Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Die Beklagte hat die Kosten des Revisionsrekurses endgültig selbst zu tragen; die Klägerin hat die Kosten der Revisionsrekursbeantwortung vorläufig selbst zu tragen.
Text
Begründung
Die Klägerin und die Beklagte bieten automationsunterstützte Ticketsysteme, insbesondere Skiliftkartenerfassungssysteme, an. Die Klägerin hat 1991 die "Skiregion D***** GesnbR" ("Skipool D*****") mit einem solchen System ausgestattet. Beide Parteien haben den Bergbahnen A***** ein Ticketsystem unterbreitet. Der Auftrag wurde noch nicht vergeben.
Am 26.10.1992 sandte die Beklagte ein Schreiben an "Bergbahnen A***** c/o Herrn Helmut L*****":
"Elektronisches Ticketsystem CassaNova
Sehr geehrter Herr L*****,
wir bedanken uns noch einmal für Ihren Besuch an unserem Messestand und das Interesse am Ticketsystem CassaNova.
Vereinbarungsgemäß übersenden wir Ihnen noch einmal unsere Kalkulation zu der gewünschten Ausstattung.
Wir hatten mittlerweile auch ein Gespräch mit Herrn Qu*****, der unsere Informationen bestätigt hat, daß der Skipool D***** sich seit Monaten mit S***** im Rechtsstreit befindet, weil man dort offenbar nach einer anfänglich preiswerten Ausrüstung 'gut nachgefaßt' hat. Es sieht ganz danach aus, als ob wir sehr gute Chancen hätten, bereits zum nächsten Winter auch den dortigen Skipool auszustatten. Dies nur zu Ihrer Information, weil Sie die Wichtigkeit eines generellen Systems in Ihrem Gebiet hervorgehoben hatten.
Wir würden uns freuen, Ihren Auftrag zu erhalten und sichern Ihnen eine sorgfältige Ausführung zu.
....".
Die Bergbahnen A***** übermittelten eine Kopie dieses Schreibens der Klägerin.
Die Klägerin beantragt zur Sicherung eines inhaltsgleichen Unterlassungsanspruches, der Beklagten mit einstweiliger Verfügung zu verbieten, zu Zwecken des Wettbewerbs zu behaupten oder zu verbreiten, daß sich die S***** Gesellschaft mbH seit Monaten mit dem Skipool D***** in einem Rechtsstreit befinde, weil die S***** Gesellschaft mbH dort offenbar nach einer anfänglich preiswerten Ausrüstung "gut nachgefaßt" hätte.
Die Klägerin habe der Skiregion D***** GesnbR Ende 1991 ein Skipaßsystem verkauft. Da es sich um ein komplexes System und einen großen Auftrag gehandelt habe, seien in der Anfangsphase gewisse Schwierigkeiten aufgetreten. Die Klägerin habe Verschleißteile des Systems ausgetauscht. Zwischen den Vertragsteilen bestehe kein Streit; insbesondere sei ein Rechtsstreit weder anhängig noch jemals anhängig gewesen. Unrichtig sei auch die Behauptung, die Klägerin habe bei diesem Auftrag "gut nachgefaßt", welche nur dahin verstanden werden könne, daß die Klägerin zunächst preiswert angeboten und dann unerwartete oder ungerechtfertigte Nachforderungen gestellt habe. Die Beklagte habe die unrichtigen und das Unternehmen der Klägerin herabsetzenden Äußerungen in Wettbewerbsabsicht gemacht und damit insbesondere gegen § 7 UWG verstoßen.
Die Beklagte beantragt, den Sicherungsantrag abzuweisen. Es handle sich um eine vertrauliche Mitteilung ("dies nur zu Ihrer Information"), an welcher Helmut L***** ein berechtigtes Interesse habe. Für die Bergbahnen A***** sei ausschlaggebend, welches System generell in diesem Gebiet eingesetzt werde. Helmut L***** sei bekannt gewesen, daß der Skipool D***** gravierende Differenzen mit der Klägerin habe; dies sei im übrigen auch branchenbekannt. Helmut L***** habe die Beklagte aufgefordert, nähere Informationen aus erster Hand zu beschaffen. Der Geschäftsführer der Beklagten, Axel W*****, habe Informationen von drei Seiten erhalten. Durch sie sei aus erster Hand bestätigt worden, daß es zwischen der Klägerin und dem Skipool D***** harte Auseinandersetzungen gebe, daß dem von der Klägerin gelieferten System wesentliche Komponenten gefehlt hätten und daß die Rechtsanwälte der Vertragspartner in den Streit eingeschaltet seien. "Rechtsstreit" sei nicht nur eine gerichtliche Auseinandersetzung. "Gut nachgefaßt" sei keine Tatsachenbehauptung; werde diese Äußerung aber im Sinne der Klagsbehauptungen verstanden, dann sei sie wahr.
Das Erstgericht erließ die einstweilige Verfügung. Der bescheinigte Sachverhalt sei § 7 Abs 1 UWG zu unterstellen. "Dies nur zu Ihrer Information" bedeute nach der Verkehrsauffassung nicht zwingend, daß der Empfänger die Mitteilung vertraulich behandeln solle; gegen eine solche Auslegung spreche auch, daß das Schreiben an die Klägerin weitergeleitet wurde. Die Beklagte habe die Wahrheit ihrer Behauptungen nicht bescheinigt. "Rechtsstreit" sei nur ein gerichtliches Verfahren; ein solches sei aber nicht anhängig. Auch wenn es sich dabei um eine mehrdeutige Äußerung handle, müsse die Beklagte diese Auslegung als die für sie ungünstigste Auslegung gegen sich gelten lassen. "Gut nachgefaßt" sei eine Tatsachenbehauptung, welche dahin verstanden werden könne, daß ungerechtfertigte unerwartete Nachforderungen gestellt wurden; daß dies den Tatsachen entspräche, habe die Beklagte nicht bescheinigt. Die Eignung der Äußerung, den Betrieb und den Kredit der Klägerin zu schädigen, sei offenkundig.
Das Rekursgericht bestätigte die Entscheidung des Erstgerichtes und sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000 übersteige und der Revisionsrekurs zulässig sei.
Ein "Rechtsstreit" sei eine zwischen zwei Parteien in einem gerichtlichen Verfahren ausgetragene Auseinandersetzung über ein Rechtsverhältnis. Die Behauptung, ein Konkurrent befinde sich mit einem Kunden als Folge von Unzukömmlichkeiten bei einer Lieferung in einem "Rechtsstreit", sei kreditschädigend, könne sie doch dahin verstanden werden, daß der Mitbewerber nicht bereit sei, Auseinandersetzungen gütlich zu regeln.
"Gut nachgefaßt" sei in dem Zusammenhang, in dem die Beklagte diesen Ausdruck verwendet habe, als Behauptung zu verstehen, daß die Klägerin mehr in Anspruch genommen habe, als ihr zustehe. Die Wahrheit dieser Behauptung habe die Beklagte nicht ausreichend bescheinigt. Nicht jede Auseinandersetzung über den notwendigen Umfang der Lieferung lasse auf unseriöses Verhalten schließen.
Aus dem Schreiben vom 26.10.1992 ergebe sich nicht dessen vertraulicher Charakter. "Nur zu Ihrer Information" könne auch als "nur zur Information" verstanden werden. Daß die Wiederholungsgefahr fehle, habe die Beklagte weder behauptet noch bescheinigt.
Gegen diesen Beschluß richtet sich der Revisionsrekurs der Beklagten. Die Rechtsmittelwerberin beantragt, die Entscheidungen der Vorinstanzen dahin abzuändern, daß der Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung abgewiesen werde; in eventu stellt sie einen Aufhebungsantrag.
Die Klägerin beantragt, den Revisionsrekurs als unzulässig zurückzuweisen, hilfsweise ihm nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionrekurs ist entgegen der Meinung der Klägerin zulässig, weil der Oberste Gerichtshof im Wettbewerbsrecht seiner Leitfunktion nur gerecht werden kann, wenn er nicht nur die richtige Wiedergabe der Leitsätze der Judikatur prüft, sondern, wo es nach Lage des Falles die Rechtssicherheit oder die Rechtsentwicklung erfordern, auch die richtige Konkretisierung der unbestimmten Gesetzesbegriffe (MR 1991, 207 uva). Er ist aber nicht berechtigt.
Die Rechtsmittelwerberin hält an ihrer Auffassung fest, daß die beanstandete Mitteilung vertraulich gewesen sei. Der Brief sei deshalb an die Adresse der Ski- und Rennschule A***** geschickt worden, deren Leiter Helmut L***** sei. Dem kann jedoch nicht gefolgt werden:
Vertrauliche Mitteilungen sind Mitteilungen an bestimmte Personen, wenn diesen die vertrauliche Behandlung entweder ausdrücklich zur Pflicht gemacht worden ist oder sie sich aus den Umständen eindeutig ergibt (Baumbach-Hefermehl, Wettbewerbsrecht17 § 14 dUWG Rz 32; Koppensteiner, Wettbewerbsrecht2 II 117; s. auch ÖBl 1977, 122; ÖBl 1969, 111).
Die Beklagte hat die beanstandete Mitteilung an "Bergbahnen A***** c/o Herrn Helmut L*****" geschickt. Daß die folgende Adresse die der Ski- und Rennschule A***** sei, hat die Beklagte in erster Instanz nicht behauptet. Selbst wenn dies aber der Fall gewesen wäre und die Behauptung zuträfe, ergebe sich daraus noch nicht der vertrauliche Charakter des Schreibens. Werden Mitteilungen "c/o" (= care of = wohnhaft bei [Duden, Fremdwörterbuch 134]) geschickt, dann heißt das, daß die Mitteilungen über diese Person dem Adressaten zukommen sollen. Eine Verpflichtung zu vertraulicher Behandlung ist daraus nicht zu entnehmen.
Das gleiche gilt für die von der Beklagten gewählte Formulierung "dies nur zu Ihrer Information". Diese Wendung ist - im für die Beklagte günstigsten Fall - mehrdeutig. Üblicherweise wird damit ausgedrückt, daß der Mitteilungsempfänger nur informiert werden soll, nicht aber, daß die Information nur für ihn bestimmt ist. Die Beklagte könnte sich aber nur dann auf eine damit aufgetragene Vertraulichkeit berufen, wenn sich diese, wie bereits ausgeführt, aus der verwendeten Formulierung eindeutig ergäbe.
Die Vorinstanzen haben den Sachverhalt daher zutreffend nach § 7 Abs 1 UWG beurteilt. Nach dieser Bestimmung kann auf Unterlassung in Anspruch genommen werden, wer zu Zwecken des Wettbewerbs über einen Mitbewerber Tatsachen behauptet oder verbreitet, die geeignet sind, den Betrieb des Unternehmens oder den Kredit des Inhabers zu schädigen, sofern die Tatsachen nicht erweislich wahr sind. Herabsetzende unwahre Tatsachenbehauptungen können nach ständiger Rechtsprechung auch durch bloße Andeutungen oder Umschreibungen verbreitet werden; dabei kommt es nur darauf an, wie eine bestimmte Äußerung im Geschäftsverkehr von den Personen aufgefaßt wird, an die sie sich wendet. Bei mehrdeutigen Äußerungen muß der Beklagte auch hier die für ihn ungünstigste Auslegung gegen sich gelten lassen (Hohenecker-Friedl, Wettbewerbsrecht 41; MR 1991, 34 mwN).
Die Rechtsmittelwerberin weist daher vergeblich darauf hin, daß "Rechtsstreit" ihrer Auffassung nach auch außergerichtliche Auseinandersetzungen erfasse. Ein Verstoß gegen § 7 Abs 1 UWG wurde schon deshalb zu Recht bejaht, weil die Beklagte das Bestehen eines "Rechtsstreits" im Sinne einer gerichtlichen Auseinandersetzung nicht bewiesen hat. Daß das Wort "Rechtsstreit" jedenfalls auch in diesem Sinn verstanden wird, bestreitet auch sie nicht.
Die Beklagte vertritt auch weiterhin die Auffassung, daß "gut nachgefaßt" ein bloßes Werturteil sei. Werde die Äußerung als Tatsachenbehauptung aufgefaßt, dann sei sie nicht abwertend.
Der Begriff der Tatsachenbehauptung ist weit auszulegen; darunter fällt jede Äußerung über Vorgänge oder Zustände objektiv nachprüfbaren Inhaltes (ÖBl 1991, 58 ua). Das trifft für "gut nachgefaßt" zu. Die Beklagte hat die Formulierung in einem Zusammenhang verwendet, in welchem sie dahin verstanden wird, daß die Klägerin eine preiswerte Ausrüstung in der Absicht angeboten habe, sich durch die notwendigen Nachlieferungen schadlos zu halten. Diese Behauptung ist objektiv nachprüfbar; daß sie kreditschädigend ist, bedarf keiner weiteren Begründung.
Die behauptete Mangelhaftigkeit liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO).
Die Entscheidung über die Kosten der Klägerin beruht auf § 393 Abs 1 EO; jene über die Kosten der Beklagten auf §§ 402, 78 EO; §§ 40, 50, 52 ZPO.
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