OGH 4Ob540/87

OGH4Ob540/8714.7.1987

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Prof. Dr. Friedl als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Gamerith, Dr. Angst, Dr. Petrag und Dr. Niederreiter als weitere Richter in der Familienrechtssache des Antragstellers Karl S***, Flugsicherungsleiter, Wien 9., Liechtensteinstraße 73/8, vertreten durch Dr. Gunther Gahleitner, Rechtsanwalt in Wien, wider die Antragsgegnerin Ingrid S***, Angestellte, derzeit arbeitslos, Wien 19., Heiligenstädterstraße 81-87/2/59, vertreten durch Dr. Walter Mardetschläger, Rechtsanwalt in Wien, wegen Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse nach §§ 81 ff EheG infolge Revisionsrekurses des Antragstellers gegen den Beschluß des Landesgerichtes für ZRS Wien als Rekursgerichtes vom 19. März 1987, GZ 47 R 84/87-30, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Döbling vom 2.Dezember 1986, GZ 1 F 3/86-22, aufgehoben wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Revisionsrekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Die Ehe der Streitteile wurde mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichtes für ZRS Wien vom 4.April 1986 aus dem Alleinverschulden des Antragstellers geschieden. Die häusliche Gemeinschaft ist seit 1.Oktober 1985 aufgehoben. Mit rechtskräftigem Beschluß vom 23.September 1986 wurden der Antragsgegnerin die elterlichen Rechte bezüglich des mj. ehelichen Kindes Martin, geboren am 15.August 1970, übertragen. Die Antragsgegnerin bewohnt mit dem Sohn weiterhin die Ehewohnung in Wien 19., Heiligenstädterstraße 81-87/2/59, deren Alleineigentümer der Antragsteller ist. Der Antragsteller wohnt in Wien 9., Liechtensteinstraße 73/8.

Der Antragsteller begehrte die Aufteilung dahin, daß die Antragsgegnerin die Ehewohnung samt den darin befindlichen Hausratsgegenstände erhalte, wofür sie dem Antragsteller eine Ausgleichszahlung von 500.000 S in monatlichen Raten von 10.000 S zu leisten habe; der Antragsteller würde sich dabei verpflichten, die auf der Wohnung lastenden Verbindlichkeiten gegenüber der Wohnbauförderung sowie ein Wohnungsverbesserungsdarlehen zurückzuzahlen. Da der Antragsteller als Flugverkehrskontrollor ein wesentlich höheres Einkommen bezogen habe als die Antragsgegnerin, sei eine Aufteilung im Verhältnis 2 : 1 zugunsten des Antragstellers gerechtfertigt.

Die Antragsgegnerin begehrte die Zuweisung der Ehewohnung mit dem gesamten Hausrat, während dem Antragsteller der PKW Golf sowie Wertpapiere verbleiben sollten. Sie beziehe derzeit ein Arbeitslosengeld von 1.700 S monatlich und müsse von den Alimenten des Antragstellers leben. Sie sei daher nicht in der Lage, eine Ausgleichszahlung zu leisten.

Das Erstgericht wies der Antragsgegnerin das Eigentumsrecht an der mit 818.209 S bewerteten ehelichen Wohnung zu und verpflichtete die Antragsgegnerin zur Rückzahlung des mit 78.658,07 S aushaftenden Wohnungsverbesserungskredites sowie des mit 150.874 S aushaftenden Wohnbauförderungsdarlehens; weiters wurde ihr im einzelnen bezeichneter, mit 101.630 S bewerteter Hausrat zugewiesen. Dem Antragsteller wurden der PKW Golf, Baujahr 1982, im Wert von 50.000 S, Genußscheine im Wert von 60.000 S sowie ein Bausparguthaben von 24.000 S zugewiesen. Der Antragsgegnerin wurde eine wertgesicherte, in Monatsraten von 4.500 S zu leistende Ausgleichszahlung von 278.000 S auferlegt.

Das Erstgericht stellte fest, daß zum Zeitpunkt der Eheschließung beide Streitteile berufstätig gewesen waren. Der Antragsteller war bei der Flugsicherung auf dem Flughafen Wien-Schwechat mit einem durchschnittlichen monatlichen Nettoeinkommen von zuletzt 31.500 S beschäftigt; die Antragsgegnerin war als Verkäuferin tätig. Von 1970 bis 1976 ging die Antragsgegnerin keinem Beruf nach, weil sie sich der Haushaltsführung und der Betreuung des gemeinsamen Kindes widmete; zusätzlich verrichtete sie Tischler-, Tapezierer-, Maler- und Anstreicherarbeiten für die Ehewohnung. Ab 1976 nahm die Antragsgegnerin eine Teilzeitbeschäftigung als Verkäuferin mit einer Arbeitszeit von 13 bis 18 Wochenstunden auf, aus der sie ein monatliches Nettoeinkommen von 2.700 S erzielte, das ihr als Taschengeld verblieb. Bei der Haushaltsführung und der Betreuung des Kindes wurde sie vom Antragsteller unterstützt. Die Antragsgegnerin wurde zum 31.Dezember 1985 von ihrem Arbeitgeber gekündigt. Sie bezog ab 1.Jänner 1986 eine Arbeitslosenunterstützung, die bereits ausgelaufen ist; derzeit verfügt sie über kein Einkommen. Während der Ehegemeinschaft hatten beide Streitteile Gehaltskonten, über die der jeweilige Partner nicht verfügungsberechtigt war. Der Betrag von 94.000 S für die Bezahlung des Grundanteils im Rahmen der Anschaffung der Ehewohnung wurde von den Streitteilen gemeinsam angespart. Die Antragsgegnerin erhielt vom Antragsteller ein monatliches Wirtschaftsgeld von 7.000 S in barem. Alle Auslagen für die Wohnung einschließlich der Rückzahlung der aufgenommenen Darlehen trug der Antragsteller.

Rechtlich folgerte das Erstgericht, daß die Antragsgegnerin durch ihre Berufstätigkeit, die Haushaltsführung und die Pflege des gemeinsamen Kindes einen ihren Kräften angemessenen und den Leistungen des Antragstellers gleichwertigen Beitrag zur Vermögensbildung geleistet habe. Als Folge der Zuweisung der Ehewohnung habe die Antragsgegnerin die auf der Wohnung lastenden Kredite abzutragen. Da durch die Aufteilung kein gerechter Ausgleich zu erzielen sei, sei der Antragsgegnerin eine Ausgleichszahlung von 278.000 S aufzuerlegen. Der Antragsgegnerin könne grundsätzlich die Ausübung einer Erwerbstätigkeit zugemutet werden; sollte sie krankheitshalber berufsunfähig sein, dann stünden ihr die Unterhaltsbeiträge des Antragstellers zur Verfügung. Dieser Beschluß wurde, soweit der Antragsgegnerin eine Ausgleichszahlung von 278.000 S auferlegt wurde, von der Antragsgegnerin bekämpft und seine Abänderung dahin beantragt, daß ihr lediglich eine Ausgleichszahlung von 90.000 S, zahlbar in 60 Monatsraten, a 1.500 S, auferlegt werde.

Das Rekursgericht gab diesem Rekurs Folge, hob den angefochtenen Beschluß zur Gänze auf und trug dem Erstgericht eine neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf. Es ging davon aus, daß die Antragsgegnerin derzeit über kein Einkommen verfüge und nicht festgestellt worden sei, welches Einkommen sie durch eine zumutbare Erwerbstätigkeit erzielen könnte. Wäre die Antragsgegnerin tatsächlich aus Gesundheitsgründen erwerbsunfähig, dann würde ihr Unterhaltsanspruch gegenüber dem Antragsteller unter Berücksichtigung der Sorgepflicht für den mj. Sohn rund 9.000 S monatlich betragen. Berücksichtige man, daß die Antragsgegnerin von dem ihr zur Verfügung stehenden Einkommen (sei es aus Erwerb oder aus Unterhalt) die - vom Erstgericht der Höhe nach nicht festgestellten - monatlichen Kreditrückzahlungsbeträge sowie die laufenden Kosten der Wohnung zu tragen habe, ergäben sich begründete Bedenken, ob die Antragsgegnerin tatsächlich in der Lage wäre, die Ausgleichszahlung in monatlichen Raten a 4.500 S zu leisten, ohne selbst in eine wirtschaftliche Zwangslage zu geraten. Zwar solle der schutzlos geschiedene Gatte, dem das eheliche Kind in Pflege und Erziehung überwiesen wurde, durch die Scheidung nicht seine Lebensgrundlage verlieren bzw. in eine wirtschaftliche Zwangslage geraten; das dürfe aber nicht so weit gehen, daß im Ergebnis der überwiegende Teil des Gebrauchsvermögens dem schuldlos geschiedenen Ehegatten zugewiesen werde. Das Erstgericht werde daher durch geeignete Erhebungen die Höhe der laufenden Kosten der Ehewohnung sowie der Rückzahlungsraten für Wohnbauförderungs- und Wohnungsverbesserungskredite sowie die Höhe des von der Antragsgegnerin durch eigene Erwerbstätigkeit oder Unterhaltsleistungen des Antragstellers erzielbaren Einkommens festzustellen haben. Nur wenn gewährleistet sei, daß die Antragsgegnerin auch wirtschaftlich in der Lage sei, die vom Erstgericht errechnete Ausgleichszahlung - allenfalls in etwas geringerer Höhe und mit etwas geringeren Teilzahlungen - zu leisten, würde die Zuweisung der Ehewohnung an die Antragsgegnerin sinnvoll erscheinen und der Billigkeit entsprechen. Anderenfalls wäre mit den Streitteilen eine andere Lösungsmöglichkeit zu erörtern, insbesondere die eines allfälligen Verkaufes der Eigentumswohnung und einer entsprechenden Aufteilung des Erlöses. Da somit nicht eindeutig feststehe, ob die Ehewohnung samt Einrichtung der Antragsgegnerin zugewiesen werden könne, müsse der gesamte erstgerichtliche Beschluß zur Verfahrensergänzung aufgehoben werden. Gegen diesen Beschluß richtet sich der Revisionsrekurs des Antragstellers mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung im Sinne einer Wiederherstellung des erstgerichtlichen Beschlusses abzuändern.

Die Antragsgegnerin beantragt, dem Revisionsrekurs nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist nicht berechtigt.

Aus Anlaß des Rechtsmittels war zunächst zu prüfen, ob trotz der Anfechtung nur der Höhe der Ausgleichszahlung mit der Aufhebung des gesamten erstgerichtlichen Beschlusses nicht in die Rechtskraft eingegriffen wurde. Zieht man aber in Betracht, daß wegen der mangelhaften Feststellungen über die Einkommensverhältnisse der Antragsgegnerin sowie die von ihr neben der Ausgleichszahlung zu tragenden Lasten noch gar nicht feststeht, ob sie eine den ihr vom Erstgericht zugewiesenen Werten auch nur einigermaßen entsprechende Ausgleichszahlung aufbringen kann, war eine Aufhebung auch der nicht ausdrücklich angefochtenen Teile des erstgerichtlichen Beschlusses erforderlich (vgl. EFSlg. 43.811, 46.416).

Soweit der Rekurswerber meint, das Erstgericht habe ohnehin ausreichende Feststellungen über das Einkommen der Antragsgegnerin und die von ihr zu tragenden Belastungen getroffen, ist ihm zu erwidern, daß auch im Verfahren über die Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse einem Auftrag des Rekursgerichtes zur Ergänzung des Verfahrens und des Sachverhaltsbildes, durch welche bei richtiger rechtlicher Beurteilung entscheidungswesentliche Umstände klargestellt werden sollen, nicht entgegengetreten werden kann (siehe EFSlg. 50.123 u. a.).

Was die rechtliche Beurteilung betrifft, so ist dem Rekursgericht darin beizupflichten, daß der schuldlos geschiedene Ehegatte durch die Scheidung nicht in eine wirtschaftliche Zwangslage geraten soll, wobei jede Zahlungsverpflichtung, die ihn in seiner neuen wirtschaftlichen Lage, wenn auch unter äußerster Anspannung seiner Kräfte, nicht wohl bestehen läßt, der nach § 94 Abs 1 EheG zu beachtenden Billigkeit widerspricht (siehe EFSlg.46.403, 49.016); das darf jedoch nicht so weit gehen, daß ein Ehegatte unter Hinweis auf die Vermögenslosigkeit und das geringe Einkommen des anderen dazu verhalten wird, seinen Anteil am gemeinsamen Vermögen entschädigungslos oder gegen eine unverhältnismäßig geringe Entschädigung aufzugeben (siehe EFSlg.46.409 ua). Dem Rekursgericht ist auch darin zu folgen, daß bei Beachtung dieser Grundsätze zwar nicht eine beträchtliche Kürzung der Ausgleichszahlung - etwa im Sinne des Rekursantrages - in Frage kommt, aber nach Maßgabe der Einkommensverhältnisse der Antragsgegnerin allenfalls eine Zahlung in etwas geringerer Gesamthöhe und in etwas verminderten Raten in Betracht zu ziehen wäre, bevor eine andere Lösung als die grundsätzlich von beiden Streitteilen bejahte Aufteilung des vorhandenen Gebrauchsvermögens vorgenommen wird.

Dem Rekurs war daher ein Erfolg zu versagen.

Da vor Entscheidung in der Hauptsache auch eine Billigkeitsentscheidung in Ansehung der Verfahrenskosten nicht möglich ist, war in analoger Anwendung des § 52 ZPO die Entscheidung über den nach § 234 AußStrG zu beurteilenden Kostenersatz dem Ausgang des zu ergänzenden Verfahrens vorzubehalten (vgl. EFSlg.47.404 und 50.141).

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