Spruch:
1. Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Der angefochtene Punkt I des Beschlusses des Gerichtes zweiter Instanz wird dahin abgeändert, daß insoweit der Punkt 2 der erstgerichtlichen Entscheidung zur Gänze wiederhergestellt wird.
2. Punkt II des Beschlusses des Berufungsgerichtes wird aufgehoben; dem Berufungsgericht wird aufgetragen, über die Berufung unter Abstandnahme von dem herangezogenen Nichtigkeitsgrund zu entscheiden.
Der Beklagte ist schuldig der klagenden Partei die mit S 7.605 bestimmten Kosten des Rekurses (darin S 1.267,50 Umsatzsteuer) zu ersetzen.
Text
Begründung
Die Kägerin, eine gemeinnützige Bauvereinigung, vermietete dem Beklagten in ihrem Hause L*****, eine Wohnung im Ausmaß von mehr als 100 m2.
Im Verfahren 9 C ***** des Bezirksgerichtes L***** hatten sich die Parteien auf einen monatlichen Mietzins von S 7.580 geeinigt.
Mit der Behauptung, daß der Beklagte nicht den gesamten von ihm geschuldeten Mietzins beglichen habe, begehrt die Klägerin die Verurteilung des Beklagten zur Zahlung des Rückstandes von - letztlich - S 30.468,40 sA sowie zur Räumung der Wohnung. In der Tagsatzung zur Streitverhandlung vom 27.November 1996 hatte die Klägerin ihr Klagebegehren aus prozeßökonomischen Gründen um die erhöhten Betriebskostenvorschreibungen von monatlich S 219 für Juli, August und September 1995, um insgesamt also S 657, eingeschränkt (S. 205).
Der Beklagte beantragt die Abweisung des Klagebegehrens. Mit den von ihm geleisteten Zahlungen seien die zu Recht bestehenden Forderungen der Klägerin abgedeckt. Die Klägerin habe ua ungerechtfertigt hohe Betriebskosten verrechnet.
Nachdem das Erstgericht in der Tagsatzung vom 27.November 1996 die vorher vom Beklagten gestellten Anträge auf Unterbrechung des Verfahrens im Hinblick auf anhängige Verfahren zur Überprüfung der Betriebskostenabrechnung für 1991, 1992 und 1993 (ON 23 und 33, S. 79), abgewiesen hatte (S. 193), beantragte der Beklagte unter Hinweis darauf, daß er und andere Mieter am 1.November 1995 ein Schreiben an die Stadtgemeinde L***** wegen der Überprüfung der Betriebskosten 1994 gerichtet hätten und mittlerweile auch ein Verfahren zur Überprüfung der Betriebskosten für 1995 anhängig sei, die Unterbrechung des Verfahrens wegen teilweiser Streitanhängigkeit bei der Schlichtungsstelle des Stadtamtees L***** (S. 203).
Das Erstgericht wies auch diesen Unterbrechungsantrag - wie schon die zuvor gestellten Anträge - ab (Punkt 2) und gab mit Endurteil (nach einem vorausgegangenen Teilanerkenntnisurteil vom 9.Oktober 1995, ON
37) dem restlichen Zahlungsbegehren sowie dem Räumungsbegehren statt. Da in Ansehung der Betriebskostenabrechnung 1994 kein Verfahren anhängig sei und das über die Betriebskostenabrechnung 1995 anhängige Verfahren im vorliegenden Prozeß infolge der Klageeinschränkung ohne Bedeutung sei, sei der am 27.November 1996 gestellte Unterbrechungsantrag abzuweisen. Die von der Klägerin vorgeschriebenen Mietzinse, insbesondere auch die Betriebskosten, seien berechtigt. Da den Beklagten an der nicht vollständigen Begleichung des Mietzinses grobes Verschulden treffe, sei auch dem Räumungsbegehren stattzugeben.
Das Gericht zweiter Instanz beschloß die Unterbrechung des Prozesses bis zur rechtskräftigen Erledigung des bei der Schlichtungsstelle des Stadtamtes L***** (nunmehr 9 Msch ***** des Bezirksgerichtes L*****) anhängigen Verfahrens wegen Überprüfung der Betriebskostenabrechnungen 1994 und 1995; die Abweisung der übrigen Unterbrechungsanträge bestätigte es. Aus Anlaß der Berufung hob das Gericht zweiter Instanz das angefochtene Urteil als nichtig auf. Das Verfahren über einen Rechtsstreit sei von Amts wegen zu unterbrechen, wenn die Entscheidung von einer Vorfrage abhänge, über die ein Verfahren nach § 37 MRG bei Gericht oder bei der Gemeinde bereits anhängig sei. Die in § 41 MRG normiertee obligatorische Unterbrechung eines Zivilprozesses wegen eines außerstreitigen Verfahrens nach § 37 MRG bewirke dessen Vorrang vor der an sich zulässigen Beurteilung der Frage als Vorfrage im Rechtsweg. Die obligatorische Unterbrechung trete zwar nicht von selbst ein, könne aber auch mangels Anwendbarkeit des § 192 Abs 2 ZPO im Rechtsmittelweg erzwungen werden. Entgegen den Ausführungen des Erstgerichtes sei im Zeitpunkt der erstinstanzlichen Entscheidung über den Unterbrechungsantrag vom 27. November 1996 auch ein Verfahren zur Überprüfung der Betriebskostenabrechnung 1994 (§ 37 Abs 1 Z 12 MRG) anhängig gewesen. Der nicht von vornherein als untauglich anzusehende Antrag des Beklagten auf Überprüfung der Jahresabrechnung 1994 sei schon am 3. November 1995 bei der Schlichtungsstelle des Stadtamtes L***** erhoben worden (Akt *****). Die Klägerin habe als Antragsgegnerin die Verfristung des Antrages geltend gemacht. Über diesen Antrag und auch über den nachfolgenden, am 18.September 1996 gestellten Antrag des Beklagten auf Überprüfung der Betriebskostenabrechnung 1995 sei im Zeitpunkt der Entscheidung über den Unterbrechungsantrag des Beklagten noch nicht entschieden worden. Da das Zahlungs- und Räumungsbegehren der Klägerin ua auch auf Betriebskostenrückstände gestützt werde, sei dafür auch die Überprüfung der strittigen Betriebskosten eine Voraussetzung. Das hierüber im Zeitpunkt der Entscheidung über den Unterbrechungsantrag bei der Gemeinde - mittlerweile beim Bezirksgericht L***** - anhängige Verfahren bilde daher einen Unterbrechungsgrund, zumal nach dem Inhalt des Aktes nicht ausgeschlossen werden könne, daß die Vorschreibungen für 1994 auch Nachforderungsbeträge enthielten. Seien aber die Betriebskosten für 1994 strittig, so sei auch unklar, welche Betriebskosten für 1995 tatsächlich geschuldet werden. Die Präjudizialität des auf Grund dieser Anträge des Beklagten anhängigen Verfahrens sei zu bejahen.
Im Hinblick auf den obligatorischen Unterbrechungsgrund sei es unzulässig gewesen, in der Hauptsache zu entscheiden und - ohne einen Beschluß nach § 33 Abs 2 MRG zu fassen - den Beklagten zur Zahlung des strittigen Mietzinsbetrages und zur Räumung des Bestandobjektes zu verurteilen. Aus Anlaß der Berufung sei daher die Entscheidung in der Hauptsache als nichtig aufzuheben gewesen.
Rechtliche Beurteilung
Der gegen diesen Beschluß erhobene außerordentliche Revisionsrekurs der Klägerin ist zulässig und berechtigt.
Nach § 41 MRG ist das Verfahren über einen Rechtsstreit dann von Amts wegen zu unterbrechen, wenn die Entscheidung von einer Vorfrage abhängt, über die ein Verfahren nach § 37 MRG beim Gericht oder der Gemeinde bereits anhängig ist.
Der Klägerin ist darin zuzustimmen, daß die Anträge auf Überprüfung der Betriebskostenabrechnung 1994 und 1995 für den vorliegenden Rechtsstreit nicht präjudiziell sind. Die Betriebskostenabrechnung 1994 wirkt sich nämlich erst auf die Vorschreibung der Betriebskosten im folgenden Jahr, also ab (1.Juli) 1995 aus; die Betriebskostenabrechnung 1995 erst für 1996. Um die erhöhten Betriebskostenbeträge für 1995 hat aber die Klägerin - um die vom Beklagten beantragte Unterbrechung zu vermeiden - eingeschränkt.
Im übrigen wäre eine Unterbrechung des gesamten Rechtsstreites im Hinblick auf den Antrag, die Höhe einer geringfügigen Teilforderung zu überprüfen, nicht notwendig und auch sachlich nicht gerechtfertigt. Kann nämlich schon darüber abgesprochen werden, daß der Beklagte jedenfalls einen Teil der eingeklagten Mietzinsforderung schuldet, dann besteht kein Hindernis, hierüber - mit Teilurteil - zu erkennen. Sofern insoweit ein grobes Verschulden des beklagten Mieters anzunehmen sein sollte, kann auch schon dem Räumungsbegehren stattgegeben werden.
Die Rechtsansicht, daß auch ein solcher Antrag nach § 37 MRG, der nur einen, noch dazu geringen, Teil der Mietzinsforderung betrifft, zwingend zur Unterbrechung des Verfahrens führen müßte, kann also nicht geteilt werden.
Aus diesen Erwägungen war der Beschluß des Erstgerichtes auf Abweisung (auch) des Unterbrechungsantrages vom 27.November 1996 wiederherzustellen.
Das Gericht zweiter Instanz hat nicht ausgesprochen, daß der Rekurs gegen seinen Beschluß, mit dem es das Ersturteil als nichtig aufgehoben hat, zulässig sei. Er ist damit an sich unanfechtbar. Dieser Beschluß beruht allerdings einzig und allein auf der - vom Obersten Gerichtshof nicht gebilligten - Ansicht, daß der Prozeß zwingend zu unterbrechen sei. Der Aufhebungsbeschluß steht somit in untrennbar logischem Sachzusammenhang mit der Entscheidung über den Unterbrechungsantrag. In einem solchen Fall widerspräche es allen Grundsätzen der Prozeßökonomie, wollte man es bei der Aufhebung belassen, hätte dies doch zur Folge, daß das Erstgericht trotz der Wiederherstellung seines Beschlusses auf Abweisung des Unterbrechungsantrages doch noch einmal zu entscheiden hätte, um damit abermals die Möglichkeit für eine Berufung und eine Entscheidung des Gerichtes zweiter Instanz zu eröffnen. In einem solchen Fall ist es daher geboten, gleichzeitig mit der Änderung der Entscheidung über den Unterbrechungsantrag auch den damit untrennbar verbundenen Aufhebungsbeschluß aufzuheben und dem Berufungsgericht eine neuerliche Entscheidung über die Berufung aufzutragen (vgl 2 Ob 136/56).
Der Ausspruch über die Kosten des Rekursverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 Abs 1 ZPO. Da die Klägerin im Zwischenstreit über die Unterbrechung obsiegt hat, waren die Kosten nicht vorzubehalten, sondern ihr schon jetzt zuzusprechen.
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