Spruch:
Wer einen Wechsel als Bezogener unterfertigt, infolge betrügerischen Vorgehens des Ausstellers aber keine Kenntnis davon hat, daß er eine Wechselverbindlichkeit eingehe, obgleich er dies bei gehöriger Aufmerksamkeit hätte wissen müssen, schafft den Anschein einer gültigen Wechselverpflichtung.
Entscheidung vom 22. Dezember 1964, 4 Ob 580/64. I. Instanz:
Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz; II. Instanz:
Oberlandesgericht Graz.
Text
Das Erstgericht erließ auf Begehren des Klägers gegen die Beklagte als Annehmerin mit dem Beschluß vom 27. April 1964 den Wechselzahlungsauftrag, auf Grund des Wechsels vom 29. November 1963 und des Protestes vom 2. April 1964 an den Kläger die Wechselsumme von 39.000 S samt Anhang zu bezahlen. Die Beklagte erhob Einwendungen, worin sie vorbrachte, die Unterschrift "S. Cäcilia" auf dem gegenständlichen Wechsel stamme zwar von ihr, sie sei aber vom Aussteller Peter S. im November 1963 auf betrügerische Weise herausgelockt worden. Peter S. sei Mitte November 1963 einige Tage in ihrem Gasthof und Beherbergungsbetrieb Gast gewesen. Ende November 1963 habe er seine Rechnung verlangt und die ihm übergebene Rechnung bezahlt. Gleichzeitig habe er der Beklagten ein färbiges, teilweise zusammengelegtes Papier vorgelegt und sie ersucht, am Rande dieses Papiers ihre Unterschrift hinzuschreiben. Hiebei habe er erklärt, er brauche ihre Unterschrift zusätzlich für die Steuer zum Nachweis seiner Ausgaben. Da er schon in den letzten Jahren wiederholt bei ihr zu Gast gewesen sei und es mit ihm nie Schwierigkeiten gegeben habe, habe sie bedenkenlos, ohne sich näher das zusammengefaltete Papier anzusehen, die gewünschte Unterschrift geleistet. Tatsächlich habe es sich, wie ihr in der Folgezeit eröffnet worden sei, um den gegenständlichen Wechsel gehandelt.
Das Erstgericht hielt den Wechselzahlungsauftrag aufrecht. Es nahm die Behauptungen der Beklagten in den Einwendungen als erwiesen an und stellte aus dem Strafakt des Landesgerichtes für Strafsachen Graz, GZ. 9 Vr .../64-34, fest, daß Peter S. mit dem rechtskräftigen Urteil vom 7. Juli 1964 wegen Verbrechens des Betruges nach den §§ 197, 200, 201a StG. zu einem Jahr schweren Kerkers und gemäß § 369 StPO. zum Ersatz von 40.331.50 S an die Privatbeteiligte Cäcilia S. verurteilt worden sei. Nach diesem Urteile habe Peter S. in den Monaten November und Dezember 1963 in Feldbach und in Graz a) durch die Vorspiegelung, er benötige ihre Unterschrift (der Cäcilia S.), um seine Ausgaben in ihrer Gastwirtschaft dem Finanzamt als Abschreibungsposten nachweisen zu können, wodurch er erreichte, daß Cäcilia S. einen Blankowechsel als Annehmerin unterschrieb und b) dadurch, daß er in diesen Wechsel eine Wechselsumme von 39.000 S mit dem Fälligkeitstag 30. März 1964 einsetzte, eine falsche Privaturkunde verfertigt und dadurch, daß er diesen Wechsel dem Hubert W. an Zahlungs statt überließ, die Cäcilia S. und Hubert W. in Irrtum geführt, durch welchen die Genannten an ihrem Eigentum einen 2500 S übersteigenden Schaden erlitten.
Die Beklagte hat gegen dieses Urteil erfolglos berufen.
Das Berufungsgericht führte im wesentlichen aus, die Beklagte könne mit den Einwendungen, die sich auf ihre unmittelbaren Beziehungen zum Aussteller Peter S. beziehen, nicht durchdringen, weil sie mit diesen Einwendungen gemäß Art. 17 WG, ausgeschlossen sei. Auch der Art. 7 WG., auf den sich die Beklagte stütze, sei nicht anzuwenden, weil diese Bestimmung sich nur mit der gegenseitigen Unabhängigkeit der einzelnen Wechselverpflichtungen auf Grund der Selbständigkeit der einzelnen Skripturakte befasse, nicht jedoch eine gesetzliche Grundlage schaffe, wonach die vom Aussteller des Wechsels herausgelockte Unterschrift der Bezogenen auch dem gutgläubigen Erwerber des Wechsels gegenüber ohne rechtliche Wirksamkeit wäre. Die Beklagte habe selbst in ihrer Berufung einräumen müssen, daß der Kläger den Wechsel in gutem Glauben erworben habe. Die Einwendung der Beklagten beträfen daher ausschließlich die Rechtsbeziehungen zwischen dem Aussteller und der Akzeptantin. Die Geltendmachung eines Umstandes aus diesen Rechtsbeziehungen dem Kläger als Inhaber des Wechsels gegenüber sei der Beklagten aber schon nach den allgemeinen Rechtsgrundsätzen des Art. 17 WG. verwehrt.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Beklagten nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Die Revision meint, die Tatsache, daß der Beklagten bei der Abgabe ihrer Unterschrift gar nicht bewußt gewesen sei, einen Wechsel zu unterfertigen, betreffe nicht ihre unmittelbaren Beziehungen zu Peter S., sondern könne gemäß dem Art. 7 WG. jedem Inhaber des Wechsels eingewendet werden. Dort zähle nämlich das Gesetz zu den ungültigen Skripturakten Unterschriften von Personen, die eine Wechselverbindlichkeit nicht eingehen können, gefälschte Unterschriften, Unterschriften erdichteter Personen oder Unterschriften, die aus irgend einem anderen Grund für die Personen, die unterschrieben haben oder mit deren Namen unterschrieben worden ist, keine Verbindlichkeit begrunden. Die betrügerisch herausgelockte Unterschrift der Beklagten auf dem Wechsel zähle zu den "aus irgend einem anderen Gründe" unverbindlichen Unterschriften auf einem Wechsel. Diese Auslegung trifft nicht zu. In der angeführten Bestimmung handelt es sich insbesondere um Fälle fehlender Vollmacht des die Unterschrift leistenden angeblichen Vertreters und um Fälle mangelnder Rechtsfähigkeit oder mangelnder Geschäftsfähigkeit des scheinbar Verpflichteten (vgl. Stranz, Wechselgesetz[14] bei Art. 7). Die Beklagte hat einen Blankowechsel als Bezogene unterfertigt, wobei sie durch betrügerisches Vorgehen des Ausstellers keine Kenntnis davon hatte, durch ihre Unterschrift eine Wechselverbindlichkeit einzugehen. Sie hätte dies aber wissen müssen, wenn sie den bei gewöhnlichen Fähigkeiten anzuwendenden Grad der Aufmerksamkeit angewendet und das nach den offen liegenden Worten "Angenommen" und "Unterschrift des Annehmers" als Wechsel erkennbare Formular vor ihrer Unterschrift entfaltet hätte (§ 1297 ABGB.). Die Beklagte hat durch ihre Unterzeichnung des Wechsels den Anschein einer gültigen Wechselverpflichtung veranlaßt und kann den Einwand der arglistigen Täuschung einem gutgläubigen Erwerber des Wechsels gegenüber nicht erheben (vgl. Baumbach - Hefermehl, Wechsel- und Scheckgesetz[7] bei Art. 17 Anm. 22, Jacobi, Wechsel- und Scheckrecht S. 117). Die Gutgläubigkeit des Klägers beim Erwerbe des Wechsels hat die Beklagte nicht bestritten. Der Fall der erpreßten Unterschrift (Entsch. des OGH. vom 31. Juli 1894, Czel. 701 = GZ. 1895, S. 44), auf den sich die Beklagte als rechtsähnlich beruft, ist anders gelagert, da dort von einer Handlung im Sinne des Wechselgesetzes überhaupt nicht gesprochen werden kann (vgl. Jacobi a. a. O. S. 118 bei Anm. 1). Da dem Kläger gegenüber die Einwendungen der Beklagten gemäß Art. 17 (10) Wechselgesetz nicht durchdringen, mußte die Revision erfolglos bleiben.
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