OGH 4Ob309/87

OGH4Ob309/8724.3.1987

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Prof. Dr. Friedl als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Resch, Dr. Kuderna, Dr. Gamerith und Dr. Maier als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei B*** S.A., rue de la Station 106, Rhode-St-Genese, Belgien, vertreten durch Dr. Rudolf Jahn und Dr. Harald Jahn, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagten Parteien 1. B*** Handelsgesellschaft mbH & Co KG, 2. B*** Handelsgesellschaft mbH, beide 6352 Ellmau in Tirol, beide vertreten durch Dr. Erhart C.J. Weber, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unterlassung, Rechnungslegung, Schadenersatz und Urteilsveröffentlichung (Revisionsinteresse S 820.000), infolge Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes vom 17. September 1986, GZ 5 R 199/86-37, womit infolge Berufung der beklagten Parteien das Teilurteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 26. März 1986, GZ 13 Cg 298/85-27, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagten Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der klagenden Partei die mit S 18.333,32 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 1.666,67 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Gegenstand des Revisionsverfahrens ist das Teilurteil des Erstgerichtes, womit die beklagten Parteien schuldig erkannt wurden,

(1.) ab sofort bei der Erzeugung und beim Vertrieb von Bekleidungsstücken, sowie bei der Werbung hiefür die Verwendung der Bezeichnung "Becora" zu unterlassen, (2.) sofort die Verwendung eines Firmenwortlautes, der das Wort "Becora" enthält, zu unterlassen und das Wort "Becora" aus ihrem Firmenwortlaut sogleich zu beseitigen sowie (3.) über den in Österreich seit 1.August 1982 erfolgten Vertrieb von Bekleidungsstücken unter der Bezeichnung "Becora" unter Angabe der verkauften Menge und des erzielten Erlöses Rechnung zu legen. Die klagende Partei wurde ferner (4.) ermächtigt, den stattgebenden Teil des Ersturteils binnen sechs Monaten nach seiner Rechtskraft je einmal in den Fachzeitschriften "Österreichische Textilzeitung" und "Aus der Textilfamilie" auf Kosten der beklagten Parteien veröffentlichen zu lassen; ein Mehrbegehren auf weitere Veröffentlichung wurde rechtskräftig abgewiesen. Die Entscheidung über den geltend gemachten Schadenersatzanspruch blieb dem Endurteil vorbehalten. Die klagende Partei hatte vorgebracht, sie erzeuge Bekleidungsstücke und vertreibe diese in ganz Europa, darunter auch in Österreich unter der international registrierten Marke "Becopa". Auch in den letzten fünf Jahren sei diese Marke in Österreich verwendet worden. Die beklagten Parteien erzeugten und vertrieben wie die Klägerin Kleidungsstücke aller Art unter der Bezeichnung "Becora". Die beiden Zeichen seien verwechselbar ähnlich. Der Marke der klagenden Partei komme Priorität zu. Die beklagten Parteien verletzten das Markenrecht der klagenden Partei durch die unzulässige Verwendung der Bezeichnung "Becora" in der Werbung und beim Vertrieb von Kleidungsstücken aller Art sowie durch unzulässige Verwendung dieser Bezeichnung im Rahmen ihres Firmenwortlautes. Der Anspruch auf Rechnungslegung ergebe sich aus den §§ 151 PatG und 56 MSchG.

Die beklagten Parteien hatten beantragt, das Klagebegehren abzuweisen, und eingewendet, zwischen der von ihnen verwendeten Bezeichnung "Becora" und den zugunsten der klagenden Partei registrierten Marken bestehe keine Verwechslungsgefahr. Unterschiede bei der Führung der Bezeichnungen "Becora" und "Becopa" seien schon deshalb gegeben, weil verschiedene Schriftzüge in verschiedener Farbe verwendet würden und die klagende Partei in ihrer Marke dem Schriftzug "Becopa" ein überdimensionales fettgedrucktes "B" oder den Zusatz "Made in Belgium" beigefügt habe. Überdies habe die klagende Partei erst in jüngster Zeit ihren Schriftzug dem von der beklagten Partei verwendeten graphisch angeglichen, wofür sie keinen Markenschutz in Anspruch nehmen könne. Die von den Parteien vertriebenen Produkte seien verschieden: Die klagende Partei stelle Kindermoden her, während die beklagten Parteien den Handel mit Leder- und Sportbekleidung für Erwachsene betrieben; es fehle daher an einem Wettbewerbsverhältnis.

Das Erstgericht stellte folgenden Sachverhalt fest:

Die klagende Partei, eine mit dem Firmenwortlaut "Becopa" im Handelsregister in Brüssel protokollierte Aktiengesellschaft, die in Österreich keine Zweigniederlassung unterhält, besteht seit mehr als 100 Jahren. Seit dem Jahr 1959 beschäftigt sie sich mit dem Entwurf und dem Verkauf von Kinder- und Jugendmode, während die Erzeugung an andere Unternehmen weitergegeben wird. Die klagende Partei führt neben Baby- und Kinderkollektionen auch Jugendkollektionen für die Altersgruppe von 10 bis 20 Jahren. Seit dem Jahr 1969 ist sie auch auf dem österreichischen Markt repräsentiert, indem sie direkt an Kindermodengeschäfte, Freizeitgeschäfte und Kleiderhäuser, die Kleidungsstücke für alle Altersgruppen führen, liefert. Ihr Kundenkreis umfaßt in Österreich ca. 60 Detailhändler, davon in Tirol etwa 20 Händler. Im Bereich der Jugendmode vertreibt die klagende Partei keine hochspezialisierte Sportkleidung, wohl aber Freizeitkleidung, die auch für sportliche Zwecke Verwendung finden kann. Dazu gehören etwa sportliche Freizeitjacken, ähnlich wie Anoraks, oder sportlich-modische Stoffhosen, aber auch sogenannte klassische Hosen bis zur Konfektionsgröße 50. Derartige Konfektionsgrößen können von jugendlich schlanken Personen bis zu einer Körpergröße von 1,88 m getragen werden.

Alle von der klagenden Partei vertriebenen Kleidungsstücke sind mit Einnähetiketten, teilweise auch mit aufgenähten, nach außen hin sichtbaren Etiketten mit dem Schriftzug "Becopa" oder "becopa" versehen, wobei dem Schriftzug häufig ein überformatiges "B" oder der Zusatz "Made in Belgium" beigesetzt ist. Daneben wirbt die klagende Partei auch in Zeitungsannoncen, mit verschiedenen Werbeträgern wie Aufsteckknöpfen oder Schlüsselanhängern, Aufdrucken auf Kleiderbügeln, Einkaufstüten, Ständerplakaten und Prospekten. Sie erzielte im Jahre 1985 in Österreich einen Warenumsatz von etwa 4 bis 5 Millionen S, wobei die bedeutenderen Umsatzteile im Bereich der Jugendmode (10 bis 20 Jahre) erreicht werden. Die klagende Partei führt unter der Bezeichnung "Lord B" auch Herrenkollektionen, bisher allerdings nicht in Österreich. Sie benützt beim Vertrieb ihrer Waren in Österreich fortlaufend ihre international registrierten Marken, und zwar

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Die beklagten Parteien bestreiten in ihrer Revision unter Hinweis auf den Vertrieb unterschiedlicher Waren ausschließlich die von den Vorinstanzen angenommene Gefahr von Verwechslungen und demzufolge die verwechselbare Ähnlichkeit der Marken der klagenden Partei mit den Firmenbezeichnungen der beklagten Parteien. Gegen diese Rechtsauffassung bestehen jedoch keine Bedenken. Auch der Benützer einer den firmenrechtlichen Vorschriften entsprechenden Firma kann nach § 9 UWG geschützte Rechte eines anderen verletzen (ÖBl 1979, 45; ÖBl 1976, 45 uva.). Daß den Marken der klagenden Partei gegenüber den Firmenbezeichnungen der beklagten Parteien Priorität zukommt, ist unbestritten. Aber auch die Gefahr von Verwechslungen liegt vor: Der Unterlassungsanspruch nach § 9 UWG ist schon bei objektiver Verwechslungsgefahr gegeben (ÖBl 1979, 45 uva.). Den Vorinstanzen ist beizupflichten, daß es sich bei der Marke "Becopa" um ein reines Phantasiewort mit großer Kennzeichnungskaft handelt. Die Firmenbezeichnungen der beklagten Parteien enthalten außer dem Firmenschlagwort "Becora" nur auf die Geschäftsform hinweisende Zusätze, nämlich "Handelsgesellschaft mbH" und "Handelsgesellschaft mbH & Co KG". Der Firmenkern "Becora" ist aber den Marken der klagenden Partei "Becopa" verwechselbar ähnlich. Auch wenn man davon ausgeht, daß die klagende Partei primär die Wortbildmarke "Becopa B" verwendet, besteht Ähnlichkeit im Verhältnis zum Firmenschlagwort der beklagten Parteien, sowohl im Wortklang dieser Marke, als auch in ihrem Wortbild. Zusätze, die lediglich auf die Gesellschaftsform hinweisen, können für sich allein die Eignung, Verwechslungen herbeizuführen, nicht ausschließen. Darüber hinaus werben die beklagten Parteien auch unter dem Firmenschlagwort "Becora" und verwenden es teilweise auch auf den Etiketten ihrer Waren.

Die Gefahr von Verwechslungen wird auch durch das unterschiedliche Warensortiment nicht ausgeschlossen. Beide Streitteile befassen sich mit dem Vertrieb von Kleidung. Wenn auch die klagende Partei in Österreich nur auf dem Gebiet der Kinder- und Jugendmode tätig ist, während die beklagten Parteien Bekleidung für Erwachsene vertreiben, ist die Verwechslungsgefahr schon deshalb nicht ausgeschlossen, weil die klagende Partei Kleidung bis zur Konfektionsgröße 50, die beklagten Parteien aber von der Konfektionsgröße 46 aufwärts vertreiben, so daß sich die Abnehmerkreise teilweise überschneiden. Darüber hinaus ist Verwechslungsgefahr auch dann anzunehmen, wenn nur der Anschein einer Identität oder eines besonderen Zusammenhanges wirtschaftlicher oder organisatorischer Art erweckt wird (Hohenecker-Friedl, Wettbewerbsrecht 51; ÖBl 1983, 80; ÖBl 1981, 24 = SZ 53/69 uva.). Der Schutz nach § 9 UWG setzt keine völlige Warengleichartigkeit voraus; die von den Parteien vertriebenen Waren oder Leistungen dürfen nur nicht so weit voneinander entfernt sein, daß die Gefahr von Verwechslungen nicht mehr besteht (ÖBl 1983, 80 ua.). Da beide Streitteile Bekleidung vertreiben und die Marken der klagenden Partei dem Firmenwortlaut der beklagten Parteien verwechselbar ähnlich sind, besteht die Gefahr. daß die beteiligten Verkehrskreise durch den Gebrauch der einander gegenüberstehenden Bezeichnungen zu der Auffassung gelangen könnten, die Waren stammten aus demselben Unternehmen oder aus solchen Unternehmen, die durch Zusammenhänge wirtschaftlicher oder organisatorischer Art besonders verbunden sind. Darauf, wie groß der Umsatz der klagenden Partei auf dem Gebiet der Jugendmode in Österreich ist, kommt es daher nicht an.

Der Revision der beklagten Parteien war somit ein Erfolg zu versagen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.

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