OGH 4Ob304/72

OGH4Ob304/721.2.1972

SZ 45/10

Normen

Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb §1
Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb §7
Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb §1
Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb §7

 

Spruch:

Von dem Grundsatz, daß ein Wettbewerbsverstoß eines Inländers im Ausland nach ausländischem Recht zu beurteilen ist, muß dann eine Ausnahme gemacht werden, wenn sich der Wettbewerb nur zwischen Inländern abspielt und nur dazu bestimmt ist, den Gegner bei einem ausländischen Lieferanten anzuschwärzen

Ein Widerruf kann grundsätzlich nur hinsichtlich der tatsächlich aufgestellten Behauptung, und zwar in ihrem ursprünglichen Wortlaut verlangt werden. Ausnahmen von diesem Grundsatz sind möglich, doch darf dadurch der Sinngehalt der beanstandeten Äußerung nicht verändert werden

OGH 1. 2. 1972, 4 Ob 304/72 (OLG Wien 2 R 150/71; HG Wien 11 Cg 568/70)

Text

Die klagende Partei beantragte in der Klage die Verurteilung des Beklagten, 1. es sofort zu unterlassen, von der klagenden Gesellschaft zu behaupten, sie sei durch das Ausscheiden des Herrn Z beeinträchtigt, insbesondere "schwerst vermindert", 2. die in seinem Brief an die Firma F & P in Florenz vom 13. 4. 1970 aufgestellte Behauptung, die Klägerin sei durch das Ausscheiden von Herrn Z in jeder Hinsicht schwerst vermindert, binnen 14 Tagen gegenüber F & P schriftlich zu widerrufen.

Das Erstgericht erließ zu Punkt 1 ein Teilanerkenntnisurteil, behielt aber den Kostenausspruch der Endentscheidung vor. Im Punkt 2 des Klagebegehrens entschied das Erstgericht mit Endurteil iS dieses Begehrens. Hiezu steht folgender Sachverhalt fest:

Johann Z schied Ende Juli 1969 als Komplementär aus der Firma L & Z aus. Der Beklagte, der mit dieser Firma im Konkurrenzverhältnis stand, richtete am 13. 4. 1970 an die Firma F & P, Florenz, folgendes Schreiben:

"Sehr geehrte HerrenÜ

Wir kommen neuerlich auf unsere bereits mit Ihnen geführte Korrespondenz wegen der diversen Broschenfassungen, die Sie erzeugen, und die zur Montage für Petit Point Stickereien geeignet sind, und von Ihnen seit geraumer Zeit nach Österreich exportiert werden, zurück, da sich zwischenzeitlich bei Ihrem bisherigen Kunden in Österreich Veränderungen ergeben haben, die Sie aller Voraussicht nach in einer sehr absehbaren Zeit veranlassen könnten, sich in Österreich nach einem neuen Kunden umsehen.

Wir wollen Sie nur dahingehend informieren, daß Herr Z vor zirka einem halben Jahr aus der Firma, die Sie zur Zeit noch beliefern, und der dort seit 25 Jahren der wirtschaftliche Kopf dieses Unternehmens war, aus Altersgrunden ausgetreten ist.

Die derzeitige Führung Ihrer Wiener Abnehmerfirma ist daher durch das Ausscheiden von Herrn Z in jeder Hinsicht schwerst vermindert und können wir Ihnen aus begreiflichen Gründen keine näheren diesbezüglichen Details zur Kenntnis bringen.

Da wir zur fixen Überzeugung gekommen sind, daß Sie in einer sehr absehbaren Zeit sich hier in Wien um einen anderen Abnehmer umsehen werden müssen, bringen wir uns neuerlich in Erinnerung und möchten Sie sehr ersuchen, bevor Sie anderwärtige Beziehungen in Österreich aufzunehmen gedenken, mit uns das Einvernehmen zu pflegen.

Wir sind die älteste Fachfirma auf diesem Gebiet in Österreich und daher in der Lage, Ihnen eine solide, dauernde Geschäftsmöglichkeit zu bieten.

Es steht Ihnen frei, über uns bei unserer Bankverbindung der X-Bank, Wien, mit welcher wir seit mehr als 20 Jahren unsere Geschäfte abwickeln, allfällige Informationen einzuholen.

Der Ordnung halber erwähnen wir, daß wir alle Fakturen innerhalb von 30 Tagen begleichen und zur Zeit in Ihrer Broschenlinie laufenden Bedarf hätten. Da in Österreich diese Broschenfassungen - speziell die Umrahmungen Ihrer Broschen meinen wir damit - nicht erzeugt werden, sind wir auf den Import derselben angewiesen, und ist das der Grund, warum wir uns in dieser Angelegenheit neuerlich an Sie wenden.

Wir wären Ihnen für Ihre freundliche Rückäußerung zu unserer Anfrage dankbar und zeichnen in dieser Erwartung, mit vorzüglicher Hochachtung (Unterschrift)"

Johann Z habe bis zu seinem Ende Juli 1969 erfolgten Ausscheiden aus der Firma L & Z deren kaufmännische Leitung innegehabt. Schon zirka 1 bis 2 Jahre vor seinem Ausscheiden sei der Geschäftsgang des Unternehmens rückläufig gewesen. Ursächlich hiefür sei die Marktlage, aber auch die Betriebsstruktur gewesen. Es seien zu teure Arbeitskräfte eingestellt gewesen. So seien Arbeiter als Angestellte geführt worden, wodurch hohe Abfertigungen geleistet werden mußten. Die hohen Arbeitskosten hätten in den erzielten Preisen nicht Deckung gefunden. Es sei demnach die Werkstätte der Firma der kritische Betriebsteil gewesen. Vor dem Ausscheiden des Johann Z habe das Unternehmen seinen Tiefpunkt erreicht. In den letzten Jahren vor seinem Ausscheiden sei das Unternehmen mangels Konkurrenzfähigkeit überhaupt nicht im Export tätig gewesen. Wohl habe die Klägerin in dieser Zeit immer bei der Wiener Frühjahrs- und Herbstmesse ausgestellt, aber nur einige Male bei der Frankfurter Messe. In den letzten Jahren vor dem Ausscheiden des Johann Z sei infolge des deutlich sichtbaren Umsatzrückganges von der X-Bank der der Gesellschaft eingeräumte Kreditrahmen von S 600.000.- auf S 400.000.- reduziert worden. Der Stand der beschäftigten Personen sei von 16 auf zirka 8 bis 9 gesunken. Nach dem Ausscheiden des Z seien die restlichen Beschäftigten gekundigt worden. Es seien aber noch 6 Heimarbeiter beschäftigt gewesen, die auch weiterhin für die Klägerin tätig seien. Außerdem beschäftige sie noch drei weitere Hilfskräfte. Die beim Ausscheiden des Johann Z gekundigten Beschäftigten seien sämtlich Angestellte gewesen, davon ein Werkmeister in der Stellung eines Angestellten, der in Pension gegangen sei. Die Gürtlerarbeiten seien zur Zeit der Tätigkeit des Z überwiegend in der Werkstätte des Unternehmens ausgeführt worden, zum Teil seien sie außer Haus gegeben worden. Hauptsächlich seien die aus dem Ausland bezogenen Halbfabrikate zusammengebaut worden.

Während das Geschäftsjahr 1969 (in dessen Verlauf Z aus der Gesellschaft ausgeschieden sei) ohne Gewinn für die Gesellschaft abgeschlossen habe, sei im Geschäftsjahr 1970 schon ein Rohgewinn von zirka S 200.000.- erzielt worden. Die Geschäftsverbindung mit der Firma F & P sei zwischen 1969 und Juli 1970 derart ausgedehnt worden, daß der Umsatz um 100% gestiegen sei. Das Unternehmen sei nunmehr vorwiegend auf den Umsatz von Handelsware abgestellt, es würden nur mehr zum Teil Halbfabrikate bezogen und manipuliert. Schon im September 1970 habe die Firma den Jahresumsatz von 1969 überschritten. Im Jahre 1970 habe sie den Großteil ihrer Zahlungsverbindlichkeiten mit Kassenskonto begleichen können, seit Ende des Jahres 1970 sei dies bei allen Zahlungen der Fall gewesen.

Rechtlich beurteilte das Erstgericht diesen Sachverhalt dahin, daß das auf Grund des Anerkenntnisses des Unterlassungsbegehrens durch den Beklagten ergangene Teilanerkenntnisurteil im vorliegenden Fall deshalb keine Bindungswirkung für den Widerrufsanspruch habe, weil das Widerrufsbegehren inhaltlich über das anerkannte Unterlassungsbegehren hinausgehe. Die im Schreiben vom 13. 4. 1970 enthaltene Äußerung des Beklagten stelle kein bloßes Werturteil, sondern eine auf ihren Wahrheitsgehalt überprüfbare Tatsachenbehauptung dar, denn es werde darin behauptet, daß durch das Ausscheiden des Gesellschafters Z eine schwerste Beeinträchtigung des Unternehmens der Klägerin in allen maßgebenden Unternehmensbereichen eingetreten sei, uzw in der Führung, im good will und in der Vermögensbasis. Die Äußerung sei vom Beklagten offenkundig in der Absicht erfolgt, die Klägerin bei der Firma F & P anzuschwärzen, um dadurch selbst die Position der Klägerin zu erobern. Es handle sich daher um eine Behauptung zum Zwecke der wettbewerbswidrigen Herabsetzung iS des § 7 Abs 1 UWG, die sich als unwahr erwiesen habe. Das Unternehmen der Klägerin habe nämlich seit dem Ausscheiden des Johann Z einen deutlichen Aufschwung genommen, es sei die derzeitige Unternehmensführung tüchtiger, als sie es zur Zeit der Teilhaberschaft des genannten Gesellschafters gewesen sei. Auch der Ruf des Unternehmens habe durch das Ausscheiden dieses Gesellschafters nicht Schaden gelitten und es sei auch keine Reduzierung des Unternehmenskapitals eingetreten. Daher sei das auf § 7 Abs 1 UWG gestützte Widerrufsbegehren berechtigt.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes, über den es entschied, S 15.000.- übersteigt.

Das Berufungsgericht billigte die Feststellungen des Erstgerichts und teilte auch in der Hauptsache dessen rechtliche Beurteilung.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der beklagten Partei Folge und wies das Begehren laut Punkt 2 (Widerruf) ab.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Vorauszuschickten ist, daß die Anwendbarkeit österreichischen Rechts, die von den Untergerichten ohne nähere Begründung vorausgesetzt wurde, zu bejahen ist. Grundsätzlich ist wohl davon auszugehen, daß ein Wettbewerbsverstoß eines Inländers im Ausland nach ausländischem Recht zu beurteilen ist (SZ 12/142, ÖBl 1972, 67, Baumbach-Hefermehl, Wettbewerbsrecht und Warenzeichenrecht[10], 171 ff). Davon ist jedoch eine Ausnahme zu machen, wenn sich wie im vorliegenden Fall der Wettbewerb nur zwischen Inländern abspielt und nur dazu bestimmt ist, den Gegner bei einem ausländischen Lieferanten anzuschwärzen (vgl Baumbach- Hefermehl aaO, 178, BGHZ 40, 391).

Ein Widerruf kann grundsätzlich nur hinsichtlich der tatsächlich aufgestellten Behauptungen uzw in ihrem ursprünglichen Wortlaut verlangt werden (Hohenecker-Friedl, Wettbewerbsrecht, 87). Ausnahmen von diesem Grundsatz sind möglich, doch darf dadurch der Sinngehalt der beanstandeten Äußerung nicht verändert werden. So hat der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung ÖBl 1972, 67 es für zulässig erachtet, die im übrigen wörtlich in das Begehren um Widerruf aufgenommene Mitteilung durch das Wort "nur" zu ergänzen, weil diese Hervorhebung dem Zusammenhang der gesamten Mitteilung entsprach. Im vorliegenden Fall kommen für die Beurteilung des Sinnes des Widerrufsbegehrens die Absätze 1 bis 3 des beanstandeten Schreibens vom 13. 4. 1970 in Betracht. Ihr Wortlaut wurde bereits unter den Feststellungen der Untergerichte wiedergegeben. Der Sinn der Behauptung, die derzeitige Führung ihrer Wiener Abnehmerfirma ist daher durch das Ausscheiden von Herrn Z in jeder Hinsicht schwerst vermindert ... ist mehrdeutig. Zunächst weist die Verwendung des Begriffs "vermindert" im Zusammenhange damit, daß Z der führende Kopf des Unternehmens gewesen sei, darauf hin, daß sich rein zahlenmäßig die Führung des Unternehmens vermindert habe. Aber neben dieser Bedeutung tritt durch die Hervorhebung, daß Z der wirtschaftliche Kopf des Unternehmens gewesen und daß durch sein Ausscheiden die derzeitige Führung des Unternehmens "in jeder Hinsicht" schwerst vermindert sei noch die weitere Bedeutung hinzu daß sich diese Verminderung der Führungskräfte höchst nachteilig auswirke. Zunächst auf die Führung des Unternehmens, sie sei demnach schlechter als vor dem Ausscheiden des Z. In weiterer Folge - so kann geschlossen werden - werde sich das freilich auch auf die Leistungen des Unternehmens auswirken. Doch wird dies nicht geradezu behauptet, sondern der Schlußfolgerung des Adressaten des Schreibens überlassen. Wenn nun die klagende Partei diese mögliche Frage der Veränderung in der Führungsspitze auf das Unternehmen selbst bezieht und den Widerruf verlangt, daß die Klägerin durch das Ausscheiden des Z in jeder Hinsicht schwerst vermindert sei, so geht das über eine sinngemäße Verdeutlichung weit hinaus, verändert vielmehr den Sinn der Mitteilung, indem an Stelle des Widerrufs der tatsächlich erfolgten und zu beanstandenden Mitteilung der Widerruf der vermuteten Wirkung auf das Unternehmen der klagenden Partei begehrt wird. Hier kann auch eine Umformulierung des Spruches durch das Gericht nicht mehr Platz greifen, denn dies wäre nur dann möglich, wenn dadurch dem Klagebegehren eine deutlichere Fassung gegeben wird, nicht aber, wenn dadurch dem Klagebegehren ein anderer sachlicher Inhalt gegeben wird (EvBl 1960/231). Letzteres aber wäre hier der Fall, wollte man das Klagebegehren dem Wortlaut der beanstandeten Mitteilung anpassen.

Es zeigt sich somit, daß der festgestellte Sachverhalt das Klagebegehren nicht rechtfertigt, sodaß es abzuweisen ist.

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