Spruch:
Dem außerordentlichen Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden aufgehoben. Die Rechtssache wird an das Erstgericht zurückverwiesen, welchem eine neuerliche, nach Ergänzung des Verfahrens zu fällende Entscheidung aufgetragen wird.
Text
Begründung
Mit Beschluß vom 17.1.1994 wurde der vom Vater zu leistende
monatliche Unterhalt ab 1.11.1992 für den minderjährigen Benjamin auf
S 4.800,- und für die minderjährige Lisa auf S 4.200,- erhöht. Dieser
Entscheidung lag ein durchschnittliches monatliches Nettoeinkommen
des Vaters - aus seiner Tätigkeit bei einer Überwachungsfirma und
aus einer Versehrtenrente nach dem HeeresversorgungsG (HVG) - für
das Jahr 1992 von S 32.706,99 und für das Jahr 1993 von S
29.903,31 zugrunde.
Für die Zeit vom 1.6. bis 31.12.1994 wurden den Kindern
Haftvorschüsse gemäß § 4 Z 3 UVG gewährt, weil sich der Vater vom
1.6. bis 15.12.1994 in Haft befand.
Am 17.2.1995 beantragte der Untersachwalter für beide Minderjährige
die Gewährung von Unterhaltsvorschüssen gemäß §§ 3, 4 Z 1 UVG in
der Höhe des Exekutionstitels. Die Führung einer Exekution erscheine aussichtslos, weil der Unterhaltsschuldner Arbeitslosenentgelt von täglich S 389,30 beziehe, woraus die Unterhaltsbeträge in Exekutionswege nicht gedeckt werden könnten. Sonstiges zur Hereinbringung des laufenden Unterhalts verwertbares Vermögen sei nicht bekannt. Die HVG-Versehrtenrente des Unterhaltsschuldners könne nicht mehr in Exekution gezogen werden.
Die Versehrtenrente ruhte bis 30.11.1994, weil der Vater eine
Strafhaft verbüßte; ab 1.12.1994 betrug sie S 7.440,-, ab 1.1.1995 S
7.648,- im Monat, jeweils einschließlich der Familienzuschläge. Die
Gesamtleistung wird jedoch - schon seit einem vor der letzten
Unterhaltserhöhung liegenden Zeitpunkt - zur Tilgung eines
KOF-Darlehens zur Gänze einbehalten; lediglich die Sonderzahlungen werden ausgezahlt.
Das Erstgericht bewilligte die Unterhaltsvorschüsse in der beantragten Höhe für den Zeitraum vom 1.2.1995 bis 31.1.1998.
Das Rekursgericht wies die Anträge der Minderjährigen auf Gewährung von Unterhaltsvorschüssen ab und sprach aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Die im Antrag behauptete Aussichtslosigkeit der Exekution liege nicht vor, weil sowohl die Arbeitslosenunterstützung als auch die Versehrtenrente wie sonstiges Erwerbseinkommen in den Grenzen des § 291 a EO beschränkt pfändbar seien. Daß das Einkommen des Vaters durch andere Pfändungen bis zum Existenzminimum erschöpft wäre, sei nicht behauptet worden. Die Versehrtenrente werde zwar zur Deckung eines nicht zweckgebundenen Darlehens verwendet; das stehe aber einer Heranziehung zur Unterhaltsdeckung nicht entgegen. Diese Rente sei schon im Titelverfahren in die Bemessungsgrundlage einbezogen worden, obwohl sie auch damals einbehalten worden sei. Eine entsprechende Exekutionsführung müsse daher aufgrund der bekannten Drittschuldner Aussicht auf Erfolg haben. Hinsichtlich der uneinbringlichen Beträge bestehe immer noch die Möglichkeit der Vorschußgewährung. Außerdem bestünden Zweifel an der materiellen Richtigkeit des Unterhaltstitels. Der Unterhaltsschuldner sei mehr als sechs Monate in Haft und danach bis zum Zeitpunkt der Beschlußfassung in erster Instanz zwei Monate arbeitslos gewesen. Den Minderjährigen stehe es jedoch frei, nach dieser Versagung neuerliche Anträge, mit denen diese Bedenken ausgeräumt werden, einzubringen.
Der Beschluß des Rekursgerichtes wurde dem Unterhaltssachwalter am 26.5.1995 zugestellt. Am 1.6.1995 beantragte dieser die Bewilligung der Verfahrenshilfe einschließlich der Beigebung eines Rechtsanwalts. Das Dekret wurde dem Rechtsanwalt zur Verfahrenshilfe am 20.6.1995, der Beschluß des Rekursgerichtes aber erst am 3.7.1995 zugestellt.
Gemäß § 7 AußStrG iVm mit dem gemäß Art 8 § 3 Abs 1 VerfHG
sowie gemäß § 521 Abs 3 ZPO sinngemäß anzuwendenden § 464 Abs
3 ZPO begann die Frist für den außerordentlichen Revisionsrekurs
daher erst am 3.7.1995 zu laufen.
Rechtliche Beurteilung
Der am 7.7.1995 zur Post gegebene außerordentliche Revisionsrekurs
ist daher rechtzeitig; er ist auch zulässig im Sinne des § 14 Abs
1 AußStrG, weil das Rekursgericht, von den in der Rechtsprechung zu
§ 7 Abs 1 Z 1 und § 11 Abs 2 UVG entwickelten Grundsätzen
abgewichen ist. Er ist daher auch berechtigt.
Mit Recht machen die Revisionsrekurswerber geltend, daß hier zu
prüfen gewesen wäre, wie weit die zugunsten der Minderjährigen
bestehenden Unterhaltstitel noch aufrecht sind. Gemäß § 7 Abs 1 Z
1 UVG hat das Gericht die Vorschüsse ganz oder teilweise zu
versagen, soweit in den Fällen der §§ 3, 4 Z 1 und 4 UVG
begründete Bedenken bestehen, daß die im Exekutionstitel festgesetzte
Unterhaltspflicht (noch) besteht oder, der gesetzlichen
Unterhaltspflicht nicht entsprechend zu hoch festgesetzt ist. § 19
und § 20 UVG ergänzen diese Vorschriften durch die Möglichkeit,
bereits bewilligte Vorschüsse bei geänderten Verhältnissen
herabzusetzen oder einzustellen. Der auf Grund eines Exekutionstitels
gewährte Vorschuß soll daher der jeweiligen (materiellen)
gesetzlichen Unterhaltspflicht entsprechen, wobei die Richtsatzhöhe
gemäß § 6 Abs 1 UVG nicht überschritten werden darf (EvBl
1992/16).
Gemäß § 11 Abs 2 UVG hat zwar der Vorschußwerber die
Voraussetzungen der Gewährung von Vorschüssen bloß glaubhaft zu
machen; das Verfahren soll ohne weitwendige Ermittlungen abgewickelt
werden (RZ 1991/44). Bestehen aber - aus Gründen der
Offenkundigkeit oder nach der Aktenlage - begründete Bedenken gegen
die im Exekutionstitel festgesetzte Unterhaltspflicht, dann hat das
Gericht - allenfalls nach Durchführung amtswegiger Erhebungen (8 Ob
554/91; EvBl 1993/34 = EFSlg 69.486; 2 Ob 555/94 = ÖJZ-LSK
1995/48) - einen dem Gesetz entsprechenden niedrigeren Betrag als
er im Exekutionstitel bestimmt ist, als Vorschuß festzusetzen oder -
falls kein Unterhaltsanspruch mehr besteht - die
Unterhaltsvorschüsse überhaupt zu versagen (6 Ob 676/90; 8 Ob
554/91; EvBl 1992/16). Nur dann, wenn solche Erhebungen ohne größere
Verzögerung nicht durchgeführt werden können, ist der Vorschuß zu
bewilligen, gleichzeitig aber ein Verfahren zur Herabsetzung oder
Einstellung der Vorschüsse einzuleiten (EvBl 1993/34).
Im vorliegenden Fall bestehen nach der Aktenlage, insbesondere nach
den Angaben in den Anträgen auf Vorschußgewährung, begründete
Bedenken, daß die im Exekutionstitel festgesetzte Unterhaltspflicht
(noch) besteht. Der Vater, der bei der letzten Unterhaltserhöhung
noch über ein monatliches Durchschnittseinkommen von rund S 30.000,-
verfügte, ist nunmehr - nach Verbüßung einer 6-monatigen
Freiheitsstrafe - arbeitslos. Eine Vorschußgewährung in Titelhöhe
kann daher ohne weitere Erhebungen nicht in Betracht. Die Vorschüsse
dürften aber, da kein Anhaltspunkt dafür besteht, daß der
Unterhaltsanspruch zur Gänze erloschen ist, auch nicht zur Gänze
versagt werden. Das Erstgericht wird daher die - ohne besonderen
Aufwand ermittelbare - Höhe der dem Vater zustehenden
Arbeitslosenunterstützung zu erheben und unter Berücksichtigung der
Versehrtenrente von S 7.648,- (14 mal) den wegen der Änderung der
Verhältnisse zustehenden materiellen Unterhaltsanspruch zu berechnen haben. Erst dann ist die Frage zu beurteilen, welche Beträge davon durch Exekution auch hereingebracht werden können.
Grundsätzlich sind gemäß § 292 Abs 3 EO bei der Zusammenrechnung
mehrerer beschränkt pfändbarer Geldforderungen gegen verschiedene
Drittschuldner - als verschiedene Drittschuldner sind auch die
verschiedenen, die Arbeitslosenunterstützung und die Versehrtenrente
anweisenden Stellen im Sinne des § 295 Abs 1 EO anzusehen - die
unpfändbaren Grundbeträge in erster Linie für die Forderung zu
gewähren, die die wesentliche Grundlage der Lebenshaltung des
Verpflichteten bildet. Ist das im vorliegenden Fall wegen ihres
größeren Ausmaßes die Arbeitslosenunterstützung, dann wären bei der
Beurteilung der Aussichten eine Exekutionsführung auch die
unpfändbaren Grundbeträge bei dieser Forderung zu berücksichtigen.
Der vorliegende Fall weist aber die Besonderheit auf, daß die
Versehrtenrente zur Gänze nicht ausgezahlt wird, weil daraus ein
gewährtes Darlehen getilgt wird. Im Fall einer Exekution zur
Hereinbringung einer Unterhaltsforderung könnte der diese Rente
auszahlende Drittschuldner gemäß § 290 c EO für die Einbringung
des dem Verpflichteten gewährten Darlehens (nur) den Betrag, der sich
aus dem Unterschied zwischen den im § 292 Abs 4 EO genannten
Beträgen (das ist die Hälfte des allgemeinen Grundbetrages gemäß §§
291 a EO) und dem unpfändbaren Freibetrag ergibt, heranziehen. Daß
dem Arbeitnehmer im Falle der Gewährung von Vorschüssen oder Darlehen
mindestens die Hälfte des allgemeinen Grundbetrages zu verbleiben
hat, ist zwingendes Recht. Gerät er, nachdem er den Vorschuß genommen
hat, in Zahlungsschwierigkeiten und muß eine Lohnpfändung
durchgeführt werden, so wäre es unbillig, ihm in diesen Fällen
überhaupt nichts auszuzahlen (AB zur EO-Novelle 1991 261 BlgNR 18.
GP 5 mit Hinweis auf Heller-Berger-Stix, Lohnpfändung 72). Treffen
mehrere beschränkt pfändbare Geldforderungen gegen verschiedene Drittschuldner zusammen und wurde bei einer ein Vorschuß (Darlehen) ausgezahlt, dann ist das Existenzminimum von dieser Forderung zu gewähren, um dem Drittschuldner die Einbehaltung zur Deckung des Vorschusses oder der Darlehensrückzahlungen im Sinne des § 290 c EO allerdings auch nur in diesem Ausmaß zu ermöglichen. Auch anläßlich der Bestimmung jenes Drittschuldners, der die unpfändbaren Grundbeträge zu gewähren hat, kann das Gericht auf diese Mindestrechte des Drittschuldners, der den Vorschuß oder das Darlehen gewährt hat, Bedacht nehmen.
Daraus ergibt sich somit für den vorliegenden Fall, daß die Versehrtenrente durch die Verwendung des halben Grundbetrages zur Hereinbringung des Darlehens und durch die Gewährung des restlichen unpfändbaren Freibetrages für den Verpflichteten im Sinne des § 291 b EO im wesentlichen aufgebraucht wird und demnach zur Hereinbringung der Unterhaltsforderung der Antragsteller nichts Wesentliches beitragen kann, daß aber die Arbeitslosenunterstützung bei Fehlen vorrangiger Pfandrechte zur Gänze pfändbar sein könnte. Würden allerdings die (verminderten) Unterhaltsbeträge mangels vorrangiger Pfandrechte in der Arbeitslosenunterstützung Deckung finden, wären die Vorschüsse zu versagen.
Das Erstgericht wird daher auch noch zu erheben haben, wie weit dieser Einkommensbestandteil des Vaters durch laufende (vorrangige)
Exekutionen geschmälert wird. Ob die Voraussetzungen des § 4 Z 4
UVG gegeben sind, hat zwar gemäß § 11 Abs 2 UVG der Vorschußwerber bloß glaubhaft zu machen. Das Gericht hat aber auch ohne ausdrücklichen Antrag auf Grund seiner allgemeinen Fürsorgepflicht tätig zu werden und zur Klarstellung dieser Voraussetzungen ua auch Exekutionsakten beizuschaffen (RZ 1991/44). Erst nach Prüfung dieser Frage kann beurteilt werden, ob die Voraussetzungen des § 4 Z 1 UVG vorliegen. Soweit die materiell zustehenden Vorschüsse in der nach allfälligen Exekutionen zur freien Verfügung des Unterhaltsschuldners bleibenden Bezügen nicht Deckung finden, werden Vorschüsse zu gewähren sein.
Daher war dem Revisionsrekurs Folge zu geben, mit der Aufhebung der Beschlüsse der Vorinstanzen vorzugehen und die Sache zur Durchführung der bereits genannten Erhebungen an das Erstgericht zurückzuverweisen.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)