Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben; die Rechtssache wird zur neuerlichen Verhandlung und Urteilsfällung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung
Die Klägerin kaufte von der Beklagten am 21.4.1989 einen Diesel-Gabelstapler Marke BCS (oder BKS: s Beilagen A, B), Seriennummer 690501908002, zum Preis von S 75.000 (einschließlich Mehrwertsteuer: S 90.000), den sie mit Scheck zahlte. Die Beklagte hatte für das Gerät ursprünglich mehr verlangt, dann aber den Kaufpreis unter gleichzeitigem Ausschluß von Garantie und Gewährleistung auf S 75.000 netto herabgesetzt. Die Klägerin nahm das Gerät nach der Übernahme in Betrieb. Als schon nach kurzer Zeit ein Defekt auftrat, brachte die Klägerin den Gabelstapler zur Beklagten in Reparatur. Am 8.5.1989 erkundigte sich der Geschäftsführer der Klägerin telefonisch bei der Beklagten und erhielt von deren Prokuristen die Auskunft, daß die Reparatur des Gabelstaplers S 15.000 kosten werde, die von der Klägerin zu tragen seien. Der Geschäftsführer der Klägerin (der "offenbar" infolge eines Hörfehlers von Reparaturkosten in Höhe von S 50.000 ausging), war darüber sehr aufgebracht und antwortete dem Prokuristen der Beklagten, daß sich die Beklagten "den Schmarrn behalten" solle. Der Prokurist der Beklagten verstand diese Äußerung dahin, daß die Klägerin den Gabelstapler nicht mehr haben wollte und eine Auflösung des Kaufvertrages wünsche; er war damit einverstanden und richtete aus diesem Grund am nächsten Tag an die Klägerin folgendes Schreiben:
"Betrifft: telefonische Stornierung
Sehr geehrte Firma!
Laut Telefongespräch vom 8.5.1989 um 16.30 Uhr mit unserem Herrn T***, stornierten Sie den Kauf des BCS-Diesel-Staplers vom 21.4.1989.....
Wir nehmen Ihre Stornierung zur Kenntnis und erstatten Ihnen den vollen Kaufpreis zurück....."
Schon am 10.5.1989 widersprach die Klägerin durch ihren Rechtsanwalt dem Inhalt dieses Schreibens. Sie behauptete, daß von einer Stornierung keine Rede sei, verlangte die Herausgabe des Gabelstaplers und behauptete Gewährleistungsansprüche. Nach der Klageeinbringung (15.6.1989), nämlich a 27.7.1989, verkaufte die Beklagte das streitgegenständliche Gerät an einen Dritten.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren auf Ausfolgung des Gabelstaplers ab, weil die Beklagte die Äußerung (die "Beklagte solle den Schmarrn" behalten) als Anbot der Vertragsauflösung auffassen durfte und dieses Angebot angenommen habe. Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000 übersteige und die ordentliche Revision nach § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig sei. Es billigte die Rechtsansicht des Erstgerichtes, daß die Beklagte mit ihrem Schreiben vom 9.5.1989 das Anbot der Klägerin zur Vertragsauflösung angenommen habe.
Die Klägerin bekämpft die Entscheidung des Berufungsgerichtes mit außerordentlicher Revision; sie behauptet das Vorliegen der Voraussetzung des § 502 Abs 1 ZPO und beantragt, die Revision zuzulassen und das angefochtene Urteil in Stattgebung des Rechtsmittels dahin abzuändern, daß dem Klagebegehren stattgegeben werde.
Die Beklagte beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, der Revision der Klägerin nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist zulässig, weil die Vorinstanzen von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zu der Frage, wann ein unter Anwesenden (telefonisch) abgegebenes Offert angenommen werden muß, abgewichen sind.
Die Revision ist auch berechtigt.
Wenn die vom Geschäftsführer der Klägerin in der Erregung über die vermeintlichen Reparaturkosten von S 50.000 abgegebene Erklärung, daß sich die Beklagte "den Schmarrn behalten solle", als ernst gemeintes Anbot zur Vertragsauflösung aufzufassen war - was bisher (in erster Instanz) nicht bestritten wurde -, dann lag ein "mittels Fernsprecher von Person zu Person gemachter Antrag" vor, der gemäß § 862 ABGB sogleich anzunehmen war, widrigenfalls er erloschen wäre (so SZ 47/148 = JBl 1975, 318 für den gleichartigen Fall des einem Anwesenden gemachten Offerts; Gschnitzer in Klag2 IV/1, 64; Rummel in Rummel, ABGB2, Rz 2 zu § 862; Schwimann-Apathy, ABGB, IV/2 § 862 Rz 2; Koziol-Welser8 I 102). Ob eine diesen Voraussetzungen entsprechende Annahme des Antrages vorliegt, läßt sich aber selbst dann noch nicht beurteilen, wenn man mit der herrschenden Lehre (vgl Rummel aaO, Gschnitzer in Klang aaO 64) einen Antrag als "sogleich angenommen" gelten läßt, der noch während der Unterredung (während des Ferngespräches) angenommen wurde. Die Feststellung des Erstgerichtes, daß der Prokurist der Beklagten die Äußerung des Geschäftsführers der Klägerin als Anbot zur Auflösung des Kaufvertrages auffaßte und "damit einverstanden war", weshalb er am nächsten Tag das oben wiedergegebene Schreiben verfaßte, kann nämlich sowohl dahin verstanden werden, daß das Einverständnis schon beim Telefon mündlich erklärt worden war (und am nächsten Tag nur schriftlich bestätigt wurde), als auch dahin, daß das Anbot erst am nächsten Tag schriftlich angenommen wurde (so hat das Berufungsgericht diese Feststellung der ersten Instanz verstanden). Auch aus dem Vorbringen der Beklagten geht nicht hervor, daß sie sich (nur) auf eine Annahme des Anbotes am nächsten Tag stützt, brachte sie doch vor, sie habe noch am selben Tag die telefonische Stornierung der Klägerin "bestätigt" (also eine bereits abgegebe Erklärung schriftlich wiederholt).
Es kann daher noch nicht beurteilt werden, ob eine (auf einem ernstzunehmenden Anbot beruhende) Auflösungsvereinbarung vorliegt, bei welcher der Erklärende mit seinem Antrag erst das Einverständnis seines Partners erzielen will, durch welches das Rechtsgeschäft aufgelöst werden soll (Ehrenzweig-Mayerhofer3 II/1, 630). Eine wirksame einseitige rechtsgestaltende Auflösungserklärung kann die Äußerung des Geschäftsführers der Klägerin jedenfalls nicht gewesen sein. Die Erklärung kann weder als wirksamer Rücktritt vom Vertrag (§ 918 ABGB) noch als wirksame Erklärung der gänzlichen Aufhebung des Vertrages (Wandlung) nach § 932 ABGB aufgefaßt werden. Nach herrschender Meinung können nach der Übernahme der (mangelhaften) Sache nicht mehr die Rechtsfolgen der Nichterfüllung nach § 918 ff ABGB, sondern nur noch jene der Gewährleistung (nach §§ 922 ff ABGB) geltend gemacht werden (Reischauer in Rummel Rz 8 vor §§ 918 bis 933; Bydlinski in Klang2 IV/2, 153 ff;
Ehrenzweig-Mayerhofer3 II/1, 413; Koziol-Welser8 I 254; SZ 53/63;
JBl 1985, 743 uva). Ein nach der Übernahme der Sache erklärter Rücktritt vom Vertrag nach § 918 ABGB bedürfte somit wiederum der Annahme (Zustimmung) durch den Vertragspartner.
Auch als Erklärung, den Vertrag wegen Mängel der gekauften Sache gänzlich aufzuheben (§ 932 ABGB), wäre die Äußerung des Geschäftsführers der Klägerin ohne Annahme durch die Beklagte (Einverständnis des Veräußerers mit den Gewährleistungsfolgen) nicht wirksam, weil die herrschende Lehre und Rechtsprechung die gerichtliche Geltendmachung der Gewährleistung fordern (Reischauer in Rummel aaO Rz 1 zu § 933; Gschnitzer in Klang2 IV/1,540; Koziol-Welser aaO 250; SZ 47/138; SZ 50/85; JBl 1987, 383 ua). Ein wirksamer einseitiger Vertragsrücktritt liegt daher jedenfalls nicht vor.
Die Veräußerung der in streitverfangener Sache hat auf den Prozeß keinen Einfluß (§ 134 ZPO).
Da ausreichende Feststellungen über den Zeitpunkt der Annahme des Vertragsauflösungsanbotes der Klägerin fehlen, ist die Rechtssache nicht spruchreif. Da es offenbar einer Verhandlung in erster Instanz bedarf, um die Sache spruchreif zu machen, ist auch das Urteil der ersten Instanz aufzuheben und die Streitsache an diese zurückzuverweisen (§ 510 Abs 1 ZPO).
Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens stützt sich auf § 52 ZPO.
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