Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben; die Entscheidungen der Untergerichte werden dahin abgeändert, daß sie zu lauten haben:
'Das Klagebegehren, die beklagte Partei sei schuldig, im geschäftlichen Verkehr bei Ausübung des KFZ-Reparaturgewerbes es zu unterlassen, mit oder für Sachverständigentätigkeit gerichtlich beeideter Sachverständiger zu werben;
der klagenden Partei werde die Ermächtigung erteilt, den stattgebenden Teil des Urteilsspruches binnen 3 Monaten nach Rechtskraft auf Kosten der beklagten Partei in Samstagausgaben der 'Kronen-Zeitung', 'KURIER' und 'Wiener Wirtschaft' im Textteil in Normallettern, mit Fettdruckumrandung, Fettdrucküberschrift und gesperrt geschriebenen Prozeßparteien veröffentlichen zu lassen, wird abgewiesen.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 17.540,--
bestimmten Kosten des Verfahrens erster Instanz (darin sind S 1.460,-- an Barauslagen und S 1.461,90 an Umsatzsteuer enthalten) sowie die mit S 12.960,-- bestimmten Kosten des Verfahrens zweiter Instanz (darin sind S 1.476,-- an Barauslagen und S 1.044,-- an Umsatzsteuer enthalten) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.'
Die klagende Partei ist ferner schuldig, der beklagten Partei die mit S 8.812,05 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin sind S 1.920,-- an Barauslagen und S 626,55 an Umsatzsteuer enthalten) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Zur Vorgeschichte wird auf die im Provisorialverfahren ergangene Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom 8.11.1983, 4 Ob 391/83- 14, verwiesen.
Die klagende Partei begehrt, die beklagte Partei schuldig zu erkennen, bei Ausübung ihres Kraftfahrzeugreparaturgewerbes die Werbung mit oder für eine Sachverständigentätigkeit gerichtlich beeideter Sachverständiger zu unterlassen; sie verbindet mit diesem Begehren ein Urteilsveröffentlichungsbegehren. Zur Begründung bringt sie vor - soweit dies für das Revisionsverfahren noch von Bedeutung ist - , die beklagte Partei werbe in Zeitungsinseraten mit dem Hinweis, sie habe eine unabhängige Kraftfahrzeugschadensstelle mit gerichtlich beeideten Sachverständigen eingerichtet; diese Schadensstelle wickle Schadensfälle direkt mit der Versicherung ab. Die Werbung für eine Sachverständigentätigkeit eines gerichtlich beeideten Sachverständigen verstoße jedoch gegen eine gefestigte standesrechtliche Auffassung der Sachverständigen und sei daher sittenwidrig (AS 64).
Die beklagte Partei beantragte Klagsabweisung. Da es keine eigenen Berufsstände der Sachverständigen gebe, habe sich eine standesrechtliche Auffassung der Sachverständigen nicht herausbilden können.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es traf folgende noch wesentliche Feststellungen:
Am 29.1.1983 erschien in der Kronen-Zeitung unter der überschrift 'Unabhängige KFZ-Schaden-Schätzstelle in Simmering' folgende Anzeige der beklagten Partei:
'Auf dem Gebiet der A. und I.E Ges.mbH. (KFZ-Reparaturzentrum) in Wien 11., Geiselbergstraße 49, gibt es neuerdings eine unabhängige KFZ-Schaden-Schätzstelle mit gerichtlich beeideten Sachverständigen. Die Vorteile dieser neuen Einrichtung bedeuten oft Zeit- und Wegersparnis und wird auch von vielen Versicherungsanstalten genützt und beschickt....' Im Jänner 1984 war in einer vom Verband der Kraftfahrzeug-Versicherten für seine Mitglieder bestimmten Aussendung eine Werbung für die beklagte Partei enthalten, in der darauf hingewiesen wurde, daß in deren Bereich eine KFZ-Schaden-Schätzstelle mit gerichtlich beeidetem Sachverständigen eingerichtet sei. Diese Aussendung erfolgte im Einverständnis mit der beklagten Partei. Diese hatte mit dem Verband vereinbart, daß der Verband für sie werbe. Der allgemein beeidete gerichtliche Sachverständige für das Kraftfahrzeugwesen Dipl.Ing.Erwin F betreibt im Betrieb der beklagten Partei eine Schadensbesichtungsstelle, auf die in der Werbung Bezug genommen wurde.
Eine Werbung mit der Tätigkeit gerichtlich beeideter Sachverständiger verstößt gegen die einheitliche, gefestigte Standesauffassung der Sachverständigen. Danach ist nur die Bezeichnung als Sachverständiger im Telefonbuch und auf Visitenkarten sowie das Anführen als Sachverständiger auf dem Geschäftspapier standesgemäß; alles, was darüber hinaus geht, ist standeswidrig.
Das Erstgericht vertrat die Rechtssauffassung, die Ausnutzung fremder Berufsstandesvergessenheit sei eine unlautere Wettbewerbshandlung. Da der bei der beklagten Partei beschäftigte gerichtlich beeidete Sachverständige durch das Dulden der beanstandeten Werbung seine berufsständischen Pflichten mißachtet habe, sei die Ausnutzung dieses Umstandes durch die beklagte Partei wettbewerbswidrig.
Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung; es sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes S 60.000,--, nicht jedoch S 300.000,-- übersteige und eine Revision zulässig sei. Das Berufungsgericht übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes und billigte dessen Rechtsauffassung. Die beklagte Partei habe mit fremder Sachverständigentätigkeit (für ihren Betrieb) geworben und habe daher ihren Wettbewerb auf der standeswidrigen Handlung eines Sachverständigen aufgebaut und dessen eigene Standesvergessenheit ausgenutzt. Wohl setzte die Annahme einer Sittenwidrigkeit im Sinne des § 1 UWG eine besondere subjektive Komponente auf Seiten der beklagten Partei voraus. Im Zeitpunkt des Erscheines des beanstandeten Inserates in der Kronen-Zeitung vom 29.1.1983 habe sie das standesrechtliche Werbeverbot nicht gekannt, sodaß ihr ein bewußter Verstoß nicht vorgeworfen werden könne. Es komme daher nicht darauf an, ob der Sachverständige von der Werbung der beklagten Partei Kenntnis gehabt habe oder nicht. Die beklagte Partei habe ein diesbezügliches Vorbringen auch nicht erstattet. Der Verband der Kraftfahrzeug-Versicherten habe aber 'im Jänner 1984' auf Grund einer mit der beklagten Partei getroffenen Vereinbarung eine Mitgliederaussendung veranlaßt, in der für die beklagte Partei unter anderem auch mit dem Hinweis auf die bei ihr eingerichtete Kraftfahrzeugschadensstelle mit gerichtlich beeidetem Sachverständigen geworben worden sei. In diesem Zeitpunkt habe jedoch die beklagte Partei auf Grund des Schreibens des Hauptverbandes der allgemein beeideten gerichtlichen Sachverständigen Österreichs vom 14.2.1983 (Beilage H) und der Zustellung der am 9.1.1984 an sie abgefertigten Gleichschrift des Schriftsatzes ON 15 des Klägers vom behaupteten standesrechtlichen Werbeverbot für Sachverständige Kenntnis besessen. Sie habe daher dadurch, daß sie die Werbung des obgenannten Verbandes zugelassen habe, bewußt die Mißachtung des standesrechtlichen Werbeverbotes für den Fall von dessen Bestehen in Kauf genommen. Die von der Rechtssprechung für die Annahme einer Sittenwidrigkeit im Sinne des § 1 UWG verlangte subjektive Komponente liege daher vor. Gegen diese Entscheidung richtet sich die wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobene Revision der beklagten Partei mit dem Antrag, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, daß das Klagebegehren abgewiesen werde. Die klagende Partei beantragt, die Revision als unzulässig zurückzuweisen, in eventu ihr nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist zulässig - die Frage der Ausnutzung der Verletzung standesrechtlicher Pflichten für Sachverständige in der Werbung eines Dritten ist eine rechtserhebliche Frage im Sinne des § 502 Abs 4 Z 1 ZPO - und berechtigt.
Der Revisionsgrund der Mangelhaftigkeit des Verfahrens liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO).
Bei der rechtlichen Beurteilung ist mit den Vorinstanzen davon auszugehen, daß die bewußte Ausnutzung eines wettbewerbswidrigen Verstoßes gegen standesrechtliche Pflichten, dessen sich ein Standesangehöriger schuldig macht, zu Zwecken des Wettbewerbs sittenwidrig im Sinne des § 1 UWG ist (Baumbach-Hefermehl, Wettbewerbsrecht 14 , 826, RdZ 567). Voraussetzung hiefür ist, daß dieses Ausnutzen bewußt, also in Kenntnis der betreffenden standesrechtlichen Pflichten erfolgt. Die Verletzung solcher Pflichten durch einen Standesangehörigen kann auch darin bestehen, daß dieser ein seine Person betreffendes standeswidriges Handeln eines Dritten, auch wenn dieser kein Standesangehöriger ist, duldet. Dies wird insbesondere dann der Fall sein, wenn die standesrechtlichen Pflichten für einen Standesangehörigen eine bestimmte Art der Werbung verbieten und die von einem Dritten gegen ein solches Verbot unter Einbeziehung eines Standesangehörigen vorgenommene Werbung von diesem in bezug auf seine Person geduldet wird. Es handelt aber auch ein Dritter sittenwidrig im Sinne des § 1 UWG, wenn er in Kenntnis der entgegenstehenden Standesvorschriften oder eindeutiger Standesauffassung, also bewußt, mit einer Sachverständigentätigkeit für sein (des Dritten) Unternehmen ungeschäftlichen Verkehr wirbt, auch wenn der Sachverständige von dieser Werbung keine Kenntnis hat.
Den Untergerichten ist nun entgegen der in der Revision vertretenen Auffassung darin beizupflichten, daß auf der Grundlage der Feststellungen die Werbung der beklagten Partei mit der Tätigkeit gerichtlich beeideter Sachverständiger gegen die einheitlich gefestigte Standesauffassung der Sachverständigen und damit gegen deren Standespflichten verstößt. Der Begriff des 'Standes' ist in diesem Zusammenhang nicht im Sinn eines in sich geschlossenen, auf derselben beruflichen Ausbildung beruhenden Berufsstandes zu verstehen. Die auf einheitlichen Vorschriften beruhende, gleichartige Tätigkeit der gerichtlich beeideten Sachverständigen rechtfertigt die Annahme eines gemeinsamen Standes unabhängig davon, daß sie verschiedenen Berufen mit unterschiedlicher Ausbildung angehören, zumal sich nach den Feststellungen gemeinsame Standesregeln herausgebildet haben.
Im vorliegenden Fall war aber die Werbung der beklagten Partei mit der Sachverständigentätigkeit des in ihrem Betrieb tätigen Sachverständigen Dipl.Ing.F nicht sittenwidrig im Sinne des § 1 UWG, weil die Voraussetzung eines bewußten Verstoßes nicht erwiesen ist. Daß der beklagten Partei dieses standesrechtliche Werbeverbot im Zeitpunkt des Erscheinens des Inserates in der Kronen-Zeitung vom 29.1.1983 nicht bekannt war, hat auch das Berufungsgericht richtig erkannt. Eine solche Kenntnis der beklagten Partei wird jedoch vom Berufungsgericht für den 'Jänner 1984', dem Zeitpunkt der in der Aussendung des Verbandes der Kraftfahrzeug-Versicherten enthaltenen Werbung angenommen, weil der Hauptverband der allgemein beeideten gerichtlichen Sachverständigen Österreichs in seinem an die beklagte Partei gerichteten Schreiben vom 14.2.1983 (Beilage H) und die beklagte Partei in ihrem Schriftsatz ON 15 ein solches standesrechtliches Werbeverbot behauptet hätten.
Das Berufungsgericht übersieht jedoch, daß der genannte Hauptverband in dem Schreiben Beilage H, wie der Oberste Gerichtshof bereits in seiner Entscheidung ON 14 ausgeführt hat, auf ein standesrechtliches Werbeverbot nicht hingewiesen hat, sondern, ebenso wie die klagende Partei in der Klage, von einem infolge der Aufhebung des § 85 Geo in Wahrheit nicht mehr bestehenden allgemein gültigen Verbot ausgegangen ist. Aus diesem Schreiben war für die beklagte Partei eine Verletzung einer für den Sachverständigen bestehenden Standespflicht nicht ersichtlich. Im Schriftsatz ON 15 hat die beklagte Partei zwar - erstmals - eine derartige Standespflicht behauptet, doch vermag eine solche Prozeßbehauptung, die durch die angebotenen Beweismittel erst zu beweisen war, eine Kenntnis der beklagten Partei von einer solchen Standespflicht nicht zu ersetzen. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichtes ist daher die Annahme einer für die Vorwerfbarkeit sittenwidrigen Verhaltens im Sinne des § 1 UWG erforderlichen besonderen subjektiven Komponente (ÖBl.1983,165; ÖBl.1983,40, jeweils mit weiteren Hinweisen) auch für die Zeit nach Zustellung dieses Schriftsatzes nicht gerechtfertigt. Da ein sittenwidriges Handeln der beklagten Partei im Sinne des § 1 UWG daher nicht vorliegt, war der Revision Folge zu geben und das angefochtene Urteil dahin abzuändern, daß das Klagebegehren abgewiesen wird.
Die Kostenentscheidung ist in den §§ 41, 50 ZPO begründet.
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