OGH 4Ob302/77

OGH4Ob302/778.2.1977

SZ 50/21

Normen

deutsches Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb §12
Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb §1
Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb §10
Zugabengesetz §1
deutsches Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb §12
Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb §1
Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb §10
Zugabengesetz §1

 

Spruch:

Taugliche Bestechungsmittel im Sinne des § 10 UWG sind auch sogenannte "Werbegeschenke" oder "Verkaufsprämien" an Angestellte von Groß- oder Einzelhändlern, wenn sie bewirken sollen, daß deren Kunden bestimmte Waren besonders bevorzugt empfohlen werden. Ob der Geschäftsherr des Begünstigten von der Gewährung dieses unzulässigen Vorteils weiß oder sie vielleicht sogar billigt, ist unerheblich

OGH 8. Feber 1977, 4 Ob 302/77 (OLG Wien 2 R 198/76; HG Wien 18 Cg 112/76)

Text

Der klagende Interessentenverband, dem auch Süßwarenerzeugungs- und Handelsunternehmen angehören, brachte vor, der Beklagte habe Anfang Juni 1976 ein "an einen Großhandelsreisenden" gerichtetes Rundschreiben versandt, in welchem beim Verkauf von 50 Traubenvasen Kaugummi ein Autoklapprad versprochen wird. Der Beklagte habe damit gegen §§ 1 und 10 UWG und § 1 ZugG verstoßen. Es wird beantragt, ihm zu verbieten, den Großhandelsreisenden der Wiederverkäufer der von ihm vertriebenen Süßwaren für den Absatz dieser Produkte unentgeltliche Zuwendungen, insbesondere in Form von Autoklapprädern, zu versprechen und/oder zu gewähren. Zur Sicherung dieses Unterlassungsbegehrens beantragte der Kläger eine einstweilige Verfügung gleichen Inhaltes.

Der Beklagte gab zu, das angeführte Rundschreiben versandt zu haben, machte aber geltend, daß es weder gegen Bestimmungen des UWG noch gegen solche des Zugabengesetzes verstoße.

Das Erstgericht wies den Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung ab. Ein Verstoß gegen das Zugabengesetz liege deshalb nicht vor, weil nicht den Käufern von Waren des Beklagten Zugaben gewährt würden, sondern den Verkäufern Prämien für einen ein bestimmtes Ausmaß übersteigenden Absatz. Aber auch das UWG werde durch das Rundschreiben nicht verletzt. Der Beklagte biete den Großhandelsvertretern seiner Kunden Geschenke an, damit diese seine Waren besonders intensiv verkaufen; es sei aber weder behauptet noch bescheinigt worden, daß dies in der durch § 10 UWG verpönten Absicht geschehen sei, diesen Vorteil durch unlauteres Verhalten der von ihm angesprochenen Bediensteten zu erlangen. Darin, daß die Großhandelsvertreter durch die Aktion des Beklagten veranlaßt würden, sich für den Verkauf seiner Waren nicht aus sachlichen, sondern aus eigennützigen Erwägungen besonders einzusetzen, könne ein unlauteres Verhalten nicht erblickt werden. Auch eine Sittenwidrigkeit im Sinne des § 1 UWG liege nicht vor. Die mit dem Verkauf der Waren des Beklagten befaßten Großhandelsvertreter könnten nur jene Waren verkaufen, die ihr Auftraggeber zum Verkauf anbiete und in seinem Sortiment führe. Die Kunden der Großhandelsvertreter seien selbst Kaufleute, denen ein gewisses Maß an Sachkenntnis zuzutrauen sei; sie würden den Vertretern nur jene Ware abkaufen, die für sie zumindest nicht ungünstiger sei als die Ware der Konkurrenz. Für diese Kaufleute werde daher die durch die Geschenke des Beklagten angeregte Intensität der Verkaufsbemühungen der Vertreter kein entscheidendes Argument dafür sein, gerade Ware des Beklagten zu kaufen. Ob und wie der Beklagte die Kosten für die von ihm versprochenen Geschenke in den Preisen seiner Waren unterbringe, sei seine Sache; es könne ihm jedenfalls auch eine intensive und kostspielige Werbekampagne zur Hebung seines Absatzes nicht verboten werden.

Das Rekursgericht erließ die beantragte einstweilige Verfügung. Es ging davon aus, daß sich § 10 UWG - ebenso wie § 12 dUWG - gegen eine Verfälschung des Wettbewerbes durch das Anbieten und Gewähren von Schmiergeldern richte. Die Gewährung sogenannter Werbe- oder Verkaufsprämien durch einen außenstehenden Dritten an Angestellte eines Unternehmens sei ein taugliches Bestechungsmittel im Sinne des § 10 UWG. Es sei nicht Sache außenstehender dritter Personen, sondern Sache des Unternehmens, bei dem der Vertreter beschäftigt ist, diesen für den Verkaufserfolg zu belohnen. Der Beklagte erwartet sich von seinem Rundschreiben, daß Vertreter der Großhandelsunternehmer den Absatz gerade seiner Waren besonders forcieren würden, um in den Besitz der versprochenen Verkaufsprämien zu gelangen. Er versuche, sich einen Vorsprung im Wettbewerb dadurch zu verschaffen, daß Vertreter anderer Unternehmen seine Waren nicht aus sachlichen Gründen, sondern deswegen bevorzugt anbieten, weil ihnen bestimmte persönliche Vorteile vom Beklagten versprochen wurden. Ein solches Verhalten der Vertreter sei unlauter, da auch der Kunde ein Recht darauf habe, möglichst objektiv über das vorhandene Warenangebot beraten zu werden. Der Kunde rechne jedenfalls nicht damit, daß der Verkäufer eine Ware deswegen besonders empfiehlt, weil er von dritter Seite persönliche Vorteile erhalte. Eine unsachliche Bevorzugung der Ware des Begünstigers zu Lasten des Angebotes seiner Mitbewerber sei nur dann ausgeschlossen, wenn derjenige, dem der Vorteil versprochen wurde, ausschließlich Waren des Begünstigers vertreibe. Ob der Begünstiger den angestrebten Erfolg erreiche und ob der Geschäftsherr der betroffenen Vertreter das Rundschreiben des Beklagten kenne oder dessen Vorgehen sogar billige, sei unwesentlich. § 10 UWG schütze nicht Interessen der Geschäftsherrn des Begünstigten, sondern jene der Mitbewerber des Begünstigers und jene der Kunden. Das Verhalten des Beklagten verstoße somit gegen § 10 UWG, so daß der Unterlassungsanspruch bescheinigt und die beantragte einstweilige Verfügung zu erlassen sei.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs des Beklagten nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Der Beklagte macht im wesentlichen geltend, daß eine Zuwendung nur dann "unlauter" im Sinne des § 10 UWG sein könne, wenn sie ohne Wissen des Geschäftsherrn des Bedachten erfolge, da es erlaubt sein müsse, den Unternehmer bei seinen Anliegen, nämlich dem Verkauf der Ware, zu unterstützen. Es sei auch nicht unlauter zu versuchen, den Absatz der Ware nicht nur aus "objektiven" Gründen, nämlich wegen ihrer Qualität, des günstigen Preises u. dgl., zu heben, weil dies Zweck jeder Werbung sei.

Demgegenüber ist das Rekursgericht richtig davon ausgegangen, daß § 10 UWG das Bestechungsunwesen, somit jenes unlautere Verhalten im Wettbewerb treffen will, das Bedienstete oder Beauftragte eines anderen Unternehmens durch Versprechung oder Gewährung von Geschenken oder anderer Vorteile für eine bevorzugte Behandlung zu gewinnen sucht (Hohenecker - Friedl, Wettbewerbsrecht, 57). Die Regelung des österreichischen UWG ist mit jener des deutschen UWG (§ 12) fast wörtlich, aber jedenfalls inhaltlich gleich (siehe auch Baumbach - Hefermehl, Wettbewerbs- u. Warenzeichenrecht[11] I, 1098 Anm. 33). Nach diesen Bestimmungen ist es verboten, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbes dem Bediensteten (Angestellten) oder Beauftragten eines Unternehmens (geschäftlichen Betriebes) Geschenke oder andere Vorteile anzubieten, zu versprechen oder zu gewähren, um durch unlauteres Verhalten des Bediensteten (Angestellten) oder Beauftragten beim Bezug von Waren oder (gewerblichen) Leistungen eine Bevorzugung für sich oder einen Dritten zu erlangen.

Taugliche Bestechungsmittel sind danach alle Vorteile und als deren Unterfall Geschenke, welche die Lage des Begünstigten irgendwie verbessern können, insbesondere auch sogenannte Werbegeschenke oder Verkaufsprämien an Angestellte von Groß- oder Einzelhändlern, die bewirken sollen, daß deren Kunden bestimmte Waren besonders bevorzugt empfohlen werden (Hohenecker - Friedl a. a. O., 59; Baumbach - Hefermehl a. a. O., 1087; Lehmann, Die Werbung mit Geschenken, 73). Eine Bevorzugung liegt vor, wenn man im Wettbewerb für sich oder einen Dritten einen Vorteil gegenüber Mitbewerbern erlangt, auf den man keinen Anspruch hat (Hohenecker - Friedl a. a. O.; Baumbach - Hefermehl a. a. O., 1089; Reimer, Wettbewerbs und Warenzeichenrecht[4] II, 444; Lehmann a. a. O., 77). Die Bevorzugung muß angestrebt sein, um den Tatbestand des § 10 UWG zu erfüllen; es ist aber nicht erforderlich, daß sie auch tatsächlich erfolgt. Es ist daher unerheblich, ob der Begünstigte das Angebot tatsächlich bevorzugt oder ob er dies deswegen tut, weil er es ohnehin als das günstigste Angebot ansieht. Wesentlich ist vielmehr, daß nach der Vorstellung des Begünstigers die Bevorzugung seines Angebotes ganz oder teilweise dadurch bewirkt werden soll, weil der Begünstigte den versprochenen, angebotenen oder gewährten Vorteil erlangen will (Hohenecker - Friedl a. a. O., 59; Baumbach - Hefermehl, 1090, 1092; Reimer a. a. O., 442, 444; Lehmann a. a. O., 76). Das entspricht dem allgemeinen Grundsatz, daß die Sittenwidrigkeit einer Wettbewerbshandlung nicht von ihrem Erfolg abhängt (4 Ob 368/76).

Die Zuwendung muß aber nicht nur bestimmt, sondern auch geeignet sein, den Begünstigten zu beeinflussen. Diese Eignung ist zu verneinen bei Zuwendungen, die nach der in den beteiligten Kreisen vorherrschenden Anschauung das Ausmaß üblicher Geschenke nicht überschreiten; es soll zwischen unsittlichen Zuwendungen einerseits und erlaubten harmlosen Geschenken, z. B. Trinkgeldern, unterschieden werden (RV zu § 10 UWG, abgedruckt in Anm. 2 zu § 10 UWG in der MGA 1971; Hohenecker - Friedl a. a. O., 59; Baumbach - Hefermehl a. a. O., 1090; Lehmann a. a. O., 78 f.).

Es ist auch richtig, daß jede Werbung das Ziel hat, den Absatz der . betreffenden Waren zu steigern, und sie somit ihrer Natur nach bereits geeignet ist, den Mitbewerber in seinem Streben nach Geschäftsabschlüssen zu beeinträchtigen (Baumbacher - Hefermehl a. a. O., 450; ÖBl 1966, 58; 4 Ob 368/76). Wesentlich ist aber, ob die Mittel, durch die der Wettbewerber eine Steigerung der betreffenden Waren erreichen will, zu billigen sind oder mit dem Gesetz oder dem sittlichen Anstandsgefühl der Branchenkollegen oder der Allgemeinheit unvereinbar sind, also ein Verstoß gegen die guten Sitten im Sinne des § 1 UWG vorliegt (ÖBl. 1966, 58).

Der Begriff der Unlauterkeit des Verhaltens des Begünstigten nach § 10 UWG deckt sich mit dem Begriff eines Verstoßes gegen die guten Sitten im Sinne des § 1 UWG (Baumbach - Hefermehl a. a. O., 1090; Reimer a. a. O., 445; Lehmann a. a. O., 77). Es soll nicht der Geschäftsherr des Begünstigten, sondern der Mitbewerber des Begünstigenden und der Kunde geschützt werden, daß der Begünstigte nicht dazu verleitet wird, die Kunden nicht mehr objektiv und sachbezogen zu beraten, weil er sich dabei aus Gründen, welche die Kunden nicht erwarten, von eigennützigen Erwartungen leiten läßt. Wenn auch die Auffassung, daß der Kunde eine rein objektive Beratung erwarte (ÖBl. 1966, 58; Lehmann a. a. O., 78), in dieser Allgemeinheit nicht schlechthin zutrifft, so muß doch die Ansicht geteilt werden, daß der Kunde nicht damit rechnet, daß der Angestellte von einem Außenstehenden besondere Vorteile erhält, damit er eine bestimmte Ware bevorzugt (Baumbach - Hefermehl a. a. O., 1091). Eine darauf beruhende Bevorzugung eines bestimmten Angebotes bei der Kundenberatung ist daher unlauter im Sinne des § 10 UWG, so daß der Begünstiger, der einen Vorteil in der Erwartung eines solchen Verhaltens des Begünstigten anbietet, verspricht oder gewährt, gegen § 10 UWG verstößt.

Da diese Bestimmung den Schutz der Mitbewerber des Begünstigers und der Kunden, nicht aber den Schutz des Geschäftsherrn des Begünstigten bezweckt und der Kunde nicht damit rechnet, daß der Angestellte für die Bevorzugung einer bestimmten Ware von einem außenstehenden Dritten besondere Vorteile erhält, ist auch die Auffassung zu billigen, daß der Tatbestand des § 10 UWG auch dann erfüllt ist, wenn der Geschäftsherr des Begünstigten von der Gewährung des unzulässigen Vorteiles weiß oder diese sogar billigt (Baumbach - Hefermehl a. a. O., 1091; Reimer a. a. O., 445; Lehmann a. a. O., 78, 80). Mit Recht verweist Karsch (Verkaufsprämien, Der Unternehmer 1975/8) darauf, daß es wettbewerbswidrig ist, wenn sich der Bestechende nicht an den umworbenen Unternehmer selbst durch ein günstiges Angebot, also mit Mitteln des Leistungswettbewerbes wendet, um diesen dazu zu bewegen, daß er sich für seine Waren entscheidet und eine bessere Verkäuflichkeit bewirkt, sondern eine Bevorzugung dadurch erreichen will, daß er durch den Appell an das persönliche Erwerbsstreben fremde Angestellte für sich zu gewinnen sucht. Er verweist dazu auch mit Recht auf die Entscheidung des OLG Stuttgart vom 15. Feber 1974, WRP 1974, 222, 225, wonach die Gefahr besteht, daß ein nicht zu billigender Wettbewerb der Hersteller und Großhändler um die Gunst der Angestellten ihrer Abnehmer einsetzen würde, wenn man eine Einflußnahme auf fremde Angestellte durch Gewährung derartiger Zuwendungen zuließe.

Daraus folgt aber, daß das Rekursgericht mit Recht im Verhalten des Beklagten einen Verstoß gegen § 10 UWG gesehen hat, weil er Angestellte anderer Unternehmer für den Fall eines besonderen Verkaufserfolges ein Geschenk versprach, dessen Wert durchaus geeignet war, die Begünstigten zu einer Bevorzugung des Angebotes des Beklagten zu verleiten, und der Beklagte sich diesen Erfolg auch erwartet hat. Damit ist der Tatbestand des § 10 UWG erfüllt, so daß sich die im Revisionsrekurs aufgeworfene Frage einer ausdehnenden Auslegung dieser Bestimmung nicht stellt.

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