OGH 4Ob299/99w

OGH4Ob299/99w14.12.1999

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Kodek als Vorsitzenden sowie durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Graf, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Griß und Dr. Schenk und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Vogel als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Freiheitliche Partei Österreichs, ***** vertreten durch Dr. Ewald Weiß, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagten Parteien 1. Elfriede B*****, 2. Josef E*****, 3. Renate E*****, 4. Franz H*****, 5. Johannes J*****, 6. Wolfgang L*****, 7. Erwin M*****, 8. Ignaz M*****, alle vertreten durch Mag. Werner Suppan, Rechtsanwalt in Wien, 9. Johann R*****, vertreten durch Dr. Thomas Hofer-Zeni, Rechtsanwalt in Wien, 10. Elfriede R*****, 11. Anton S*****, 12. Herbert S*****, 13. Gerhard St*****, 14. Marin T*****, alle vertreten durch Mag. Werner Suppan, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Provisorialverfahren 480.000 S), infolge außerordentlichen Revisionsrekurses der Erstbeklagten, der Drittbeklagten, des Sechstbeklagten, des Siebentbeklagten, der Zehntbeklagten, des Zwölftbeklagten, des Dreizehntbeklagten und des Vierzehntbeklagten gegen den Beschluß des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom 23. Juli 1999, GZ 1 R 127/99z-17, mit dem der Beschluss des Landesgerichtes St. Pölten vom 26. März 1999, GZ 3 Cg 47/99a-8, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass die Entscheidung, einschließlich des in Rechtskraft erwachsenen Teils, insgesamt wie folgt zu lauten hat:

"Der Antrag der Klägerin, den Beklagten zu gebieten, es ab sofort zu unterlassen, die periodische Druckschrift 'L***** Nachrichten' oder eine andere Druckschrift, deren Medieninhaber sie sind, zu verbreiten oder verbreiten zu lassen, wenn im Impressum nicht der richtige Medieninhaber/die richtigen Medieninhaber angegeben ist/sind, insbesondere wenn eine nicht existente juristische Person als Medieninhaber genannt ist, wird abgewiesen.

Die Klägerin ist schuldig, den Beklagten die mit 13.146,30 S bestimmten restlichen Äußerungskosten (darin 2.191,05 S USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen."

Die Klägerin ist schuldig, den Beklagten die mit 52.892,28 S bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens (darin 8.815,38 S USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Die Klägerin ist Medieninhaberin der periodischen Druckschrift "Freiheitlicher Gemeindekurier - L*****". In L***** erscheinen auch die "L***** Nachrichten", deren vollständiger Titel "L***** Nachrichten Ihrer ÖVP-Gemeinderäte" lautet. Im Impressum ist die "Volkspartei L*****" als Medieninhaberin angegeben. Die Volkspartei L***** besitzt als Bezirks- oder Ortsparteigruppe der Volkspartei Niederösterreich - anders als die Landesorganisation - keine Rechtspersönlichkeit.

Mit Schreiben vom 14. 4. 1998 wies die Klägerin sowohl die Druckerei Leopold W***** als Herstellerin der "L***** Nachrichten" als auch die "VP-L*****" darauf hin, dass Medieninhaber nur eine physische oder juristische Person sein kann. Das Impressum verstoße gegen § 24 MedG. Im Impressum der Oktoberausgabe der "L***** Nachrichten" war jedoch wieder die "Volkspartei L*****" als Medieninhaberin genannt.

Sowohl der "Freiheitliche Gemeindekurier - L*****" als auch die "L***** Nachrichten" werden gratis verteilt und verschickt. Sie wenden sich an den gleichen Abnehmerkreis.

Zu AZ 31 EVr 895/98, Hv 59/98 des Erstgerichts ist ein Verfahren der Klägerin gegen die ÖVP-Gemeinderäte von L***** anhängig. Gegenstand des Verfahrens ist ein Entschädigungsantrag nach dem Mediengesetz. Für die ÖVP gehören die Erstbeklagte, die Drittbeklagte, der Sechstbeklagte, der Siebentbeklagte, die Zehntbeklagte, der Zwölftbeklagte, der Dreizehntbeklagte, der Vierzehntbeklagte und der in diesem Verfahren nicht beklagte Leopold H***** dem Gemeinderat von L***** an.

Die Klägerin begehrt zur Sicherung ihres inhaltsgleichen Unterlassungsanspruchs, den Beklagten mit einstweiliger Verfügung zu verbieten, die periodische Druckschrift "L***** Nachrichten" oder eine andere Druckschrift, deren Medieninhaber sie sind, zu verbreiten oder verbreiten zu lassen, wenn im Impressum nicht der richtige Medieninhaber/die richtigen Medieninhaber angegeben ist/sind, insbesondere wenn eine nicht existente juristische Person als Medieninhaber genannt ist. Die Klägerin habe wegen grob ehrenrühriger Äußerungen über einen ihrer Funktionäre in den "L***** Nachrichten" einen Entschädigungsantrag nach § 6 MedG eingebracht. Sie habe diesen Antrag gegen die der ÖVP angehörenden Gemeinderäte gerichtet, die ihre Passivlegitimation bestritten und den ÖVP-Gemeindeparteivorstand L***** als passiv legitimiert bezeichnet hätten. Dies zeige, dass das Impressum unklar und inhaltlich unrichtig sei. Mit dem Verstoß gegen § 24 MedG handelten die Beklagten sittenwidrig im Sinne des § 1 UWG. Das Wettbewerbsverhältnis sei offenkundig, weil beide Seiten Parteizeitungen herausgäben.

Die Beklagten beantragen, den Sicherungsantrag abzuweisen. Der Neuntbeklagte sei nicht Mitglied des Parteivorstands der L***** Volkspartei. Die übrigen Beklagten hafteten nicht, weil weder ein Wettbewerbsverhältnis bestehe noch ein Handeln zu Zwecken des Wettbewerbs vorliege.

Das Erstgericht erließ die einstweilige Verfügung gegen die Erstbeklagte, die Drittbeklagte, den Sechstbeklagten, den Siebentbeklagten, die Zehntbeklagte, den Zwölftbeklagten, den Dreizehnbeklagten und den Vierzehntbeklagten (idF: Beklagte) und wies den Sicherungsantrag ab, soweit er gegen die übrigen Beklagten gerichtet war. Passiv legitimiert seien die Mitglieder der ÖVP-Gemeinderatsfraktion. Sie hätten den äußeren Tatbestand der Medieninhaberschaft zu verantworten. Mit dem Verstoß gegen § 24 MedG hätten sich die Beklagten vor der Klägerin einen sachlich nicht gerechtfertigten Vorsprung verschafft. Zwischen den beiden Parteiblättern bestehe ein Wettbewerbsverhältnis. Ein "Handeln im geschäftlichen Verkehr" setze keine auf Erwerb gerichtete Tätigkeit voraus. Auch politische Parteien stünden im geschäftlichen Verkehr.

Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 260.000 S übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Die Tätigkeit politischer Parteien sei weder rein privat noch amtlich. Politiker wollten unter anderem auch der Wirtschaft eine gewisse Richtung weisen. In diesem Sinn sei der Kampf der Parteien "Geschäftsverkehr". Das werde dadurch bestätigt, dass die Parteizeitung der Klägerin das wirtschaftliche (Fehl-)Verhalten des ÖVP-Ortsparteiobmanns anprangere. Die Wettbewerbsabsicht trete demnach keineswegs völlig in den Hintergrund. Ein Zusammenhang mit dem Recht auf freie Meinungsäußerung sei nicht erkennbar.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen diese Entscheidung gerichtete außerordentliche Revisionsrekurs der Beklagten ist zulässig, weil zur Frage, ob auch die politische Auseinandersetzung der Parteien geschäftlicher Verkehr im Sinne des § 1 UWG ist, keine neuere Rechtsprechung besteht; der Revisionsrekurs ist auch berechtigt.

In der Entscheidung ÖBl 1957, 60 (Peter) - Heimatruf hat der Oberste Gerichtshof ausgesprochen, dass auch politische Parteien im geschäftlichen Verkehr stehen. Werde das Handeln der politischen Parteien nach ihrer Zielsetzung richtig gewürdigt und hierbei in Betracht gezogen, dass die politischen Parteien die Vertretung wirtschaftlicher Gruppen, ja vornehmlich auch die Vertretung der wirtschaftlichen Interessen der im Erwerbsleben stehenden Personen zu ihrer Aufgabe machen, und werde andererseits von der negativen Seite her beachtet, dass die Tätigkeit politischer Parteien jedenfalls nicht zur rein privaten oder zu einer amtlichen Betätigung gehört, dann müsse auch die politische Betätigung als eine Betätigung im Geschäftsverkehr aufgefasst werden. Der Politiker wolle unter anderem auch der Wirtschaft eine gewisse Richtung weisen. In diesem Sinne sei der Kampf der Parteien "Geschäftsverkehr".

Diese Entscheidung ist zwar zu § 80 UrhG ergangen; der auch dort gebrauchte Begriff des "Handelns im geschäftlichen Verkehr" ist aber der gleiche wie nach § 1 UWG. Die oben wiedergegebenen Ausführungen sind daher auch für den vorliegenden Fall von Bedeutung; sie können aber bei neuerlicher Überprüfung nicht aufrechterhalten werden:

Unter den Begriff des "geschäftlichen Verkehrs" fällt nach nunmehr ständiger Rechtsprechung jede selbständige, auf Erwerb gerichtete Tätigkeit - im Gegensatz zu rein privater oder amtlicher Tätigkeit -, also jede geschäftliche Betätigung im weitesten Sinn, ohne dass Gewinnabsicht notwendig wäre; vielmehr genügt eine selbstständige, zu wirtschaftlichen Zwecken ausgeübte Tätigkeit, in der eine Teilnahme am Erwerbsleben zum Ausdruck kommt (stRsp ua ÖBl 1996, 191 - Cliniclowns; ÖBl 1996, 234 - Zimmerpreisliste, jeweils mwN).

Wie die öffentliche Hand oder Idealvereine können auch politische Parteien am Erwerbsleben teilnehmen; soweit sie aber im Bereich der politischen Auseinandersetzung bleiben, liegt keine zu wirtschaftlichen Zwecken ausgeübte Tätigkeit vor. Das gilt ungeachtet dessen, dass politische Parteien die Interessen bestimmter Bevölkerungsgruppen und damit auch wirtschaftliche Interessen vertreten. Soweit sie nicht konkrete Unternehmensinteressen vertreten, handeln sie auch in diesem Zusammenhang regelmäßig nicht zu wirtschaftlichen Zwecken, sondern sie kommen damit ihrem Auftrag als politische Partei nach. Als organisierter Zusammenschluss von Bürgern mit gemeinsamen sozialen Interessen und politischen Vorstellungen über die Gestaltung der staatlichen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Ordnung streben politische Parteien die Übernahme, Behauptung oder Kontrolle der Herrschaft im Staat an (s Meyers Enzyklopädisches Lexikon, Bd 18, 250).

Politische Parteien werden demnach weder rein privat noch amtlich tätig; daraus folgt aber noch nicht, dass sie im geschäftlichen Verkehr tätig würden. Neben rein privater, amtlicher und geschäftlicher Tätigkeit gibt es den Bereich politischer Tätigkeit, in der ebensowenig wie durch rein private und amtliche Tätigkeit eine Teilnahme am Erwerbsleben zum Ausdruck kommt.

Die von der Klägerin zitierten Entscheidungen SZ 10/349 und ÖBl 1957, 25 - Neuer Kurier sprechen nicht gegen die hier vertretene Auffassung. Beide betrafen Parteizeitungen, die mit anderen (Kauf-)Zeitungen im Wettbewerb standen. In diesem Sinn stellt die Entscheidung SZ 10/349 darauf ab, ob sich der Herausgeber der Parteizeitung am Erwerbsleben beteiligt, und lässt es genügen, "dass eine Unternehmung auf die Dauer berechnet ist und, wenn auch im Rahmen einer anderen, größere Einnahmen mit sich bringt, um unerlaubte Wettbewerbshandlungen ihrerseits als unter das Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb fallend erscheinen zu lassen". Gegenstand beider Entscheidungen ist demnach die erwerbswirtschaftliche Betätigung politischer Parteien oder ihnen nahestehender Unternehmen, nicht aber deren politische Betätigung.

Die hier vertretene Auffassung stimmt mit der deutschen Lehre und Rechtsprechung überein. Diese hat sich mit der Anwendbarkeit von Wettbewerbsrecht auf politische Betätigung vor allem im Zusammenhang mit Aktivitäten von Gewerkschaften befasst. In der Entscheidung GRUR 1980, 309 - Straßen- und Autolobby hat der BGH ausgesprochen, dass die spezifisch koalitionsmäßige Betätigung von Gewerkschaften nicht dem Auftreten von Wettbewerbern im geschäftlichen Verkehr gleichgehalten und nicht Regeln unterstellt werden könne, die auf das Konkurrenzverhältnis von Gewerbetreibenden mit ganz anders gearteten Interessenkonflikten zugeschnitten seien. Nach der Lehre sind politische Auseinandersetzungen ganz allgemein nicht Teil des geschäftlichen Verkehrs, auch wenn dadurch wirtschaftliche Interessen berührt werden, wie etwa bei Aktionen von Branchen, die günstige gesellschafts-, wirtschafts-, verkehrs- oder sozialpolitische Rahmenbedingungen für die Unternehmer schaffen wollen. Handeln im geschäftlichen Verkehr wird aber angenommen, wenn hierbei konkrete (fremde) Unternehmensinteressen verfolgt werden (Großkomm/Schünemann EinldUWG Rz D 184; s auch Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht21 EinldUWG Rz 210, jeweils mwN).

Werden diese Grundsätze auf den vorliegenden Sachverhalt angewandt, so muss ein Handeln der Beklagten im geschäftlichen Verkehr verneint werden:

Die Beklagten sind die von der ÖVP entsandten Mitglieder des Gemeinderats von L*****. In dieser Eigenschaft treten sie als Medieninhaber eines Mitteilungsblatts auf, das über ihre politische Arbeit informieren, Projekte vorstellen und die Leistungen der ÖVP-Gemeinderatsfraktion gegenüber denjenigen der anderen Fraktionen herausstreichen soll. Die Beklagten setzen das Mitteilungsblatt damit in der politischen Auseinandersetzung und somit letztlich im Werben um Wählerstimmen sein. Dem dient auch die Anprangerung wirtschaftlichen (Fehl-)Verhaltens gegnerischer Parteifunktionäre; der "Kampf" der Parteien wird dadurch entgegen der Auffassung des Rekursgerichts nicht zum "Geschäftsverkehr". Dies wäre nur dann der Fall, wenn damit die Förderung konkreter Unternehmensinteressen verbunden wäre. Dass dies bei den im Mitteilungsblatt der Beklagten enthaltenen Berichten der Fall wäre, hat die Klägerin nicht einmal behauptet.

Mit der Herausgabe des Mitteilungsblatts handeln die Beklagten demnach nicht im geschäftlichen Verkehr. Das schließt eine wettbewerbsrechtliche Beurteilung ihres Verstoßes gegen § 24 MedG aus. Damit fehlt für das begehrte Unterlassungsgebot jede Grundlage, weil weder das Mediengesetz noch eine andere Norm bei einer derartigen Gesetzesverletzung einen Unterlassungsanspruch einräumt.

Dem Revisionsrekurs war Folge zu geben.

Die Entscheidung über die Kosten der Klägerin beruht auf § 393 Abs 1 EO; jene über die Kosten der Beklagten auf §§ 78, 402 Abs 4 EO iVm §§ 41, 50 ZPO.

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