OGH 4Ob529/95

OGH4Ob529/9525.4.1995

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Gamerith als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kodek, Dr.Niederreiter, Dr.Redl und Dr.Griß als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Sybille Z*****, vertreten durch Dr.Gottfried Eypeltauer und andere Rechtsanwälte in Linz, wider die beklagte Partei Roswitha H*****, vertreten durch Dr.Edgar Mühlböck, Rechtsanwalt in Linz, wegen S 100.000,-- sA (Revisionsinteresse S 71.672,94 sA), infolge Revision der Klägerin gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht vom 30.November 1994, GZ 3 R 225/94-25, womit das Urteil des Landesgerichtes Linz vom 28.Juli 1994, GZ 8 Cg 161/92-17, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, daß sie insgesamt einschließlich des bestätigten Teiles, wie folgt zu lauten haben:

"Die Beklagte ist schuldig, der Klägerin S 100.000,-- samt 4 % Zinsen seit 12.2.1992 binnen 14 Tagen zu bezahlen und die mit S 40.856,02 bestimmten Kosten (darin S 4.740,92 USt und S 12.410,50 Barauslagen) zu ersetzen."

Die Beklagte ist schuldig, der Klägerin die mit S 23.260,64 bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens (darin S 2.333,44 USt und S 9.260,-- Barauslagen) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin ist die Witwe nach Kurt Z*****, der am 1***** in W***** verstorben ist. Der Ehe entstammt der volljährige Sohn Andreas. Kurt Z***** hinterließ ein am 26.7.1991 errichtetes Testament, in dem er die Beklagte zur Alleinerbin seines gesamten Nachlasses bestimmte und alle Noterben auf den Pflichtteil beschränkte.

Kurt Z***** wohnte bis 9.12.1990 in der Ehewohnung in L***** J*****. Vom 10. bis 29.12.1990 wurde Kurt Z***** im Krankenhaus in I***** stationär behandelt. Danach ist er nicht mehr in die Ehewohnung zurückgekehrt, sondern zur Beklagten gezogen. Im Jänner 1991 wollte Kurt Z***** in die eheliche Wohnung zurückkehren; die Klägerin ließ ihn aber nicht mehr in die Wohnung. Er blieb daher bei der Beklagten.

Die Beklagte pflegte den schwerkranken Kurt Z***** seit 1989, indem sie ihn zu ärztlichen Untersuchungen führte, für ihn spezielle Kost zubereitete, seine Wäsche wusch und ihn im Krankenhaus besuchte.

Kurt Z***** verdiente als Angestellter der Firma N***** GesellschaftmbH bis zu seinem Tod durchschnittlich S 28.836,71 monatlich; am 16.6.1992 wurde von seinem Dienstgeber eine Abfertigung von netto S 254.997,56 überwiesen; Sonderzahlungen und Urlaubsentschädigung in der Höhe von netto S 169.962,34 werden nach Abschluß der Verlassenschaftsabhandlung ausgezahlt werden.

Am 31.12.1990 überbrachte Andreas Z***** seinem Vater ein Sparbuch mit einem Einlagenstand von S 188.000,--. Aus einem Bausparvertrag, den die Klägerin gemeinsam mit Kurt Z***** abgeschlossen hatte, wurden am 1.1.1992 S 106.386,13 auf das Konto des Verstorbenen überwiesen.

Kurt Z***** war Eigentümer eines Hymer-Wohnmobils, eines PKW Steyr Fiat 126, eines Motorbootes Marke Fletcher GTP 22 mit BMW-Innenbordmotor, eines Anhängers Ablinger Hymed und eines Einachsenanhängers. Diese Gegenstände hatten im Jänner 1992 einen Gesamtwert von S 514.000,--; davon entfielen auf das Hymer-Wohnmobil S 450.000,--.

In der Todfallsaufnahme nach Kurt Z***** wurden an Nachlaß nur zwei Jagdgewehre und Jagdzubehör im Wert von S 25.000,-- und ein Bankguthaben von ca S 10.000,-- angeführt. Über das Konto war auch die Beklagte zeichnungsberechtigt.

Am 1.6.1991 stellte Kurt Z***** über das Hymer-Wohnmobil, den PKW Fiat 126 und den Einachsenanhänger "sogenannte Verkaufsbestätigungen" aus, im Mai 1991 eine weitere Verkaufsbestätigung über das Motorboot und am 31.7.1991 eine Verkaufsbestätigung über den zweiten Anhänger. Als Verkäufer schien Kurt Z*****, als Käuferin die Beklagte auf. Die Beklagte verkaufte das Wohnmobil im Mai 1992 um S 417.000,--.

Die Klägerin begehrt, die Beklagte schuldig zu erkennen, ihr bei sonstiger Exekution in die geschenkten Gegenstände, nämlich ein Hymer-Wohnmobil, einen PKW Steyr Fiat 126, ein Motorboot Marke Fletcher GTB 22 mit BMW-Innenbordmotor sowie zwei Anhänger, S 100.000,-- sA zu bezahlen. "Eventualiter" begehrt die Klägerin, ihr den Klagebetrag ohne Beschränkung der Exekution auf die geschenkten Gegenstände zuzusprechen.

Die Klägerin sei pflichtteilsberechtigt. Ihr stehe eine Forderung in Höhe von einem Sechstel des Nachlaßwertes zu. Der Erblasser habe der Beklagten die im Begehren angeführten Gegenstände offenbar geschenkt. Die von der Beklagten behaupteten Aufwendungen seien wesentlich überhöht. Der Klägerin komme aus dem Titel des Pflichtteils unter Berücksichtigung des gesamten Nachlasses der Klagebetrag zu.

Die Beklagte beantragt, das Klagebegehren abzuweisen.

Sämtliche Gegenstände seien der Beklagten verkauft worden. Wegen seiner schweren Erkrankung habe Kurt Z***** erhöhte Bedürfnisse gehabt, vor allem auch deshalb, weil die Klägerin ihre Unterhaltspflicht verletzt habe und Kurt Z***** auf die Hilfe der Beklagten angewiesen gewesen sei. Die Beklagte habe Kurt Z***** intensiv gepflegt. Dadurch seien ihr Aufwendungen von rund S 600.000,-- entstanden, die sie vereinbarungsgemäß gegen den Kaufpreis der verfahrensgegenständlichen Fahrnisse aufgerechnet habe.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt.

Es könne nicht feststellen, welche Beträge die Beklagte tatsächlich für Nächtigungen, an Verpflegungskosten, Telefongebühren, Krankenbekleidung und zusätzlichen Betriebskosten aus eigenen Mitteln aufgewendet hat. Kurt Z***** habe gegenüber Dritten geäußert, die Fahrzeuge der Beklagten als Abgeltung für die für ihn erbrachten Pflegeleistungen und Aufwendungen zu überlassen.

Die Beklagte behaupte, die Fahrnisse gekauft zu haben. Ein Kaufvertrag sei entgeltlich. Nach den negativen Feststellungen fehle es aber an der Entgeltlichkeit, weil die zur Auf- und Gegenverrechnung behaupteten Aufwendungen nicht von der Beklagten getragen worden seien. Eine zum Schein abgegebene Erklärung sei nichtig. Aus der Sicht eines objektiven Dritten habe ein Kaufvertrag abgeschlossen werden sollen, tatsächlich sei aber ein Schenkungsvertrag zustandegekommen. Daß Kurt Z***** aus einer sittlichen Pflicht heraus gehandelt hätte, sei nicht behauptet worden. Der Pflichtteilsberechnung seien daher der Wert der Fahrnisse von S 514.000,-- sowie die Sonderzahlungen und die Urlaubsentschädigung von S 169.962,34 zugrundezulegen.

Das Berufungsgericht änderte die Entscheidung des Erstgerichtes dahin ab, daß es der Klägerin S 28.327,06 sA ohne Exekutionsbeschränkung zusprach, das Mehrbegehren aber abwies. Das Berufungsgericht sprach aus, daß die Revision nicht zulässig sei.

Der Verkauf des Wohnmobils und der anderen Fahrzeuge habe nicht dazu gedient, eine Schenkung zu verschleiern. Die Beklagte habe den Verstorbenen drei Jahre hindurch gepflegt. Die Pflegeleistungen hätten einen Geldwert; der Übereignung der Fahrzeuge stehe daher eine Gegenleistung gegenüber. Eine gemischte Schenkung liege nicht vor. Daß zwischen dem Wert der Pflegeleistungen und dem der Fahrzeuge ein krasses Mißverhältnis bestehe, stehe nicht fest. Auch eine gemischte Schenkung wäre aber nicht zu berücksichtigen, weil der Verstorbene aus einer sittlichen Pflicht heraus und aus Rücksichten des Anstands gehandelt habe. Es fehle jeder Anhaltspunkt dafür, daß ein allenfalls als Schenkung zu behandelnder Teil den Verhältnissen des Erblassers und der Beklagten, aber auch beider zueinander nicht entsprochen hätte. Bemessungsgrundlage für die Pflichtteilsforderung der Klägerin seien nur die Sonderzahlungen und die Urlaubsentschädigung; weitere, die Begräbniskosten übersteigende Nachlaßaktiven seien nicht behauptet.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen diese Entscheidung gerichtete außerordentliche Revision der Klägerin ist zulässig und berechtigt.

Die Klägerin bekämpft die Entscheidung als aktenwidrig und mangelhaft. Das Berufungsgericht habe bei seiner Entscheidung Feststellungen des Erstgerichtes unberücksichtigt gelassen. Das Erstgericht habe festgestellt, daß der Kaufvertrag ein Scheingeschäft sei, daß die Fahrnisse in Schenkungsabsicht übergeben worden seien und daß dem Erblasser zwei Wochen vor seinem Tod S 106.000,-- aus dem Bausparvertrag überwiesen worden seien. Die Beklagte habe nicht einmal behauptet, die Fahrnisse als Abgeltung für Pflegeleistungen erhalten zu haben. Ebensowenig habe sie sich darauf berufen, daß Kurt Z***** in Erfüllung einer sittlichen Pflicht oder aus Rücksichten des Anstandes gehandelt habe. Die Beklagte habe den Verstorbenen höchstens ein halbes Jahr intensiv gepflegt. Habe sie dafür Fahrnisse im Wert von S 514.000,-- erhalten, so sei jedenfalls eine gemischte Schenkung anzunehmen.

Eine Aktenwidrigkeit liegt vor, wenn Feststellungen auf aktenwidriger Grundlage getroffen werden (s Kodek in Rechberger, ZPO § 503 Rz 4). Bleiben bei der rechtlichen Beurteilung für die Entscheidung wesentliche Feststellungen unberücksichtigt, so ist die rechtliche Beurteilung unrichtig; dies ist mit Rechtsrüge geltend zu machen. Die Falschbezeichnung von Rechtsmittelgründen schadet aber nicht (§ 84 Abs 2 ZPO).

Das Erstgericht hat festgestellt, daß in der Zeit von Mai bis Juli 1991 "sogenannte Verkaufsbestätigungen" über die Fahrzeuge unterzeichnet wurden und daß Kurt Z***** gegenüber Dritten geäußert hatte, die Fahrnisse der Beklagten als Abgeltung für die für ihn erbrachten Pflegeleistungen und Aufwendungen zu überlassen. Das Erstgericht meinte, nicht feststellen zu können, welche Beträge die Beklagte tatsächlich aus eigenen Mitteln aufgewendet hat. Damit wurde aber, wie sich aus den Ausführungen zur Beweiswürdigung ergibt, keine Negativfeststellung getroffen. Das Erstgericht listet in der Beweiswürdigung die Einkünfte des Verstorbenen auf und schließt daraus, daß Kurt Z***** mit hoher Wahrscheinlichkeit der Beklagten die Aufwendungen laufend ersetzt hat. Dies entspreche auch der allgemeinen Lebenserfahrung. Es sei nicht ersichtlich, warum eine Lebensgefährtin drei Jahre hindurch monatlich durchschnittlich S 17.000,-- für die Pflege aufwenden solle, wenn der zu Pflegende über ein monatliches Einkommen von mehr als S 25.000,-- netto verfüge. Das Erstgericht hat daher in Wahrheit festgestellt, daß die Beklagte die behaupteten Aufwendungen nicht gemacht hat, und daraus, wie die Ausführungen in der rechtlichen Beurteilung zeigen, den Schluß gezogen, daß der Verstorbene die Fahrnisse der Beklagten geschenkt und nicht verkauft hat. Darin liegt die Feststellung, daß Kurt Z***** in Schenkungsabsicht gehandelt hat.

Das Berufungsgericht ist zu seiner gegenteiligen Auffassung gekommen, weil es die Überlassung der Fahrnisse als Abgeltung der Pflegeleistungen gewertet hat. Dafür fehlt jedoch jede Behauptung der Beklagten in erster Instanz; die Feststellung über eine entsprechende Absicht des Verstorbenen ist überschießend und daher unbeachtlich. Die Beklagte hat nur vorgebracht, daß sie für den Verstorbenen Aufwendungen getätigt habe. Auf geldwerte Pflegeleistungen, die sie für ihn erbracht hätte, hat sie sich nicht berufen.

Damit steht fest, daß die Fahrnisse der Beklagten geschenkt wurden. Gemäß § 785 Abs 1 ABGB sind auf Verlangen eines pflichtteilsberechtigten Kindes oder des pflichtteilsberechtigten Ehegatten bei der Berechnung des Nachlasses Schenkungen des Erblassers in Anschlag zu bringen. Der Gegenstand der Schenkung ist dem Nachlaß mit dem Wert hinzuzurechnen, der für die Anrechnung nach § 794 ABGB maßgebend ist. Der Wert beweglicher Sachen bestimmt sich nach dem Zeitpunkt des Erbanfalles (§ 794 ABGB). Unberücksichtigt bleiben Schenkungen, die der Erblasser aus Einkünften ohne Schmälerung seines Stammvermögens, zu gemeinnützigen Zwecken, in Entsprechung einer sittlichen Pflicht oder aus Rücksichten des Anstandes gemacht hat. Das gleiche gilt für Schenkungen, die früher als zwei Jahre vor dem Tod des Erblassers an nicht pflichtteilsberechtigte Personen gemacht worden sind (§ 785 Abs 3 ABGB).

Als pflichtteilsberechtigte Ehegattin ist die Klägerin berechtigt, die Anrechnung der Schenkung zu verlangen. Ob die Beklagte Leistungen erbracht hat, die weit über das hinausgehen, was normalerweise ein Ehegatte für den anderen im Rahmen der Beistandspflicht tut, ist unerheblich. Die Beklagte hat gar nicht behauptet, daß der Verstorbene in Erfüllung einer sittlichen Pflicht gehandelt hätte. Das Berufungsgericht hat dies - zu Unrecht - von Amts wegen berücksichtigt.

Der Wert der Fahrnisse im Zeitpunkt des Erbanfalles von S 514.000,-- und die in den Nachlaß fallenden Sonderzahlungen und die Urlaubsentschädigung von insgesamt S 169.962,34 rechtfertigen die Pflichtteilsforderung der Klägerin (§ 757 Abs 1, § 765 ABGB). Das dem Verstorbenen zugeflossene Bausparguthaben von S 106.386,13 kann demnach und muß auch unberücksichtigt bleiben, weil die Klägerin in erster Instanz gar nicht behauptet hat, daß dieser Betrag der Beklagten zugekommen wäre. Daß das Bausparguthaben zwei Wochen vor dem Ableben von Kurt Z***** auf dessen Konto überwiesen wurde, in der Todfallsaufnahme aber nicht aufscheint, reicht nicht aus, diesen Betrag der Beklagten zuzurechnen, auch wenn sie über das Konto zeichnungsberechtigt war.

Die Klägerin hat ursprünglich begehrt, ihr S 100.000,-- sA bei Exekution in die geschenkten Fahrnisse zuzusprechen. In der Folge hat sie "eventualiter" beantragt, den begehrten Betrag ohne Exekutionsbeschränkung zuzusprechen. Das Hauptbegehren ist jedoch gegenüber dem "Eventualbegehren" ein minus und daher bei Berechtigung des Eventualbegehrens jedenfalls begründet. Das Berufungsgericht hat den von ihm als berechtigt erachteten Betrag ohne Exekutionsbeschränkung zuerkannt. Die Beklagte hat nicht gerügt, daß das Berufungsgericht damit gegen § 405 ZPO verstoßen habe. Die Exekutionsbeschränkung ist demnach nicht mehr Gegenstand des Revisionsverfahrens; der Klägerin war der geforderte Betrag ohne Beschränkung der Exekution in die geschenkten Fahrnisse zuzusprechen.

Der Revision war Folge zu geben.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO.

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