Spruch:
Die Bewilligung einer Nachlaßseparation zugunsten eines Gläubigers steht einer gleichartigen Maßnahme zugunsten eines anderen Gläubigers nicht entgegen
OGH 22. 2. 1983, 4 Ob 510/83 (KG Wiener Neustadt R 360/82; BG Neunkirchen A 372/79)
Text
Hans P. (im folgenden auch Alleinerbe) gab auf Grund des Testamentes vom 2. 1. 1979, die bedingte Erbserklärung zum gesamten Nachlaß seines am 25. 6. 1979 verstorbenen Vaters Harald P ab, die angenommen wurde. Sowohl die erste geschiedene Ehegattin des Erblassers, Inge P, als auch dessen zweite geschiedene Ehegattin, Dagmar P, die Mutter des Alleinerben, haben vertragliche Unterhaltsansprüche gegen die Verlassenschaft, die kapitalisiert Millionenbeträge ergeben.
Am 2. 6. 1982 beantragte Inge P die Absonderung der Verlassenschaft von dem Vermögen des Erben und die Bestellung eines Absonderungskurators (§ 812 ABGB). Sie begrundete diesen Antrag im wesentlichen damit, daß der Alleinerbe die Nachlaßliegenschaft in A von sämtlichen Fahrnissen geräumt und diese Gegenstände in seinen Besitz genommen habe. Die in die Verlassenschaft fallenden Fahrnisse seien im übrigen nicht vollständig und nicht mit dem wirklichen Wert in das Inventar aufgenommen worden. Der Alleinerbe sei nicht berufstätig und habe kein eigenes Einkommen; er sei bestrebt, die erblasserischen Liegenschaften so rasch wir möglich zu verkaufen. Die Antragstellerin befürchte eine derartige Verwendung des Erlöses, daß ihre Unterhaltsansprüche gefährdet seien.
Der Alleinerbe sprach sich gegen diesen Antrag aus. Die Antragstellerin habe zur Sicherung ihrer Unterhaltsforderung bereits die Einverleibung bzw. die Vormerkung von Pfandrechten an den Nachlaßliegenschaften erwirkt. Der Verkauf der Nachlaßliegenschaften sei zwar unumgänglich, weil nur dadurch die hohen Unterhaltsforderungen der beiden geschiedenen Ehegattinnen beglichen werden könnten; der Alleinerbe erklärte sich jedoch damit einverstanden, daß im Fall eines Verkaufes der beiden Liegenschaften der Kaufpreis treuhändig bei Notar Dr. Johannes F mit der unwiderruflichen Widmung erlegt werden könne, daraus die Unterhaltsansprüche der beiden geschiedenen Gattinnen des Erblassers gleichmäßig zu befriedigen.
Das Erstgericht wies den Antrag der Inge P auf Absonderung der Verlassenschaft von dem Vermögen des Erben und Bestellung eines Absonderungskurators ab. Zweck der Nachlaßabsonderung sei es, den Gläubiger vor Nachteilen zu schützen. Eine Separation könne nur bewilligt werden, wenn eine Sicherstellung auf anderem Wege nicht möglich sei. Für die Antragstellerin bestehe keine Gefahr, da ihre vollstreckbare Unterhaltsforderung grundbücherlich sichergestellt worden sei, der Alleinerbe einem treuhändigen Erlag des Liegenschaftserlöses zugestimmt habe und bis zur Einantwortung des Nachlasses Nachlaßwerte ohne Genehmigung des Verlassenschaftsgerichtes ohnehin nicht veräußern dürfe.
Nach der Entscheidung des Erstgerichtes verbesserte der Alleinerbe sein Angebot, der Erbschaftsgläubigerin Sicherstellung zu leisten, dahin, daß er den treuhändigen Erlag eines umgehend zu erwirkenden Rangordnungsbeschlusses bei Notar Dr. Johannes F anbot.
Das Rekursgericht bewilligte die beantragte Absonderung der Verlassenschaft von dem Vermögen des Erben und die Bestellung eines Absonderungskurators. Inge P habe zwar Pfandrechte für Unterhaltsrückstände bis Juni 1983 erwirkt; eine weitergehende Sicherheit habe aber im Zeitpunkt des angefochtenen Beschlusses, nach dessen Sach- und Rechtslage die Überprüfung durch das Rekursgericht vorzunehmen sei, nicht bestanden. Neben der - im vorliegenden Fall gegebenen - Bescheinigung der Forderung genüge für die Bewilligung der Nachlaßseparation die vom Antragsteller hinreichend motivierte, aber nicht bescheinigungsbedürftige Besorgnis, daß der Erbe den Nachlaß und damit den Befriedigungsfonds für die Nachlaßforderungen schmälern könnte. Der Antragsteller müsse jene Umstände anführen, die bei vernünftiger Auslegung eine subjektive Besorgnis rechtfertigen könnten, also konkrete Behauptungen über eine durch Zugriffe des Erben oder der Erbengläubiger bewirkte Gefahr aufstellen. Zweck der Bestimmung des § 812 ABGB sei es, den Nachlaß als Befriedigungsfonds für Erblasser- und Erbfallschulden vor der Gefahr zu schützen, die durch den Zugriff des Erben oder seiner Gläubiger entstehen könne. Es solle damit bewirkt werden, daß das getrennt verwaltete Sondervermögen trotz der Einantwortung ausschließlich zur Befriedigung der Absonderungsgläubiger diene. Derartige konkret motivierte Besorgnisse habe die Antragstellerin angeführt. Sie habe behauptet, daß der Alleinerbe Fahrnisse des Verstorbenen in einem beträchtlichen Ausmaß von der Nachlaßliegenschaft entfernt habe, daß er als Student ohne Beruf und Einkommen sei und die Nachlaßliegenschaften so rasch als möglich verkaufen wolle. Das Argument des Erstgerichtes, Veräußerungen seien dem Alleinerben bis zur Einantwortung ohnehin nur mit Zustimmung des Verlassenschaftsgerichtes gestattet, schlage nicht durch, weil die Absonderung über die Einantwortung hinauswirke. Die Absonderung könne zwar vom Erben durch Sicherheitsleistung abgewendet werden. Diesbezüglich habe Inge P eine binnen 14 Tagen abzuschließende Vereinbarung verlangt. Der Alleinerbe habe diesem Verlangen nicht entsprochen. In der Erklärung des Alleinerben in seiner Gegenäußerung zum Absonderungsantrag könne eine ausreichende Sicherheit nicht erblickt werden, weil er nur die Absichtserklärung abgegeben habe, im Falle des Verkaufes der beiden Nachlaßliegenschaften den Kaufpreis treuhändig bei Notar Dr. Johannes F mit der unwiderruflichen Widmung zu erlegen, daß der Notar daraus den Unterhaltsanspruch der Inge P zu befriedigen habe. Dem Notar seien aber entsprechende Vollmachten und Aufträge nicht gegeben worden. Außerdem sei der Alleinerbe nur mit einer gleichmäßigen Befriedigung beider geschiedenen Ehegattinnen aus dem Erlag einverstanden gewesen, womit die Antragstellerin schlechter gestellt wäre, als wenn der Nachlaß nur zu ihren Gunsten als Sondermasse zur vorrangigen Befriedigung ihrer - derzeit - alleinigen Absonderungsforderung hafte.
Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs des erbserklärten Alleinerben nicht Folge und wies den Revisionsrekurs der Erbschaftsgläubigerin Dagmar P zurück.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
I. Zum Revisionsrekurs des Alleinerben:
Das Recht, gemäß § 812 ABGB die Absonderung der Verlassenschaft von dem Vermögen des Erben zu begehren, steht allen Erbschaftsgläubigern und damit auch den Gläubigern zu, die Unterhaltsansprüche gegen die Verlassenschaft stellen können (vgl. Weiß in Klang[2] III 1021). Die Zulassung einer Absonderung der Verlassenschaft von dem Vermögen des Erben beruht auf dem Gedanken, daß der Nachlaß in erster Linie den Nachlaßgläubigern haftet und daß sie sich gegen die Verschlechterung der ihnen in Aussicht stehenden Befriedigungsmöglichkeiten durch den Erbfall schützen müssen (Weiß in Klang aaO 1018). Die Absonderungsgläubiger werden dadurch von der mit der Einantwortung und der damit eintretenden Verschmelzung des Nachlasses mit dem Vermögen des Erben verbundenen Gefahr befreit, den Nachlaß als ihren Haftungsfonds mit Gläubigern des Erben teilen zu müssen (Koziol - Welser[6] II 333; Gschnitzer, Erbrecht 63; ausführlich Weiß in Klang aaO 1018; EvBl. 1976/137). Das Absonderungsrecht ist der verbliebene Rest (amtswegiger) Fürsorge für die Nachlaßgläubiger (Ehrenzweig[2] II/2, 532; SZ 9/218; NZ 1927, 11; EvBl. 1976/137; EFSlg. 31 438). Es hat nicht nur den Zweck, das Verlassenschaftsvermögen dem Zugriff der Gläubiger des Erben zu entziehen, sondern es schlechthin gegen alle Gefahren zu sichern, die sich aus der tatsächlichen Verfügungsgewalt des Erben ergeben (Koziol - Welser aaO; SZ 9/218; EvBl. 1976/137; EFSlg. 31 438, 33 638 ua.). Die in § 812 ABGB erwähnte Vermengung der Verlassenschaft mit dem Vermögen des Erben ist sohin nur als Beispiel einer Gefährdung der Erbschaftsgläubiger anzusehen. Daher wird die Vermögensabsonderung auch in Fällen bewilligt, in denen infolge Vermögenslosigkeit des Erben eine Vermengung zweier Vermögensmassen schon begrifflich ausgeschlossen ist (SZ 8/5; 8 Ob 159/72; EvBl. 1976/137; Koziol - Welser aaO 332), wenn nur die Gefährdung der Erbschaftsgläubiger in einer anderen Richtung zu besorgen ist.
Die Absonderung ist nicht an strenge Bedingungen zu knüpfen. Es genügt jede hinreichend motivierte Besorgnis des Antragstellers, daß der Erbe den Nachlaß und damit den Befriedigungsfonds für die Nachlaßforderung schmälern könnte. Einer Bescheinigung dieser Gefahr bedarf es nicht; der Gläubiger muß aber jene Umstände anführen, die bei vernünftiger Auslegung eine subjektive Besorgnis rechtfertigen können (SZ 8/5; NZ 1969, 156; NZ 1971, 80; EvBl. 1976/137; JBl. 1978/152; EFSlg. 31 439, 33 689 ua.; Koziol - Welser aaO 333; Weiß in Klang aaO 1018; Ehrenzweig aaO 532). Eine subjektive Besorgnis wird nicht dadurch ausgeschlossen, daß der Nachlaß (auch) aus Liegenschaften besteht (Ehrenzweig aaO 532 f.; Weiß in Klang aaO 1018; 6 Ob 548/78; vgl. SZ 37/117 und JBl. 1972, 621). Die abstrakte Möglichkeit, die Testamentserben könnten Verfügungen über den Nachlaß treffen, ist in jedem Fall gegeben und kann daher für sich allein noch nicht die Absonderung der Verlassenschaft von dem Vermögen des Erben rechtfertigen (JBl. 1978, 152; EFSlg. 31 440, 33 690 ua.).
Im vorliegenden Fall hat die Antragstellerin ihre subjektive Besorgnis ausreichend damit motiviert, daß sie vorbrachte, der Alleinerbe habe alle Fahrnisse von den Nachlaßliegenschaften entfernt, er sei Student, nicht berufstätig und ohne Einkommen und trachte, die erblasserischen Liegenschaften so rasch als möglich zu verkaufen. Der Umstand, daß die Verbringung der Fahrnisse möglicherweise zu dem Zweck erfolgte, sie nicht der Gefahr von Einbrüchen auszusetzen, schließt eine subjektive Besorgnis der Antragstellerin nicht aus, da der Alleinerbe gar nicht behauptete, sie habe Kenntnis davon gehabt, daß die Verlagerung der Fahrnisse nur aus diesem Grund erfolgt sei. Es ist auch nicht erforderlich, daß bereits Erbengläubiger hervorgekommen wären, zumal diese ja am Verlassenschaftsverfahren überhaupt nicht beteiligt sind. Daß der Alleinerbe die Liegenschaften veräußern will, steht fest. Dazu brachte er vor, daß der dem Inventar zugrunde gelegte Schätzwert keineswegs erzielt werden könne und damit gerechnet werden müsse, daß der Nachlaß wegen der tatsächlichen Dauer der ihn belastenden Unterhaltsverpflichtungen überschuldet sei.
Die von der Erbschaftsgläubigerin Inge P vorgebrachten Gründe rechtfertigen daher an sich die Besorgnis einer Gefährdung ihrer Forderung iS des § 812 ABGB. Wie das Rekursgericht zutreffend erkannte, kann nach Lehre und Rechtsprechung die Absonderung durch Sicherheitsleistung abgewendet werden (Weiß in Klang aaO 1024; Koziol - Welser aaO 333; Ehrenzweig aaO 532; EvBl. 1958/380; NZ 1969, 187; NZ 1971, 80; 6 Ob 548/78), so daß die weitere Frage zu prüfen ist, ob der Alleinerbe taugliche, zur Abwendung der Absonderung des Nachlasses geeignete Sicherheiten angeboten hat. Wie allgemein ist auch bei Beurteilung dieser Frage auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkte der Beschlußfassung durch die erste Instanz abzustellen (EFSlg. 32 493, 34 922, 34 926, 37 257 uva.). Auch im Verfahren außer Streitsachen können im Rekurs nur solche neue Tatsachen geltend gemacht werden, die im Zeitpunkt der Entscheidung des Erstgerichtes bereits eingetreten waren (zB EFSlg. 34 923). Soweit der Revisionsrekurswerber auf seine bei der Tagsatzung am 8. September 1982 abgegebenen Erklärungen zur Sicherstellung der Ansprüche der Inge P verweist, hat dieser Sachverhalt bei der Entscheidung keine Berücksichtigung zu finden. Es bleibt dem Revisionsrekurswerber unbenommen, die Aufhebung der Absonderung des Nachlasses in erster Instanz zu beantragen, sobald eine taugliche Sicherstellung vorliegt. Im Zeitpunkt der Entscheidung des Erstgerichtes war diese Voraussetzung nicht gegeben. Die Art, wie die Sicherheit zu leisten ist, bestimmt sich, soweit zwischen den Beteiligten keine anderen Vereinbarungen getroffen wurden oder Sondervorschriften bestehen (Ehrenzweig I/1, 378; RZ 1961, 184), nach §§ 1373 f. ABGB (Weiß in Klang aaO 1024). Darin, daß der Nachlaß aus Liegenschaften besteht, liegt noch keine Sicherstellung (Ehrenzweig II/2, 532 f.).
Da zwischen den Beteiligten keine Vereinbarung über eine andere Form der Sicherstellung zustande kam, käme nur Erfüllung dieser Verbindlichkeit durch ein Handpfand (Erlag einer ausreichenden Geldsumme) oder durch eine Hypothek oder in dem Falle, daß der Sicherstellungspflichtige dazu außerstande ist, Stellung eines tauglichen Bürgen (Bankgarantie) in Frage. Derartige Sicherheiten bot der Alleinerbe nicht an. Die Zusage, im Fall eines Verkaufes den Verkaufserlös treuhändig zu erlegen, würde bis zu diesem unbestimmten Zeitpunkt einen Zugriff von Erbengläubigern (zB auf eine bereits vereinbarte, künftig fällig werdende Kaufpreisforderung) nicht ausschließen.
Mit dem Vorbringen, der Erbschaftsgläubigerin Inge P gehe es nur darum, sich gegenüber Dagmar P eine vorrangige Befriedigung aus dem Verlassenschaftsvermögen zu verschaffen, nicht aber darum, gegen Erbengläubiger geschützt zu werden, zeigt der Revisionsrekurswerber keinen, die Abweisung des Absonderungsantrages rechtfertigenden Grund auf. Daß die Antragstellerin ihre Rechte nur zu dem Zweck ausübe, andere Beteiligte zu schädigen, behauptet der Revisionsrekurswerber nicht. Es ist Sache jedes einzelnen Verlassenschaftsgläubigers, sich durch eine Antragstellung nach § 812 ABGB dieselbe Rechtsstellung zu verschaffen, wie sie Inge P als bisher einziger Absonderungsgläubigerin zukommt.
II. Zum Rekurs der Erbschaftsgläubigerin Dagmar P:
Wie immer sich die Vorzugstellung der Absonderungsgläubiger gegenüber anderen Erbschaftsgläubigern auswirken mag, hindert die Bewilligung der Absonderung zugunsten eines Gläubigers nicht die Bewilligung zugunsten anderer; die Mehrheit der Bewilligungen ändert nichts daran, daß es immer nur eine Absonderungsmasse und einen Absonderungskurator gibt, wobei die Dauer der Absonderung durch das Interesse sämtlicher Absonderungsgläubiger begrenzt ist (Schell in Klang[1] aaO 805). Die Rechte der einzelnen Gläubiger, die Absonderung der Verlassenschaft von dem Vermögen des Erben zu begehren, stehen daher im Verhältnis konkurrierender, sich gegenseitig nicht ausschließender Ansprüche gegen einen Dritten. Soweit eine rechtzeitige Antragstellung erfolgt, werden durch eine frühere oder spätere Antragstellung Prioritätsrechte nicht geschaffen. Daraus folgt aber, daß die Bewilligung der Absonderung zugunsten eines Erbschaftsgläubigers zwar möglicherweise die Interessensphäre der anderen berührt, aber in ihre Rechtssphäre nicht eingreift. Kein Verlassenschaftsgläubiger ist daher berechtigt, die Aufhebung einer zugunsten eines anderen bewilligten Absonderung zu begehren (Weiß in Klang aaO 1022) und Rechtsmittel gegen Beschlüsse, die einen anderen Erbschaftsgläubiger betreffen, zu erheben. Der Revisionsrekurswerberin, die hilfsweise (für den Fall der Bestätigung des Beschlusses der zweiten Instanz) ohnehin bereits die Nachlaßseparation beantragt hat, steht daher ein Revisionsrekurs gegen den angefochtenen Beschluß nicht zu.
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