OGH 4Ob31/91

OGH4Ob31/919.4.1991

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Prof.Dr.Friedl als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Gamerith, Dr.Kodek, Dr.Niederreiter und Dr.Redl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Verein *****, vertreten durch Dr.Bernhard Krause, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei "D*****" - Zeitschriftengesellschaft mbH, *****, vertreten durch Dr.Michael Graff, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Provisorialverfahren S 450.000), infolge außerordentlichem Revisionsrekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgericht vom 20.Dezember 1990, GZ 2 R 194/90-13, womit der Beschluß des Handelsgerichtes Wien vom 4.September 1990, GZ 37 Cg 355/90-9, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluß, welcher in seinem Ausspruch über das Hauptbegehren als nicht in Beschwerde gezogen unberührt bleibt, wird im übrigen dahin abgeändert, daß die Entscheidung des Erstgerichtes zur Gänze wiederhergestellt wird.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 31.983 bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens (darin S 5.230,50 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu zahlen.

Text

Begründung

Die Beklagte ist die Medieninhaberin der Wochenzeitschrift "D*****". Sie veranstaltete im Juni 1990 ein "WM-Millionengewinnspiel". Im Zusammenhang damit ließ sie auf dem Gehsteig vor Trafiken in verschiedenen Wiener Bezirken und in Neulengbach Ständer aufstellen, auf welchen auf das Spiel aufmerksam gemacht wurde. Diese Ständer zeigten (ua) folgende Tafel:

Abbildung nicht darstellbar!

Ob die Beklagte bei den zuständigen Behörden um Bewilligung des Aufstellens angesucht hat und ob ihr diese Bewilligung erteilt wurde, steht nicht fest; ebensowenig kann festgestellt werden, ob die zuständigen Verwaltungsbehörden gegen die Ankündigungsständer der Beklagten eingeschritten sind.

Mit der Behauptung, daß die Beklagte beim Aufstellen ihrer Ankündigungsständer unter Verletzung der guten Sitten im Wettbewerb (§ 1 UWG) mangels einer verwaltungsbehördlichen Bewilligung gegen § 82 StVO und in Wien auch gegen die Verordnung des Magistrates der Stadt Wien vom 6.5.1980, MA 7-1629/80 verstoßen habe, begehrt der klagende Verein zur Sicherung eines inhaltsgleichen Unterlassungsanspruches, der Beklagten mit einstweiliger Verfügung zu untersagen, im geschäftlichen Verkehr beim Vertrieb der periodischen Druckschrift "D*****" Werbeständer auf den dem öffentlichen Verkehr dienenden Straßen aufzustellen oder stehenzulassen, wenn sie nicht über die hiezu erforderliche behördliche Bewilligung verfügt, in eventu solche Werbeständer auf den dem öffentlichen Verkehr dienenden Straßen der Stadt Wien aufzustellen oder stehenzulassen.

Die Beklagte beantragt die Abweisung des Sicherungsantrages. Sie habe alle anwendbaren Rechtsvorschriften eingehalten, alle erforderlichen Bewilligungen erwirkt und alle geschuldeten Abgaben sich vorschreiben lassen oder geleistet.

Der Erstrichter wies sowohl das Sicherungshauptbegehren als auch das Eventualbegehren ab. Der Kläger habe nicht nachweisen können, daß ein nach § 82 StVO bewilligungspflichter Sachverhalt vorgelegen sei. Die Beklagte hätte - sofern die Einholung einer verwaltungsbehördlichen Bewilligung überhaupt erforderlich war - jedenfalls einen Anspruch auf Erteilung dieser Bewilligung gehabt, weil die Voraussetzungen des § 82 Abs 5 StVO jedenfalls vorhanden gewesen seien. Die Verordnung des Wiener Magistrates vom 6.5.1980, MA 7-1629/80, sei nicht Ausdruck einer sittlichen Anschauung, so daß ihre Übertretung nicht gegen § 1 UWG verstoße; sie sei auch verfassungs- und gesetzwidrig.

Das Rekursgericht bestätigte den Beschluß des Erstgerichtes in seinem Ausspruch über den Hauptantrag, gab aber dem Eventualantrag statt und sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000 übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Da nicht feststehe, daß die Beklagte die nach § 82 StVO notwendige Bewilligung nicht erhalten habe, habe der Kläger diesen ihm obliegenden Beweis nicht erbracht; schon aus diesem Grund sei der Hauptantrag zu Recht abgewiesen worden. Wohl aber habe die Beklagte gegen die mehrfach erwähnte Magistratsverordnung verstoßen: Diese verbiete das Aufstellen von Werbeständern ua auf öffentlichen Verkehrsflächen, sofern diese weder einer Gebraucherlaubnis nach dem Gebrauchsabgabengesetz 1966 noch einer Baubewilligung nach der Bauordnung für Wien bedürften. Das Aufstellen von Ständern zu wirtschaftlichen Werbezwecken sei in der Tarifpost B 48 des Wiener Gebrauchsabgabengesetzes 1966 idF LGBl 1967/25 geregelt gewesen; diese Tarifpost sei aber in der Folge aufgehoben worden (Wiener LGBl 1980/32), so daß für Ständer zu wirtschaftlichen Werbezwecken keine Gebrauchserlaubnis erteilt werde. Daraus folge, daß das Aufstellen solcher Werbeständer auf öffentlichen Verkehrsflächen in Wien verboten sei und eine Aufstellungsbewilligung nicht erwirkt werden könne. Gegen die Verfassungsmäßigkeit dieser Verordnung bestünden keine Bedenken. Da sich die Beklagte über ein Verbot hinweggesetzt habe, um auf eine publikumswirksame Art für ihre Zeitschrift zu werben, habe sie sich einen sachlich nicht gerechtfertigten Vorsprung vor gesetzestreuen Mitbewerbern verschafft und damit gegen die guten Sitten im Wettbewerb (§ 1 UWG) verstoßen.

Gegen diesen Beschluß wendet sich der außerordentliche Revisionrekurs der Beklagten mit dem Antrag, den Beschluß des Erstgerichtes zur Gänze wiederherzustellen.

Der Kläger beantragt, dieses Rechtsmittel als unzulässig zurückzuweisen, hilfsweise ihm nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig, weil im Interesse der Rechtssicherheit wahrzunehmen ist, daß sich die Rechtslage noch vor Erlassung der angefochtenen Entscheidung geändert hat; er ist auch berechtigt.

Nach § 1 Abs 1 des Wiener Gebrauchsabgabegesetzes 1966 LGBl 20 in der derzeit gültigen Fassung LGBl 1982/13 ist für den Gebrauch von öffentlichem Gemeindegrund, der als Verkehrsfläche dem öffentlichen Verkehr dient, samt den dazugehörigen Anlagen und Grünstreifen einschließlich seines Untergrundes und des darüber befindlichen Luftraumes vorher eine Gebrauchserlaubnis zu erwirken, wenn der Gebrauch über die widmungsmäßigen Zwecke dieser Fläche hinausgehen soll. Letzteres trifft auf die in dem angeschlossenen Tarif angegebenen Arten des Gebrauches von öffentlichem Gemeindegrund zu (§ 1 Abs 2 des Gesetzes). Nach § 1 Abs 1 der Verordnung des Magistrats der Stadt Wien vom 6.Mai 1980, betreffend die Freihaltung des Stadtbilds von störenden Werbeständern, MA 7-1629/80, ABl 1980/20, ist auf öffentlichen Verkehrsflächen, in öffentlichen Grünanlagen und in anderen Bereichen, die für das Stadtbild von Bedeutung sind, das Aufstellen und das Stehenlassen von Ständern, Tafeln, Gerüsten und sonstigen Anlagen, die ihrem Wesen nach zur Gänze oder doch zu einem wesentlichen Teil als Träger von Ankündigungen, Werbemitteilungen und sonstigen textlichen oder bildlichen Darstellungen bestimmt sind, verboten, sofern diese weder einer Gebrauchserlaubnis nach dem Gebrauchsabgabegesetz 1966 noch einer Baubewilligung nach der Bauordnung für Wien bedürfen. Zutreffend zeigt nun die Beklagte auf, daß seit dem 1.Juli 1990 - dem Inkrafttreten des Wiener Gesetzes vom 27.4.1990, LGBl 43, mit dem das Gebrauchsabgabegesetz 1966 geändert wurde (Art II Abs 1 dieses Gesetzes) - für Ständer und Tafeln mit Darstellungen und Nachbildungen von Personen und Gegenständen (Attrappen) zu Werbezwecken, soweit sie nicht unter Tarifpost B 24 fallen, mit Ausnahme solcher Einrichtungen, die zu Wahlzeiten aufgestellt sind und ausschließlich der politischen Werbung dienen, S 200 je Kalendermonat und Standort, für den die Gebrauchserlaubnis tatsächlich in Anspruch genommen wird, zu entrichten sind (Tarifpost C 6). Ist demnach für Ständer, wie sie die Beklagte aufstellen ließ, nunmehr wieder eine Gebrauchsabgabe zu entrichten und daher eine Gebrauchserlaubnis erforderlich, dann fallen sie nicht unter das Verbot des § 1 Abs 1 der zitierten Wiener Magistratsverordnung; der Beklagten kann dann aber auch nicht unter Berufung auf diese Verordnung verboten werden, solche Werbeständer aufzustellen. Diese Rechtslage, die schon bei der Fassung des angefochtenen Beschlusses (20.12.1990), ja sogar schon zur Zeit des erstgerichtlichen Beschlusses (4.9.1990), gegolten hat, hätten schon die Vorinstanzen berücksichtigen müssen; der ihnen unterlaufene Rechtsirrtum muß vom Obersten Gerichtshof wahrgenommen werden. Entgegen der Meinung der Beklagten kann der vorliegende Fall nicht mit derjenigen Konstellation verglichen werden, die der Entscheidung 4 Ob 1032/90 RdW 1991, 11 zugrunde gelegen war: Dort war nach der Fällung eines stattgebenden, auf § 3 a NVG gestützten Unterlassungsurteiles diese Bestimmung vom Verfassungsgerichtshof als verfassungswidrig aufgehoben worden (BGBl 1990/590 a); damit war der Unterlassungsanspruch des Klägers nach dem Entstehen des Exekutionstitels - durch das Gesetz - aufgehoben worden (§ 35 Abs 1 Satz 1 EO). Im vorliegenden Fall aber, wo gegen die Beklagte trotz der vor der Fällung der angefochtenen Entscheidung geänderten Rechtslage ein Verbot erlassen wurde, könnte weder die Exekutionsbewilligung unter Hinweis auf die Unrichtigkeit des Exekutionstitels verweigert werden, noch einer Oppositionsklage Erfolg beschieden sein.

Der Kläger meint nun, der angefochtene Beschluß sei trotzdem im Ergebnis richtig, weil die Beklagte gegen § 82 Abs 1 StVO verstoßen habe und das Eventualbegehren auch nach dieser Gesetzesstelle - als "minus" gegenüber dem Hauptbegehren - gerechtfertigt wäre. Dem ist nicht zu folgen:

Aus dem Klagevorbringen geht deutlich hervor, daß der Kläger sein Hauptbegehren aus einer Verletzung des § 82 StVO, sein Eventualbegehren aber (nur) aus einem Verstoß gegen die Verordnung vom 6.5.1980, MA 7-1629/80, abgeleitet hat. Er kann nun, nachdem die Abweisung des Hauptbegehrens mangels Anfechtung in Rechtskraft erwachsen ist, das Eventualbegehren nicht damit rechtfertigen, daß das Hauptbegehren berechtigt gewesen wäre. Aber auch bei anderer Ansicht wäre für den Kläger nichts zu gewinnen. Nach den Feststellungen der Vorinstanzen steht nicht fest, daß die Beklagte über keine Bewilligung nach § 82 Abs 1 StVO verfügt hat. Daß die von ihm in erster Instanz geführte Auskunftsperson nicht vernommen wurde, hat der Kläger in seinem Rekurs nicht gerügt; er kann daher in dritter Instanz die Unterlassung dieser Beweisaufnahme nicht mit Erfolg als Verfahrensmangel geltend machen. Auch die Frage der Beweislast hat das Rekursgericht zutreffend gelöst. Jede Partei trägt grundsätzlich die Behauptungs- und Beweis(Bescheinigungs)last für das Vorliegen der tatsächlichen Voraussetzungen einer ihr güänstigen Rechtsnormen, auf die sie ihren Anspruch stützt; dieser Grundsatz gilt auch dann, wenn dem Kläger im Einzelfall der Nachweis schwierig oder sogar unmöglich ist. Auch die Grundsätze von Treu und Glauben können es nicht rechtfertigen, dem Kläger einen Anspruch zuzuerkennen, obgleich er die anspruchsbegründenden Tatsachen nicht beweisen konnte (Baumbach-Hefermehl, Wettbewerbsrecht16, 290 Rz 472 EinlUWG). Der Hinweis des Klägers auf die Rechtsprechung, nach welcher bei der Alleinstellungswerbung unter gewissen Voraussetzungen eine Verschiebung der Beweislast auf den Beklagten eintritt (ÖBl 1983, 42; ÖBl 1984, 97 ua), geht fehl, weil der hier geltend gemachte Verstoß mit dem Fall einer Alleinstellungswerbung nicht vergleichbar ist. Während es dem Beklagen, der eine Spitzenstellung behauptet hat, nicht nur leicht möglich, sondern nach Treu und Glauben auch ohne weiteres zumutbar ist, die erforderlichen Aufklärungen zu geben, damit die Richtigkeit der von ihm aufgestellten Behauptung überprüft werden kann, besteht keine Grundlage dafür, jedem Unternehmer, dem ein Kläger auf bloßen Verdacht hin, ohne konkrete Kenntnis, vorwirft, eine bestimmte Tätigkeit ohne die erforderliche behördliche Bewilligung auszuüben, die Beweislast für die Unrichtigkeit dieser Behauptung aufzubürden.

Aus diesen Erwägungen war dem Revisionsrekurs stattzugeben und der Beschluß des Erstrichters zur Gänze wiederherzustellen.

Der Ausspruch über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens gründet sich auf §§ 78, 402 Abs 2 EO, §§ 41, 50, 52 ZPO.

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