teilweise bestätigt und teilweise aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die Klägerin ist schuldig, der Beklagten die mit S 15.255,-- bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung (darin S 2.542,50 USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin und die B***** AG sind Gesellschafter der Beklagten. Die B***** AG verfügt mit 56 % der Geschäftsanteile über die Mehrheit.

In der Generalversammlung der Beklagten vom 3.8.1992 wurden mit den Stimmen der Mehrheitsgesellschafterin gegen die Stimmen der Klägerin Beschlüsse gefaßt, gegen die die Klägerin Widerspruch erhoben hat:

a) Der Antrag der Klägerin, den Gesellschaftsvertrag der Beklagten in Punkt X Abs 3 zu ändern, wurde abgewiesen. Punkt X Abs 3 regelt, daß die Hälfte des "im Jahresabschluß ausgewiesenen Reingewinns" an die Gesellschafter im Verhältnis ihrer Beteiligung auszuschütten ist. Nach dem Änderungsantrag der Klägerin sollte Grundlage für die Gewinnausschüttung "der in der steuerlichen Jahresbilanz ausgewiesene Reingewinn" sein.

b) Die Jahresbilanz 1991 wurde festgestellt.

c) Es wurde beschlossen, die Hälfte des Jahresgewinnes 1991 von S 14,550.000,-- an die Gesellschafter auszuschütten.

Im Zuge der Einbringung aller Geschäftsanteile an der Feldbacher Backwarenfabrik Dr.Josef Z***** GesellschaftmbH in die Beklagte wurde am 12.8.1985 zwischen der B***** AG, dem Verband ***** registrierte GenossenschaftmbH, der V***** (ehemals Herbert R***** GesellschaftmbH), der Josef Wolfgang Z***** GesellschaftmbH, Josef Wolfgang Z*****, Marilies Z***** und Dr.Hildgund M***** ein Syndikatsvertrag geschlossen. Punkt IX dieses Syndikatsvertrages bestimmt:

"Im Gesellschaftsvertrag der K***** GmbH (Beklagten) wird bestimmt werden, daß jeweils wenigstens 50 % des in der steuerlichen Jahresbilanz der Gesellschaft ausgewiesenen Reingewinnes an die Gesellschafter im Verhältnis ihrer Stammeinlagen ausgeschüttet werden, sofern sich die Gesellschafter nicht einstimmig auf einen geringeren Prozentsatz einigen."

In der am selben Tag abgehaltenen Generalversammlung der Beklagten wurde der Syndikatsvertrag zur Kenntnis genommen. Die Änderung des Punktes X des Gesellschaftsvertrages wurde einstimmig beschlossen; der Begriff "steuerliche Jahresbilanz" wurde aber in die geänderte Bestimmung nicht aufgenommen. Darüber, daß die steuerliche Jahresbilanz Grundlage der Gewinnausschüttung sein solle, wurde weder bei Abschluß des Syndikatsvertrages noch bei der Änderung des Gesellschaftsvertrages gesprochen; eine solche Bestimmung fand sich - außer im Syndikatsvertrag selbst - in einem Entwurf des Syndikatsvertrages, den die Rechtsanwaltskanzlei Dr.P***** 1985 erarbeitet hatte.

Das Protokoll der ordentlichen Generalversammlung vom 3.8.1992 langte beim Klagevertreter am 25.8.1992 ein. Am 28.9.1992 sandte die Beklagte eine Abschrift aus dem Protokollbuch an die Klägerin.

Die Klägerin ist eine große Kapitalgesellschaft iS des § 221 HGB. Der Geschäftsführer der Beklagten bestellte die Steuerberatungsgesellschaft K***** GesellschaftmbH als Jahresabschlußprüferin für 1991; der Bestätigungsvermerk wurde am 21.2.1992 erteilt. Am 11.3.1993 wurde die fehlerhafte Bestellung durch einen Beschluß des Aufsichtsrates saniert. Der Jahresabschluß 1991 wurde neuerlich geprüft; das Ergebnis war gleich. Am 19.7.1993 wurde der Bestätigungsvermerk erteilt.

Die Klägerin begehrt, die in der Generalversammlung der Beklagten vom 3.8.1992 laut notariellem Protokoll, Geschäftszahl 7130, des öffentlichen Notars Dr.Günther T*****, mit dem Amtssitz in W***** und der Amtskanzlei in W*****, gefaßten Beschlüsse,

a) der Antrag auf Änderung des Gesellschaftsvertrages der K***** GesellschaftmbH in Punkt Zehntens Absatz (3), der zu lauten hat:

"Die Generalversammlung stellt den Jahresabschluß (Bilanz und Gewinn- und Verlustrechnung) fest. Wenigstens die Hälfte des in der steuerlichen Jahresbilanz der Gesellschaft ausgewiesenen Reingewinnes ist an die Gesellschafter im Verhältnis ihrer Stammeinlagen auszuschütten. Über die Verwendung des restlichen Reingewinnes beschließt die Generalversammlung, die auch einstimmig eine andere Verteilung der den Gesellschaftern unmittelbar zustehenden Hälfte des im steuerlichen Jahresabschluß ausgewiesenen Reingewinnes beschließen kann"

wird abgelehnt;

b) die Jahresbilanz der K***** GesellschaftmbH wird mit einem Jahresgewinn 1991 im Betrag von S 29,100.909,04 zuzüglich eines Gewinnvortrages von S 3,42, sohin insgesamt einem Gewinn von S 29,100.912,46 (in Worten Schilling neunundzwanzig Millionen einhunderttausendneunhundertzwölf 46/100) festgestellt;

c) vom Jahresgewinn 1991 zuzüglich Gewinnvortrag in Summe von S 29,100.912,46 den Betrag von S 14,550.000,-- auszuschütten und den verbleibenden Restbetrag von S 14,550.912,46 auf neue Rechnung vorzutragen,

werden für nichtig erklärt.

Mit ihrer Ablehnung der von der Beklagten beantragten Änderung des Gesellschaftsvertrages habe die Mehrheitsgesellschafterin gegen den Syndikatsvertrag und auch gegen den Gesellschaftsvertrag verstoßen, weil der Syndikatsvertrag in der Generalversammlung zur Kenntnis genommen worden sei. Das Stimmverhalten der Mehrheitsgesellschafterin sei gegenüber der Klägerin treuwidrig und daher nichtig.

Die Feststellung des Jahresabschlusses 1991 widerspreche in mehreren Punkten dem Gesetz. Es sei nicht angegeben, aufgrund welches in Österreich handelsrechtlich zulässigen Verfahrens die Höhe der Pensionsrückstellung ermittelt worden sei. Die prüfende Gesellschaft habe nur erklärt, es sei die im B*****-Konzern angewendete Methode zugrunde gelegt worden. Der Gewinn für 1991 sei sogar im handelsrechtlichen Jahresabschluß zu niedrig und in gesetzwidriger Weise ausgewiesen worden. Es fehle jeder gesonderte Ausweis über die Höhe der Pensionsrückstellungen für Geschäftsführer und leitende Angestellte. Verschiedene In-Sich-Geschäfte zwischen der Gesellschaft und Gesellschaftern seien in keiner Weise aufgeklärt worden. Der Jahresabschluß sei beschlossen worden, ohne daß begründete Anfragen der Klägerin rechtzeitig aufgeklärt worden wären.

Die Mehrheitsgesellschafterin habe den Beschluß über die Gewinnausschüttung in der offenkundigen Absicht gefaßt, die Klägerin als Minderheitsgesellschafterin auszuhungern und unter Druck zu setzen, um deren Geschäftsanteil möglichst billig erwerben zu können. Das sei auch der Grund dafür, nur den Gewinn laut Handelsbilanz von rund S 30 Mio. und nicht den steuerlich maßgeblichen Gewinn von rund S 60 Mio. auszuschütten.

Die Beschlüsse über die Feststellung des Jahresabschlusses 1991 und die Gewinnausschüttung seien absolut nichtig, weil nicht ein von der Generalversammlung gewählter, sondern ein vom Geschäftsführer bestellter Wirtschaftsprüfer und Steuerberater den Prüfbericht erstellt habe. Das Klagebegehren sei daher in den Punkten b) und c) auch als Begehren auf Feststellung der Nichtigkeit iS des § 228 ZPO zu verstehen. Das rechtliche Interesse an der alsbaldigen Feststellung ergebe sich aus dem bisherigen Vorbringen.

Die Beklagte beantragt, das Klagebegehren abzuweisen.

Der Syndikatsvertrag sei nicht Bestandteil des Gesellschaftsvertrages. Den Bestimmungen des Syndikatsvertrages sei durch die Änderung des Gesellschaftsvertrages vom 12.8.1985 ohnedies Rechnung getragen worden. Es sei kaufmännisch nicht vertretbar, den sich aus der steuerlichen Jahresbilanz ergebenden Gewinn auszuschütten. Die Klägerin habe auf die Änderung des Gesellschaftsvertrages verzichtet; ihr Anspruch sei auch verjährt. Die Klägerin sei nicht aktiv legitimiert, weil die nach dem Syndikatsvertrag notwendige Willensübereinstimmug zwischen den Gesellschaftern der Klägerin nicht vorliege.

Der Jahresabschluß 1991 sei dem Gesetz gemäß erstellt worden. Die Pensionsrückstellungen seien nach dem Barwertverfahren erfolgt und im Anhang (in der Ergänzung) ausreichend erläutert worden. Die Rückstellungen für Geschäftsführer und leitende Angestellte hätten nicht gesondert ausgewiesen werden müssen, weil es im Geschäftsjahr 1991 keine Pensionszahlungen, die als Aufwendungen bezeichnet werden könnten, gegeben habe. Der Klägerin seien die gewünschten Aufklärungen erteilt worden.

Der Beschluß über die Ausschüttung des Gewinnes sei rechtmäßig zustandegekommen. Die Behauptung, der Minderheitsgesellschafter solle ausgehungert werden, damit seine Geschäftsanteile möglichst billig erworben werden könnten, sei aus der Luft gegriffen. Die Klägerin begehe gegen die Gesellschaft einen Treuebruch, weil sie die Pensionsrückstellungen bekämpfe, obwohl die Kapitalbildung im Unternehmen der Beklagten notwendig sei.

Die Generalversammlung habe den Jahresabschluß und die Gewinnverteilung 1991 neuerlich beschlossen; der am 3.8.1992 festgestellte Jahresabschluß "sei rechtlich nicht mehr existent". Der Jahresabschluß 1991 sei nach Sanierung der Bestellung des Abschlußprüfers festgestellt worden; die klagegegenständlichen Streitpunkte seien dadurch "bereinigt und nicht mehr relevant".

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.

Der Beschluß über den Antrag auf Abänderung des Gesellschaftsvertrages sei mängelfrei zustandegekommen. Die im Syndikatsvertrag enthaltene Bestimmung über die steuerliche Jahresbilanz sei nicht Bestandteil des Gesellschaftsvertrages. Eine dem Syndikatsvertrag widersprechende Stimmabgabe könne nicht bekämpft werden.

Die Jahresbilanz 1991 und die Gewinnausschüttung seien am 3.8.1992 ordnungsgemäß beschlossen worden. Der Beschluß könne aus den von der Klägerin genannten Gründen nicht angefochten werden; andere Anfechtungsgründe habe die Klägerin nicht behauptet. Die unrichtige Bestellung des Abschlußprüfers sei saniert worden.

Das Berufungsgericht verwarf die Berufung wegen Nichtigkeit. Es bestätigte das Ersturteil in Punkt a) des Spruches; im übrigen hob es die Entscheidung des Erstgerichtes auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurück. Das Berufungsgericht sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000 übersteige und "der Revisionsrekurs" zulässig sei.

Ein Stimmbindungsvertrag binde nur die Beteiligten, nicht auch die Gesellschaft. Die bindungswidrig abgegebene Stimme sei wirksam; der Beschluß könne in der Regel nicht wegen Verletzung des Syndikatsvertrages angefochten werden. Etwas anderes gelte, wenn sich die Stimmbindung darauf beschränke, die - ohnehin gegebene - Treuepflicht zu konkretisieren. Stimmbindungsverträge seien nach überwiegender Lehre und Rechtsprechung nur mit Leistungsklage durchzusetzen. Die deutsche Lehre und Rechtsprechung habe in jüngster Zeit die Anfechtbarkeit eines bindungswidrig zustandegekommenen Beschlusses dann bejaht, wenn der Syndikatsvertrag unter allen Gesellschaftern bestand, eine klare schuldrechtliche Verpflichtung begründet wurde, die Rechtsverletzung nur durch Rückgängigmachen des Beschlusses behoben werden kann und die Bindung einen inhaltlichen Bezug zum Gesellschaftsvertrag aufweise. Im vorliegenden Fall führe auch die Anwendung dieser Lehre und Rechtsprechung zu keinem Prozeßerfolg der Klägerin. Sie habe durch den Syndikatsvertrag sicherstellen wollen, daß mindestens 50 % der Gewinne an die Gesellschafter ausgeschüttet werden. Hätte die Mehrheitsgesellschafterin für eine davon abweichende Regelung gestimmt, so hätte die Klägerin einen solchen Beschluß anfechten können. Die Klägerin habe aber der Änderung des Gesellschaftsvertrages zugestimmt, obwohl diese nach ihrem Prozeßstandpunkt dem Syndikatsvertrag nicht entsprochen habe. Da der Begriff "steuerliche Jahresbilanz" im Syndikatsvertrag und der Entfall des Wortes "steuerlich" im Generalversammlungsbeschluß nicht erörtert worden sei, habe die Mehrheitsgesellschafterin nicht erkennen können, daß es der Klägerin entscheidend darum gehe, der Gewinnverteilung die steuerliche Jahresbilanz zugrundezulegen. Im Vordergrund der damaligen Überlegungen sei ganz offensichtlich die Frage gestanden, ob und in welchem Ausmaß der Gesellschaftsertrag eine Gewinnausschüttung garantieren solle. Von einer Treuepflichtenverletzung der Mehrheitsgesellschafterin könne daher keine Rede sein.

Die von Punkt b) und c) des Urteilsbegehrens erfaßten Beschlüsse seien nicht schon deshalb unanfechtbar geworden, weil der Jahresabschluß und die Gewinnverteilung 1991 neuerlich beschlossen wurden. Das Anfechtungsrecht erlösche erst mit der Gültigkeit des zweiten Beschlusses. Die Klägerin habe aber den Generalversammlungsbeschluß vom 12.8.1993 angefochten; das Verfahren sei noch nicht rechtskräftig beendet. Das Rechtsschutzinteresse der Klägerin für die vorliegende Anfechtung sei noch gegeben. Mit ihrem Vorbringen, sie qualifiziere ihr Vorbringen und ihre Begehren in den Punkten b) und c) als Begehren auf Feststellung der Nichtigkeit iS des § 228 ZPO, habe die Klägerin ein Eventualbegehren erhoben. Auf das Eventualbegehren sei aber erst nach Erledigung des Hauptbegehrens einzugehen.

Das Erstgericht habe keine Feststellungen über die behaupteten Inhaltsmängel getroffen, weil es das diesbezügliche Vorbringen als unschlüssig erachtet habe. Die Rechtsprechung habe aber schon bisher die Anfechtung wegen Gesetzesverletzungen bei unverhältnismäßiger Reservenbildung, Verletzung der Bilanzkontinuität und Informationsverweigerung bei Bilanzfeststellung bejaht und bei Verletzung des Gleichbehandlungsgrundatzes oder Mißachtung von Treuepflichten sowie bei Bildung einer neuen im Gesellschaftsvertrag nicht vorgesehenen Rücklage eine Verletzung des Gesellschaftsvertrages angenommen. Im fortgesetzten Verfahren werde daher zu prüfen sein, ob und gegebenenfalls welche Informationen der Klägerin vor Feststellung des Jahresabschlusses verweigert wurden, ob die Pensionsrückstellungen gesetzmäßig gebildet wurden, ob der Jahresabschluß ausreichende Angaben über die Bewertungsmethoden enthält und ob Angaben über Pensionen gemäß § 239 Abs 1 Z 3 HGB fehlen.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen den bestätigenden Teil der Entscheidung gerichtete Revision ist zulässig; sie ist aber nicht berechtigt.

Das Berufungsgericht hat zwar nur ausgesprochen, daß der "Revisionsrekurs" zulässig sei; aus der Begründung des Zulässigkeitsausspruces ist aber zu erkennen, daß es damit sowohl die Revision gegen den bestätigenden Teil seiner Entscheidung als auch den Rekurs an den Obersten Gerichtshof gegen den Aufhebungsbeschluß zulassen wollte. Es hat sich daher erübrigt, die Entscheidung zur Verbesserung zurückzustellen.

Die Klägerin hält an ihrer Auffassung fest, daß der Syndikatsvertrag die Rechtsverhältnisse der Beklagten unmittelbar gestalte. Der Beklagten gehörten nur die Parteien des Syndikatsvertrages als Gesellschafter an. Es bestehe kein Grund, die vertragswidrig überstimmten Gesellschafter auf den umständlichen Weg einer Klage gegen die Mitgesellschafter zu verweisen, um den Beschluß durch deren Verurteilung zu einer gegenteiligen Stimmabgabe aus der Welt zu schaffen. Der Syndikatsvertrag sei in der für Satzungsänderungen vorgesehenen Form errichtet worden; er sei in der Generalversammlung vom 12.8.1985 zur Kenntnis genommen worden. Die Gewinnverteilung sei zentrales Thema der Gespräche gewesen; der Vertrag sei vom Anwalt der Beklagten, Dr.P*****, gestaltet worden. Mit ihrer dem Syndikatsvertrag widersprechenden Stimmabgabe habe die Mehrheitsgesellschafterin treuwidrig gehandelt.

Vertragsgegenstand von Syndikatsverträgen ist die Ausübung des Stimmrechtes in der Gesellschaft. Sie sind eine sinnvolle Ergänzung des Gesellschaftsvertrages, ohne jedoch unmittelbar in die gesellschaftliche Organisation einzugreifen (s Reich-Rohrwig, Das österreichische GmbH-Recht 365). Die bindungswidrig abgegebene Stimme ist daher wirksam (EvBl 1993/199 = RdW 1993, 242 = ecolex 1993, 605; s auch GesRZ 1984, 105; Reich-Rohrwig aaO 368 mwN; Koppensteiner, GmbH-Gesetz Kommentar § 39 Rz 21). Auch eine Anfechtung des Beschlusses wegen Verletzung des Stimmbindungsvertrages scheidet aus, sofern sich die Stimmbindung nicht darauf beschränkt, die - auch ohne Syndikatsvertrag gegebene - Treuepflicht zu konkretisieren (Koppensteiner aaO, Reich-Rohrwig aaO 368, Nowotny, Durchsetzung von Syndikatsverträgen? RdW 1989, 299).

In diesem Sinn hat der BGH die Anfechtbarkeit eines Beschlusses der Gesellschafterversammlung bejaht, wenn die Bindung von sämtlichen

Gesellschaftern eingegangen wurde (NJW 1983, 1910 = BB 1983, 996 =

ZIP 1983, 297, NJW 1987, 1890 = BB 1987, 218 = ZIP 1983, 293). Eine

solche Regelung sei - auch ohne Bestandteil der Satzung zu sein - zumindest solange zugleich als eine solche der Gesellschaft zu behandeln, als dieser nur die aus der Abrede Verpflichteten angehören. In diesem Fall bestehe kein Grund, die vertragswidrig überstimmten Gesellschafter auf den umständlichen Weg einer Klage gegen die Mitgesellschafter zu verweisen, um durch deren Verurteilung zu einer gegenteiligen Stimmabgabe den Beschluß aus der Welt zu schaffen. Die überstimmten Gesellschafter könnten den Beschluß vielmehr durch Klage gegen die Gesellschaft anfechten (NJW 1983, 1910 = ZIP 1983, 297, BB 1983, 996 = ZIP 1983, 297). Nach der Lehre sind folgende Voraussetzungen unverzichtbar: Es müssen alle Gesellschafter gebunden sein, jedenfalls alle, die für den Beschluß gestimmt haben; die Bindung muß rechtsverbindlich sein und inhaltlichen Bezug zur Satzung der GesellschaftmbH haben (K.Schmidt in Scholz, Kommentar zum GmbH-Gesetz8 § 45 Rz 116; vgl auch Zöllner in Baumbach/Hueck, GmbH-Gesetz15 § 47 Rz 79).

Im vorliegenden Fall sind die Gesellschafter der Beklagten auch - neben anderen - Parteien des Syndikatsvertrages; der Syndikatsvertrag ist wirksam zustandegekommen. Er sieht vor, daß die Gewinnverteilung in der Satzung auf bestimmte Art zu regeln ist. Aufgrund dieser Bestimmung wurde die Satzung am 12.8.1985 geändert. Am selben Tag hat die Generalversammlung den an diesem Tag geschlossenen Syndikatsvertrag zur Kenntnis genommen. Auch die Klägerin hat für die Änderung gestimmt, ohne das Fehlen des Wortes "steuerlich" in der geänderten Bestimmung des Gesellschaftsvertrages zu rügen.

Nach den Feststellungen wurde nicht darüber gesprochen, daß die steuerliche Jahresbilanz Grundlage der Gewinnausschüttung sein sollte. Selbst wenn die Klägerin bei ihrer Zustimmung zum Generalversammlungsbeschluß vom 12.8.1985 von irrigen Vorstellungen ausgegangen sein sollte, kann sie daraus ein treuewidriges Vorgehen der Mehrheitsgesellschafterin bei der Beschlußfassung am 3.8.1992 nicht ableiten, weil sie gegen den Beschluß vom 12.8.1985 nichts unternommen hat (vgl Reich-Rohrwig, GmbH-Recht 323). Die Mehrheitsgesellschafterin durfte daher bei ihrer Stimmabgabe am 3.8.1992 davon ausgehen, daß infolge der einstimmigen Beschlußfassung im Jahre 1985 für die Gewinnausschüttung nicht die steuerliche Jahresbilanz, sondern die - den Rechnungslegungsvorschriften des HGB zugrundeliegende - Handelsbilanz maßgebend sei. Das schließt die von der Klägerin begehrte Nichtigerklärung auch dann aus, wenn die Anfechtbarkeit und Nichtigerklärung eines Gesellschafterbeschlusses wegen Verletzung eines Stimmbindungsvertrages bejaht wird.

Die Revision mußte erfolglos bleiben.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO.

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