Normen
ABGB §26
Betriebsrätegesetz §6
Betriebsrätegesetz §11
Betriebsrats-Geschäftsordnung §65 Abs2
ZPO §1
ABGB §26
Betriebsrätegesetz §6
Betriebsrätegesetz §11
Betriebsrats-Geschäftsordnung §65 Abs2
ZPO §1
Spruch:
Dem Betriebsrat kommt, ähnlich wie einer OHG, zwar Parteifähigkeit zu, nicht aber Rechtsfähigkeit. Der Betriebsrat vertritt immer nur die Belegschaft, die eine der Gesamthand ähnliche Rechtsgemeinschaft darstellt
OGH 12. Mai 1970, 4 Ob 38/70 (LGZ Wien 44 Cg 13/70; ArbG Wien 4 Cr 1534/69)
Text
Die klagende Partei begehrt von der Beklagten den Betrag von 12.000
S.
Die beklagte Partei habe mit Zustimmung des Betriebsrates eine Aufzeichnung von Ausschnitten aus der Oper "Der Rosenkavalier" sowie aus einem Ballett hergestellt und jeweils in einer aktuellen Sendung ausgestrahlt. Für beide Aufzeichnungen sei ein Honorar von je 4000 S vereinbart und auch gezahlt worden. Es sei ausdrücklich vereinbart worden, daß nur eine
Sendung erfolgen dürfe. Dieses Honorar hätte vereinbarungsgemäß der klagenden Partei zukommen sollen; dies sei auch hinsichtlich der ersten
Auszahlung geschehen. Die beklagte Partei habe diese beiden Ausschnitte jedoch in einer neuen, anderen Sendung, nämlich "100 Jahre Oper - 100 Jahre Krise" - abermals verwendet und ausgestrahlt, ohne vorher mit dem Betriebsrat das Einvernehmen herzustellen, obwohl sie dazu verpflichtet gewesen wäre. Die beklagte Partei habe für die beiden Ausschnitte je 4000 S an die klagende Partei zu zahlen. Da die letztgenannte Sendung noch ein zweites und drittes Mal ausgestrahlt worden sei, stehe der klagenden Partei auch eine Wiederholungsgebühr von je 25%, sohin insgesamt von 4000 S, zu.
Die beklagte Partei bestritt das Klagebegehren und beantragte Klagsabweisung. Sie habe sich im Jahre 1960 gegenüber der Gewerkschaft Kunst und freie Berufe verpflichtet, für Ausschnittsendungen über Premieren an
Wiener Bühnen zunächst 1000 S an den Betriebsratsfonds der jeweiligen Bühne zu zahlen. Dieser Betrag sei keine Entlohnung der mitwirkenden Künstler, sondern ein Anerkennungsbetrag für die Erteilung der Zustimmung des Betriebsrates zur Aufnahme. Er sei im Laufe der Jahre auf zuletzt 4000 S pro Ausschnittsendung erhöht worden. Gemäß dem § 70 Abs 2 UrhG sei die beklagte Partei berechtigt, die festgehaltenen künstlerischen Leistungen beliebig oft und ohne weitere Zahlung zu senden.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es traf folgende Feststellungen:
Mit Schreiben vom 5. Juni 1959 verpflichtete sich die beklagte Partei für etwaige Reportagen über die jeweiligen Premieren der Wiener Bühnen an die Betriebsräte der betreffenden Theater ein pauschaliertes Anerkennungshonorar von 1000 S zu entrichten. Die Betriebsräte ihrerseits verpflichteten sich, für eine reibungslose Mitwirkung ihrer Mitglieder Sorge zu tragen und räumten ferner der beklagten Partei das Recht ein, die Dauer der jeweiligen Reportage von bisher zwei Minuten bei Bedarf auf vier Minuten zu erhöhen. Diese Vereinbarung galt ab 1. Juni 1959. Die beklagte Partei war mit dieser Regelung einverstanden. Am 1. Juni 1961 galt eine neue Vereinbarung. Die beklagte Partei verpflichtete sich, für etwaige Reportagen über die jeweiligen Premieren der Wiener Bühnen an den Wohlfahrtsfonds des künstlerischen Personals der Theater ein pauschaliertes Anerkennungshonorar von 2000 S bei Schauspielaufführungen und von 3000 S bei musikalischen Aufführungen zu entrichten. Die Verpflichtungen der Betriebsräte wurden nie im Jahre 1959 festgehalten. Die beklagte Partei bestätigte diese Vereinbarung und hielt fest, daß die beklagte Partei zu Zahlungen dieser Art durch keine gesetzlichen Bestimmungen verpflichtet wäre, dies um künftigen Regelungen nicht vorzugreifen. Am 1. Juni 1964 schließlich begehrte die Gewerkschaft die Erhöhung der Pauschalbeträge. Es wurde dabei darauf verwiesen, daß dieser Betrag nicht als Honoraranspruch gewertet werde, sondern zur Gänze dem Wohlfahrtsfonds der einzelnen Bühnen zufließe. Die beklagte Partei stimmte einer Erhöhung bei musikalischen Stücken auf 4000 S zu.
Vor etwa eineinhalb Jahren wurden nun Ausschnitte von je drei Minuten Dauer aus dem "Rosenkavalier" und aus dem Ballett "Orpheus verliert Eurydike" von der beklagten Partei aufgenommen und in der X-Sendung ausgestrahlt. Für diese Ausschnitte wurden je 4000 S bezahlt. Diese beiden Ausschnitte wurden dann in der Sendung "100 Jahre Oper - 100 Jahre Krise" abermals verwendet - u zw vollkommen unverändert - und auch ausgestrahlt. Diese Sendung wurde dann zweimal wiederholt. Der Ausschnitt aus dem "Rosenkavalier" (Überreichung der silbernen Rose) wurde in einer weiteren Sendung über die Oper ausgestrahlt. Für diese Verwendungen wurde dann an die klagende Partei von der beklagten Partei nichts bezahlt. Der Obmann der klagenden Partei, Elmar B, sprach über die letzte Verwendung mit Wolfgang R (dem programmwirtschaftlichen Leiter) und sagte ihm, daß er einen Betrag von 4000 S für die Erstsendung begehre. Dieser nahm dies zur Kenntnis. Nach der Sendung wurde aber der klagenden Partei mitgeteilt, daß die Geschäftsleitung der beklagten Partei aus prinzipiellen Gründen eine Zahlung ablehne. Daraufhin legte B Wert auf die Feststellung, daß die für die Sendung vom 5. März 1969 in der Staatsoper vorgenommenen Aufnahmen nur im Rahmen der X-Sendung verwendet werden und vorher das Einvernehmen herzustellen wäre, wenn die beklagte Partei diese Aufnahmen später außerhalb dieser Sendung in einer anderen Produktion verwenden wolle.
Außer den Vereinbarungen wurden keine Sondervereinbarungen getroffen, insbesondere nicht für die Ausschnitte aus dem "Rosenkavalier" und dem genannten Ballett. Die von der beklagten Partei bezahlten Beträge flossen in den Wohlfahrtsfonds des Betriebsrates. Sie werden für verschiedene soziale Zwecke aufgewendet, für Geschenke bei Betriebsjubiläen, Unterstützung notleidender Mitglieder u dgl mehr.
Diesen Sachverhalt beurteilte das Erstgericht rechtlich dahin, daß der vereinbarte Betrag nicht ein Honoraranspruch, sondern ein einmalig zu entrichtendes Anerkennungspauschale für Wohlfahrtszwecke sei. Gemäß § 70 Abs 2 UrhG bedürfe es nicht der Zustimmung der ausübenden Künstler zu einer Rundfunk- und Fernsehsendung, wenn die Leistung der Künstler bereits auf einem Bild- oder Tonträger festgehalten worden sei.
Gegen dieses Urteil erhob die klagende Partei Berufung. Das Berufungsgericht verhandelte gemäß § 25 Abs 1 Z 3 ArbGG die Streitsache von neuem. Es traf dieselben Feststellungen wie das Erstgericht.
Es hielt aber die sachliche Zuständigkeit des Arbeitsgerichts für nicht gegeben, hob das angefochtene Urteil und das diesem vorangegangene Verfahren als nichtig auf und wies die Klage zurück.
Zur Begründung führte das Berufungsgericht aus:
Die klagende Partei besitze einen originären und keineswegs etwa einen von den an der Ausschnittsendung mitwirkenden Künstlern oder anderen Arbeitnehmern abgeleiteten Anspruch auf das sogenannte Anerkennungspauschale. Sie verdanke diesen Anspruch nicht einer von ihr mit der beklagten Partei getroffenen Vereinbarung, sondern einer zwischen der beklagten Partei und dem Betriebsrat des darstellenden und künstlerischen Personals der Wiener Staatsoper zustande gekommenen Abrede. Von Bedeutung sei hiebei, daß auch der genannte Betriebsrat in keinen vertraglichen Beziehungen zu jenen Arbeitnehmern stand, die an den Ausschnittsendungen mitzuwirken haben. Weder der Betriebsrat noch die klagende Partei hätten einen unmittelbar oder auch nur mittelbar arbeitsvertragsrechtlich zu qualifizierenden Anspruch auf das vereinbarte Anerkennungshonorar gehabt. Dieser Anspruch wurzle daher sowohl rechtlich als auch wirtschaftlich ausschließlich in der getroffenen Vereinbarung, nicht aber in den Vertragsbeziehungen, welche zwischen der beklagten Partei, den Künstlern und der Wiener Staatsoper bestehen. Das Motiv für die von der beklagten Partei eingegangene Zahlungsverpflichtung habe darin bestanden, vom Betriebsrat eine Garantie für die Mitwirkung der betreffenden Künstler an der Sendung zu erhalten. Diese Garantie sollte demnach auch die Gegenleistung für das sogenannte Anerkennungshonorar bilden. Dieses sogenannte Anerkennungspauschale stehe mit einem Arbeits- oder Lehrverhältnis oder mit dessen Nachwirkungen in keinem wie immer gearteten Zusammenhang. Daran vermöge auch der soziale Verwendungszweck der vereinbarten Beträge nichts zu ändern. Denn selbst wenn dieses Pauschale für die festgestellte Mitwirkung des Betriebsrates beim Zustandekommen einer Sendung gebühren sollte, liege kein Zuständigkeitstatbestand des § I ArbGG für die Geltendmachung des Anspruches auf dieses Pauschale vor. Da das Merkmal der Arbeitnehmerähnlichkeit für eine solche Mitwirkung des Betriebsrates schon mangels wirtschaftlicher Unselbständigkeit nicht gegeben sei, könne die sachliche Zuständigkeit auch nicht auf § 2 ArbGG gestützt werden. Zwischen keinem der in Betracht kommenden Rechtssubjekte (Betriebsrat, klagende Partei, beklagte Partei, Wiener Staatsoper) liege ein Beschäftigungsverhältnis auch nur im weitesten Sinne vor, sodaß es an der sachlichen Zuständigkeit der Arbeitsgerichte fehle.
Der Oberste Gerichtshof gab dem von der klagenden Partei gegen diesen Beschluß erhobenen Rekurs Folge, hob den angefochtenen Beschluß auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung an das Berufungsgericht zurück.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
In der Klage wird der Anspruch der klagenden Partei auf eine Honorarforderung zurückgeführt, die von der beklagten Partei für die mit Zustimmung des Betriebsrats vorgenommene Aufzeichnung von Ausschnitten aus einer Oper und einem Ballett, aufgeführt offenbar von Mitgliedern der Wiener Staatsoper, zu bezahlen war und vereinbarungsgemäß der klagenden Partei zukommen sollte.
Das Erstgericht ist zur Überzeugung gelangt, daß der von der beklagten Partei geforderte Betrag nicht eine Honorarforderung darstelle, sondern ein Anerkennungspauschale zu Wohlfahrtszwecken sei. Deshalb komme der Gesamtvertrag vom 17. August 1955 nicht zur Anwendung, ebensowenig der § 30 des Kollektivvertrags. In der Berufung machte die klagende Partei unrichtige Beweiswürdigung geltend, weil die Leistung des Österreichischen Rundfunks von 4000 S nicht als eine Pauschalabfindung im Sinne des Punktes I des Gesamtvertrags angesehen worden sei, sondern nach der Bezeichnung, die das Fernsehunternehmen wählte, nämlich als Anerkennungspauschale, das nicht als ein Honorar anzusehen sei, weshalb der Gesamtvertrag nicht zur Anwendung gelange.
Das Berufungsgericht folgte den Feststellungen des Erstgerichts über den Inhalt der zwischen dem Betriebsrat des darstellenden künstlerischen Personals der Wiener Staatsoper und der beklagten Partei getroffenen Vereinbarung. Danach hatte diese nicht, wie im Sinne der Klagsbehauptungen anzunehmen wäre, eine Honorarforderung der vom Betriebsrat vertretenen Belegschaft (vgl Floretta - Strasser, Kommentar zum Betriebsrätegesetz, 62 f), die an die klagende Partei abzuführen wäre (also einen Vertrag zugunsten eines Dritten abgebe, der dann Rechtsnachfolger im Sinne des § 2 Abs 2 ArbGG wäre, (so Dersch - Volkmar, Kommentar zum Arbeitsgerichtsgesetz[6], 169, Hueck - Nipperdey, Lehrbuch des Arbeitsrechts[7], I 921)), zum Gegenstand, sondern ein Anerkennungshonorar für eine vom Betriebsrat - als solchen - abgegebene Garantie für die Mitwirkung der betreffenden Künstler an der Sendung.
Diese Auffassung wird im Rekurs der klagenden Partei bekämpft, die darin behauptet, daß die Zahlung an den Betriebsratsfonds durch die Rundfunkgesellschaft eine Abgeltung des an sich gegebenen Anspruchs der mitwirkenden Künstler des darstellenden Personals sei.
Hiezu ist zunächst darauf hinzuweisen, daß die vom Berufungsgericht vertretene Auffassung, der Betriebsrat stelle ein eigenes Rechtssubjekt dar, nicht geteilt werden kann. Nach Floretta - Strasser, 64 kommt dem Betriebsrat, ähnlich wie einer Offenen Handelsgesellschaft, zwar Parteifähigkeit zu (§ 65 Abs 2 BRGO), nicht aber Rechtsfähigkeit. Der Betriebsrat vertritt immer nur die Belegschaft, die eine der Gesamthand ähnliche Rechtsgemeinschaft darstellt (Floretta - Strasser, 64).
Zur entscheidenden Frage aber, ob im Sinne der Klagsbehauptungen doch eine Honorarforderung der vom Betriebsrat vertretenen Belegschaft von der klagenden Partei geltend gemacht wird (§ 881 ABGB), kann noch nicht Stellung genommen werden. Wenn nämlich, wie im vorliegenden Fall, der anspruchsbegrundende Sachverhalt für sich allem auch bereits für die Zuständigkeitsbegründung ausreicht, dann ist, falls sich der diesbezüglich vorgetragene Sachverhalt nicht als zutreffend herausstellt, die Klage nicht zurückzuweisen, sondern mit Urteil abzuweisen (Stanzl, Arbeitsgerichtliches Verfahren, 119 f). Das Berufungsgericht durfte im vorliegenden Fall aus den dargelegten Gründen keine Formalentscheidung fällen, sondern hatte mit Urteil vorzugehen. Es liegt hier aber nicht bloß ein Vergreifen in der Form der Entscheidung vor (vgl Fasching, 548), wodurch eine sachliche Überprüfung der Entscheidung nicht ausgeschlossen wird, sondern überhaupt keine Sachentscheidung. Dies nötigt aber zur Aufhebung des angefochtenen Urteils, damit das Berufungsgericht die Sachentscheidung fällen kann. Es bleibt ihm überlassen, ob es die neuerliche Entscheidung nach Durchführung einer Verhandlung oder ohne diese fällen wird.
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