OGH 4Ob307/98w

OGH4Ob307/98w15.12.1998

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kodek als Vorsitzenden und durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Graf, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofes Dr. Griß und Dr. Schenk sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Vogel als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. Andreas M*****, vertreten durch Hügel, Dallmann & Partner, Rechtsanwälte in Mödling, wider die beklagte Partei Friedrich H*****, wegen Aufkündigung, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 30. Juni 1998, GZ 40 R 312/98y-10, womit das Urteil des Bezirksgerichtes Liesing vom 4. März 1998, GZ 6 C 1290/97x-6, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Der Kläger hat die Kosten seines erfolglosen Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger war Mieter einer in Wohnungseigentum des Beklagten stehenden Eigentumswohnung. Der Mietvertrag wurde am 24. und 28. 6. 1996 auf die Dauer von zwei Jahren, beginnend mit 1. 7. 1996, befristet abgeschlossen.

Unter Hinweis auf § 29 Abs 1 Z 3 lit b MRG idF BGBl 1997/22 (WRN 1997) kündigte der Mieter das Mietverhältnis zum 31. 10. 1997 auf.

Der Beklagte erhob Einwendungen und brachte vor, eine vorzeitige Kündigung im Sinn der angeführten Bestimmungen sei nicht möglich.

Unbestritten blieben der Zeitpunkt des Vertragsabschlusses und die Wirksamkeit der im Mietvertrag vereinbarten Befristung.

Das Erstgericht erklärte die Aufkündigung für rechtsunwirksam und wies das Übernahmebegehren ab. § 29 Abs 1 Z 3 lit b MRG in der hier anzuwendenden Fassung des 3. WÄG gewähre Mietern von Eigentumswohnungen ein vorzeitiges Kündigungsrecht erst nach Ablauf von fünf Jahren. Die Voraussetzungen für die Anwendung dieser Bestimmung idF des BGBl 1997/22 lägen nicht vor, da die nach der Übergangsbestimmung des § 49b Abs 8 MRG idF BGBl 1997/22 erforderliche Verlängerung des Mietverhältnisses für einen Zeitraum nach dem 28. 2. 1997 nicht stattgefunden habe.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht Folge und sprach aus, daß die ordentliche Revision zulässig sei, weil zur Frage, ob § 29 Abs 1 Z 3 lit b und c MRG in der Fassung der WRN 1997 auch auf solche befristeten Mietverträge Anwendung finde, welche vor dem 1. 3. 1997 beginnen, aber nach dem 28. 2. 1997 (ohne Verlängerung) enden, Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes fehle.

§ 49b Abs 7 MRG idF WRN 1997 schließe die Rückwirkung des § 29 Abs 1 Z 3 lit b und c MRG idF der WRN 1997 für im Zeitpunkt seines Inkrafttretens bestehende befristete Mietverträge nicht nur in bezug auf die Befristung, sondern auch auf die Mindestbindungsfrist des Mieters aus. Die in § 49b Abs 7 MRG als Wiederholung des § 49a Abs 1 MRG genannte "Rechtswirksamkeit" umfasse auch die Durchsetzbarkeit des Endtermines befristeter Mietverträge. Dabei komme es auf die Rechtslage im Zeitpunkt des Abschlusses und nicht der Beendigung des Mietvertrages an. In untrennbarem Zusammenhang mit der Frage der Durchsetzbarkeit (= Beendigung) eines befristeten Mietverhältnisses stehe aber die Frage, inwieweit das Gesetz dem Mieter die Möglichkeit einräume, ein Mietverhältnis vor dem vereinbarten Endtermin durch Kündigung aufzulösen. Es sei daher § 29 Abs 1 Z 3 lit b (und c) MRG idF WRN 1997 auf befristete Mietverträge, die vor dem 1. 3. 1997 beginnen und nach dem 28. 2. 1997 enden, und nicht über einen Zeitraum nach dem 1. 3. 1997 verlängert werden, nicht anzuwenden.

Überdies fänden nach dem Wortlaut der Übergangsbestimmungen die neuen Regelungen nicht bei jeder Verlängerung eines vor 1. 3. 1997 abgeschlossenen Mietvertrages Anwendung, sondern nur dann, wenn der Vertrag für einen Zeitraum nach dem 28. 2. 1997 verlängert werde. Der Beginn des Verlängerungszeitraumes müßte daher auf einen nach dem 28. 2. 1997 liegenden Zeitpunkt fallen. Wäre bei einem Endtermin nach dem 28. 2. 1997 in jedem Fall (auch ohne eine entsprechende Verlängerung) das neue Recht anzuwenden, hätte es der Übergangsbestimmung des § 49b MRG idF WRN 1997 für die Verlängerung befristeter Mietverträge nicht bedurft.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision des Klägers ist zulässig, aber nicht berechtigt.

Die Zulässigkeit einer Aufkündigung ist nach ständiger Rechtsprechung nach den Verhältnissen im Zeitpunkt ihres Zuganges an den Erklärungsempfänger zu beurteilen (MietSlg 46.426; 7 Ob 374/97v). Es ist damit zu prüfen, ob die Aufkündigung im Zeitpunkt ihrer Zustellung an den Kündigungsgegner gerechtfertigt war.

§ 29 Abs 1 Z 3 lit b MRG idF WRN 1997 sieht das unverzichtbare und unbeschränkbare Recht des Mieters vor, den Mietvertrag vor Ablauf der (wirksam) bedungenen Zeit jeweils zum Monatsletzten gerichtlich unter Einhaltung einer dreimonatigen Kündigungsfrist zu kündigen. Ob dieses vorzeitige Kündigungsrecht des Mieters auch im Falle eines - wie hier - vor dem 1. 3. 1997 (dem Inkrafttreten der WRN 1997) abgeschlossenen Mietvertrages gilt, ist in den Übergangsbestimmungen zur WRN 1997 nicht ausdrücklich geregelt:

So enthält § 49b Abs 13 MRG in dieser Fassung eine Generalklausel, wonach die neuen Regelungen "im übrigen" (das heißt soweit Abs 1 bis 12 dieser Bestimmung nichts Gegenteiliges regeln) auch auf Mietverträge anzuwenden sind, die vor ihrem Inkrafttreten geschlossen wurden.

Gemäß § 49b Abs 7 MRG idF WRN 1997 bleibt eine vor dem 1. März 1997 geschlossene und nach den damaligen Bestimmungen rechtswirksame Befristungsvereinbarung rechtswirksam, während eine rechtsunwirksame Befristungsvereinbarung rechtsunwirksam bleibt.

Abs 8 des § 49b idF der WGN 1997 lautet wörtlich: "Wird ein vor dem 1. März 1977 geschlossener und nach den damaligen Bestimmungen des § 29 Abs 1 Z 3 lit b oder c idF des 3. WÄG BGBl Nr 800/1993, rechtswirksam befristeter Mietvertrag für einen Zeitraum nach dem 28. Februar 1997 verlängert, ist § 29 Abs 1 Z 3 lit b oder c idF des Bundesgesetzes BGBl Nr 22/1997 anzuwenden."

§ 29 Abs 1 Z 3 lit b MRG enthält - wie schon in der Fassung des 3. WÄG - sowohl eine Bestimmung über zulässige Befristungen von Mietverträgen über Eigentumswohnungen als auch eine Bestimmung über die Möglichkeit des Mieters, ungeachtet der vereinbarten Vertragsdauer, eine vorzeitige Vertragsbeendigung herbeizuführen. Ob sich § 49b Abs 7 MRG nun nur auf die erstgenannte Befristung bezieht und der Gesetzgeber damit die Anwendung des neuen Rechts auf alte Verträge nur in bezug auf die Befristung im Falle weiterer Vertragsverlängerungen regeln wollte oder ob diese Übergangsregel auch die vorzeitige Kündigung des Mieters umfassen sollte, ist im Gesetz nicht ausdrücklich geregelt. Betrifft die Übergangsregel nur Fälle der Befristung, müßte eine vorzeitige Kündigung der Generalklausel und damit (unabhängig davon, ob eine Vertragsverlängerung nach dem 28. 2. 1997 stattgefunden hat) der Beurteilung nach neuem Recht unterliegen.

Der Oberste Gerichtshof hat dazu erwogen:

Auf bestimmte Zeit abgeschlossene Verträge, die nach der Vereinbarung durch Zeitablauf zu einem bestimmten Endtermin aufgelöst werden, ohne daß es besonderer Erklärungen oder Gründe bedürfte, binden - mangels gegenteiliger Vereinbarung - die Vertragsteile an die gesamte Dauer. Eine vorzeitige Auflösung ist nur aus besonderen Gründen (§§ 1117, 1118 ABGB) möglich. Die Mietengesetzgebung schränkt nun diese Bindung an eine vertraglich vereinbarte Dauer im Interesse des Mieters insoweit ein, als ihm die Möglichkeit eingeräumt wird, das Mietverhältnis nach Ablauf einer bestimmten Bindungsfrist durch Kündigung zu beenden. Während § 29 Abs 1 Z 3 lit b MRG idF der 3. WÄG bei einer für Eigentumswohnungen gesetzlich zulässigen Befristung von 10 Jahren die Möglichkeit einer vorzeitigen Kündigung durch den Mieter nach Ablauf von fünf Jahren vorsah (bei "Dreijahresverträgen" bestand diese Möglichkeit nach lit c dieser Gesetzesbestimmung nach Ablauf eines Jahres), bestehen für Eigentumswohnungen in Neubauten (das sind aufgrund einer nach dem 8. 5. 1945 erteilten Baubewilligung errichtete Bauten) seit Inkrafttreten der WRN 1997 keinerlei zeitliche Beschränkungen für eine Befristung derartiger Mietverträge. Sie können für beliebige Zeiträume abgeschlossen und beliebig oft verlängert werden. Als - die Interessen des Mieters wahrendes - Äquivalent zur eingegangenen vertraglichen Bindung eröffnet § 29 Abs 1 Z 3 lit b MRG dem Mieter die Möglichkeit, das Vertragsverhältnis nach Ablauf eines Jahres der ursprünglich vereinbarten oder verlängerten Dauer vorzeitig aufzukündigen (Würth/Zingher Miet- und Wohnrecht20 Rz 18 zu § 29). Derartige Regelungen des Mietrechtsgesetzes, die einerseits die Vertragspartner bindende zeitliche Befristungen der Vertragsdauer zulassen und andererseits dem Mieter das Recht einräumen, den Vertrag nach Ablauf bestimmter Bindungsfristen vorzeitig aufzukündigen, stellen den vom Gesetzgeber gewünschten Interessenausgleich her. So weisen die Materialien zur Wohnrechtsnovelle BGBl 1997/22 (RV 555 BlgNR 20 XX. GP 7) auf das Ziel des Gesetzgebers hin, einen angemessenen Ausgleich zwischen den Bedürfnissen der Mieter nach gesicherter Wohnversorgung über überschaubare Zeiträume hinweg einerseits und dem legitimen Interesse der Vermieter an mittel- bis längerfristiger Wiederverfügbarkeit der in Bestand gegebenen Wohnungen andererseits zu schaffen. Dieser Interessenausgleich wird auch durch die Novellierung des § 29 Abs 1 Z 3 lit b MRG insofern erreicht, als diese die Möglichkeit der Befristung über beliebig lange Zeiträume eröffnet, dem Mieter aber die Möglichkeit gibt, eine allenfalls für zu lange Zeitdauer eingegangene Bindung durch vorzeitige Kündigung (nach mindestens einjähriger Vertragsdauer) abzukürzen bzw zu beenden.

Die von der Revision vertretene Auffassung, wonach die Wirksamkeit von im Zeitpunkt des Inkrafttretens der WRN 1997 (1. 3. 1997) bestehenden Befristungen nach der alten Rechtslage beurteilt werden sollte, für die Frage der Mindestbindungsfrist jedoch die neue Rechtslage ausschlaggebend sein müßte, löst die vom Gesetzgeber vorgenommene Verknüpfung der zulässigen Befristungsmöglichkeiten mit der für eine vorzeitige Auflösung vorgesehenen Bindungsfrist des Mieters und stellt damit den vom Gesetzgeber derart angestrebten Interessenausgleich in Frage. Wollte man nämlich die im § 29 Abs 1 Z 3 lit b idF WRN 1997 vorgesehene vorzeitige Auflösungsmöglichkeit nach nur einem Jahr Vertragsdauer auch auf Verträge anwenden, die vor dem 1. 3. 1997 abgeschlossen (und nach dem 28. 2. 1997 nicht verlängert) wurden und die damit nicht den Befristungsmöglichkeiten der WRN 1997 unterliegen, würde man dem durch die Mietrechtsbestimmungen im Zeitpunkt des ursprünglichen Vertragsabschlusses angestrebten Interessenausgleich nicht gerecht. Eine derartige - durch den aufgezeigten Willen des Gesetzgebers - nicht gedeckte Auslegung ermöglichte einen schwerwiegenden Eingriff in ein bestehendes Vertragsverhältnis zu Lasten bloß eines Vertragspartners. Ein derartiger Wille kann dem Gesetzgeber aber mangels besonderer Anordnung nicht unterstellt werden. Entgegen der Auffassung der Revision besteht damit ein untrennbarer Zusammenhang zwischen den Bestimmungen über die zulässige Befristung und die vorzeitige Aufkündigung des Vertrages nach einer bestimmten Bindungsfrist. Daraus ergibt sich aber zwingend, daß § 29 Abs 1 Z 3 lit b MRG idF WRN 1997 auf ein zum 1. 3. 1997 schon bestehendes Mietverhältnis nur insgesamt angewendet werden kann. Findet daher die in der Novelle vorgesehene Befristungsmöglichkeit (mangels Vertragsverlängerung nach dem 28. 2. 1997) keine Anwendung, kann auch die vorzeitige Auflösung des Vertrages nur nach den vor der Novelle 1997 geltenden Bestimmungen des 3. WÄG vorgenommen werden.

§ 49b Abs 7 MRG idF WRN 1997 regelt somit nicht nur die Anwendung der (neuen) Bestimmungen über die Zulässigkeit einer Befristung auf vor dem 1. 3. 1997 geschlossene Mietverträge, sondern auch jene über die vorzeitige Auflösung eines vor dem 1. 3. 1997 abgeschlossenen Mietverhältnisses. Für die Anwendung der Generalklausel des § 49b Abs 13 MRG idF WRN 1997 bleibt demnach kein Raum.

Damit sind aber die in der WRN 1997 vorgesehenen Befristungs- und vorzeitigen Kündigungsbe- stimmungen nur auf jene Verträge anzuwenden, die nach dem 1. 3. 1997 abgeschlossen oder - eine gültige Befristungsvereinbarung vorausgesetzt - nach dem 28. 2. 1997 verlängert werden (vgl Stabentheiner, Die Wohnrechtsnovelle 1997, Sonderheft zur ÖJZ 1997, 1 ff [7]).

Die Vorinstanzen haben zu Recht erkannt, daß das in § 29 Abs 1 Z 3 lit b MRG idF WRN 1997 vorgesehene vorzeitige Kündigungsrecht des Mieters auf vor dem 1. 3. 1997 abgeschlossene Mietverträge nur dann zur Anwendung kommt, wenn dieses Mietverhältnis - eine nach alter Rechtslage rechtswirksame Befristung vorausgesetzt - nach dem 28. 2. 1997 (somit schon im Geltungszeitraum der Novelle) verlängert wurde. Dies ist hier nicht der Fall. Die Entscheidungen der Vorinstanzen sind damit nicht zu beanstanden.

Der unberechtigten Revision des Klägers wird nicht Folge gegeben.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 50 Abs 1 und 52 Abs 1 ZPO. Der Beklagte hat sich am Revisionsverfahren nicht beteiligt, sodaß ein Kostenzuspruch an ihn unterbleibt.

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