OGH 4Ob553/75

OGH4Ob553/758.7.1975

SZ 48/80

Normen

JN §99 Abs1
JN §99 Abs1

 

Spruch:

Dem Gesetz ist eine Subsidiarität des Vermögensgerichtsstandes nur in der Richtung zu entnehmen, daß er durch einen allgemeinen Gerichtsstand des Beklagten im Inland und darüber hinaus durch einen ausschließlichen besonderen Gerichtsstand des Beklagten ausgeschlossen wird

Nahm der Käufer nach Beanstandung der gelieferten Ware ein Verfügungsrecht über diese in Anspruch, so ist davon auszugehen, daß sie tatsächlich ins Eigentum übergeben wurde; damit bildet sie ein "Vermögen" im Sinne des § 99 Abs. 1 JN

OGH 8. Juli 1975, 4 Ob 553/75 (OLG Wien 2 R 65/75; HG Wien 14 Cg 265/74)

Text

Auf Grund der von der Beklagten in Wien ausgestellten, an die Mitteleuropäische Handelsbank AG in Frankfurt am Main als Bezogene gerichteten, bei Vorlage jedoch nicht eingelösten Schecks vom 28. August 1974, lautend auf 80.000 DM, und vom 5. September 1974, lautend auf 75.000 DM, erwirkte die Klägerin gegen die Beklagte den Scheckzahlungsauftrag des Erstgerichtes vom 31. Oktober 1974 über insgesamt 155.000 DM samt Anhang. Keiner der beiden Schecks enthält eine besondere Angabe des Zahlungsortes. Zur Begründung der örtlichen Zuständigkeit des Handelsgerichtes Wien hatte sich die Klägerin auf § 99 JN berufen und behauptet, daß die Beklagte im Sprengel des Erstgerichtes Vermögen besitze.

In ihren rechtzeitig erhobenen Einwendungen machte die Beklagte u.

a. den Mangel der inländischen Gerichtsbarkeit und der örtlichen Zuständigkeit des angerufenen Gerichtes geltend, weil beide Schecks gemäß Art. 2 Abs. 2 SchG am Sitz der bezogenen Bank in Frankfurt am Main zu zahlen seien.

Das Erstgericht schränkte das Verfahren auf diese Prozeßeinreden ein und wies mit Beschluß vom 30. Jänner 1975, ON 11, die Klage unter gleichzeitiger Nichtigerklärung des Verfahrens zurück. Zur Begründung dieser Entscheidung führte das Erstgericht unter Hinweis auf SZ 16/145 und Fasching I 476 aus, daß eine Wechsel- oder Scheckklage nur beim allgemeinen Gerichtsstand des Schuldners oder beim Gerichtsstand des Zahlungsortes (§ 89 JN) eingebracht werden könne, nicht aber bei dem nur subsidiären Gerichtsstand des Vermögens nach § 99 JN. Neben Wahlgerichtsständen, die auf einen bestimmten, im Gesetz festgelegten Tatbestand gegrundet seien - hier: Gerichtsstand des Zahlungsortes könne der Vermögensgerichtsstand nicht angerufen werden. Im vorliegenden Fall lägen sowohl der allgemeine Gerichtsstand der Beklagten als auch der Ort, an dem die beiden Schecks zu zahlen gewesen wären, im Ausland; mangels eines Anknüpfungspunktes für eine örtliche Zuständigkeit fehle es daher nicht nur an der inländischen Gerichtsbarkeit, sondern auch an der örtlichen Zuständigkeit des Handelsgerichtes Wien.

Das Rekursgericht verwarf die beiden Prozeßeinreden der Beklagten und trug dem Erstgericht die Fortsetzung des gesetzmäßigen Verfahrens unter Abstandnahme von dem gebrauchten Zurückweisungsgrund auf. Der Oberste Gerichtshof habe in SZ 16/145 die Berufung auf den Gerichtsstand des Vermögens bei Wechselklagen nicht schlechthin für unzulässig erklärt, sondern nur die Erlassung eines Wechselzahlungsauftrages durch das nach § 99 JN zuständige Gericht abgelehnt; die Klage auf Grund von Einwendungen gegen einen dennoch erlassenen Zahlungsauftrag könne daher jedenfalls nicht zurückgewiesen werden. Entgegen der zu weitgehenden Lehrmeinung Faschings sei der Vermögensgerichtsstand im übrigen nur insofern subsidiär, als er bei Vorhandensein eines allgemeinen Gerichtsstandes oder eines ausschließlichen besonderen Gerichtsstandes des Beklagten nicht geltend gemacht werden könne. Bei Vorliegen anderer Wahlgerichtsstände etwa desjenigen nach § 89 JN - könne er aber wahlweise angerufen werden, was auch für Wechsel- oder Scheckrückgriffsklagen gelten müsse. Warum der Grundgedanke des § 99 JN, dem inländischen Kläger die Verfolgung des ausländischen Beklagten im Inland zu erleichtern, gerade bei Forderungen aus Wechseln oder Schecks nicht zum Tragen kommen sollte, deren Durchsetzung der Gesetzgeber durch ein besonderes Verfahren erleichtern und beschleunigen wolle, sei nicht einzusehen. Die örtliche Zuständigkeit des angerufenen Handelsgerichtes Wien sei daher gegeben, mit ihr aber auch - mangels Vorliegens von Ausschließungsgrunden - die inländische Gerichtsbarkeit. Das für die Klage sachlich und örtlich zuständige Erstgericht, welches den Scheckzahlungsauftrag erlassen habe, könne diesen Antrag im jetzigen Verfahrensstadium nicht mehr zurückweisen.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs der Beklagten nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Das Rekursgericht hat die Lehrmeinung Faschings (I, 476 § 99 JN Anm. 2), daß der Gerichtsstand des Vermögens (Streitgegenstandes) nach § 99 JN "neben Wahlgerichtsständen, die auf einen bestimmten, im Gesetz festgelegten Tatbestand gegrundet sind", nicht angerufen werden könne, mit Recht als zu weitgehend abgelehnt: Aus dem Gesetz läßt sich diese Auffassung nicht begrunden; ihm ist eine Subsidiarität des Vermögensgerichtsstandes nur in der Richtung zu entnehmen, daß er durch einen allgemeinen Gerichtsstand des Beklagten im Inland (§ 99 Abs. 1 JN; vgl. Fasching I, 475, Vorbemerkungen vor § 99 JN) und darüber hinaus durch einen ausschließlichen besonderen Gerichtsstand des Beklagten (§§ 76 ff. JN; vgl. Fasching I, 390 Vorbemerkungen vor §§ 76 bis 85 JN) ausgeschlossen wird. Ein ausländischer Wahlgerichtsstand steht hingegen der Berufung auf den Vermögensgerichtsstand ebensowenig im Wege wie der im Ausland gelegene allgemeine Gerichtsstand des Beklagten, soll doch § 99 JN gerade in diesen Fällen dem Kläger die Möglichkeit geben, seinen Anspruch gegen den im Ausland wohnenden Schuldner trotz Fehlens eines anderen inländischen Gerichtsstandes vor einem österreichischen Gericht geltend zu machen (EvBl. 1967/242 = JBl. 1967, 382; ähnlich 5 Ob 257/73; vgl. auch Pollak, System des österreichischen Zivilprozeßrechtes[2] I, 323; Sperl, Lehrbuch der bürgerlichen Rechtspflege I/1, 119).

Die hier abgelehnte, vom Erstgericht zur Begründung seines Beschlusses herangezogene These Faschings findet aber auch in der mehrfach erwähnten Entscheidung SZ 16/145 keine Stütze. Wie sich aus den Entscheidungsgründen dieses Erkenntnisses ergibt, hat der Oberste Gerichtshof damals seine Auffassung, daß für die Erlassung eines Wechselzahlungsauftrages "nur der allgemeine Gerichtsstand des Wechselnehmers, das ist sein Wohnsitz, oder der einzige Wahlgerichtsstand des § 89 JN, der auch aus dem Wechsel erhellt, nicht aber auch der Gerichtsstand des Vermögens nach § 99 JN" in Betracht komme, ausschließlich damit begrundet, daß alle für die Erlassung des Wechselzahlungsauftrages notwendigen Voraussetzungen - also auch die die Zuständigkeit des angerufenen Gerichtes begrundenden Umstände - aus dem Wechsel selbst hervorgehen müßten. Auch diese Schlußfolgerung geht aber nach Ansicht des erkennenden Senates zu weit: Voraussetzung für die Erlassung eines Wechselzahlungsauftrages list gemäß § 557 Abs. 1 ZPO, daß sich "die eingeklagte Forderung ..... auf einen Wechsel grundet, der alle Erfordernisse der Gültigkeit besitzt und gegen dessen Echtheit sich keine Bedenken ergeben"; neben diesem Wechsel sind, soweit dies im Einzelfall erforderlich ist, zugleich mit der Klage auch der Protest und die quittierte Rechnung in Urschrift vorzulegen, ferner, wenn eine Wechselerklärung von einem Machthaber unterschrieben ist, auch die Vollmacht des Machtgebers (§ 557 Abs. 2 ZPO). In gleicher Weise wie beim (allgemeinen) Mandatsverfahren nach §§ 548, 549 ZPO macht das Gesetz daher auch die Einleitung des Wechselmandatsprozesses nach § 557 ZPO nur davon abhängig, daß die "mit der Klage geltend gemachte Forderung", also der Klageanspruch, dem Gericht in qualifiziert urkundlicher Form nachgewiesen wird. Was sich aus dem gültigen und hinsichtlich seiner Echtheit unbedenklichen Wechsel selbst - allenfalls in Verbindung mit den sonst noch erforderlichen weiteren Urkunden - (Protest, quittierte Rechnung, Vollmacht) - ergeben muß, ist also die sachliche Berechtigung des erhobenen "wechselmäßigen Anspruches" einschließlich der Legitimation des Klägers zur Geltendmachung dieser Forderung, vgl. Fasching IV, 603

f. § 557 ZPO. Anm. 3 f.); da der qualifiziert urkundliche Nachweis dieser Umstände den Klageanspruch von vornherein mit größerer Wahrscheinlichkeit als zu Recht bestehend annehmen läßt, räumt das Gesetz in diesem Fall dem Berechtigten die Möglichkeit ein, zur raschen und sicheren Durchsetzung seines Anspruches einen Wechselzahlungsauftrag nach den Vorschriften der §§ 557 ZPO zu erwirken. Daß darüber hinaus aber auch die allgemeinen Prozeßvoraussetzungen und damit insbesondere auch diejenigen Umstände, welche die inländische Gerichtsbarkeit und die örtliche Zuständigkeit des angerufenen Gerichtes begrunden, bereits aus dem Wechsel selbst hervorgehen müßten, kann dem Gesetz nicht entnommen werden und läßt sich auch aus dem Wesen und den Zielsetzungen des Urkundenprozesses nicht ableiten. Mangels einer gegenteiligen Anordnung des Gesetzes muß vielmehr angenommen werden, daß hiefür auch im Wechselmandatsverfahren nach §§ 557 ff. ZPO die allgemeinen Bestimmungen über die Zuständigkeitsprüfung (§§ 41 ff. JN) bzw. die Unzuständigkeitseinrede (§§ 239 f., 261 ZPO) zu gelten haben, wobei allerdings die sonst noch bei der ersten Tagsatzung zulässigen prozessualen Einreden hier mit Rücksicht auf die Eventualmaxime bei sonstiger Präklusion bereits in den Einwendungen gegen den Wechselzahlungsauftrag vorgebracht werden müssen (vgl. dazu Fasching IV, 613 § 559 ZPO Anm. 4 in Verbindung mit 583 § 552 ZPO Anm. 2). Tatsächlich hat der Oberste Gerichtshof in jüngster Zeit bereits die Auffassung vertreten, daß auch im Wechselverfahren eine Gerichtsstandsvereinbarung nach § 104 JN in Anspruch genommen werden kann, welche keinesfalls bereits aus dem Wechsel selbst erkennbar sein muß (EvBl. 1974/28). Nichts anderes kann aber auch für den Wahlgerichtsstand des Vermögens nach § 99 JN gelten, dessen Heranziehung im Wechselverfahren bei Vorliegen der Voraussetzungen dieser Gesetzesstelle aus den oben dargelegten Erwägungen gleichfalls als zulässig angesehen werden muß. Der erkennende Senat vermag daher die vom Obersten Gerichtshof noch in SZ 16/145 vertretene Auffassung, daß eine Wechselklage nur beim allgemeinen Gerichtsstand des Wechselschuldners oder beim Gerichtsstand des Vermögens nach § 99 JN eingebracht werden könne, nicht aufrecht zu erhalten.

Das Rekursgericht hat aber nicht nur die grundsätzliche Anwendbarkeit des Vermögensgerichtsstandes bei Wechsel- oder Scheckrückgriffsklagen (Art. 59 a SchG) zutreffend bejaht, sondern auch die Voraussetzungen dieser Gesetzesstelle, nämlich das Vorhandensein eines im Sprengel des angerufenen Handelsgerichtes Wien befindlichen Vermögens der Beklagten, im Ergebnis zu Recht als gegeben angenommen: Die im Klageschriftsatz enthaltene Behauptung der Klägerin, die Beklagte sei Eigentümerin von insgesamt zwei Millionen Stück Elektrolyt-Kondensatoren, welche sich derzeit auf dem Lager der Spedition Schenker & Co. im ersten Wiener Gemeindebezirk befänden, ist von der Beklagten in ihren Einwendungen gegen den Scheckzahlungsauftrag nicht bestritten worden; die Beklagte geht vielmehr in Punkt 7 dieser Einwendungen selbst davon aus, daß sie diese Ware "unverzüglich nach der Lieferung" untersucht und wegen wesentlicher und unbehebbarer Mängel beanstandet habe. Nichts anderes ergibt sich aber entgegen der Meinung der Rekurswerberin auch aus dem - von der Klägerin vorgelegten - Schreiben ihres Rechtsvertreters an die Firma Schenker & Co. vom 25. Oktober 1974, wo zwar zunächst davon die Rede ist, daß die Beklagte "die Annahme ..... der Widerstände abgelehnt" habe, dann aber doch namens der Beklagten ein Verfügungsrecht über diese Ware - welche "zurückzunehmen" sich die Klägerin weigere - in Anspruch genommen wird. Bei dieser Sachlage konnte das Rekursgericht unbedenklich davon ausgehen, daß die betreffende Ware nicht nur der Beklagten tatsächlich ins Eigentum übergeben wurde, sondern auch noch zu ihrer Verfügung bei der genannten Speditionsfirma in Wien eingelagert ist und damit ein im Sprengel des Erstgerichtes gelegenes "Vermögen" der Beklagten im Sinne des § 99 Abs. 1 JN bildet.

Zusammenfassend ergibt sich daher, daß das Rekursgericht die Prozeßeinreden der Beklagten mit Recht verworfen und dem Erstgericht die Fortsetzung des gesetzmäßigen Verfahrens aufgetragen hat. Dem Revisionsrekurs der Beklagten mußte deshalb ein Erfolg versagt bleiben.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte