OGH 4Ob395/85

OGH4Ob395/8515.9.1987

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Gamerith als Vorsitzenden und durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Prof. Dr. F"aecl sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Petrag, Dr. Kodek und Dr. Niederreiter als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Z***- UND

V*** m.b.H., Bregenz, Kornmarktstrasse 18, vertreten durch Dr. Norbert Kohler, Rechtsanwalt in Bregenz, wider die beklagten Parteien 1./ Komm.-Rat Eugen R*** jun., Verlagskaufmann in Bregenz, Anton-Walser-Strasse 7, 2./ Sophie K***-R***, Geschäftsfrau in Lochau, Erlenstraße 8, 3./ Eugen R***, Verlagskaufmann in Lochau, Hofriedenstrasse 20, 4./ V*** G*** ANSTALT E*** R*** & CO., Bregenz, Kirchstrasse 35, alle vertreten durch Dr. Richard Kempf, Rechtsanwalt in Bregenz, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert S 320.000,--) infolge Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes vom 20. März 1985, GZ 1 R 49/85-11, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Feldkirch vom 12. November 1984, GZ 6 Cg 2382/84-6, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, daß das Urteil des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.

Die Klägerin ist schuldig, den Beklagten die mit S 22.629,50 (darin S 800,-- Barauslagen und S 1.984,50 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens sowie die mit S 14.839,50 (darin S 1.920,-- Barauslagen und S 1.174,50 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die viertbeklagte OHG ist Medieninhaberin (Verlegerin), Herausgeberin und Herstellerin der in Bregenz erscheinenden und im gesamten Bundesgebiet verbreiteten Tageszeitung "Vorarlberger Nachrichten"; der Erstbeklagte, die Zweitbeklagte und der Drittbeklagte sind Gesellschafter der Viertbeklagten. Auf der vorletzten Seiten des den "Vorarlberger Nachrichten" vom 16.3.1984, Nr. 64/1984, beigelegten "VN Magazins" (Beilage A) veröffentlichte die Viertbeklagte ein ganzseitiges Eigeninserat mit dem Text: "IN V*** SIND WIR EINFACH d' Zitig"; neben diesem Slogan war durch sieben rechteckige, jeweils ein weißes "V" und ein schwarzes "N" auf rotem Grund enthaltende Signets der Viertbeklagten in stilisierter Form das Wappen des Bundeslandes Vorarlberg dargestellt. Im unteren Teil der Anzeige hieß es außerdem: "82,2 % von 202.000 Lesern der Vorarlberger Tageszeitungen werden von den 'Vorarlberger Nachrichten' abgedeckt (Media-Analyse '83 LPA) ... und zu einem tollen Abo-Preis".

Ein gleichlautendes Eigeninserat veröffentlichte die Viertbeklagte auch auf Seite 43 des - vom Verband Österreichischer Zeitungsherausgeber und Zeitungsverleger

herausgegebenen - Handbuches "Österreichs Pressewerbung Grafik 83", 31. Jahrgang, Wien 1983; überdies verwendete sie den Slogan "In Vorarlberg sind wir einfach d' Zitig" als Aufkleber auf verschiedenen Linienbussen der ÖBB.

Mit der Behauptung, daß diese Werbeankündigung in mehrfacher Hinsicht gegen das UWG verstoße, beantragt die klagende Mitbewerberin - die Medieninhaberin und Herausgeberin der "NEUEN Vorarlberger Tageszeitung" - die Verurteilung der Beklagten, ab sofort in jeder Form die Ankündigung "IN V*** SIND WIR EINFACH d' Zitig" zu unterlassen, sowie die Ermächtigung, das stattgegebene Urteil auf Kosten der Beklagten in der "NEUEN Vorarlberger Tageszeitung" und in den "Vorarlberger Nachrichten" zu veröffentlichen. Der beanstandete Werbeslogan enthalte die - zur Herabsetzung der Mitbewerber in der Öffentlichkeit geeignete und deshalb sittenwidrige - Behauptung, daß die Bevölkerung Vorarlbergs unter dem Begriff "d' Zitig" ausschließlich die "Vorarlberger Nachrichten" verstehe, dieses Blatt also auf Grund seiner ganz besonderen Stellung auf dem Zeitungsmarkt überhaupt keiner näheren Bezeichnung mehr bedürfe. Das sei insofern unrichtig, als jeder Vorarlberger die von ihm abonnierte Zeitung - also keinesfalls nur die "Vorarlberger Nachrichten" - "d' Zitig" nenne. Die "Vorarlberger Nachrichten" würden vielmehr in Vorarlberg allgemein als "VN" bezeichnet.

Die Beklagten beantragen die Abweisung des Klagebegehrens. Wie die Klägerin selbst einräume, bezeichne in Vorarlberg jedermann die von ihm abonnierte Zeitung als "d' Zitig". Da damit keine Qualifikation des Produktes verbunden sei, sei die beanstandete Ankündigung nicht zur Irreführung des Publikums geeignet. Sie enthalte auch keine Bezugnahme auf bestimmte Mitbewerber, die als Hinweis auf den Inhalt oder die Qualität fremder Erzeugnisse aufgefaßt werden könnte; als Werbeanpreisung ohne konkreten Tatsachengehalt gebe sie vielmehr nur die subjektive Meinung der Viertbeklagten wieder. Im übrigen handle es sich um eine marktschreierische, für das Publikum sogleich als Übertreibung erkennbare Ankündigung.

Das Erstgericht wies die Klage ab. Ein Verstoß gegen § 2 UWG liege schon deshalb nicht vor, weil dem Slogan "In Vorarlberg sind wir einfach d' Zitig" keineswegs entnommen werden könne, daß jeder Vorarlberger mit dem Wort "d' Zitig" automatisch die "Vorarlberger Nachrichten" verbinde und daß man an den Zeitungsverkaufstellen dieses Bundeslandes schon bei Nennung des Wortes "d' Zitig" die "Vorarlberger Nachrichten" bekomme. Mit der beanstandeten Werbebehauptung werde lediglich "eine gewisse Beherrschung bzw. Überlegenheit auf dem Markt" zum Ausdruck gebracht. Die bloße Heraushebung des Produktes der Viertbeklagten ohne jeden Vergleich mit einem Konkurrenzerzeugnis verstoße nicht gegen § 1 UWG; ihr könne insbesondere auch keine sittenwidrige Herabsetzung anderer Mitbewerber entnommen werden.

Das Berufungsgericht erkannte im Sinne des Klagebegehrens; zugleich sprach es aus, daß der Wert des Streitgegenstandes über den es entschieden habe, S 15.000,--, nicht aber S 300.000,-- übersteige und die Revision nach § 502 Abs 4 Z 1 ZPO zulässig sei. Die Werbeaussage der Beklagten erwecke den Eindruck einer Spitzenstellung der "Vorarlberger Nachrichten" auf dem Vorarlberger Zeitungsmarkt. Welche Kriterien für diese Behauptung maßgebend waren, werde zwar nicht gesagt; die Kürze und Prägnanz des beanstandeten Slogans lasse aber darauf schließen, daß damit den "Vorarlberger Nachrichten" eine schlechthin in jeder Hinsicht qualitativ hervorragende Stellung gegenüber anderen Presseerzeugnissen Vorarlbergs zugeschrieben werden solle. Den Beweis für die Richtigkeit dieser Aussage seien jedoch die Beklagten schuldig geblieben, obgleich es ihre Sache gewesen wäre, die von ihnen behauptete Spitzenstellung nach den einzelnen hiefür in Betracht kommenden Kriterien unter Beweis zu stellen. Der Werbeslogan "In Vorarlberg sind wir einfach d' Zitig" vermittle dem unbefangenen Leser die Vorstellung einer Zeitung, die keiner näheren Bezeichnung mehr bedürfe, weil praktisch jedermann unter einer "Zeitung" schlechthin die "Vorarlberger Nachrichten" verstehe. Darin liege aber entgegen der Meinung der Beklagten nicht bloß eine marktschreierische Übertreibung, weil die beanstandete Ankündigung gerade in Verbindung mit der gleichzeitig behaupteten hohen Leserzahl vom Publikum nicht ohne weiteres als solche erkannt und durchschaut werden könne. Da jedoch die Richtigkeit der solcherart zum Ausdruck gebrachten überragenden Stellung der "Vorarlberger Nachrichten" mangels konkreter Tatsachenbehauptungen der Beklagten nicht überprüft werden könne, sei die beanstandete Aussage zur Irreführung des Publikums iS des § 2 UWG geeignet. Auch das Veröffentlichungsbegehren der Klägerin erweise sich seiner Art und seinem Umfang nach als berechtigt.

Das Urteil des Berufungsgerichtes wird seinem ganzen Inhalt nach von den Beklagten mit Revision aus dem Grunde des § 503 Abs 1 Z 4 ZPO bekämpft. Die Beklagten beantragen die Abänderung der angefochtenen Entscheidung im Sinne der Wiederherstellung des abweisenden Ersturteils.

Die Klägerin beantragt, diesem Rechtsmittel nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist berechtigt.

Den Beklagten kann allerdings nicht gefolgt werden, wenn sie in dem beanstandeten Slogan lediglich den Ausdruck ihrer subjektiven Meinung, daß in Vorarlberg die Produkte auf dem Zeitungsmarkt mit dem Wort "d' Zitig" bezeichnet würden, und damit eine bloße Werbebehauptung ohne konkreten Tatsachengehalt sehen. Für sich allein betrachtet, mag das Dialektwort "d' Zitig" (= "Die Zeitung") wirklich nur eine "nicht qualifizierende und wertneutrale Bezeichnung des Vorarlbergers für das von ihm abonnierte oder gekaufte Zeitungsprodukt" sein; Gegenstand des Unterlassungsbegehrens der Klägerin ist aber nicht dieses eine Wort, sondern der Werbeslogan "In Vorarlberg sind wir einfach d' Zitig", durch welchen dem angesprochenen Publikum im Sinne der zutreffenden Ausführungen des angefochtenen Urteils der Eindruck einer alle ähnlichen Presseerzeugnisse weit überragenden Alleinstellung der "Vorarlberger Nachrichten" auf dem Zeitungsmarkt dieses Bundeslandes vermittelt wird. Daß eine solche Ankündigung einer Spitzenstellung vor allem dann, wenn sie durch die Anführung konkreter Vorteile - hier: Hinweis auf die von der Media-Analyse ausgewiesene Leser-Reichweite - unterstützt wird, kein bloß subjektives Werturteil, sondern eine bestimmte, objektiv nachprüfbare Aussage im Sinne des § 2 UWG enthält, welche - wenn sie nicht sofort als übertriebene Anpreisung erkennbar ist - im Zweifel als ernst gemeint gewertet werden muß, hat das Berufungsgericht gleichfalls zutreffend erkannt (siehe dazu ÖBl 1986, 102 mit weiteren Nachweisen; auch ÖBl 1987, 47). Mit dem Hinweis darauf, daß Werbeankündigungen in Form von Versen, Reimen odgl. im allgemeinen milder zu beurteilen sind als andere Aussagen (in diesem Sinne zuletzt ÖBl 1978, 64 mit weiteren Nachweisen), ist für die Beklagten schon deshalb nichts zu gewinnen, weil eine solche Werbeaussage hier nicht vorliegt. Das Berufungsgericht hat jedoch übersehen, daß die Klägerin die gegenständliche Werbebehauptung in erster Instanz nur deshalb als unrichtig bezeichnet hat, weil die Bevölkerung Vorarlbergs unter dem Begriff "d' Zitig" keineswegs ausschließlich die "Vorarlberger Nachrichten" verstehe, jeder Vorarlberger vielmehr die von ihm abonnierte oder gekaufte Zeitung "d' Zitig" nenne und es daher nicht möglich sein werde, an einem Kiosk oder bei einer anderen Verkaufsstelle allein durch die Nennung des Wortes "d' Zitig" die "Vorarlberger Nachrichten" zu erhalten. Demgegenüber hat aber schon das Erstgericht richtig erkannt, daß der beanstandete Werbeslogan dem angesprochenen Publikum keineswegs die Vorstellung vermittelt, in Vorarlberg werde die Bezeichnung "d' Zitig" allein auf die "Vorarlberger Nachrichten" bezogen. Daß aber dem Produkt der Beklagten die durch den Slogan "In Vorarlberg sind wir einfach d' Zitig" tatsächlich in Anspruch genommene Spitzenstellung auf dem Vorarlberger Zeitungsmarkt in Wahrheit gar nicht zukomme, hat die Klägerin weder in der Klage noch in der Verhandlungstagsatzung vom 12.11.1984 vorgebracht. Mangels einer solchen Behauptung ist jedoch für die Annahme kein Raum, die Beklagten hätten durch eine wahrheitswidrige, zur Irreführung des angesprochenen Publikums geeignete Inanspruchnahme einer Spitzenstellung ihres Produktes einen Verstoß gegen § 2 UWG begangen. Auf die in der Revision ausführlich erörterten Frage, ob die Umstände des vorliegenden Falles eine Überwälzung der Beweislast für die Richtigkeit der beanstandeten Behauptung auf die Beklagten rechtfertigen (siehe dazu etwa SZ 50/20 = ÖBl 1977, 71; ÖBl 1976, 16; ÖBl 1984, 97 ua), braucht bei dieser Sachlage nicht weiter eingegangen zu werden. Daß aber der beanstandeten Werbeaussage weder ein Vergleich des Produktes der Beklagten mit anderen Druckwerken noch eine Herabsetzung von Mitbewerbern der Beklagten entnommen werden kann und damit auch ein Verstoß der Beklagten gegen § 1 UWG ausscheidet, kann nach dem Wortlaut des Slogans "In Vorarlberg sind wir einfach d' Zitig" nicht ernstlich bezweifelt werden.

Der Revision der Beklagten war daher Folge zu geben und in Abänderung der angefochtenen Entscheidung das abweisende Urteil des Erstgerichtes wiederherzustellen.

Die Verpflichtung der Klägerin zum Ersatz der Kosten des Rechtsmittelverfahrens beruht auf §§ 41, 50 ZPO.

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