Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 19.212,34 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten 1.528,39 S Umsatzsteuer und 2.400 S Barauslagen) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Klägerin ist Eigentümerin, Herausgeberin und Verlegerin der Tageszeitung 'Kleine Zeitung'. Die erstbeklagte Partei ist Medieninhaberin, die zweitbeklagte Partei Komplementärin der Medieninhaberin der Tageszeitung 'Neue Kronenzeitung'. Ab 2. März 1984 führte die Neue Kronenzeitung ein öffentliches Glücksspiel unter der Bezeichnung 'Krone-Millionen-Bingo' durch. Das Spiel sollte durch 108 Werktage laufen und dem Mitspieler Gewinnmöglichkeiten von 18 x S 100.000,-- (erste Gewinnchance), 7 x einen PKW-Golf GL (zweite Gewinnchance) sowie 1 Million Schilling und 100 x S 1.000,-- in Bar (dritte Gewinnchance) bieten. Die Klägerin begehrte die Verurteilung der beklagten Parteien zur Unterlassung der Ankündigung und Durchführung des 'Kronen-Millionen-Bingo' oder eines ähnlichen Glücksspiels (oder) der Verteilung von Gewinnscheinen zur Teilnahme an diesem Spiel sowie die Ermächtigung zur Veröffentlichung eines stattgebenden Urteils. Sie brachte vor, das Spiel sei in mehrfacher Hinsicht wettbewerbswidrig. Dadurch, daß an jeden Haushalt in Österreich mit Ausnahme von Tirol und Vorarlberg nur ein sogenannter Gewinnschein (Teilnahmeschein) versendet werde, würden weitere Spiellustige die 'Neue Kronenzeitung' in der Erwartung kaufen, daß dieser ein Gewinnschein beiliege. Da die Gewinnscheine bei den Verschleißern nur begrenzt verfügbar seien, würden die Verschleißer deren Abnahme vom Erwerb der 'Neue Kronenzeitung' abhängig machen. Ein Gewinnscheinbesitzer müsse durch 18 Wochen hindurch an jedem Werktag eine Verschleißstelle der 'Neue Kronenzeitung' aufsuchen, um die im Geschäftslokal angeschlagenen täglichen Glückszahlen und die Superchance-Zahl in Erfahrung zu bringen. Um nicht der Peinlichkeit ausgesetzt zu sein, das Geschäftslokal nur wegen der Frage nach den Glückszahlen aufzusuchen, werde er bei dieser Gelegenheit die 'Neue Kronenzeitung' erwerben. Auf dem Gewinnschein werde nicht angekündigt, wo die Superchance-Zahl zu erfahren sei. Auch dies verleitet zum Kauf der 'Neue Kronenzeitung'. Diese veröffentliche seit Beginn des Spieles auf ihrer ersten Seite täglich einen gerasterten Vordruck zum Eintragen der Glückszahl bzw. der Superchancezahl. Dies verleite dazu, zwecks Notierung der Zahlen die 'Neue Kronenzeitung' zu kaufen. Schließlich sei der Wert der Preise - insgesamt rund 4,000.000,-- S - so hoch, daß von einem übertriebenen Anlocken gesprochen werden müsse.
Die Beklagten beantragen das Klagebegehren abzuweisen und wendeten ein, auf den Ankündigungen des Preisausschreibens und den Gewinnscheinen sei ausdrücklich darauf hingewiesen, daß der Kauf der 'Neue Kronenzeitung' nicht Voraussetzung zur Teilnahme am Spiel sei. Dies sei auch tatsächlich nicht der Fall. Ein auch nur indirekter Kaufzwang ergebe sich aus den Spielbedingungen und den Spielmodalitäten nicht. Das Spiel sei wettbewerbsneutral. Das Erstgericht gab dem Unterlassungs- und Veröffentlichungsbegehren statt. Es stellte folgenden wesentlichen Sachverhalt fest:
Das Krone-Millionen-Bingo ermöglicht Gewinne von wöchentlich 100.000 S durch 18 Wochen, von 7 PKW-Golf GL an 7 Glückstagen sowie einer Million Schilling und 100mal 1.000 S in bar bei der Schlußverlosung. Erforderlich sei der Besitz eines Gewinnscheines und das tägliche Aufsuchen einer Verschleißstelle der 'Neue Kronenzeitung', in welcher die täglichen Glücksza len und die Superchancezahl auf einem Plakatständer angeschlagen sind, um diese Zahlen mit den entsprechenden Zahlen des eigenen Gewinnscheines zu vergleichen. Auf dem Gewinnschein jedes Teilnehmers ist neben den persönlichen Glücksnummern und der Superchancezahlen vermerkt, daß die Glücksnummern auf einem Plakat in Trafiken und Geschäften, wo es die Krone gibt, täglich veröffentlicht seien, ebenso, daß die Superchancezahl täglich veröffentlicht werde. Wo dies geschehen werde, ist nicht angeführt. Ab dem 2.März 1984 findet sich auf der ersten Seite der 'Neue Kronenzeitung' ein Rastervordruck, der zum Notieren der täglichen drei Glücksnummern und der Superchancezahl bestimmt ist. An die Verschleißer richteten die beklagten Parteien eine Information. Darin heißt es unter anderem: 'Das besondere an diesem Glücksspiel ist, daß die Teilnehmer während der gesamten Spielzeit täglich in ihr Geschäft kommen müssen, um drei Glückszahlen und eine Superchancezahl zu erfahren. Diese Zahlen sind auf einem Plakat in ihrem Geschäft ausgehängt und werden täglich ausgetauscht. Sie gewinnen mehr Kunden, denn wer mitspielt, muß täglich zu ihnen in das Geschäft kommen; sie gewinnen mehr Vertrauen, denn bei ihnen wird gespielt und gewonnen, sie sind der Glücksbringer; sie gewinnen mehr Umsatz, denn das Spiel ist eine gute Werbung, die natürlich auch den Verkauf der Krone erhöhen wird; sie gewännen selbst einen Golddukaten und eine Flasche Sekt, wenn einer ihrer Kunden gewinnt, denn jeder Gewinner wird nach seinem Zeitungsgeschäft gefragt. Für ihre Stammkunden erhalten sie gesondert eine begrenzte Anzahl von Gewinnscheinen. Gehen sie mit diesen sparsam um, wir können ihnen nur eine begrenzte Anzahl nachliefern. Wir montieren für sie an ihrer Geschäftsfront ein Plakat, das sie als Krone-Millionen-Bingo-Glücksstelle kennzeichnet. Im Inneren Ihres Geschäftes montieren wir einen Halter für das Glückszahlenplakat'. In einer weiteren Kundeninformation an ihre Verschleißer führten die Beklagten aus: 'Gehen Sie mit den Gewinnscheinen sparsam um; stellen Sie nur einen Teil Ihrer Gewinnscheinauflage in den Aufsteller; so haben Sie stets Vorrat und können den Bedarf genau steuern'.
Rechtlich vertrat das Erstgericht die Auffassung, das Gewinnspiel der Beklagten stelle ein übertriebenes Anlocken des Publikums dar. Weil nicht mitgeteilt werde, wie man in den Besitz eines Gewinnscheines komme, wo die tägliche Superchancezahl veröffentlicht sei, daß diese und die täglichen Glücksnummern jedenfalls nicht in der 'Neue Kronenzeitung' veröffentlicht würden und dieser auch keine Gewinnscheine beilägen, und weil die Verschleißstellen täglich aufgesucht werden müßten, um die Superchancezahl und die Glücksnummern in Erfahrung zu bringen, werde auf den Spielinteressenten psychologischer Druck zum Kauf der 'Neue Kronenzeitung' ohne entsprechenden Bedarf ausgeübt. Dies sei wettbewerbswidrig.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Parteien Folge, wies das Klagebegehren ab und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes 300.000 S übersteigt. Es übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes und vertrat unter Hinweis auf die inzwischen erfolgte Entscheidung des Obersten Gerichtshofes zu 4 Ob 342/84 entgegen seiner im Provisorialverfahren vertretenen Auffassung die Ansicht, das Gewinnspiel sei nicht wettbewerbswidrig. Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der klagenden Partei aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit den Anträgen, das Ersturteil wieder herzustellen oder die angefochtene Entscheidung aufzuheben und die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an eine der Vorinstanzen zurückzuverweisen.
Die beklagten Parteien beantragen, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht gerechtfertigt.
Der Oberste Gerichtshof hat in seiner Entscheidung 4 Ob 342/84 (ÖBl. 1984, 160) im Rahmen eines Provisorialverfahrens zu dem auch den Gegenstand dieses Verfahrens bildenden Krone-Millionen-Bingo-Spiel unter anderem folgendes ausgeführt:
'Die für die Teilnahme am Spiel erforderlichen Gewinnscheine wurden allen Haushalten mit der Post zugestellt. Daß daneben Verschleißer noch eine begrenzte Zahl von Gewinnscheinen für ihre Kunden erhielten, ist ohne Bedeutung, weil auch ihre Weitergabe an Kunden des Verschleißers nicht vom Bezug der 'Neue Kronen-Zeitung' abhängig war. Daß dieser Zeitung weitere Gewinnscheine beigelegt würden, war den Werbeeinschaltungen nicht zu entnehmen, konnte daher von dem in Frage kommenden Publikum auch nicht angenommen werden und ist auch tatsächlich nicht erfolgt. Gegenüber den Teilnehmern am Glücksspiel liegt kein Kaufzwang vor. Wohl mußten diese, um am Spiel teilnehmen zu können, täglich eine der ausdrücklich als 'Glücksstelle' bezeichneten Verschleißstellen aufsuchen, um die Glückszahlen zu erfahren. Da jedoch diese Zahlen von einer offen aufgestellten Tafel abzulesen waren, bestand für Teilnehmer am Glücksspiel keinerlei Anlaß, die 'Neue Kronen-Zeitung' zu erwerben, der über die jeweiligen Glückszahlen überhaupt nichts zu entnehmen war. Wenn auf sie schon ein psychischer Kaufzwang ausgeübt wurde, dann zum Erwerb irgend eines Artikels, der in dieser Verschleißstelle geführt wurde, wobei dies durchaus auch ein Konkurrenzprodukt der Beklagten sein konnte. Daß es dabei auch zum Kauf der 'Neue Kronen-Zeitung' kommen konnte, reicht noch nicht aus, um von einer unzulässigen Verknüpfung des Spieles mit dem Vertrieb der 'Neue Kronen-Zeitung' und einem psychischen Zwang zum Kauf gerade dieser Zeitung sprechen zu können. Daß sich die Beklagte von einem Gewinnspiel, das auf die 'Neue Kronen-Zeitung' in besonders auffallender Weise aufmerksam machte, auch eine Erhöhung ihres eigenen Absatzes versprach, ist für sich allein noch nicht wettbewerbswidrig. Fehlt es aber an einer Verknüpfung zwischen dem Gewinnspiel und dem Warenabsatz, dann kann auch von einem sittenwidrigen übermäßigen Anlocken nicht gesprochen werden. Vielmehr liegt dann nur eine wenn auch aufwendige, zulässige Werbung vor. Nach dem Inhalt des Gewinnscheins ist es völlig klar, daß auch die 'Superchance-Zahl' in den Verschleißstellen in der gleichen Art veröffentlicht würde, wie die sonstigen Gewinnzahlen. Daß schließlich in der 'Neue Kronen-Zeitung' ein Kästchen zum Notieren der Glückszahlen vorgesehen war, stellt gleichfalls keine Verknüpfung von Gewinnspiel und Warenabsatz dar, konnte doch der Teilnehmer die Glückszahlen ohne weiteres auch in anderer Weise festhalten.' Die Ausführungen der Revision bieten keinen Anlaß, von dieser Rechtsansicht abzugehen. Sofern die Klägerin darauf verweist, daß in Vorarlberg und Tirol keine Gewinnscheine an Haushalte ausgesendet wurden, hat sie darauf zwar in ihrer Klage hingewiesen, daraus jedoch nicht - wie nunmehr in der Revision - die Schlußfolgerung gezogen, daß die Bewohner dieser Bundesländer der Ansicht sein mußten, der 'Neue Kronen-Zeitung' lägen Gewinnscheine bei. Die Klägerin leitete in ihrer Klage diese Ansicht vielmehr daraus ab, daß an jeden Haushalt nur ein Gewinnschein mit der Post zugestellt wurde und Haushalte üblicherweise aus mehr als einem potentiellen Teilnehmer am Gewinnspiel bestünden. Daraus, daß pro Haushalt nur ein Gewinnschein zugestellt wurde, konnten Spielinteressenten jedoch mangels jeder diesbezüglichen Andeutung in der Werbung nicht ableiten, daß der 'Neue Kronen-Zeitung' weitere Teilnahmescheine beiliegen würden, was im übrigen auch nicht der Fall war. Daß auch die Superchance-Zahl in der gleichen Art veröffentlicht würde, wie die sonstigen Gewinnzahlen, ist nach dem Inhalt des Gewinnscheines völlig klar, ist doch auch die Superchance-Zahl eine Glückszahl (und wird auch im Gewinnschein als solche bezeichnet) die sich von den sonstigen Glückszahlen nur dadurch unterscheidet, daß es sich um eine dreistellige Zahl handelt. Da jeder Hinweis darauf fehlt, daß die Superchance-Zahl auf andere Art als die Glückszahlen veröffentlicht würde, konnten Interessenten nur davon ausgehen, daß auch diese Zahl auf den Ständern in den Geschäften veröffentlicht würde. Daß auch an die Verschleißer eine beschränkte Zahl von Gewinnscheinen ausgegeben und diesen empfohlen wurde, damit sparsam umzugehen, bedeutet gegenüber den Spielinteressenten noch keinen psychologischen Kaufzwang, wurde doch diesen gegenüber auf jene Tatsache nicht hingewiesen. Für die Ansicht, Verschleißer würden die Ausgabe solcher Gewinnscheine an den Kauf der 'Neue Kronen-Zeitung' knüpfen, fehlt jede sachliche Begründung, ist doch das wirtschaftliche Interesse des Verschleißers allein darauf gerichtet, daß der Kunde irgend einen Artikel seines Sortiments ersteht und nicht gerade die 'Neue Kronen-Zeitung'. Daß die Vordrucke zum Notieren der Gewinnzahlen auf der ersten Seite der 'Neue Kronen-Zeitung' ohne Bedeutung sind, weil Interessenten die Gewinnzahlen ohne Schwierigkeiten auch auf andere Art festhalten können, kann nicht zweifelhaft sein. Auch daß der Interessent die Verschleißstelle an 108 aufeinanderfolgenden Werktagen aufsuchen muß, um die Glückszahlen zu erfahren, bedeutet noch keinen psychologischen Kaufzwang, kann er doch jeden Artikel, also etwa auch die von der Klägerin herausgegebene 'Kleine Zeitung' erwerben. Von einem Druck, gerade die 'Neue Kronen-Zeitung' zu erwerben, kann nicht gesprochen werden. Daß die Glückszahlen von einer offen aufgestellten Tafel abzulesen waren, wurde vom Erstgericht - wenn auch im Rahmen der rechtlichen Beurteilung - in der Form festgestellt, daß die Glückszahlen auf einem Plakat, das auch von der Straße eingesehen werden konnte, veröffentlicht wurden. Die Höhe der in Aussicht gestellten Gewinne stellt mangels Verknüpfung mit dem Absatz der 'Neue Kronen-Zeitung' zwar eine besonders aufwendige, aber noch nicht sittenwidrige Art der Werbung dar.
Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)