OGH 4Ob508/84

OGH4Ob508/848.5.1984

SZ 57/89

Normen

EO §382 Z8 litc
ZPO §502 Abs4 Z1
EO §382 Z8 litc
ZPO §502 Abs4 Z1

 

Spruch:

Anders als der Antrag auf Sicherung ehelichen Gebrauchsvermögens und ehelicher Ersparnisse (§ 382 Z 8 lit. c zweiter Fall EO) bedarf der Antrag auf einstweilige Regelung der Benützung ehelichen Gebrauchsvermögens (§ 382 Z 8 lit. c erster Fall EO) keiner besonderen Gefahrenbescheinigung iS des § 381 EO

Rechtsfragen, die sich erst aus einer anderen Beurteilung einer erheblichen Rechtsfrage ergeben, hat der OGH unabhängig davon, ob es sich um Rechtsfragen von erheblicher Bedeutung iS des § 502 Abs. 4 Z 1 ZPO handelt, zu lösen

OGH 8. 5. 1984, 4 Ob 508/84 (OLG Wien 14 R 209/83; LGZ Wien 4 Cg 332/79)

Text

Zwischen den Streitteilen ist ein Ehescheidungsverfahren anhängig. Die Ehegatten wohnen getrennt, die Beklagte in der früheren gemeinsamen Ehewohnung Wien 21., S-Gasse 28, der Kläger bei seiner Lebensgefährtin und deren beiden Kindern in M, A-Straße 26. Die Streitteile sind je zur Hälfte Eigentümer eines als Zweitwohnsitz gewidmeten Einfamilienhauses mit Garten in N, das die Beklagte und die Tochter der Streitteile, die am 7. 1. 1968 geborene mj. Daniela, seit der Trennung der Streitteile im Jahre 1979 allein benützten.

Der Kläger begehrt gemäß § 382 Z 8 lit. c EO für die Dauer des Ehescheidungsverfahrens die einstweilige Regelung der Benützung dieser Zweitwohnung derart, daß er in der Zeit vom 1. bis einschließlich 15. eines jeden Monats allein berechtigt sein soll, diese Wohnung zu benützen, während die Beklagte in der übrigen Zeit (vom 16. bis zum letzten eines jeden Monats) zur Benützung allein berechtigt sein soll. Die räumliche Trennung der Benützung des Hauses sei nicht möglich, da es nur aus einem Wohnraum, einem Schlafzimmer, einem Kinderzimmer und einer Küche bestehe. Die Mutter und die Tante der Beklagten hätten den Kläger beim Betreten des Hauses gröblich beschimpft und ihm die Benützung unmöglich gemacht.

Die Beklagte sprach sich gegen die beantragte Benützungsregelung aus. Es sei ihr und der Tochter der Streitteile aus moralischen und seelischen Gründen unzumutbar, daß der Kläger bei Bewilligung der angestrebten Benützungsregelung das Haus während der Hälfte eines jeden Monats mit seiner Lebensgefährtin und deren beiden Kindern bewohnen könne. Die angestrebte Regelung sei auch im Hinblick auf die Betriebskosten und die im Haus befindlichen Gebrauchsgegenstände untunlich. Die Beklagte erhebe aber keinen Einwand gegen eine jederzeitige Mitbenützung des Hauses durch den Beklagten allein.

Das Erstgericht bewilligte die beantragte einstweilige Verfügung mit der Begründung, daß das Haus wegen seiner Raumeinteilung nicht in zwei Lebensbereiche getrennt werden könne. Es komme somit nur eine zeitliche Aufteilung der Benützung in Frage, die im Hinblick auf das Verhalten der Streitteile gerechtfertigt sei.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Beklagten Folge und änderte den angefochtenen Beschluß dahin ab, daß es den Antrag des Klägers abwies. Es sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes 15 000 S, aber nicht 300 000 S übersteige, und erklärte den Revisionsrekurs für nicht zulässig. Wie die Judikatur wiederholt ausgesprochen habe, könne ein Antrag nach § 382 Z 8 lit. c EO nur bewilligt werden, wenn eine konkrete Gefährdung bescheinigt sei. Maßgeblich für das Vorliegen einer derartigen Gefährdung sei das Bestehen der Wahrscheinlichkeit, daß ohne eine solche Maßnahme die Befriedigung des Anspruches auf Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens erheblich erschwert würde. Es müßten Eigenschaften und ein Verhalten des Antragsgegners bescheinigt werden, aus denen mit hoher Wahrscheinlichkeit Vereitlungshandlungen hinsichtlich der Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse abgeleitet werden könnten. In der Behauptung des Klägers, daß ihm die Mutter und die Tante der Beklagten die Benützung des gemeinsamen Hauses unmöglich machten, liege keine konkrete Gefährdung seines Anspruches auf Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens, sodaß sein Antrag (schon aus diesem Grund) abzuweisen sei.

Der Oberste Gerichtshof gab dem (außerordentlichen) Revisionsrekurs des Klägers nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Die Entscheidung hängt von der vom Revisionsrekurswerber als erheblich bezeichneten Rechtsfrage des Verfahrensrechtes ab, ob der Antrag auf einstweilige Regelung der Benützung ehelichen Gebrauchsvermögens (§ 382 Z 8 lit. c erster Fall EO) einer besonderen Gefahrenbescheinigung iS des § 381 EO bedarf. Hiebei handelt es sich um eine Rechtsfrage des Verfahrensrechtes, der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit und Rechtsentwicklung über den Einzelfall hinaus erhebliche Bedeutung iS des § 502 Abs. 4 Z 1 ZPO zukommt, zumal durch die bisherige Rechtsprechung des OGH eine abschließende Klärung dieser Frage nicht erfolgte.

Die durch das Bundesgesetz vom 15. 6. 1978, BGBl. Nr. 280, über Änderungen des Ehegattenerbrechts, des Ehegüterrechts und des Ehescheidungsrechts (EheRÄG) in § 382 Z 8 EO eingefügte lit. c sieht als Sicherungsmittel, die das Gericht je nach Beschaffenheit des im einzelnen Fall zu erreichenden Zwecks anordnen kann, die einstweilige Regelung der Benützung oder die einstweilige Sicherung ehelichen Gebrauchsvermögens und ehelicher Ersparnisse im Zusammenhang mit bestimmten Verfahren vor. § 382 Z 8 lit. c EO enthält somit zwei Tatbestände: Während die Sicherung ehelichen Gebrauchsvermögens und ehelicher Ersparnisse eine einstweilige Verfügung zur Sicherung künftiger Leistungsansprüche ist, die nur unter der Voraussetzung der Anspruchs- und Gefahrenbescheinigung bewilligt werden darf (Ent-Hopf, Das neue Eherecht 221 FN 3), wird durch die einstweilige Regelung der Benützung ehelichen Gebrauchsvermögens kein (künftiger) Aufteilungsanspruch gesichert, sondern eine, wenn auch nur vorläufige rechtsgestaltende Benützungsanordnung erlassen (sogenannte "Regelungs-EV"). Dieser Anspruch ist inhaltlich der Bestimmung eines einstweiligen Unterhalts nach § 382 Z 8 lit. a EO vergleichbar (Ent-Hopf aaO), für den es keiner besonderen Gefahrenbescheinigung iS des § 381 EO bedarf (Ent-Hopf, Neuordnung der persönlichen Rechtswirkungen der Ehe 191). Die Bestimmung eines einstweilen zu leistenden Unterhaltes wird von Lehre und Rechtsprechung begrifflich nicht als einstweilige Verfügung iS der Exekutionsordnung angesehen, weil dadurch nicht ein Leistungsanspruch gesichert werden soll, sondern dem Berechtigten einstweilen ein Unterhalt zugebilligt wird (Heller-Berger-Stix 2761; 3 Ob 591/81; NZ 1937, 28). Analoges gilt für den Antrag auf einstweilige Regelung der Benützung ehelichen Gebrauchsvermögens. Er bedarf daher, anders als der Antrag auf Sicherung ehelichen Gebrauchsvermögens und ehelicher Ersparnisse, keiner besonderen Gefahrenbescheinigung iS des § 381 EO (Ent-Hopf, Das neue Eherecht 221). Die vom Rekursgericht zitierten Entscheidungen des OGH EFSlg. 39 458, 34 718 und 32 308 betreffen, ebenso wie die weiteren seither ergangenen Entscheidungen EFSlg. 42 001 und 2 Ob 597/83, Fälle, in denen es um die nur bei Bescheinigung einer konkreten Gefährdung zu bewilligende Sicherung des ehelichen Gebrauchsvermögens oder ehelicher Ersparnisse ging. Nur in der Entscheidung EFSlg. 42 000 verlangte der damals erkennende Senat auch für die Bewilligung der Regelung der Benützung des ehelichen Gebrauchsvermögens eine Gefahrenbescheinigung. Dieser Entscheidung kann aus den dargelegten Gründen nicht gefolgt werden. Für den Antrag auf einstweilige Regelung der Benützung ehelichen Gebrauchsvermögens genügt es jedenfalls, wenn der Antragsteller ein Regelungsbedürfnis dartut.

Das Rekursgericht hat die Abweisung des Antrages des Klägers rechtsirrig auf den Mangel der Bescheinigung einer konkreten Gefährdung des Anspruches auf Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens gestützt, da der Kläger gar nicht die Sicherung seines künftigen Aufteilungsanspruches, sondern die einstweilige Regelung der Benützung ehelichen Gebrauchsvermögens begehrt. Da somit der vom Rekursgericht herangezogene (verfahrensrechtliche) Abweisungsgrund nicht besteht, ist die von der Beklagten bekämpfte einstweilige Regelung materiell-rechtlich zu überprüfen. Die hiebei auftretenden Rechtsfragen, die sich erst aus einer anderen Beurteilung einer erheblichen Rechtsfrage durch den OGH ergaben, hat der OGH als Folgefragen unabhängig davon, ob es sich dabei um Rechtsfragen von erheblicher Bedeutung iS des § 502 Abs. 4 Z 1 ZPO handelt, zu lösen (Petrasch, Das neue Revisions-(Rekurs-)Recht, ÖJZ 1983, 178).

Das Gesetz stellt für die Lösung der Frage, in welcher Weise die einstweilige Benützung ehelichen Gebrauchsvermögens während eines anhängigen Ehescheidungsverfahrens zu regeln ist, besondere Grundsätze nicht auf. Auch bei der vorläufigen Regelung sind aber, soweit dies mit dem Wesen der nur auf vorläufige Benützung und nicht auf endgültige Aufteilung gerichteten Provisorialentscheidung vereinbar ist, die Aufteilungsgrundsätze des § 83 EheG sinngemäß zu beachten. Insbesondere muß auch die einstweilige Regelung der Benützung ehelichen Gebrauchsvermögens der Billigkeit entsprechen und das Wohl der Kinder berücksichtigen.

Die Beklagte macht mit Recht geltend, daß die vom Erstgericht getroffene einstweilige Regelung diesen Grundsätzen nicht entspricht. Das nur auf die Raumbedürfnisse einer Familie abgestellte Haus der Streitteile wird seit ihrer Trennung im Jahre 1979 nur von der Beklagten und ihrer jetzt 16jährigen Tochter als Zweitwohnung (Wochenend- und Ferienhaus) benützt. Einer Mitbenützung durch den Kläger allein tritt die Beklagte nicht entgegen. Die vom Erstgericht getroffene Regelung hätte zur Folge, daß sich die Streitteile, deren Verhältnis zueinander nach der Aktenlage gespannt ist, nicht nur in ganz kurzer periodischer Abfolge in die Benützung des Hauses teilen müßten, sondern auch gezwungen wären, jeweils ihre persönlichen, nicht von der Benützungsregelung mitbetroffenen Sachen (zB Kleidung, Bettwäsche, Bücher, Spielzeug usw.) in kurzen Abständen immer wieder vom Haus weg- und wieder hinzubringen. Dadurch wäre besonders die Tochter der Streitteile, zumal während der Sommerferien, in der Möglichkeit der Mitbenützung des Hauses stark eingeschränkt. In die Lebensführung und kontinuierliche Entwicklung der Heranwachsenden käme ein zusätzliches Element abträglicher Unruhe; auf ihr gemäß § 83 EheG zu wahrendes Wohl wäre nicht ausreichend Bedacht genommen. Die vom Erstgericht angeordnete Benützungsregelung entspräche auch nicht der Billigkeit, sodaß es im Ergebnis bei der Abweisung des Antrages des Klägers zu bleiben hat.

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