Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Die Beklagten haben die Kosten ihres Revisionsrekurses selbst zu tragen.
Die Klägerin hat die Kosten ihrer Revisionsrekursbeantwortung vorläufig selbst zu tragen.
Text
Begründung
Die Klägerin und die Erstbeklagte betreiben den Handel mit Teppichen, der Zweit- und der Drittbeklagte sind persönlich haftende Gesellschafter der Erstbeklagten. Die Erstbeklagte hat in Innsbruck eine Zweigniederlassung. Sie veranstaltete am 13. Mai 1987 in den Raiffeisensälen in Innsbruck eine Teppich-Vernissage und anschließend vom 14. Mai bis 27. Mai 1987 eine Verkaufsausstellung, die an Werktagen von 9 Uhr bis 18 Uhr und an Samstagen bis längstens 13 Uhr geöffnet war. An Sonntagen blieb die Ausstellung geschlossen. Die Klägerin behauptet, daß die Erstbeklagte bei der Vernissage am 13. Mai 1987 die Ausstellungsräume bis 23 Uhr geöffnet gehalten, Verkaufsgespräche geführt, Verkäufe angebahnt und auch abgeschlossen habe; es seien 200 Personen anwesend gewesen. Die Einladungen seien beim Eingang nicht kontrolliert worden, so daß die Veranstaltung einem unbegrenzten Personenkreis zugänglich gewesen sei. Die Klägerin begehrt zur Sicherung ihres inhaltsgleichen Unterlassungsanspruches, den Beklagten im geschäftlichen Verkehr beim Einzelverkauf von Teppichen ohne entsprechende Genehmigung der zuständigen Behörde das Ankündigen und/oder Abhalten von Verkaufsausstellungen an Sonn- und Feiertagen und/oder an Werktagen zu Zeiten, während deren Verkaufsstellen nach den jeweils örtlich geltenden Ladenschlußvorschriften geschlossen zu halten sind, zu verbieten, auch wenn außerhalb der gesetzlich zulässigen Verkaufszeiten ein Verkauf nicht stattfindet.
Die Beklagten beantragten die Abweisung des Sicherungsantrages und wendeten ein, daß die einschlägigen Bestimmungen der Tiroler Ladenschlußverordnung 1965 (Tir LSchlV 1965) ein Offenhalten der Verkaufsstellen bis 19 Uhr gestatteten. Die Einladung zur Vernissage sei nur an die in der Kundenkartei der Erstbeklagten aufscheinenden Personen gerichtet worden; eine öffentliche Bekanntmachung der Veranstaltung sei nicht erfolgt. Die Einladungen seien kontrolliert worden. Nach 19 Uhr seien keine weiteren Gäste mehr eingelassen worden. Gemäß § 8 Abs 1 des Ladenschlußgesetzes (LSchlG) dürften Kunden, die zu Beginn der Ladenschlußzeit im Laden oder bei der sonstigen Verkaufsstelle anwesend seien, noch bedient werden. Das Erstgericht wies den Sicherungsantrag ab und nahm folgenden weiteren Sachverhalt als bescheinigt an:
Die Erstbeklagte lud zur Vernissage am 13. Mai 1987 alle in ihrer Kundenkartei aufscheinenden Kunden ein; eine öffentliche Bekanntmachung der Vernissage erfolgte nicht. Zur Vernissage kamen vorwiegend Kunden, die dem Leiter der Innsbrucker Filiale der Erstbeklagten, Peter M***, persönlich bekannt waren. Es kamen aber auch einige Personen, die ihm nicht persönlich bekannt waren und die mindestens zum Teil auch persönlich keine Einladungen erhalten, jedoch möglicherweise durch geladene Gäste von dieser Veranstaltung erfahren hatten. Die Einladungen wurden beim Einlaß nicht kontrolliert.
Um 19 Uhr wurde die Eingangstür zu den Veranstaltungsräumen geschlossen und niemandem mehr der Zutritt gestattet. Die Veranstaltung dauerte bis etwa 22 Uhr oder 23 Uhr. Dabei wurden auch Verkaufsgespräche geführt, Verkäufe angebahnt und insbesondere interessierten Gästen die ausgestellten Teppiche vorgeführt, Auskünfte über deren Preis erteilt und Reservierungen vorgenommen. Von einem bei der Ausstellung anwesenden Ehepaar nahm die Erstbeklagte den Auftrag entgegen, eine Teppichtasche so zu ändern, daß sie in zwei Teppichtaschen geteilt werde. Als Abholtermin wurde der 15. Mai 1987 vereinbart.
Das Erstgericht war der Ansicht, daß die von der Erstbeklagten für die Zeit der Vernissage und der Verkaufsausstellung benützten Raiffeisensäle eine Verkaufsstelle im Sinne des LSchlG und der Tir LSchlV 1965 gewesen seien, die gemäß § 2 Abs 1
lit c Tir LSchlV 1965 an Werktagen außer Samstagen zwischen 19 Uhr und 7 Uhr geschlossen zu halten war; dem habe die Erstbeklagte entsprochen. Sie sei gemäß § 8 LSchlG berechtigt gewesen, die zu Beginn der Ladenschlußzeit im Laden anwesenden Kunden auch noch nach Beginn der Ladenschlußzeit zu bedienen. Die Tätigkeit der Erstbeklagten sei daher durch das Gesetz gedeckt gewesen. Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Klägerin, mit dem die Abweisung des Sicherungsantrages durch das Erstgericht nur noch bezüglich des Ankündigens und Abhaltens von Verkaufsausstellungen an Werktagen während der Ladenschlußzeiten bekämpft worden war, Folge und erließ in diesem Umfang das beantragte Verbot; es sprach aus, daß der Wert des Beschwerdegegenstandes, über den es entschieden habe, S 15.000,-- und S 300.000,-- übersteige.
Das Rekursgericht nahm ergänzend als bescheinigt an, daß die Vernissage am 13. Mai 1987 um 19 Uhr mit den Reden dreier Personen eröffnet wurde und erst anschließend den Interessenten Teppiche vorgeführt wurden. Dann wurden die Kunden über Preise und Qualität aufgeklärt, es wurden Reservierungen vorgenommen und auch ein Auftrag entgegengenommen.
Die Erstbeklagte habe zwar durch das Schließen der Veranstaltungsräume um 19 Uhr formell der Vorschrift des § 2 Abs 1 lit c Tir LSchlV 1965 Rechnung getragen. Da sie aber erst nach 19 Uhr überhaupt mit dem Verkauf von Teppichen begonnen habe, könne sie sich nicht auf die Ausnahmebestimmung des § 8 LSchlG berufen. Sie habe vielmehr versucht, die Bestimmungen des Ladenschlußgesetzes und der Tiroler Ladenschlußverordnung 1965 zu umgehen, und damit gegen die guten Sitten im Sinne des § 1 UWG verstoßen. Die Beklagten erheben gegen den Beschluß des Rekursgerichtes (Revisions-)Rekurs mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluß dahin abzuändern, daß der Beschluß des Erstgerichtes wiederhergestellt werde.
Die Klägerin beantragt, dem Revisionsrekurs nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs der Beklagten ist nicht berechtigt. Die Revisionsrekurswerber rügen, daß die zweite Instanz ihrer Entscheidung Bescheinigungsergebnisse zugrunde gelegt habe, die durch die anspruchsbegründenden Behauptungen der Klägerin nicht gedeckt seien. Die Klägerin habe nur behauptet, daß "am 13. Mai 1987 um 18 Uhr eine Vernissage stattgefunden" habe; das Rekursgericht habe hingegen als bescheinigt angenommen, daß die Vernissage um 19 Uhr mit den Reden dreier Personen eröffnet wurde und erst anschließend den Interessenten Teppiche vorgeführt wurden. Die zweite Instanz hätte diese "überschießenden Beweisergebnisse" ihrer Entscheidung nicht zugrunde legen dürfen.
Dem ist nicht zu folgen. Die Klägerin hat die Klage und den Sicherungsantrag darauf gestützt, daß am 13. Mai 1987 eine Vernissage stattgefunden habe, bei der die Ausstellungsräume bis 23 Uhr geöffnet geblieben sowie Verkäufe angebahnt und durchgeführt worden seien. Die Beklagten erwiderten, daß die Erstbeklagte die Tore der Ausstellungsräume um 19 Uhr geschlossen und keine weiteren Gäste mehr eingelassen habe; sie habe aber die zu dieser Zeit anwesenden Kunden noch fertigbedienen dürfen. Der von der zweiten Instanz als bescheinigt angenommene Sachverhalt, wonach die Vernissage um 18 Uhr begann, der Eingang um 19 Uhr geschlossen wurde, die Ausstellung dann mit mehreren Reden eröffnet wurde und erst danach die Teppichvorführungen begannen, hält sich im Rahmen der beiderseitigen Behauptungen und des von der Klägerin geltend gemachten Klagegrundes. "Überschießende Feststellungen", die nicht in den Rahmen eines geltendgemachten Klagegrundes oder einer Einwendung fallen, hat die zweite Instanz nicht getroffen. Die Revisionsrekurswerber behaupten ferner, die Erstbeklagte habe sich gesetzmäßig verhalten, weil sie nach 19 Uhr keine Gäste mehr in die Ausstellung eingelassen habe und berechtigt gewesen sei, mit den Interessenten die noch vor dieser Zeit die Ausstellung betreten hätten, Gespräche zu führen. Das Ladenschlußgesetz stelle nur das Offenhalten von Läden unter Verwaltungsstrafsanktion; hinter "geschlossenen Rollbalken" stattfindende Gespräche mit Interessenten, die den Laden oder die sonstige Verkaufsstelle noch vor Beginn der Ladenschlußzeit betreten hätten, seien nach § 8 Abs 1 LSchlG weder verwaltungsstrafrechtlich noch wettbewerbsrechtlich bedenklich.
Auch diese Ausführungen treffen nicht zu. Soweit es um die verwaltungsstrafrechtliche Verantwortlichkeit geht, vertritt der Verwaltungsgerichtshof die Ansicht, daß jedes Offenhalten einer Verkaufsstelle gegen das Gesetz verstoße, einerlei, aus welchen Gründen es geschehe (VwSlg. 8.276 A; ÖBl 1984, 141; hiezu kritisch Korinek, Rechtsprobleme des Ladenschlußgesetzes, ÖZW 1978, 1 ff 7; vgl. auch ÖBl 1981, 17). Bei der Beurteilung der Wettbewerbswidrigkeit eines solchen Verstoßes darf aber der Ausdruck "Offenhalten von ständigen oder nicht ständigen Betriebseinrichtungen" nicht wörtlich genommen werden; nicht immer kommt es auf das rein physische "Offenhalten" oder "Verschlossenhalten" iS der §§ 2 ff LSchlG (bzw. der dazu ergangenen V) an (vgl. OGH ÖBl 1969, 63, wonach die Einrichtung eines permanenten Telefondienstes in einem "geschlossenen" Geschäft zur Entgegennahme von Bestellungen als "Offenhalten" qualifiziert wurde; dazu zustimmend Korinek aaO 8; ÖBl 1981, 17). Für die Beurteilung der Wettbewerbswidrigkeit kommt es darauf an, ob dem Zweck des Gesetzes zuwidergehandelt wird. Dieser liegt darin, den Zutritt von Personen ins Geschäftslokal zum Zweck des Abschlusses oder auch nur der Anbahnung von Geschäften zu verhindern (ÖBl 1981, 17; Korinek aaO 7).
Gemäß § 2 Abs 1 lit c Tir LSchlV 1965 iVm § 2 Abs 5 LSchlG sind an Werktagen außer Samstagen "alle übrigen Verkaufsstellen" (- Ausnahmen enthalten § 2 Abs 1 lit a und b Tir LSchlV 1965 für Bäckerei- und Zuckerbäckereibetriebe -) von 19 Uhr bis 7 Uhr geschlossen zu halten. Gemäß § 8 Abs 1 LSchlG dürfen Kunden, die zu Beginn der Ladenschlußzeit im Laden oder bei der sonstigen Verkaufsstelle anwesend sind, ungeachtet der vorstehenden Bestimmungen (§§ 2 bis 7 LSchlG) noch bedient werden. Diese Vorschrift hat den Zweck, daß bereits im Geschäft befindliche Kunden ihre Einkäufe noch beenden können, gleichgültig, ob sie bei Beginn des Ladenschlusses bereits bedient werden oder gerade noch darauf warten müssen. Die Gewerbetreibenden sollen nicht gezwungen sein, die Bedienung der Kunden unmittelbar bei Ladenschluß abzubrechen und sie sofort aus dem Geschäft hinauszukomplimentieren, weil dies bei den Kunden zu einer Verärgerung führen könnte, so daß sie das betreffende Geschäft in Zukunft nicht mehr aufsuchen. Als Ausnahmebestimmung ist aber § 8 Abs 1 LSchlG einschränkend auszulegen. Eine extreme Ausnützung des Fertigbedienungsrechtes, insbesondere in Kaufhäusern mit zahlreichen Abteilungen (- so soll etwa in der BRD mit den Worten "Wer bis 18 Uhr 29 kommt, kann bis Mitternacht einkaufen" geworben worden sei -) würde der Regelung einen anderen Sinn geben, weil dadurch ein neuerliches Anlaufen des Geschäftes gerade zum Zeitpunkt des Ladenschlusses hervorgerufen werden könnte (Korinek aaO 8).
Die Erstbeklagte hätte die Ausstellung (zu Verkaufsgesprächen, Verkaufsanbahnungen und Verkäufen; s. ÖBl 1986, 64) bis 19 Uhr offenhalten und die dann anwesenden Besucher noch bedienen dürfen; sie hat jedoch zwischen 18 Uhr und 19 Uhr keine Verkaufstätigkeit entfaltet, sondern die Ausstellung erst um 19 Uhr offiziell eröffnet, anschließend daran Teppiche vorgeführt, Verkaufsanbahnungen durchgeführt und auch einen Auftrag entgegengenommen. Das Programm der Ausstellung war daher so organisiert, daß die Gäste für 18 Uhr eingeladen wurden, das Lokal aber erst um 19 Uhr für den Zutritt weiteren Publikums gesperrt und erst dann mit den Vorführungen und Verkaufsanbahnungen begonnen wurde. Die Vorführungs- und Verkaufstätigkeit der Erstbeklagten lief überhaupt erst nach Beginn der Ladenschlußzeit an, so daß sich die Erstbeklagte nicht auf die Zulässigkeit des andere Zwecke erfüllenden Fertigbedienungsrechtes berufen kann. Das Verhalten der Erstbeklagten ist damit als gezielte Umgehung (vgl. dazu ÖBl 1979, 66) des Schutzzweckes des Ladenschlußgesetzes in seiner wettbewerbsordnenden Funktion zu qualifizieren (Korinek aaO 8); es verstieß damit gegen § 1 UWG. Bei einer solchen gezielten Umgehung gesetzlicher Vorschriften kann sich die Erstbeklagte auch nicht mit Erfolg darauf berufen, ihre Handlungsweise sei durch das Gesetz so weit gedeckt gewesen, daß sie diese mit guten Gründen für erlaubt halten konnte. Der Zweck der Vorschrift über das Fertigbedienen ist für jeden Gewerbetreibenden evident.
Dem Revisionsrekurs ist daher ein Erfolg zu versagen. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsrekursverfahrens stützt sich auf die §§ 78, 393, 402 EO, §§ 40, 50 ZPO.
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