OGH 4Ob583/80

OGH4Ob583/8017.11.1981

SZ 54/168

Normen

KO §21
KO §21

 

Spruch:

Die Rücktrittserklärung des Masseverwalters nach § 21 Abs. 2 KO führt nicht zur Aufhebung des Vertrages, sondern nur zum Unterbleiben seiner weiteren Erfüllung. Der Masseverwalter kann die vom Gemeinschuldner dem anderen Teil bereits erbrachten Leistungen nur zurückfordern, wenn und soweit der Vertragspartner unter Berücksichtigung auch seiner eigenen Leistungen auf Kosten der Masse bereichert wäre

Für Gewährleistungsansprüche des Vertragspartners ist nach dem Rücktritt des Masseverwalters kein Raum mehr; Sach- oder Rechtsmängel der bereits erbrachten Leistungen des Gemeinschuldners können nur noch aus dem Titel des Schadenersatzes (§ 21 Abs. 2 Satz 2 KO) geltend gemacht werden

OGH 17. November 1981, 4 Ob 583/80 (OLG Graz 5 R 63/80; KG Leoben 8 Cg 313/79)

Text

Die beklagte Marktgemeinde S hatte am 7. Juni 1973 mit dem Bauunternehmen Baumeister Ing. Ludwig A einen Bauvertrag über die Errichtung eines Schmutz- und Regenwasserkanals in der Gemeinde S abgeschlossen; diesem Vertrag - in welchen später die A-GesmbH eingetreten ist - waren (u. a.) die "Besonderen Bedingnisse für die Ausführung siedlungswasserwirtschaftlicher Bauten, Ausgabe 1. 1. 1967" zugrunde gelegt worden. Gemäß Punkt 17. 1 dieser "Besonderen Bedingnisse" werden "als Sicherstellung für die Erfüllung der Vertragsverbindlichkeiten durch den Auftragnehmer 5% der gesamten anerkannten Rechnungssumme als Haftrücklaß bis zur Schlußkollaudierung (Ende der Gewährleistungszeit) zurückbehalten"; die Dauer der Gewährleistung" beträgt gemäß Punkt 19.1 für sämtliche Arbeiten zwei Jahre.

Über das Vermögen der A-GesmbH ist am 15. Jänner 1979 der Konkurs eröffnet und der Kläger zum Masseverwalter bestellt worden. Am 6. Juni 1979 teilte der Kläger der Beklagten mit, daß er als Masseverwalter im Konkurs der A-GesmbH gemäß § 21 KO von dem erwähnten Bauvertrag zurücktrete, weil dieser Vertrag noch nicht vollständig erfüllt und auch die Rechnungssumme noch nicht ganz beglichen sei.

Im Revisionsverfahren nicht mehr strittig ist die Rechtswirksamkeit dieser Rücktrittserklärung des Masseverwalters, ferner die Tatsache, daß im Zeitpunkt der Konkurseröffnung die der Gemeinschuldnerin seinerzeit in Auftrag gegebenen Arbeiten insofern noch nicht vollständig beendet waren, als zumindest die Rekultivierungsarbeiten sowie bestimmte Asphaltierungsarbeiten noch fertiggestellt werden mußten. Unbestritten ist außerdem, daß die Beklagte im Sinne des Punkt 17.1 der "Besonderen Bedingnisse" einen Haftrücklaß von 168 254.80 S einbehalten hat.

Im vorliegenden, seit 6. September 1979 anhängigen Rechtsstreit verlangt der Masseverwalter von der Beklagten (u. a.) die Zahlung dieses Haftrücklasses samt Zinsen und Kosten. Nach seinem Rücktritt vom Vertrag sei die Beklagte nicht mehr berechtigt, irgendwelche Haft- oder Deckungsrücklässe einzubehalten; sie habe vielmehr den - mit der Rechnungssumme identischen - Gegenwert der gesamten von der Gemeinschuldnerin für sie geleisteten Arbeiten an die Konkursmasse zu entrichten.

Die Beklagte lehnt eine Ausfolgung des Haftrücklasses derzeit ab. Beim Abschluß des Bauvertrages sei ihr das Recht eingeräumt worden, einen Haftrücklaß von 5% auf die Dauer von zwei Jahren nach der offiziellen Übergabe bzw. Übernahme des Bauobjektes zurückzubehalten. Diese Haftzeit habe frühestens im Jahr 1980 geendet, so daß der eingeklagte Anspruch noch nicht fällig sei.

Das Erstgericht wies das Begehren auf Zahlung des Haftrücklasses ab. Der von der Gemeinschuldnerin mit der Beklagten abgeschlossene Bauvertrag sei hinsichtlich der schon erbrachten (Teil-)Leistungen auch nach dem Rücktritt des Masseverwalters aufrechtgeblieben. Da die vereinbarte Gewährleistungszeit mangels ordnungsgemäßer Übergabe und Abnahme der zum Teil schon fertiggestellten Kanalisierungsarbeiten noch nicht abgelaufen und die Fälligkeit des gesamten Rechnungsbetrages demgemäß noch nicht eingetreten sei, sei die Beklagte berechtigt, auch den vereinbarten Haftrücklaß - soweit er die verrechneten Arbeiten betrifft - weiterhin einzubehalten.

Die Berufung des Klägers blieb erfolglos. Auch das Berufungsgericht war der Meinung, daß die Fälligkeit des auf den Haftrücklaß entfallenden Teiles des Werklohns durch den Rücktritt des Masseverwalters vom Bauvertrag nicht vorverlegt worden sei. Daß die Beklagte jetzt nicht mehr auf vollständige Erfüllung des Vertrages dringen könne, nehme ihr nicht das Recht, den vereinbarten Haftrücklaß bis zum Ende der zweijährigen Gewährleistungsfrist einzubehalten. Diese Frist laufe hier vom Zeitpunkt der Beendigung der fertiggestellten Arbeiten und sei daher derzeit noch nicht abgelaufen. Von einer Bereicherung der Beklagten auf Kosten der Konkursmasse durch die weitere Zurückbehaltung des Haftrücklasses könne daher keine Rede sein.

Infolge Revision des Klägers erkannte der Oberste Gerichtshof die Beklagte schuldig, dem Kläger 168 254.80 S samt Anhang zu zahlen.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Gemäß § 21 Abs. 1 KO kann der Masseverwalter dann, wenn ein zweiseitiger Vertrag vom Gemeinschuldner und vom anderen Teil zur Zeit der Konkurseröffnung noch nicht oder nicht vollständig erfüllt worden ist, entweder an Stelle des Gemeinschuldners den Vertrag erfüllen und vom anderen Teil Erfüllung verlangen oder vom Vertrag zurücktreten. Eine solche Rücktrittserklärung des Masseverwalters führt, wie das Berufungsgericht zutreffend erkannt hat, keineswegs zu einer Aufhebung des Vertrages; vielmehr unterbleibt in diesem Fall nur seine weitere Erfüllung. Hat der andere Teil durch den Rücktritt des Masseverwalters einen Schaden erlitten, dann tritt gemäß § 21 Abs. 2 Satz 2 KO an die Stelle seines Erfüllungsanspruches ein Anspruch auf Schadenersatz. Der Masseverwalter seinerseits kann auf Grund der Rücktrittserklärung die vom Gemeinschuldner dem anderen Teil erbrachten Leistungen nur dann und nur so weit zurückfordern, als der Vertragspartner - unter Berücksichtigung der von beiden Teilen bisher erbrachten Leistungen - auf Kosten der Konkursmasse bereichert wäre (SZ 39/147; 1 Ob 76/68; ebenso Bartsch in Bartsch - Pollak, KO, AO, AnfO[3] I, 126 § 21 KO Anm. 21, 23; Petschek - Reimer - Schiemer, Österreichisches Insolvenzrecht, 279; Wegan, Österreichisches Insolvenzrecht, 32;

Lehmann, Komm. zur KO, AO und AnfO I, 149 ff.; Rintelen, KO, 161;

ähnlich zur vergleichbaren Regelung des § 17 dKO: Jaeger, KO[8] I, 283 RZ 41). Eine solche Bereicherung der Masse kann insbesondere dann vorliegen, wenn der Wert der vom Gemeinschuldner bereits erbrachten Teilleistungen die Gegenleistungen des anderen Vertragsteils sowie dessen allfällige weiteren Schadenersatzansprüche (§ 21 Abs. 2 Satz 2 KO) übersteigt, der Vertragspartner also durch den Rücktritt des Masseverwalters keinen Schaden erlitten, sondern in Wahrheit einen Vermögensvorteil erlangt hat (Lehmann a.a.O.; ähnlich auch Jaeger a.a.O. 289 RZ 44).

Dieser Rechtslage entsprechend, hat auch der Kläger sein Begehren auf Herausgabe des Haftrücklasses nicht aus dem Bauvertrag vom 7. Juni 1973 - als Anspruch auf restlichen Werklohn - abgeleitet, sondern von Anfang an ausdrücklich einen Bereicherungsanspruch geltend gemacht und "den Gegenwert der gesamten von der Gemeinschuldnerin für die Beklagte geleisteten Arbeiten, die mit der Rechnungssumme identisch sind" verlangt; die Beklagte sei "durch die von der Gemeinschuldnerin für sie vorgenommenen Arbeiten mit jenem Betrag bereichert, der dem Wert der im Bauvertrag vereinbarten Preise für die einzelnen Leistungen entspricht", wobei dieser Wert "durch die noch offene Rechnungssumme repräsentiert" werde. Die Beklagte hat diesem Begehren ausschließlich den Einwand der mangelnden Fälligkeit entgegengesetzt und ihre Weigerung, den Haftrücklaß auszufolgen, nur mit dem Hinweis auf die noch offene Gewährleistungsfrist begrundet. Sie läßt dabei außer acht, daß der Rücktritt des Masseverwalters vom Vertrag mit der weiteren Erfüllung der beiderseitigen Verbindlichkeiten auch allfällige Gewährleistungsansprüche ausschließt. Nach der in Österreich herrschenden Auffassung erklären sich die Gewährleistungsvorschriften aus dem Zurückbleiben der als Erfüllung hingegebenen gegenüber der vertraglich geschuldeten Leistung. Die Pflicht zur Gewährleistung resultiert aus der Nichterfüllung oder der nicht vollständigen Erfüllung der vertraglichen Verbindlichkeiten; die Behebung solcher Erfüllungsmängel - sei es durch Wandlung, durch Verbesserung oder durch Preisminderung - soll das gestörte Gleichgewicht der beiderseitigen Leistungen (die "subjektive Äquivalenz") wieder herstellen (Koziol - Welser[5] I, 211; Gschnitzer in Klang[2] IV/1, 517; Bydlinski in Klang[2] IV/2, 152 f.).

Hat nun, wie oben ausgeführt, die Rücktrittserklärung des Masseverwalters zur Folge, daß jede weitere Vertragserfüllung unterbleibt, dann ist auch für Gewährleistungsansprüche des anderen Teiles - welche ja ebenfalls aus der Nicht- oder Schlechterfüllung des Vertrages resultieren und das hiedurch gestörte Leistungsgleichgewicht wiederherstellen sollen - kein Raum. Sach- oder Rechtsmängel der vom Gemeinschuldner schon erbrachten Leistungen können vom anderen Teil jetzt nur noch aus dem Titel des Schadenersatzes (§ 21 Abs. 2 Satz 2 KO) geltend gemacht werden. Sie können im Einzelfall durchaus auch dazu führen, daß trotz teilweisen Ausstehens der Gegenleistung eine Bereicherung des Vertragspartners auf Kosten der Masse zu verneinen ist; ein Recht, wegen solcher Mängel aus dem Rechtsgrund der Gewährleistung innerhalb einer bestimmten Fallfrist Preisminderung, Verbesserung oder Aufhebung des Vertrages (Wandlung) zu verlangen, steht aber dem anderen Vertragsteil nach dem Rücktritt des Masseverwalters nicht mehr zu.

Da der hier eingeklagte Haftrücklaß gemäß Punkt 17.1 der "Besonderen Bedingnisse" ausdrücklich als "Sicherstellung für die Erfüllung der Vertragsverbindlichkeiten durch den Auftragnehmer" - und nicht etwa auch zur Sicherung allfälliger Schadenersatzansprüche - bestimmt war, ein solcher Anspruch der Beklagten auf (restliche) Erfüllung oder Gewährleistung aber nach dem Gesagten seit der Rücktrittserklärung des Masseverwalters nicht mehr in Betracht kommt, kann die Beklagte die Zurückbehaltung des Betrages von 168 254.80 S nicht mehr damit rechtfertigen, daß die zweijährige Gewährleistungsfrist noch nicht abgelaufen sei. Andere Einwendungen hat sie aber dem Zahlungsbegehren des Klägers gar nicht entgegengesetzt. Sie hat ihre Weigerung, den Haftrücklaß auszufolgen, nicht darauf gestützt, daß die von der Gemeinschuldnerin bisher erbrachten Teilleistungen durch den schon gezahlten Werklohn zur Gänze abgegolten wären, und hat auch die Angemessenheit des für diese Leistungen vereinbarten Werklohns (einschließlich des strittigen Haftrücklasses) nie in Abrede gestellt. Die Beklagte hat insbesondere auch mit keinem Wort behauptet, daß an dem von der Gemeinschuldnerin hergestellten Werk irgendwelche Mängel aufgetreten wären; sie hat im Gegenteil das Vorhandensein solcher Mängel ausdrücklich verneint und dabei betont, daß die Gemeinschuldnerin ihre vertraglichen Verpflichtungen "vollinhaltlich erfüllt" habe. Da sie auch einen sonstigen, durch die Rücktrittserklärung des Masseverwalters verursachten Schaden in erster Instanz nicht geltend gemacht hat - und ihn auch im Rechtsmittelverfahren nicht behauptet -, muß mit dem Kläger davon ausgegangen werden, daß die Beklagte tatsächlich auf Kosten der Konkursmasse bereichert wäre, wenn sie für die ihr von der Gemeinschuldnerin erbrachten Teilleistungen nur den um den Haftrücklaß verminderten Rechnungsbetrag zu zahlen hätte, diesen Haftrücklaß selbst aber weiterhin behalten dürfte. Der Kläger ist deshalb im Sinne der eingangs dargelegten rechtlichen Erwägungen befugt, die Beklagte auf Herausgabe dieser Bereicherung - deren Höhe unter den gegebenen Umständen mit dem von der Beklagten einbehaltenen Haftrücklaß gleichzusetzen ist - in Anspruch zu nehmen.

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