Normen
Kautionsschutzgesetz §1
Kautionsschutzgesetz §1
Spruch:
Wechselbürgschaft ist kein zulässiges Kautionsmittel (§ 1 KautionsschutzG.).
Entscheidung vom 17. Oktober 1961, 4 Ob 507/61.
I. Instanz: Landesgericht Feldkirch; II. Instanz: Oberlandesgericht Innsbruck.
Text
Der Ehegatte der Beklagten, Sebastian B., ist von der Klägerin am 3. November 1959 als Geschäftsführer in ihrem Unternehmen angestellt worden. Laut Punkt 6 des schriftlichen Anstellungsvertrages hat sich der Genannte verpflichtet, der Klägerin "eine Sicherheit bis zur Höhe von 50.000 S in Form eines Blankowechsels" zu leisten, welcher bei der Spar- und Darlehenskasse A. zu hinterlegen war. Er hat hiezu ein unausgefülltes Wechselformular als Annehmer unterschrieben. Die Beklagte hat dieses als Bürge für den Annehmer mitgefertigt. Die Klägerin hat den Wechsel am 7. März 1961 auf eine Summe von 25.010 S 28 g ausgefüllt, als Ausstellerin unterfertigt und ihn auf den 15. März 1961 fällig gestellt.
Das Erstgericht hat den begehrten Wechselzahlungsauftrag wegen der Wechselsumme samt Nebengebühren erlassen.
Gegen den Wechselzahlungsauftrag erhob die beklagte Partei rechtzeitig Einwendungen, in den sie wesentlichen vortrug, die Hingabe des Blankowechsels sei nach dem Kautionsschutzgesetz, BGBl. Nr. 229/1937, unstatthaft und strafbar. Die Wechselverpflichtung sei daher ungültig und nichtig.
Daraufhin hob das Erstgericht den Wechselzahlungsauftrag auf. Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil, weil die Wechselbürgschaft der Beklagten nichtig und wirkungslos sei. Es fügte noch bei, die Klägerin könne sich auf Art. 32 WG. 1955 nicht berufen, weil es sich nicht um eine Wechselbürgschaft schlechthin, sondern um einen selbständigen Kautionsstellungsakt handle, "was der Klägerin als Ausstellerin und erster Inhaberin des Wechsels bekannt war und bekannt sein mußte, so daß sie die aus dem Kautionsschutzgesetz der Beklagten zustehenden Einwendungen gegen dieses Geschäft gegen sich gelten lassen muß."
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der klagenden Partei nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Gemäß § 1 Abs. 1 KautionsschutzG., BGBl. Nr. 229/1937, darf sich ein Dienstgeber von seinem Dienstnehmer oder für diesen von einem Dritten eine Kaution nur zur Sicherung von Schadenersatzansprüchen bestellen lassen, die ihm gegen den Dienstnehmer aus dem Dienstverhältnis erwachsen können. Als Kaution können nur bestellt werden: a) Einlagebücher, bei denen Rückzahlungen nur gegen Abgabe der Unterschrift und Erbringung des Nämlichkeitsnachweises des Kautionsbestellers erfolgen dürfen; b) Bargeld, Pretiosen, Effekten oder andere Vermögenswerte, die derart bei einem Kreditinstitut hinterlegt werden, daß über allfällige Zinsen oder Gewinnanteile der Kautionsbesteller, im übrigen aber über das Depot der Kautionsbesteller nur im Einvernehmen mit dem Kautionsberechtigten verfügen kann; c) Bürgschaften; d) Kautionshypotheken; e) Kautions- (Veruntreuungs-)versicherungspolizzen. § 3 des Gesetzes verbietet, um Schädigungen von Dienstnehmern durch Darlehen oder Beteiligungen zu verhindern, Dienstverträge von diesen abhängig zu machen. § 4 spricht ausdrücklich aus, daß Rechtsgeschäfte, die den §§ 1 oder 3 widersprechen, nichtig sind.
Im vorliegenden Fall ist nun das Berufungsgericht davon ausgegangen, daß es sich nicht um eine Wechselbürgschaft schlechthin, sondern um einen Kautionsbestellungsakt handle, was der Klägerin "bekannt war und bekannt sein mußte". Damit ist nichts anderes ausgedrückt, als daß die Beklagte als Dritte für ihren Mann, den Dienstnehmer, eine Kaution gestellt habe, was zur Anwendung des Kautionsschutzgesetzes führt, als ob der Dienstnehmer selbst die Kaution gestellt hätte (§ 1 Abs. 1 leg. cit.). Die Wendung, daß die Kautionsbestellung durch die Beklagte der Klägerin bekannt war und bekannt sein mußte, scheint an sich zunächst widersprüchlich zu sein, weil dann, wenn ihr dieser Umstand bekannt war, wenn sie also bewußt gehandelt hat, kein Platz mehr für die Frage des Wissenmüssens, also der groben Fahrlässigkeit, bleibt. Der Sinn dieser Wendung ist aber nach der Sachlage offenbar der, daß der Klägerin die Absicht der Kautionsbestellung durch die Beklagte bekannt war, weil dies gar nicht anders denkbar ist, weil es ihr eben bekannt sein mußte.
Daß in der Übernahme der Haftung als Wechselbürgin für ihren Mann durch die Beklagte eine nach dem Kautionsschutzgesetz verbotene Kautionsbestellung liegt, ist nicht zu bezweifeln. Eines der oben aufgezählten Kautionsmittel liegt nicht vor. Daraus folgt bereits die Unzulässigkeit einer solchen Kautionsbestellung, weil die Kautionsmittel im § 1 KautionsschutzG. taxativ aufgezählt sind (Weiser, Das KautionsschutzG., RiZ. 1937 S. 502; Klang, Das Bundesgesetz betreffend Kautionen, Darlehen und Geschäftseinlagen von Dienstnehmern, JBl. 1937 S. 354; Maier, Das Kautionsschutzgesetz, AnwZ. 1937 S. 345). Objektiv wäre - wenn die Verbotsnorm nicht eingriffe - ein Blankoakzept der Ehefrau eine durchaus geeignete Kaution für Forderungen aus dem Dienstverhältnis gegen den Ehemann. Der Dienstgeber würde dadurch in die Lage versetzt, das Blankoakzept auszufüllen, den Wechsel zu begeben und sich so ohne Weiterungen für seine behaupteten Forderungen gegen den Ehemann auf Kosten der Ehefrau bezahlt zu machen.
Zusammenfassend ergeben die bisherigen Ausführungen, daß der Beklagten der Beweis gelungen ist, der gegen sie geltend gemachten Wechselforderung liege eine gemäß dem Kautionsschutzgesetz nichtige Kautionsbestellung für ihren Mann zugrunde.
Auf die Frage, ob eine Rimesse als unter "andere Vermögenswerte" gemäß § 1 Abs. 1 lit. b KautionsschutzG. fallend als Kautionsmittel geeignet wäre, braucht nicht eingegangen zu werden, weil hier nicht eine Rimesse und nicht einmal eine Tratte, sondern ein Blankoakzept als Kaution gegeben wurde. Ein solches Blankoakzept kann aber nicht wie "Bargeld, Pretiosen, Effekten oder andere Vermögenswerte" beurteilt werden. Zinsen oder Gewinnanteile des Kautionsbestellers kommen nicht in Betracht. Eine Verfügung nur im Einvernehmen zwischen Kautionsbesteller und Kautionsberechtigtem würde einen Blankowechsel als Kautionsmittel sinnlos machen, weil das Wesen der Sicherung hier eben darin besteht, daß der Kautionsberechtigte den Wechsel ausstellen und verwerten kann. Einem Blankowechsel kommt also wirtschaftlich eine völlig andere Bedeutung als den aufgezählten Sicherungsmitteln zu, so daß er mit ihnen nicht gleichbehandelt werden kann.
Daß der Übernahme einer Wechselverbindlichkeit Sicherstellungsfunktion zukommen kann, wurde bereits begrundet und entspricht der herrschenden Auffassung (Stanzl in Klang 2. Aufl. IV 710). Dies muß erst recht gelten, wenn - wie hier - nicht der Schuldner selbst, sondern ein Dritter, eben um die Forderung gegen den Schuldner zu sichern, die Wechselverbindlichkeit eingeht.
Daraus, daß gemäß § 1 Abs. 1 lit. c KautionsschutzG. Bürgschaften als Kautionsmittel zugelassen sind, folgt jedenfalls nicht, daß auch Bürgschaftserklärungen von Wechselbürgen als solche in Betracht kämen. Die zivilrechtlichen Vorschriften über die Bürgschaft sind auf die Wechselbürgschaft grundsätzlich nicht anwendbar (Stanzl, Wechsel-, Scheck- und sonstiges Wertpapierrecht, S. 74, mit weiteren Zitaten). Daß hier Bürgschaft und Wechselbürgschaft nicht gleichgestellt werden können, ergibt sich auch daraus, daß nichtige Verbindlichkeiten nicht verbürgt werden können (§ 1351 ABGB.), während dies bei der Wechselbürgschaft sehr wohl möglich ist. Der Wechselbürge haftet auch dann, wenn derjenige, für den er sich verbürgt hat - hier nicht in Betracht kommende Formfehler vorbehalten -, nicht haftet (Art. 32 Abs. 2 WG. 1955). Anders ausgedrückt, stehen dem zivilrechtlichen Bürgen grundsätzlich die Einwendungen gegen den Gläubiger offen, die dem Hauptschuldner zustehen, während sie dem Wechselbürgen abgeschnitten sind. Gerade dieser Umstand ist aber entscheidend. Bürgschaften konnten als Kautionsmittel unbedenklich zugelassen werden, weil der Bürge dem Gläubiger ohnedies alles einwenden kann, was der Schuldner einwenden könnte; gerade das kann aber der Wechselbürge grundsätzlich nicht tun, woraus folgt, daß die Wechselbürgschaft als Kautionsmittel ungeeignet und daher nicht zugelassen worden ist.
Was schließlich in der Revision noch zum Zweck des Kautionsschutzgesetzes ausgeführt wird, daß es nämlich zum Schutz des Dienstnehmers in einer Zeit geschaffen wurde, wo eine ungeheure Arbeitslosigkeit herrschte und viele Unternehmen vor dem Ruin standen, während jetzt die Frage bestehe, wie sich der Dienstgeber vor unfähigen oder unlauteren Dienstnehmern schützen solle, so muß darauf zunächst entgegnet werden, daß das Kautionsschutzgesetz gilt und daher angewendet werden muß. Von einer extensiven Interpretation zuungunsten des Arbeitgebers kann im übrigen keine Rede sein. Das Gesetz ist vielmehr von den Untergerichten so ausgelegt worden, wie dies aus der eigentümlichen Bedeutung der Worte in ihrem Zusammenhang und aus der klaren Absicht des Gesetzgebers hervorleuchtet (§ 6 ABGB.).
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