OGH 4Ob32/85

OGH4Ob32/8519.3.1985

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.Prof. Dr. Petrasch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Friedl und Dr. Kuderna sowie als Beisitzer Komm.Rat. Dr. Scheiner und Johann Herzog als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Alois E***, Journalist, Salzburg, Aspergasse 27, vertreten durch Dr. Rudolf Bruckenberger, Rechtsanwalt in Salzburg, wider die beklagte Partei Georg A, Kaufmann, Salzburg, Aignerstraße 9, vertreten durch Dr. Günther Stanonik, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen 423.028,10 S s.A. (Streitwert im Revisionsverfahren S 307.812,30), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Salzburg als Berufungsgerichtes in arbeitsgerichtlichen Rechtsstreitigkeiten vom 29. Oktober 1984, GZ 31 Cg 48/84-20, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Arbeitsgerichtes Salzburg vom 12. März 1984, GZ Cr 446/83-14, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 11.278,80

bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin sind S 1.920,-- an Barauslagen und S 850,80 an Umsatzsteuer enthalten) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger begehrt vom Beklagten, seinem ehemaligen Arbeitgeber, zuletzt die Zahlung eines Betrages von S 347.424,-- s.A. an Abfertigung und von S 18.792,30 s.A. an Gehalt für den Monat Juni 1983. Zur Begründung bringt er im wesentlichen vor, sein Arbeitsverhältnis sei während eines - inzwischen aufgehobenen - Konkursverfahrens vom Masseverwalter zum 30. Juni 1983 - mit nachträglicher Zustimmung des Invalidenausschusses - rechtswirksam aufgelöst worden. Dem Kläger stehe noch der Gehalt für den Monat Juni 1983 sowie die vertraglich vereinbarte Abfertigung in der Höhe eines Jahresbezuges zu.

Der Beklagte beantragte Klagsabweisung. Er bestritt die vom Kläger behauptete Vereinbarung einer das gesetzliche Ausmaß übersteigenden Abfertigung. Er habe wohl zwei Jahre nach Beginn des Arbeitsverhältnisses über Drängen des Klägers eine Urkunde über eine derartige Vereinbarung unterfertigt, weil dieser sie allenfalls einem Fonds oder Pensionsfonds habe vorlegen wollen, falls er 'früher ausscheiden sollte'. Der Beklagte habe aber die Urkunde dem Kläger nicht ausgefolgt. Dieser habe die Herausgabe der Urkunde von der Ehegattin des Beklagten nach Eröffnung des Konkursverfahrens gegen das Anbot einer Zahlung von S 120.000,-- erwirkt. Der Beklagte habe von dieser Herausgabe keine Kenntnis gehabt. Da der Masseverwalter den Kläger fristgerecht zum 31. Mai 1983 gekündigt habe, stehe dem Kläger auch ein Anspruch auf den Gehalt für den Monat Juni nicht zu.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren zur Gänze statt. Es nahm eine Vereinbarung der Parteien über eine Abfertigung in der Höhe eines Jahresbezuges sowie eine rechtswirksame Kündigung des Klägers durch den Masseverwalter gemäß dem § 25 KO zum 30. Juni 1983 als erwiesen an und sprach dem Kläger die hiefür begehrten Beträge zu. Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung zwar - soweit es für das Revisionsverfahren noch von Bedeutung ist - im Umfang des Zuspruches eines Betrages von S 57.904,-- s.A. (das ist die gesetzliche Abfertigung in der Höhe von zwei Monatsentgelten), änderte sie aber im übrigen dahin ab, daß es das Mehrbegehren von S 307.812,30 samt Anhang (Abfertigung in der Höhe von zehn Monatsbezügen und Gehalt für den Monat Juni 1983) abwies. Es führte das Verfahren gemäß dem § 25 Abs 1 Z 3 ArbGG neu durch und traf folgende wesentliche Feststellungen:

Die Parteien haben im Zuge ihrer Vertragsverhandlungen über eine Abfertigung des Klägers, insbesondere über einen Abfertigungsanspruch, der das gesetzliche Ausmaß übersteigt, nicht gesprochen. Der Kläger hat dem Beklagten gegenüber auch einen sogenannten 'Jahresvertrag' nicht erwähnt. Im Herbst 1981 bat der Kläger die Ehegattin des Beklagten, sie möge diesen dazu bewegen, einen 'von ihm' (das ist der Kläger) seinerzeit auf altem Briefpapier geschriebenen, rückdatierten 'Dienstzettel' zu unterfertigen. Der Kläger berief sich bei diesem Gespräch nicht etwa auf eine bereits bestehende Vereinbarung. Er erklärte vielmehr, daß die Möglichkeit bestehe, 'zu einem Geld zu kommen, das von einem Fonds ausbezahlt werde', sollte der Firma des Beklagten 'etwas passieren'; dem Beklagten würden daraus keine Verpflichtungen erwachsen. Zwischen den Prozeßparteien ist es nicht zu einer Aussprache über den Inhalt des vom Kläger verfaßten Schriftstückes gekommen. Der Beklagte lehnte zunächst (seiner Ehegattin gegenüber) die Unterfertigung ab, unterschrieb aber schließlich hauptsächlich auf Drängen seiner Ehefrau. Er trug dieser aber auf, die (unterfertigte) Urkunde zu verwahren und dem Kläger nicht auszufolgen. Diesen Auftrag erteilte er seiner Ehegattin gerade deshalb, damit eine Verpflichtung aus der Urkunde nicht entstehe; er wollte keine Verpflichtung eingehen, war aber bereit, dem Kläger in dem Ausmaß entgegenzukommen, in welchem ihm (dem Beklagten) keine Verpflichtung entstünde, sondern nur 'einem Fonds'. Dem Kläger war der Auftrag des Beklagten, die Urkunde ihm nicht auszufolgen, bekannt. Nach Eröffnung des Ausgleichsverfahrens erwirkte er die Herausgabe dieser Urkunde von der Ehegattin des Beklagten; er wußte, daß diese ihm die Urkunde ohne Wissen und Zustimmung des Beklagten herausgab.

Der Masseverwalter im Konkurs des Beklagten kündigte das Arbeitsverhältnis des Klägers mit Schreiben vom 7. März 1983 'innerhalb der in der Konkursordnung vorgesehenen 30-tägigen Frist' auf. Er führte in diesem Schreiben weder einen Kündigungstermin noch eine Kündigungsfrist an. Mit Schreiben vom selben Tag beantragte er die (nachträgliche) Zustimmung des zuständigen Invalidenausschusses zu der vorerwähnten Kündigung. Dieser Ausschuß stimmte der Kündigung mit Bescheid vom 22. März 1983 zu, ohne im Spruch dieses Bescheides einen Kündigungstermin oder eine Kündigungsfrist anzuführen. Lediglich in der Begründung des Bescheides wird erwähnt, daß infolge Unterganges des Betriebes dem Begehren des Masseverwalters auf nachträgliche Genehmigung der am 7. März 1983 per 30. Juni 1983 ausgesprochenen Kündigung zuzustimmen sei.

Das Berufungsgericht vertrat die Rechtsauffassung, dem Kläger stehe mangels jeglicher Vereinbarung über eine das gesetzliche Ausmaß übersteigende Abfertigung nur der gesetzliche Abfertigungsanspruch in der Höhe von zwei Monatsentgelten zu. Die vom Masseverwalter gemäß dem § 25 KO vorgenommene Vertragsauflösung sei unter Einhaltung der für den Kläger gemäß dem § 20 Abs 2 AngG unter Bedachtnahme auf seine Dienstzeit geltenden gesetzlichen Kündigungsfrist von zwei Monaten fristgerecht erfolgt. Da der Masseverwalter bei dieser Auflösungsart an einen Kündigungstermin nicht gebunden gewesen sei, wirke die am 7. März 1983 ausgesprochene Kündigung zum 31. Mai 1983. Der nicht im Spruch, sondern nur in der Begründung des Bescheides des Invalidenausschusses erwähnte Beendigungstermin werde von der Rechtskraftwirkung des Bescheides nicht erfaßt und beruhe auf einer unrichtigen Rechtsauffassung des Ausschusses.

Gegen den abweislichen Teil dieser Entscheidung richtet sich die aus den Gründen der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens, der 'unrichtigen Sachverhaltsfeststellung' und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung erhobene Revision des Klägers mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im Sinne einer Wiederherstellung des erstgerichtlichen Urteils abzuändern. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Beklagte beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Der Anfechtungsgrund der Mangelhaftigkeit des Verfahrens liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO).

Der Revisionsgrund der 'unrichtigen Sachverhaltsfeststellung', mit dem der Kläger ausschließlich die Beweiswürdigung des Berufungsgerichtes bekämpft, ist mangels Anführung dieses Anfechtungsgrundes im § 503 ZPO dem Revisionsverfahren fremd, so daß diese unzulässigen Ausführungen des Klägers unbeachtlich sind. In der Rechtsrüge vertritt der Kläger weiterhin die Auffassung, die Unterfertigung des von ihm verfaßten Schreibens über die Vereinbarung einer Abfertigung durch den Beklagten sei eine rechtsgeschäftliche Verpflichtungserklärung. Da dem Kläger vom Beklagten oder dessen Ehegattin nicht mitgeteilt worden sei, daß die Unterlassung der Ausfolgung der Urkunde an ihn die Rechtsunwirksamkeit der Unterschrift des Beklagten bedeuten solle, komme dieser Unterlassung keine rechtserhebliche Bedeutung zu. Dieser Auffassung kann nicht zugestimmt werden. Der Revisionswerber übersieht die für den Obersten Gerichtshof bindende Feststellung des Berufungsgerichtes, daß anläßlich der Vertragsverhandlungen nicht einmal ein Gespräch - geschweige denn eine Vereinbarung - über einen das gesetzliche Ausmaß übersteigenden Abfertigungsanspruch des Klägers zwischen den Parteien geführt wurde und daß ferner der Kläger der Ehegattin des Beklagten gegenüber eine derartige bestehende Vereinbarung nicht nur nicht erwähnte, sondern darauf hinwies, er könnte dieses Geld 'von einem Fonds' (gemeint war offenbar der Insolvenz-Ausfallgeld-Fonds) erhalten, wenn der Firma etwas passiere; dem Beklagten würden daraus keine Verpflichtungen erwachsen. Da nach den Feststellungen des Berufungsgerichtes der Beklagte keine Verpflichtung eingehen wollte, sondern das Schreiben des Klägers nur deshalb unterschrieb, damit dieser allenfalls von 'einem Fonds' etwas erhalte, ist die für eine Vereinbarung erforderliche Willensübereinstimmung (§ 861 ABGB) nicht zustandegekommen. Die Urkunde sollte nach den Feststellungen ganz offenbar dem (rechtswidrigen) Zweck dienen, dem genannten Fonds gegenüber einen - in Wahrheit gar nicht bestehenden - Anspruch vorzutäuschen. Da nicht der Beklagte, sondern dessen Ehegattin ohne sein Wissen dem die Vollmachtsüberschreitung kennenden Kläger das erwähnte Schreiben ausgefolgt hat, liegt auch eine nachträgliche schlüssige Zustimmung des Beklagten nicht vor. Der Unterfertigung des Schreibens durch den Beklagten kommt daher keine rechtserhebliche Bedeutung im Sinne einer Willenserklärung zu. Daraus folgt, daß dem Kläger unter Bedachtnahme auf seine zwar drei Jahre, aber nicht fünf Jahre übersteigende Dienstzeit ein Abfertigungsanspruch nur im gesetzlichen Ausmaß von zwei Monatsentgelten zusteht. Das Berufungsgericht hat das Mehrbegehren auf weitere zehn Monatsentgelte mit Recht abgewiesen. Der Revision kann aber auch in ihren Ausführungen zum Anspruch des Klägers auf den Gehalt für den Monat Juni 1983 nicht zugestimmt werden. Soweit der Revisionswerber von einer Kündigung zum 30. Juni 1983 ausgeht, verläßt er die für den Obersten Gerichtshof bindenden, auf dem Kündigungsschreiben, dem an den Invalidenausschuß gerichteten schriftlichen Antrag des Masseverwalters und dessen Zeugenangaben beruhenden Feststellungen des Berufungsgerichtes, wonach der Masseverwalter unter Hinweis auf den § 25 KO ('innerhalb der in der KO vorgesehenen 30-tägigen Frist') den Kläger ohne Anführung einer Kündigungsfrist oder eines Kündigungstermines gekündigt hat. Eine solche Anführung ist für eine Kündigungserklärung auch nicht notwendig (Martinek-Schwarz, AngG 6 , 390 f., mwH; Floretta in Arbeitsrecht I 2 , 191, mwH). Die Kündigung wirkte daher zu dem Zeitpunkt, zu dem der Masseverwalter nach dem § 25 KO das Arbeitsverhältnis auflösen konnte. Sieht man zunächst vom besonderen gesetzlichen Kündigungsschutz des Klägers nach dem Invaliden-Einstellungsgesetz ab, konnte der Masseverwalter, ohne an einen bestimmten Kündigungstermin gebunden zu sein (Arb. 9128, 9748, 9857, jeweils mwH), das Arbeitsverhältnis des Klägers unter Einhaltung der gesetzlichen Kündigungsfrist (eine davon abweichende kollektivvertragliche oder eine zulässigerweise vereinbarte kürzere Frist wurde nicht behauptet) auflösen. Da der Kläger eine Dienstzeit von zwei Jahren, nicht aber eine solche von fünf Jahren vollendet hatte, betrug die Kündigungsfrist gemäß dem § 20 Abs 2 AngG zwei Monate.

Die Rechtswirksamkeit dieser Kündigung war allerdings von der nachträglichen Zustimmung des Invalidenausschusses abhängig. Diese Zustimmung ist mit Bescheid vom 22. März 1983 erfolgt, und zwar entgegen der in der Rechtsrüge vertretenen Auffassung ohne Auflage und ohne Anführung eines bestimmten Zeitpunktes, zu dem das Arbeitsverhältnis enden solle. Der Invalidenausschuß hat in den für die Rechtskraftwirkung maßgeblichen Spruch seines Bescheides (VwSlg-NF 1400 A) eine derartige Zeitbestimmung nicht aufgenommen. Die in der Begründung des Bescheides erfolgte Erwähnung des 30. Juni 1983 als Endzeitpunkt des Arbeitsverhältnisses ist daher ohne Bedeutung, wenngleich angesichts des festgestellten Fehlens der Anführung einer Kündigungsfrist oder eines Kündigungstermins im Kündigungsschreiben der Invalidenausschuß offenbar davon ausgegangen ist, der Masseverwalter sei auch bei einer auf den § 25 KO gestützten Kündigung an den gesetzlichen Kündigungstermin gebunden. Die in der Bescheidbegründung vorgenommene rechtliche Beurteilung einer Vorfrage ist jedoch nicht der Rechtskraft fähig (Hellbling, Kommentar zu den Verwaltungsverfahrensgesetzen I, 420 f.; Walter-Mayer, Grundriß des österreichischen Verwaltungsverfahrensrechts 3 , 138 ff., 159, jeweils mwH). Für die Annahme, der Ausschuß habe, wie der Revisionswerber vermeint, eine längere Kündigungsfrist als die gesetzliche festgesetzt, reicht die bloße Anführung des Datums '30. 6. 1983' in der Begründung nicht aus, weil im Spruch des Bescheides die Zustimmung vorbehaltlos erteilt wurde. Daraus folgt, daß dem Kläger, wie das Berufungsgericht richtig erkannt hat, im Hinblick auf die mit Schreiben vom 7. März 1983 ausgesprochene Kündigung - daß diese dem Kläger erst zu einem so späten Zeitpunkt zugegangen sei, daß die zweimonatige Kündigungsfrist erst im Juni 1983 geendet hätte, wurde nicht behauptet - ein Anspruch auf den Gehalt für den Monat Juni 1983 nicht zusteht. Das Berufungsgericht hat daher auch diesen Anspruch mit Recht abgewiesen.

Die Kostenentscheidung ist in den §§ 41 und 50 ZPO begründet.

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