Spruch:
"Rustikal" als Bezeichnung für Holzlasuren bei Verkehrsgeltung schützbar (§ 9 Abs. 3 UWG)
Absolut schutzunfähig sind auch nach § 9 UWG alle Zeichen, die zur Bezeichnung bestimmter Gattungen von Waren oder Dienstleistungen im Geschäftsverkehr allgemein gebräuchlich sind (§ 4 Abs. 1 Z. 3 MSchG); hingegen können Wörter, die ausschließlich beschreibende Angaben im Sinne des § 4 Abs. 1 Z. 2 MSchG enthalten, bei entsprechender Verkehrsgeltung Schutz nach § 9 Abs. 3 UWG erlangen
OGH 13. Jänner 1981, 4 Ob 375/80 (OLG Linz 2 R 123/80. LG Salzburg 10 Cg 134/80)
Text
Die Klägerin beantragte zur Sicherung ihres im wesentlichen gleichlautenden, unter Punkt 1 der Klage geltend gemachten Anspruches, der Beklagten mittels einstweiliger Verfügung für die Dauer des Rechtsstreites zu verbieten, Holzimprägnierungsmittel unter dem Namen "Rustikana" anzubieten oder zu vertreiben. Sie selbst vertreibe seit Jahren derartige Imprägnierungsmittel unter dem Produktnamen "Rustikal" der beim interessierten Publikum Verkehrsgeltung besitze. Der langjährige Geschäftsführer der Klägerin Manfred W sei am 3. Dezember 1978 von dieser fristlos entlassen worden und sei nunmehr Geschäftsführer der seit 2. April 1979 im Handelsregister eingetragenen beklagten GesmbH. Er habe es von allem Anfang an darauf angelegt, seine im Betrieb der Klägerin erworbenen Kenntnisse zugunsten der Beklagten zu verwenden und vom guten Ruf der Erzeugnisse der Klägerin zu profitieren. Die Beklagte, welche mit der Klägerin im Wettbewerb stehe, habe daher 1979 ebenfalls eine Holzlasur unter dem verwechslungsfähigen Namen "Rustikana" auf den Markt gebracht. Sie habe überdies in sittenwidriger Weise die Werbemittel der Klägerin durch Verwendung von Fotos, fast gleichlautende Nummernbezeichnung der Farbmuster und durch Verwendung von Farbmustertafeln, die im Auftrag der Klägerin und mit deren Produkt "Rustikal" hergestellt worden seien, für ihre eigenen Zwecke ausgenützt. Hiedurch habe die Klägerin bereits einen großen Schaden erlitten.
Die Beklagte sprach sich gegen die Erlassung der beantragten einstweiligen Verfügung aus und wendete ein, die Bezeichnung "Rustikal" sei nicht schutzfähig, da es sich um einen Fachausdruck handle, der dem allgemeinen Sprachgebrauch angehöre. Ein sittenwidriges Ausnützen von Werbemitteln der Klägerin werde bestritten.
Das Erstgericht erließ die beantragte einstweilige Verfügung für die Dauer des Rechtsstreites, vorerst bis längstens 30. Juni 1981, und trug der Klägerin eine Sicherheitsleistung von 300 000 S auf. Es nahm folgenden wesentlichen Sachverhalt als bescheinigt an:
Die Klägerin vertreibt seit 1971 unter der Bezeichnung "Rustikal" Holzlasuren (Holzimprägnierungsmittel) auf dem österreichischen Markt. Schon vor dem Jahr 1971 wurden in Österreich von der Firma V Holzlasuren unter derselben Bezeichnung vertrieben. Diese Firma wurde von der holländischen Mutterfirma der Klägerin im Jahr 1971 im Fusionsweg aufgenommen. Die Klägerin importiert von ihrer holländischen Mutterfirma Holzlasuren unter der Bezeichnung "Rustikal" in verschieden großen verkaufsfertigen Gebinden mit viersprachigen Aufmachungen, die so auch in der Bundesrepublik vertrieben werden. Die Klägerin ist Importeur und Großhändler und macht etwa 20 bis 25% ihres Umsatzes mit Rustikal-Holzlasuren. Sie verkauft im wesentlichen an Farbengeschäfte, an Malermeister und an die Fenster- und Türenindustrie. Der Marktanteil der Klägerin bei Holzlasuren in Österreich ist gering. An Werbekosten erwuchsen ihr in den Jahren 1974 bis 1979 im Zusammenhang mit "Rustikal" rund 440 000 S. Die Beklagte steht mit der Klägerin auf dem österreichischen Markt für Holzlasuren im Wettbewerb. Sie brachte im Jahr 1979 Holzlasuren unter der Bezeichnung "Rustikana" auf den Markt. Manfred W ist seit 1. März 1979 Geschäftsführer der Beklagten. Er war von 1969 bis Anfang Dezember 1978 bei der Klägerin teilweise in Holland und im Ausland, zuletzt in Österreich beschäftigt, seit Frühjahr 1970 als alleinzeichnungsberechtigter Geschäftsführer. Im Dezember 1978 trennte er sich im Unfrieden von der Klägerin. Die Beklagte hat bei Holzlasuren in Österreich derzeit einen Marktanteil von unter 1%. Sie bezieht die Rustikana-Holzlasuren in verkaufsfertigen Gebinden von der Stammfirma in Holland mit vierfarbigen Aufdruck. Es ist vorgesehen, diese Gebinde auch in andere Länder zu liefern. Am 5. März 1979 meldete die Beklagte die Marke "Rustikal" an. Mit Schreiben des Patentamtes vom 19. April 1979 wurde der Beklagten mitgeteilt, daß das Wort "Rustikal" im Verkehr bloß als beschreibende Angabe in dem Sinn verstanden werde, daß die mit den so bezeichneten Waren bearbeiteten Gegenständen ein ländliches bzw. ein bäuerliches Aussehen haben und das Zeichen daher gemäß § 4 Abs. 1 Z. 2 MSchG von der Registrierung ausgeschlossen sei. Die Beklagte gab in Verbindung mit ihren "Rustikana"-Holzlasuren bisher für Prospekte und Holzmuster zirka 24 000 S aus. Die mit "Rustikana" bedruckten Dosen werden zu 10 000 Stück hergestellt. Ernst M, Landesinnungsmeister der Landesinnung für Maler und Anstreicher in Salzburg, verband im April 1980 mit dem Wort "Rustikal" ein Holzimprägnierungsmittel der Klägerin und war der Ansicht, daß dieses Holzimprägnierungsmittel unter dem Namen "Rustikal" unter seinen Berufskollegen weithin bekannt ist. Daß es auch ein Holzimprägnierungsmittel mit dem Namen "Rustikana" geben soll, war ihm nicht bekannt.
Rechtlich beurteilte das Erstgericht diesen Sachverhalt dahin, daß die Bezeichnung "Rustikal" bei Verkehrsgeltung schutzfähig sei und zwischen den Bezeichnungen "Rustikal" und "Rustikana" Verwechslungsgefahr bestehe. Da jedoch die Verkehrsgeltung noch nicht ausreichend bescheinigt sei, müsse der Klägerin eine Sicherheitsleistung auferlegt werden.
Mit dem angefochtenen Beschluß gab das Rekursgericht dem Rekurs der Klägerin nicht Folge, wohl aber dem Rekurs der Beklagten und wies den Sicherungsantrag kostenpflichtig ab. Es nahm ergänzend als bescheinigt an, daß die österreichische Firma "A" eine Holzbeize unter der Bezeichnung "Rustikal" vertreibt. Auch das Rekursgericht bejahte die Verwechslungsgefahr bezüglich der von den Streitteilen gebrauchten Produktbezeichnungen und teilte auch die Ansicht des Erstgerichtes, daß eine Verkehrsgeltung für die Bezeichnung "Rustikal" nicht mit Sicherheit angenommen werden könne. Es vertrat jedoch die Auffassung, daß diese Bezeichnung rein beschreibenden Charakter habe und keinerlei Unterscheidungskraft besitze. Die Schutzfähigkeit sei daher zu verneinen.
Der Oberste Gerichtshof stellte die einstweilige Verfügung des Erstgerichtes wieder her, setzte aber die von der Klägerin zu leistende Sicherheit auf 100 000 S herab.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Soweit die Klägerin zunächst meint, der Sicherungsantrag wäre schon nach § 1 UWG gerechtfertigt, weil die Beklagte in sittenwidriger Weise durch die Verwendung eines mit der Produktbezeichnung "Rustikal" verwechslungsfähigen Namens und durch die Verwendung identer Werbemittel die jahrelange Aufbauarbeit der Klägerin und ihren Einsatz an Geld und Ideen ausgenützt habe, kann dem nicht beigepflichtet werden; eine derartige sittenwidrige Ausbeutung fremder Leistung durch die Beklagte haben die Untergerichte nämlich nicht als bescheinigt angenommen.
Hingegen ist der Klägerin beizupflichten, wenn sie die Ansicht des Rekursgerichtes bekämpft, die Bezeichnung "Rustikal" sei absolut schutzunfähig. Es ist zwar richtig, daß nach Lehre und Rechtsprechung (Hohenecker - Friedl, Wettbewerbsrecht 48, 166 f., Baumbach - Hefermehl, Wettbewerbsrecht[13], 1443; ÖBl. 1976, 154 - Schwedenbomben - u. a., zuletzt etwa ÖBl. 1980, 13 - Perlite/Perlitex) - ein von vornherein nicht schutzfähiges Zeichen eine Schutzfähigkeit auch nicht durch Verkehrsgeltung erlangen kann. Dies gilt für Wörter, die der Umgangssprache oder einer Fachsprache angehören, dann, wenn für sie ein Freihaltebedürfnis besteht, damit nicht ein Wort, auf das der Verkehr unbedingt angewiesen ist, durch Monopolisierung zugunsten einer bestimmten Person dem Sprachgebrauch entzogen wird. Hingegen sind bei fehlendem absoluten Freihaltebedürfnis auch Wörter der Umgangssprache dann schutzfähig, wenn die Bezeichnung Verkehrsgeltung erlangt hat (ÖBl. 1977, 41 - Shopping in Wien; ÖBl. 1972, 15 - Quelle - u. a.). Für die Abgrenzung, welche Bezeichnungen absolut schutzunfähig sind und welchen bei Verkehrsgeltung eine Schutzfähigkeit nach § 9 Abs. 3 UWG zukommt, müssen - jedenfalls soweit es um die Bezeichnung von Waren und Dienstleistungen geht - dieselben Kriterien herangezogen werden, welche nach § 4 Abs. 1 Z. 2 und 3 MSchG in Verbindung mit § 4 Abs. 2 MSchG fü r die Frage entscheidend sind, in welchen Fällen bei Verkehrsgeltung eine Registrierung als Marke möglich ist. Absolut schutzunfähig auch nach Wettbewerbsrecht sind daher Zeichen, die zur Bezeichnung bestimmter Gattungen von Waren oder Dienstleistungen im Verkehr allgemein gebräuchlich sind; auf sie ist der Geschäftsverkehr zur Bezeichnung der Waren und Dienstleistungen angewiesen, weshalb derartige Wörter nicht zugunsten einer Person monopolisiert werden dürfen. Hingegen können Wörter, die zwar - für sich gesehen - keine Unterscheidungskraft besitzen, sondern ausschließlich Angaben im Sinne des § 4 Abs. 1 Z. 2 MSchG enthalten, bei entsprechender Verkehrsgeltung Schutz nach § 9 Abs. 3 UWG erlangen.
Wendet man diese Grundsätze auf den vorliegenden Fall an, dann ist die Bezeichnung "Rustikal" für Holzlasuren unter der Voraussetzung schutzfähig, daß diese Bezeichnung für die Klägerin Verkehrsgeltung erlangt hat. Hiebei handelt es sich um keine Bezeichnung einer bestimmten Gattung von Ware (hier von Holzlasuren), die durch keinen anderen Ausdruck ersetzt werden könnte, sondern um die Bezeichnung der Beschaffenheit und Bestimmung der damit bezeichneten Waren; hiedurch soll offenbar ausgedrückt werden, daß den mit der Holzlasur behandelten Gegenständen ein rustikales, also ein ländliches bzw. bäuerliches Aussehen vermittelt wird. Das Wort "Rustikal" kann daher bei Verkehrsgeltung zur Kennzeichnung von Holzlasuren der Klägerin Schutzfähigkeit erlangen.
Was aber die Frage der verwechselbaren Ähnlichkeit der Bezeichnungen "Rustikal" und "Rustikana" für gleichartige Produkte von Konkurrenten anlangt, kann auf die Ausführungen der Unterinstanzen verwiesen werden. Den Unterinstanzen ist allerdings beizupflichten, daß die Verkehrsgeltung, bezüglich deren strenge Aufforderungen zu stellen sind (Hohenecker - Friedl a.a.O., 48; ÖBl. 1974, 139 - Wiener Emailmanufaktur - u. a.) bisher nicht hinreichend bescheinigt ist. Die diesbezügliche Bestätigung des Landesinnungsmeisters der Landesinnung für Maler und Anstreicher in Salzburg reicht für sich allein hiezu ebensowenig aus wie der als bescheinigt angenommene Werbeaufwand der Klägerin, zumal ihr Marktanteil ein nicht sehr hoher ist. Vielmehr müßte bescheinigt werden, daß tatsächlich ein nicht unbeträchtlicher Teil der beteiligten Verkehrskreise mit der Bezeichnung "Rustikal" für eine Holzlasur die Vorstellung verbunden hat, daß es sich dabei um ein von der Klägerin vertriebenes Produkt handelt.
Da somit der Anspruch der Klägerin nicht ausreichend bescheinigt ist, war die einstweilige Verfügung gemäß § 390 Abs. 1 EO nur gegen Erlag einer Sicherheitsleistung zu bewilligen. Es erscheint jedoch eine Sicherheitsleistung in der Höhe von 100 000 S vorerst angemessen, zumal der Geschäftsführer der Beklagten in seiner Aussage zwar den durch ein Verbot entstehenden Schaden mit 300 000 S bis 400 000 S beziffert hat, jedoch keinerlei konkrete Unterlagen für diese Schadensberechnung vorlegen konnte. Überdies besteht später immer noch die Möglichkeit einer Erhöhung der Kaution, wenn sie sich als unzureichend herausstellen sollte (SZ 39/32 u. a.).
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