Normen
Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb §9
Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb §9
Spruch:
Schutzfähigkeit der für Herrenoberbekleidung verwendeten Bezeichnung "Formtreu" bei Nachweis der Verkehrsgeltung.
"Formtreu" und "Formfest" verwechselbar ähnlich.
Entscheidung vom 22. Dezember 1959, 4 Ob 360/59.
I. Instanz: Handelsgericht Wien; II. Instanz: Oberlandesgericht Wien.
Text
Die Klägerin erzeugt und vertreibt Herrenoberbekleidung. Sie ist Inhaberin einer am 9. Februar 1956 in das österreichische Markenregister eingetragenen Wortbildmarke. Den Hauptbestandteil dieser für Herrenoberbekleidung bestimmten Marke, nämlich die in einem visitkartenähnlichen Parallelogramm stehende, auf der zweiten Silbe besonders unterstrichene Wortverbindung "Formtreu", sowie diese Bezeichnung selbst verwendet die Klägerin in ihrer umfangreichen Werbung mit dem Hinweis auf den Alleinverkauf ihrer Ware in Österreich. Für diese Werbung hat die Klägerin in der Zeit vom Jahre 1955 bis Oktober 1958 insgesamt 1.700.000 S aufgewendet.
Die mit der Klägerin im Wettbewerb stehende Beklagte ist Inhaberin einer am 14. Juni 1957 in das österreichische Markenregister eingetragenen Wortbildmarke. Diese kreisrunde Marke mit schrägen grauen Streifen als Untergrund enthält die ringförmige, zwei in der Mitte befindliche, nicht auf gleicher Höhe stehende, rote Buchstaben F umschließende Beschriftung: "Garantiezeichen-Formfest". Die Beklagte hat für die um die Jahreswende 1956/57 beginnende Werbung für ihre "Formfest"-Kleidung mit dem Hinweis auf den Alleinverkauf ihrer Ware in Österreich bis Ende Juni 1958 zirka 500.000 S bis 600.000 S aufgewendet. Sie vertreibt in ihrer Zentrale und in ihren Filialen nur die von ihr selbst erzeugten Waren (Oberbekleidung), die sie mit einer besonderen, ihrer Marke entsprechenden Etikette versieht.
Eine andere, nicht genannte Firma verwendet eine Qualitätsetikette mit der Bezeichnung "Formbeständig".
Die Klägerin begehrt wegen der durch den beiderseitigen Gebrauch des Hinweises "Alleinverkauf in Österreich" noch erhöhten Verwechselbarkeit der von der Beklagten gebrauchten Bezeichnung "Formfest" bzw. "Formfest-Kleidung" mit ihrer den Hauptbestandteil ihrer Wortbildmarke bildenden Bezeichnung "Formtreu", die Beklagte schuldig zu erkennen, die Bezeichnung "Formfest"-Kleidung in Werbeverlautbarungen bzw. Werbeankündigungen sowie die Anbringung der Bezeichnung "Formfest" auf den in ihren Geschäften geführten Herrenoberbekleidungsartikeln zu unterlassen. Sie stellt ferner das Eventualbegehren, die Beklagte schuldig zu erkennen, die Bezeichnung "Formfest"-Kleidung unter gleichzeitigem Hinweis auf den Alleinverkauf in Österreich in Werbeverlautbarungen bzw. Werbeankündigungen zu unterlassen.
Das Erstgericht wies das Haupt- und das Eventualunterlassungsbegehren der Klägerin mangels Verwechselbarkeit der Bezeichnungen "Formfest" und "Formtreu" ab. Zusätzlich verneinte das Erstgericht das Bestehen einer Verkehrsgeltung für die von der Klägerin im geschäftlichen Verkehr verwendete Bezeichnung "Formtreu". Daß sich der Ausdruck "Formtreu" aus einer Beschaffenheitsangabe zu einer anerkannten Herkunftsangabe umgewandelt habe, sei nicht erwiesen. Der zugezogene Markt- und Meinungsforscher Ing. B. komme zwar zu dem Ergebnis, daß zumindest in Wien die Wortbildmarke der Klägerin mit der Bezeichnung "Formtreu" Verkehrsgeltung erlangt habe, weil von der Wiener Bevölkerung diese Wortbildmarke zu 44% und der Ausdruck "Formtreu" allein zu 16% richtig assoziiert würden. Auf die Verkehrsgeltung der Wortbildmarke komme es aber überhaupt nicht an. Wenn 16% der beteiligten Wiener Verkehrskreise die Bezeichnung "Formtreu" richtig assoziiert hätten, reiche dies für die Annahme einer Verkehrsgeltung nicht aus. Der von der Beklagten ebenfalls verwendete Hinweis "Alleinverkauf in Österreich" sei bedeutungslos.
Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil mit folgender Begründung:
Grundsätzlich könnten nur kennzeichnungsfähige und unterscheidungskräftige Unternehmens- und Warenkennzeichen einen Schutz vor gleichen oder ähnlichen Kennzeichen eines anderen Unternehmens beanspruchen. Ob die nach Ansicht der Klägerin eigentümliche, vom normalen Sprachgebrauch abweichende Wortverbindung "Formtreu" dieser Grundvoraussetzung für die Beanspruchung eines Schutzes entspreche und ob diese in einer Wortbildmarke der Klägerin enthaltene Bezeichnung unabhängig von diesem Markenrecht infolge der eigenen Verkehrsanerkennung eines selbständigen Schutzes teilhaftig werden könne oder geworden sei, brauche dann nicht weiter untersucht zu werden, wenn es im vorhinein an einer weiteren Voraussetzung für den Schutz eines Unternehmens- oder Warenkennzeichens, nämlich der Verwechselbarkeit der beiden zu vergleichenden Bezeichnungen, fehle. § 9 UWG. verlange ausnahmslos diese Voraussetzung. Diese Kernfrage habe das Erstgericht erkannt und richtig gelöst. Die Wortbildmarken der beiden Parteien seien bei dem auf dem Gesamteindruck abzustellenden Ähnlichkeitsvergleich nicht verwechselbar ähnlich. Die darin vorkommenden Wortverbindungen "Formtreu" und "Formfest" seien es - losgelöst von dem übrigen Markenbild - ebenfalls nicht. Die beiden zu vergleichenden Wortverbindungen stimmten nur in der ersten Silbe überein. Bei der zweiten Silbe, auf welche die Klägerin bei ihrer Bezeichnung durch zusätzliches Unterstreichen und auch sonst besonderen Wert lege, bestehe keine Übereinstimmung oder Ähnlichkeit. Beide Bezeichnungen wiesen auf die sicherlich sehr erwünschte Qualität eines verarbeiteten Stoffes hin, seine Form trotz des Gebrauches des Kleidungsstückes gar nicht oder nur wenig zu verändern. Der Ausdruck einer solchen Qualität erfordere irgendwie die Bezugnahme auf die erhaltene "Form" des Stoffes, so daß ein solcher Ausdruck im vorhinein nicht für ein Unternehmen monopolisiert werden könne. Es sei nicht verwunderlich, daß auch noch andere Unternehmer eine derartige Qualitätsbeschaffenheit des von ihnen erzeugten oder vertriebenen Stoffes durch Verwendung des Wortes "Form" ausdrückten (so etwa "Formbeständig"). Jedenfalls handle es sich bei allen das Wort "Form" enthaltenden, hier speziell das Nichtverdrücken eines Stoffes ausdrückenden Wortverbindungen um sogenannte schwache Zeichen. Bei solchen genügten schon geringfügige Abweichungen der damit zu vergleichenden Bezeichnung, um die Verwechselbarkeit auszuschließen. Da die zweiten Silben der beiden zu vergleichenden Wortverbindungen völlig verschieden seien, habe das Erstgericht mit Recht die Verwechselbarkeit verneint. Auch bei Bestehen einer Verkehrsanerkennung der Bezeichnung "Formtreu" - die von der Klägerin übrigens nicht für ganz Österreich, sondern nur für ein räumlich beschränktes Gebiet beansprucht werde - hätten das Haupt- und das Eventualunterlassungsbegehren der Klägerin keinen Bestand. Zu der vom Erstgericht nur zusätzlich und der Vollständigkeit halber behandelten Frage der Verkehrsgeltung der klägerischen Bezeichnung in Wien brauche daher nicht weiter Stellung genommen zu werden.
Unbestritten sei, daß die Beklagte in ihren Geschäften nur ihre eigenen Erzeugnisse vertreibe. Der von ihr im Zusammenhang mit der Werbung für die "Formfest"-Kleidung gebrauchte Hinweis auf den Alleinverkauf ihrer Ware in Österreich sei daher nicht unrichtig. Er sei aber auch nicht allein oder in Verbindung mit der übrigen Werbung der Beklagten im Sinne des § 1 UWG. wettbewerbswidrig. Jedem Unternehmer stehe es frei, einen solchen im Geschäftsverkehr vielfach üblichen und daher bei einer noch so umfangreichen und intensiven Reklame der Klägerin für sie keineswegs monopolisierbaren Hinweis in der Werbung dann zu verwenden, wenn er den Tatsachen entspreche. Wenn daher die Beklagte diesen allein überhaupt nicht unterscheidungskräftigen, ihrer Vertriebsform entsprechenden Hinweis in Verbindung mit der Bezeichnung "Formfest" reklamemäßig verwende, welcher Ausdruck sich von der von der Klägerin gebrauchten Qualitätsbezeichnung "Formtreu" nicht verwechselbar abhebe, so könne von einer wettbewerbswidrigen Anlehnung oder Kopierung des Werbespruches der Klägerin nicht gesprochen werden.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Klägerin Folge, hob das Urteil des Berufungsgerichtes auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung an das Berufungsgericht zurück.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Die Ansicht der Untergerichte, daß es sich bei den Bezeichnungen "Formtreu" und "Formfest" nur um eine Beschaffenheitsangabe ohne besondere charakteristische Note handle, ist zutreffend. Die Bezeichnungen stellen zwar keine allgemein gebräuchlichen Wörter der Umgangssprache dar, sondern sind Wortbildungen, die gekünstelt wirken und bei genauerer Betrachtung nicht ganz dasjenige bedeuten, was sie ausdrücken sollen. Insbesondere ist der auf das innere Verhalten von Menschen zugeschnittene Begriff der Treue bei der Bezeichnung der Beständigkeit von Kleiderstoffen ungewöhnlich. Es kann daher nicht gesagt werden, daß der Gebrauch der beiden in Frage stehenden Wörter ein allgemeiner wäre und deshalb dem Publikum unter allen Umständen freigehalten werden müßte.
Eine charakteristische Note kommt den Bezeichnungen aber deshalb nicht zu, weil die Wortbestandteile "Form" und "treu" bzw. "fest" erkennbar auf die behauptete Eigenschaft der von den Parteien erzeugten Herrenbekleidung hinweisen, die ihr im neuen Zustand gegebene elegante Form beständig zu bewahren. Darüber hinaus lassen die Bezeichnungen einen Hinweis auf die Firma, die individuelle Erzeugungsart, eine besondere Erfindung u. dgl. vermissen.
Wenngleich die Klägerin das Wort "Formtreu" für sich als Marke hat registrieren lassen, muß wegen der jedenfalls geringen Kennzeichnungskraft der Wortverbindung der ihr zu gewährende Schutz einschränkend beurteilt werden.
Die Verwechselbarkeit der Bezeichnungen "Formtreu" und "Formfest" muß indessen entgegen der Meinung des Berufungsgerichtes auch dann bejaht werden, wenn ein strenger Maßstab angelegt wird. Wie die Klägerin mit Recht ausgeführt hat, kommt es bei der Beurteilung auf das flüchtige Erinnerungsbild des Durchschnittskäufers an, der in der Regel nur die eine Bezeichnung vor sich hat und diese mit jenem flüchtigen Eindruck vergleicht. Der äußerliche Anblick der beiden Wortbildungen ist sehr ähnlich, weil der erste Wortteil "Form" völlig übereinstimmt und die angehängten Adjektiva "treu" bzw. "fest" gleich lang sind. Der sich einprägende Sinn der Formbeständigkeit geht bei beiden Wörtern in gleicher Weise hervor, wobei die ursprünglich verschiedene Bedeutung der Wörter "treu" und "fest" gerade durch die Zusammensetzung mit dem Wort "Form" und der dadurch hervorgerufenen Assoziation mit dem eleganten Aussehen auf den gleichen Sinn der Formbeständigkeit zusammenschmilzt. Das Bild der eingetragenen Marken spielt demgegenüber eine untergeordnete Rolle.
Mit Rücksicht darauf, daß die Verwechselbarkeit der in Frage stehenden Bezeichnungen vorliegt, ist der klagenden Partei beizustimmen, daß das Verfahren des Berufungsgerichtes mangelhaft geblieben ist. Es wäre nämlich auf die schon vom Erstgericht behandelte Frage einzugehen gewesen, ob das an sich nicht unterscheidungskräftige Zeichen der klagenden Partei dadurch schutzfähig geworden ist, daß es Verkehrsgeltung erlangt hätte. Träfe dies nämlich zu, könnte der Gebrauch der Bezeichnung "Formfest" durch die beklagte Partei als mißbräuchliche Benützung einer der klagenden Partei zustehenden besonderen Bezeichnung im Sinne des § 9 UWG. angesehen und dieser Abhilfe geboten werden.
Da diese Frage nicht geprüft worden ist, mußte das Urteil des Berufungsgerichtes aufgehoben und die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden.
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