OGH 4Ob525/93

OGH4Ob525/9312.10.1993

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Prof. Dr.Friedl als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kodek, Dr.Niederreiter, Dr.Redl und Dr.Griß in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Gertraud K*****,

2. Hans K*****, 3. Paula W*****, 4. Dr.Herta P*****, 5.Viktor Alexander J*****, alle vertreten durch Dr.Maximilian Eiselsberg und andere Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei Harald B*****, vertreten durch Dr.Hans Paar, Rechtsanwalt in Graz, wegen Aufkündigung (Streitwert 24.000 S), infolge außerordentlicher Revision der Kläger gegen das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Wien vom 9.Dezember 1992, GZ 41 R 885/92-15, womit das Urteil des Bezirksgerichtes Favoriten vom 27.August 1992, GZ 9 C 824/91k-11, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, daß die Entscheidung des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.

Der Beklagte ist schuldig, den Klägern die mit S 7.576,80 bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens (darin S 962,80 Umsatzsteuer und S 1.800 Barauslagen) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Kläger sind Eigentümer des Hauses Wien 10., L***** Straße 21. Der Beklagte betreibt ein Unternehmen, in dem er (unter anderem) Holzbearbeitungsmaschinen und -werkzeuge vertreibt. Seit 15.1.1961 ist der Beklagte Mieter eines Verkaufslokals im Haus L***** Straße 21; eine weitere Betriebsstätte seines Unternehmens befand sich bereits damals und befindet sich auch noch jetzt in der L***** Straße

62.

Bis November 1989 war das Verkaufslokal im Haus der Kläger ganztägig geöffnet. Ab diesem Zeitpunkt stand dem Beklagten für die Verkaufstätigkeit im Geschäftslokal L***** Straße 21 kein entsprechend ausgebildeter Mitarbeiter mehr zur Verfügung. In der Folge wurde das Geschäftslokal als Lager für Maschinen und Werkzeuge verwendet. Anfang August 1990 wurden wieder Maschinen in die Auslagen gestellt. Von diesem Zeitpunkt an hielt sich die Tochter des Beklagten etwa zwei bis drei Stunden täglich in der L***** Straße 21 auf; da ihr aber das notwendige Fachwissen fehlte, mußte jeweils jemand aus dem Betrieb in der L***** Straße 62 kommen, wenn Kunden eine Maschine kaufen oder beraten werden wollten. Zum Jahreswechsel 1990/91 schied Heidelinde B***** aus dem Unternehmen des Beklagten aus. Seither ist das Geschäftslokal in der L***** Straße 21 ständig geschlossen. In den Auslagen befinden sich einige nicht verpackte Maschinen und Werkzeuge; im Geschäftslokal steht sowohl in Regalen als auch am Boden eine Vielzahl von Kartons, die Werkzeuge und Maschinen enthalten. Das Geschäftslokal wird über längere Zeit überhaupt nicht aufgesucht, manchmal zwei- bis dreimal in der Woche, manchmal auch täglich, so etwa im Winter, wenn nachzusehen ist, ob die Heizung funktioniert oder wenn Kunden von der L***** Straße 62 in das Geschäftslokal geführt werden, um Waren gezeigt oder ausgefolgt zu erhalten. Rechnungen werden im Geschäftslokal L***** Straße 21 nicht ausgestellt. Die in den Auslagen zur Schau gestellten Werkzeuge und Maschinen sind weder mit Preisen noch mit Beschreibungen versehen.

Die Kläger kündigten dem Beklagten das Geschäftslokal per Ende Juni 1991 auf; sie beantragen, dem Beklagten aufzutragen, den Bestandgegenstand samt Zubehör binnen 14 Tagen nach Ablauf der Bestandzeit von den nicht in Bestand gegebenen Gegenstanden geräumt zu übergeben. Der Beklagte benütze das Geschäftslokal vertragswidrig.

Der Beklagte erhob Einwendungen. Er verwende die gemieteten Räumlichkeiten nach wie vor als Verkaufs- und Ausstellungslokal. Die eingeschränkte Tätigkeit im Geschäftslokal sei den Klägern bereits zwei Jahre vor der ersten Aufkündigung bekannt gewesen; damit hätten sich die Kläger des Kündigungsgrundes verschwiegen.

Das Erstgericht hielt die Aufkündigung als rechtswirksam aufrecht und erkannte den Beklagten schuldig, den Klägern das Geschäftslokal Nr.1 (Erdgeschoß) samt Zubehör Wien 10., L***** Straße 21, von nicht in Bestand gegebenen Fahrnissen geräumt zu übergeben. Der Kündigungsgrund des § 30 Abs 2 Z 7 MRG sei verwirklicht, wenn ein Verkaufslokal als Lagerraum verwendet wird. Der Beklagte verwende die ihm vermieteten Geschäftsräumlichkeiten vorwiegend als Lager; von einem Ausstellungsraum könne nicht gesprochen werden, weil die Ware verpackt sei. Die Kläger hätten sich nie damit einverstanden erklärt, daß der Beklagte das Geschäftslokal vertragswidrig verwende.

Das Berufungsgericht hob die Aufkündigung auf und wies das Klagebegehren ab; es sprach aus, daß die Revision nicht zulässig sei. Das Geschäftslokal werde auch als Schauraum verwendet. Bei den vom Beklagten vertriebenen Maschinen und Werkzeugen könne nicht schon deshalb vom Fehlen einer regelmäßigen Verkaufstätigkeit ausgegangen werden, weil Verkaufsabschlüsse oder Warenbesichtigungen nur alle paar Tage vorkommen. Befänden sich auf Grund einer innerbetrieblichen Umstrukturierung in dem aufgekündigten Objekt nur noch Waren, nach denen keine große Nachfrage besteht, dann reiche es aus, wenn ein Verkäufer bei Bedarf anwesend ist. Die niedrige Verkaufs- oder Besichtigungsfrequenz könne bei derartigen Waren dem Mieter nicht zum Nachteil gereichen. Angesichts der Art der vom Beklagten vertriebenen Waren sei die festgestellte Verwendung sinnvoll; sie reiche aus, um eine regelmäßige Verwendung selbst eines zu Verkaufszwecken vermieteten Lokals annehmen zu können.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die außerordentliche Revision der Kläger. Die Rechtsmittelwerber beantragen, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, daß die Entscheidung des Erstgerichtes wiederhergestellt werde.

Der Beklagte beantragt, die Revision als unzulässig zurückzuweisen, in eventu ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig und berechtigt.

Als Verfahrensmangel rügen die Rechtsmittelwerber, daß das Berufungsgericht die Feststellungen des Erstgerichtes ergänzt habe, ohne daß die Ergänzungen in den Beweisergebnissen Deckung fänden. Das Erstgericht habe keine Feststellungen darüber getroffen, worum es sich bei den vom Beklagten angebotenen Maschinen zur Holzbearbeitung im einzelnen handelt und welcher Kundenkreis dafür in Frage kommt.

Richtig ist, daß das Erstgericht nur festgestellt hat, daß der Beklagte im Geschäftslokal in Kartons verpackte Maschinen und Werkzeuge gelagert und in den Auslagen unverpackte, aber weder mit Preisen noch mit Beschreibungen versehene Maschinen und Werkzeuge ausgestellt habe. Ob es sich bei diesen Maschinen und Werkzeugen um solche handelt, nach denen eine nur geringe Nachfrage besteht und die nur für einen beschränkten Kundenkreis von Interesse sind, ist den Feststellungen des Erstgerichtes nicht zu entnehmen. Das Berufungsgericht hat dazu die Auffassung vertreten, daß diese Tatsachen notorisch seien. Ob dies zutrifft, kann dahingestellt bleiben, weil es, wie noch auszuführen ist, für die Entscheidung nicht wesentlich ist, wie groß die Nachfrage nach den Maschinen und Werkzeugen ist und welcher Kundenkreis dafür in Frage kommt.

Die Kläger stützen ihre Aufkündigung auf § 30 Abs 2 Z 7 MRG. Nach dieser Bestimmung besteht ein wichtiger Grund für die Aufkündigung des Mietvertrages, wenn die vermieteten Räumlichkeiten nicht zu der im Vertrag bedungenen oder einer gleichwertigen geschäftlichen Tätigkeit regelmäßig verwendet werden, es sei denn, daß der Mieter nur vorübergehend wegen Urlaubes, Krankheit oder Kuraufenthaltes abwesend ist. Der Kündigungsgrund ist verwirklicht, wenn es an einer regelmäßigen geschäftlichen Tätigkeit entweder in der vereinbarten Form und Intensität oder wenigstens in einer gleichwertigen Form und Intensität fehlt (siehe Würth in Rummel, ABGB2, § 30 MRG Rz 34; RdW 1988, 87 = MietSlg 39.457 [41] mwN). Die Rechtsprechung hat die Verwendung eines Gassenlokals als Lager nicht als gleichwertig gewertet und dies auch für den Fall angenommen, daß in ein als Lager verwendetes Verkaufslokal durchschnittlich nur einmal im Monat ein Kunde kommt, um Ware zu besichtigen und zu kaufen (MietSlg 37.441). Auch die Verwendung des als Verkaufsraum gemieteten Gassenlokals als Lager- und Schauraum wurde als nicht gleichwertig erachtet (SZ 61/42).

Im vorliegenden Fall verwendet der Mieter ein ursprünglich ganztägig geöffnetes Verkaufslokal nunmehr als Geschäftslokal, in welchem Waren gelagert sind und das manchmal über längere Zeit überhaupt nicht aufgesucht wird, manchmal zwei- bis dreimal in der Woche, manchmal auch täglich, so etwa im Winter, wenn nachzusehen ist, ob die Heizung funktioniert, oder wenn Kunden von der Betriebsstätte L***** Straße 62 in das Geschäftslokal geführt werden, um Waren gezeigt oder vorgeführt zu erhalten. Diese Verwendung ist unabhängig von der Art der vertriebenen Waren und unabhängig von der Zusammensetzung des Kundenkreises der ursprünglichen Verwendung nicht gleichwertig. Daß sich die Art der vom Beklagten vertriebenen Waren und/oder der Kundenkreis geändert hätte, ist nicht behauptet worden; wurde daher bei Beginn des Mietverhältnisses für diese Art von Waren und für diesen Kundenkreis ein Verkaufslokal ganztägig offengehalten, dann kann nicht, wie es das Berufungsgericht tut, die Gleichwertigkeit des wesentlich reduzierten und auf den Schwerpunkt Lagerhaltung verlagerten Betriebes mit der Art der Waren und der Zusammensetzung des Kundenkreises gerechtfertigt werden. Im vorliegenden Fall wurde das Geschäftslokal, entgegen der Behauptung des Beklagten, ursprünglich eben nicht für periphere Zwecke des Geschäftsbetriebes verwendet, so daß eine Verwendung zu anderen peripheren Zwecken schadet; die vom Beklagten zitierte Literaturstelle (Derbolav in Korinek-Krejci, Handbuch zum MRG 447), steht der hier vertretenen Auffassung daher nicht entgegen.

Dem Revisionsrekurs war Folge zu geben und die Entscheidung des Erstgerichtes wieder herzustellen.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO.

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