OGH 4Ob36/88

OGH4Ob36/8814.6.1988

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Prof.Dr. Friedl als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Gamerith, Dr. Kodek, Dr. Niederreiter und Dr. Redl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A & M B*** G*** mbH, Wien 23., Maurer Lange Gasse 80, vertreten durch Dr. Manfred Schwindl, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei "E***" Fleischwarenproduktionsgesellschaft mbH, Wien 5., Siebenbrunnengasse 50, vertreten durch Dr. Helmut Neudorfer und Dr. Klaus Griensteidl, Rechtsanwälte in Wien, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Provisorialverfahren S 400.000,--), infolge Revisionsrekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgerichtes vom 7. April 1988, GZ 1 R 66/88-8, womit der Beschluß des Handelsgerichtes Wien vom 29. Februar 1988, GZ 37 Cg 26/88-4, abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei hat die Kosten ihres Revisionsrekurses selbst zu tragen, die klagende Partei hat die Kosten ihrer Revisionsrekursbeantwortung vorläufig selbst zu tragen.

Text

Begründung

Haci Mehmet K*** ist Inhaber der von ihm am 25. September 1984 angemeldeten Wort-Bild-Marke "H***", deren Schutzdauer mit 7. Oktober 1985 begonnen hat. Diese Marke ist für die Klassen 29:

Wurstwaren, Käse- und Milchprodukte, hergestellt nach orientalischen Rezepten, und 30: Feine Backwaren, hergestellt nach orientalischen Rezepten eingetragen. Die Klägerin hat diese Marke während ihrer Zusammenarbeit mit dem Markeninhaber auf Grund einer Vereinbarung vom 10. Dezember 1984 verwendet und damit die von ihr hergestellten Fleisch- und Wurstwaren auf der Verpackung versehen. Am 15. Mai 1987 meldete die Klägerin eine Wort-Bild-Marke mit dem Text "B***'S H*** BEEFSAUSAGES RINDFLEISCHWÜRSTE MADE IN AUSTRIA" an; diese Marke wurde zu Registernummer 117.799, Aktenzeichen AM 1852/87, für die Klasse 29: Wurstwaren aus reinem Rindfleisch, registriert.

Die Klägerin versah noch während der Zusammenarbeit mit Haci Mehmet K*** von ihr produzierte Würste mit dieser für sie seit 21. Oktober 1987 eingetragenen Wort-Bild-Marke. Die Zusammenarbeit wurde von Haci Mehmet K*** mit Ablauf des Jahres 1987 beendet. Die Beklagte wurde am 16. November 1987 im Handelsregister (HRB 38.208 des Handelsgerichtes Wien) eingetragen; der Gesellschaftsvertrag war am 6. November 1987, mit einem Nachtrag vom 12. November 1987, abgeschlossen worden.

In der türkischen Tageszeitung "Hürriyet", die in Frankfurt/Main erscheint und hauptsächlich von den in der Bundesrepublik Deutschland und in Österreich lebenden türkischen Gastarbeitern gelesen wird, erschien am 8. Jänner 1988 ein großformatiges Inserat der Beklagten in türkischer Sprache. Seine Überschrift lautete in deutscher Übersetzung "Schlachtung und Produktion in Österreich unter Einhaltung islamischer Vorschriften". In der nächsten Zeile war sodann zweimal die für Haci Mehmet K*** eingetragene Wort-Bild-Marke "H***" abgebildet; dazwischen wurde besonders hervorgehoben: "5. Jahr". Darunter wurde die Produktpalette mit 17 Artikeln angeführt. Dann hieß es - nach der Übersetzung der Dolmetscherin Mag. Ludmilla Sar (Beilage F) - weiter: "Mit den Fleisch und Fleischwaren der Marke H*** stehen wir nun das 5. Jahr im Dienste unserer geschätzten Kunden. Unter diesem Markennamen wurden erstmals in Österreich Fleisch und Fleischwaren auf den Markt gebracht, die unter Berücksichtigung der islamischen Vorschriften über die Schlachtung der Tiere und Erzeugung der Fleischprodukte verarbeitet werden. Mit einem reichen Angebot an qualitativ noch besseren Produkten stehen wir Ihnen in unserer neuen Fabrik mit einem starken Personalstab gerne zur Verfügung. Für Ihre

Bestellungen wenden Sie sich bitte schriftlich oder telefonisch an:

E*** Fleischwarenproduktionsgesellschaft mbH,

1050 Wien, Siebenbrunnengasse 50,

Telefon: 0222/54 43 54."

Die Beklagte richtete auch ein mit 29. Dezember 1987 datiertes

Schreiben an ihre Kunden, und zwar in türkischer und deutscher

Sprache. Darin hieß es:

"Werte Kunden!

Die Marke H*** gilt seit vier Jahren als einzige Marke von Fleisch und Fleischwaren nach islamischem Ritus in Österreich und arbeitet nach dem Motto: 'Islamische Schlachtung - islamische Produktion'.

Sowohl wegen der Nachfrage als auch um den Bedürfnissen auf diesem Gebiet nachzukommen, freuen wir uns sehr, unseren Kunden H*** Fleischwaren zukommen lassen zu können.

Um Ihnen besser dienen zu können und qualitativ noch hochwertigere Waren herzustellen, werden nunmehr die Fleischwaren unter der Marke H*** in der neuen Produktionsstätte der Firma E*** in 1050 Wien, Siebenbrunnengasse 50, hergestellt.

Unser einziges Ziel in diesem neuen Jahr besteht darin, mit unseren qualitativ hochwertigen Waren und zahlreichen Sorten sowohl Sie als auch Ihre Kunden zufrieden zu stellen und auch Ihre Tagesumsätze zu erhöhen.

Obwohl die Marke H*** die einzige Marke in Österreich ist und unsere Tätigkeit von allen in Österreich befindlichen islamischen Organisationen kontrolliert wird, könnte es sein, daß es Leute gibt, die unter dem Deckmantel der Marke H*** unsere Produkte nachmachen. Aus diesem Grund möchten wir Sie höflichst ersuchen, auf unsere Marke H*** mit Minaretten und die Produktionsfirma E*** zu achten.

Gesellschafter und Koordinator

H. Mehmet K***"

Mit der Behauptung, daß die Werbeaussagen der Beklagten unrichtig seien und dazu dienten, sich "den Bonus der Tradition zu erschleichen", der in Wahrheit der Klägerin zukomme, begehrt diese zur Sicherung ihres inhaltsgleichen Unterlassungsanspruches, der Beklagten mit einstweiliger Verfügung zu verbieten, im geschäftlichen Verkehr wahrheitswidrig zu behaupten, sie sei seit mehreren Jahren die Erzeugerin der nach islamischen Vorschriften hergestellten und unter der Bezeichnung H*** vertriebenen Fleisch- und Wurstwaren, wenn in Wahrheit die Klägerin diese Fleisch- und Wurstwaren bis zum Jahresende 1987 allein erzeugt habe und heute noch erzeuge.

Die Beklagte beantragte die Abweisung des Sicherungsantrages. Sie sei unter Mitwirkung der in Wien bestens bekannten Firma Josef Z*** gegründet worden, weil damit erstmals sichergestellt sei, daß die notwendige ständige Produktionstrennung, die die Klägerin dem Inhaber der Marke H*** zugesagt, aber nicht eingehalten habe, nunmehr tatsächlich erfolge. Der Hinweis auf die Marke "H***" sei sachlich und rechtlich in jeder Hinsicht gerechtfertigt. Da das Know-how der Beklagten von K*** stamme, sei der Inseratentext nicht wettbewerbswidrig.

Der Erstrichter wies den Antrag auf Erlassung der einstweiligen Verfügung ab. Auf Grund des eingangs wiedergegebenen bescheinigten Sachverhalts folgerte er rechtlich, daß die Beklagte nicht gegen § 2 UWG verstoßen habe, weil sie nicht behauptet habe, selbst seit Jahren Erzeugerin von Fleisch- und Wurstwaren zu sein; sie habe nur darauf hingewiesen, daß die Waren seit Jahren unter der Marke "H***" vertrieben worden seien. Inhaber der Marke sei nicht die Klägerin, sondern Mehmet K***.

Das Rekursgericht erließ die beantrage einstweilige Verfügung und sprach aus, daß der Wert des Beschwerdegegenstandes S 300.000,-- übersteige. Die vom Erstrichter auf Grund der Übersetzung des Inserates vom 8. Jänner 1988 (Beilage F) als bescheinigt angenommene Werbebehauptung der Beklagten, sie stehe mit der Fleisch und Fleischwarenmarke H*** nun das 5. Jahr im Dienst ihrer geschätzten Kunden, werde im Zusammenhang mit dem Firmenwortlaut der Beklagten ("F***H***") vom angesprochenen Publikum

zweifellos dahin ausgelegt, daß die Beklagte das 5. Jahr Fleisch und Fleischwaren produziere und unter der Marke H*** auf den Markt bringe. Die von der Beklagten vorgelegte Übersetzung des Inserates (Beilage 12) vermittle im übrigen den gleichen Eindruck. Der Text des Inserates stelle nicht ausreichend klar, daß die unter der Marke "H***" vertriebenen Produkte bisher von einem anderen Unternehmen hergestellt worden seien. Die Beklagte habe damit zur Irreführung geeignete Angaben über geschäftliche Verhältnisse gemacht (§ 2 UWG); sie habe den unrichtigen Eindruck erweckt, daß sie bereits seit Jahren Fleischwaren produziere, die nach islamischen Vorschriften hergestellt würden. Dadurch komme das angesprochene Publikum zu der unrichtigen Vorstellung, daß die Beklagte die Vorzüge eines bereits eingeführten Unternehmens aufweise, die ein neu gegründetes Unternehmen in der Regel nicht habe, insbesondere im Zusammenhang mit langjähriger Erfahrung bei der Herstellung und mit der Bewährtheit der Produkte. Diese Irreführung sei geeignet, den Kaufentschluß des angesprochenen Publikums zu beeinflussen. Gegen diesen Beschluß wendet sich der Revisionsrekurs der Beklagten mit dem Antrag, den Beschluß des Erstrichters wiederherzustellen.

Die Klägerin beantragte, dem Rechtsmittel nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist nicht berechtigt.

Nach Meinung der Beklagten sei ihr Inserat - selbst in der vom Erstrichter für richtig gehaltenen Übersetzung Beilage F - deshalb keine zur Irreführung geeignete Angabe, weil den angesprochenen fachkundigen Verkehrskreisen - türkische Lebensmittelhändler, türkische Imbißinhaber in islamischen Vereinen und türkische Gasthausbetriebe - auf Grund der Tätigkeit des Markeninhabers bekannt sei, daß die Wort-Bild-Marke "H***" als Synonym für reine, nach islamischen Vorschriften hergestellte Wurstwaren stehe und in Verbindung mit der Person des Haci Mehmet K*** die Einhaltung der einschlägigen Glaubensvorschriften garantiere.

Diese Ausführungen gehen am Kern der Sache vorbei, liegt doch der gegen die Beklagte erhobene Vorwurf darin, sie habe den unrichtigen Eindruck erweckt, daß sie selbst das 5. Jahr Fleischwaren der Marke H*** nach islamischen Vorschriften erzeuge. Daß ihr Inserat in der von der Klägerin vorgelegten Übersetzung nicht geeignet wäre, eine solche Ansicht hervorzurufen, behauptet die Beklagte selbst nicht. Keinem Zweifel kann es dabei - entgegen der Meinung des Erstrichters - unterliegen, daß die Beklagte sich als Erzeugerin von Fleischwaren vorgestellt hat; sie spricht in dem Inserat von der Produktion solcher Waren, führt ihre Produktpalette an und weist auf ihre neue Fabrik hin.

Das Rekursgericht hat allerdings die Beweisrüge der Beklagten, wonach die den Feststellungen des Erstrichters zugrunde liegende Übersetzung Beilage F unrichtig sei und das Inserat wie in Beilage 12 zu übersetzen wäre, aus rechtlichen Gründen ungeprüft gelassen. Nach der von der Beklagten vorgelegten Übersetzung hätte der letzte Absatz des Inserates folgenden Wortlaut:

"Werte Kunden, die Marke H***, die in Österreich erstmals unter der Devise 'Islamische Schlachtung und islamische Produktion' auf den Markt kam, befindet sich in ihrem 5. Geschäftsjahr. Mit unserer neuen Produktionshalle und einem starken Team stehen wir mit noch qualitätsbezogeneren und reichhaltigeren Produkten weiterhin zu Ihren Diensten. Wir erwarten Ihre Bestellung unter der unten angeführten Telefonnummer und Anschrift."

Ginge man von dieser Übersetzung aus, dann hätte die Beklagte zwar in der Tat nicht ausdrücklich erklärt, daß sie mit den Fleischwaren der Marke H*** das 5. Jahr im Dienste der Kunden stehe; dem Rekursgericht ist aber darin beizupflichten, daß ein Inserat dieses Wortlautes im Zusammenhang mit der - nach beiden Übersetzungen im wesentlichen gleichen - Überschrift dahin verstanden werden kann, daß die Beklagte selbst das 5. Jahr Fleisch auf islamische Weise produziere. Wenn in der in die Augen fallenden Überschrift das 5. Jahr der islamischen Schlachtung und islamischen Produktion in Österreich hervorgehoben wird, dann liegt es durchaus nahe, dies auf die Beklagte, deren Firma sich unterhalb der Anzeige befindet, zu beziehen, zumal diese betont, sie werde weiterhin den Kunden zu Diensten stehen. Damit wird aber, weil die Beklagte in Wahrheit erst seit wenigen Monaten besteht, ein unrichtiger Eindruck hervorgerufen. Zur Irreführung im Sinne des § 2 UWG ist jedoch eine Werbeangabe auch dann geeignet, wenn sie sachlich richtig ist, ihr aber dennoch etwas Unwahres entnommen werden kann; bei der Prüfung dieser Frage kommt es auf den Eindruck an, der sich für den Durchschnittsinteressenten bei flüchtiger Wahrnehmung ergibt (ÖBl 1984, 70 mwN).

Der Beklagten kann auch darin nicht gefolgt werden, daß ein Irrtum über das mehrjährige Bestehen der Beklagten unerheblich wäre. Nach ständiger Rechtsprechung muß der durch eine Ankündigung im Sinn des § 2 UWG erweckte unrichtige Eindruck geeignet sein, den Entschluß des angesprochenen Interessenten, sich mit dem Angebot näher zu befassen, irgendwie zugunsten dieses Angebotes zu beeinflussen; zwischen dem Umstand, daß die durch die Wettbewerbshandlung bei ihm hervorgerufene Vorstellung nicht den Tatsachen entspricht, und dem Entschluß, sich mit dem Angebot zu befassen, muß ein Zusammenhang bestehen. Eine Angabe verstößt demnach nur dann gegen § 2 UWG, wenn sie der Geschäftsverkehr als wesentlich ansieht und die durch sie erweckte, mit dem tatsächlichen Sachverhalt nicht übereinstimmende Erwartung mit dem Entschluß des Interessenten zusammenhängt, sich mit dem Angebot zu befassen, insbesondere die angebotene Ware zu kaufen oder die angebotene Leistung in Anspruch zu nehmen; gerade der unrichtige Eindruck muß die Kauflust eines nicht ganz unbeträchtlichen Teils des angesprochenen Publikums irgendwie beeinflussen (ÖBl 1987, 18 mwN).

Diese Voraussetzung liegt aber hier vor:

Für das angesprochene Publikum ist es keineswegs bedeutungslos, ob die nach bestimmten Vorschriften hergestellten Waren von einem erst neu gegründeten oder von einem seit Jahren tätigen Unternehmen angeboten werden, kann doch dem älteren Unternehmen eine entsprechend größere Erfahrung zugebilligt werden. Ein längeres Bestehen eines Unternehmens beweist auch seine wirtschaftliche Leistungskraft, Zuverlässigkeit und Solidität sowie die Wertschätzung innerhalb des Kundenkreises (Baumbach-Hefermehl, Wettbewerbsrecht15 Rz 392 zu § 3 dUWG).

Der durch die Werbeaussage der Beklagten hervorgerufene Irrtum, sie selbst erzeuge seit mehreren Jahren Fleischwaren nach islamischen Vorschriften, ist weder deshalb unerheblich, weil durch die Beteiligung des Markeninhabers K*** sichergestellt sei, daß die Produktion tatsächlich nach diesen Vorschriften erfolge, noch deshalb, weil er der Hauptgesellschafter der Beklagten ein alteingesessenes Fleischwarenunternehmen ist; alle diese Beteiligungen können die Erfahrung des Mitarbeiterstabes auf dem Gebiet der Fleischproduktion nach islamischen Vorschriften nicht ersetzen. Dem Irrtum über das Alter der Beklagten kann jedenfalls nicht die Eignung abgesprochen werden, die Entscheidung von Interessenten zugunsten des Angebotes der Beklagten zu beeinflussen. Diese Erwägungen führen zur Bestätigung des angefochtenen Beschlusses.

Der Ausspruch über die Rechtsmittelkosten der Beklagten gründet sich auf die §§ 40, 50, 52 ZPO iVm §§ 78, 402 Abs 2 EO, jener über die Kosten der Klägerin auf § 393 Abs 1 EO.

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