OGH 4Ob2/94

OGH4Ob2/9425.1.1994

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Gamerith als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kodek, Dr.Redl, Dr.Griß und Dr.Pimmer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei E*****gesellschaft mbH & Co KG, ***** vertreten durch Dr.Paul Kreuzberger und Mag.Markus Stranimaier, Rechtsanwälte in Salzburg, wider die beklagte Partei M*****gesellschaft mbH, ***** vertreten durch Dr.Hans Wabnig, Rechtsanwalt in St.Johann im Pongau, wegen Unterlassung (Streitwert im Provisorialverfahren S 300.000), infolge Revisionsrekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Linz als Rekursgericht vom 16.November 1993, GZ 2 R 231/93-16, womit der Beschluß des Landesgerichtes Salzburg vom 7. September 1993, GZ 3 Cg 108/93-12, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Die Parteien haben die Kosten des Revisionsrekursverfahrens selbst zu tragen.

Text

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Die Voraussetzungen für die Zulässigkeit des Revisionsrekurses nach §§ 78, 402 Abs 4 EO iVm § 528 Abs 1 ZPO liegen entgegen dem - für den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 526 Abs 2 Satz 2 ZPO) - Ausspruch des Rekursgerichtes gemäß § 500 Abs 2 Z 3, § 526 Abs 3 ZPO nicht vor:

Die angefochtene Entscheidung hält sich an die Grundsätze der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur "vermeidbaren Herkunftstäuschung" (Schönherr in ÖBl 1980, 70; Baumbach-Hefermehl, Wettbewerbsrecht17 563 ff Rz 450 ff; ÖBl 1991, 209; ÖBl 1991, 213; ÖBl 1992, 19 je mwN). Diese Grundsätze gelten nicht nur für das Nachahmen von Waren, sondern auch von Werbemitteln (ÖBl 1992, 19). Das Rekursgericht hat insbesondere auch Bedacht darauf genommen, daß es nach ständiger Rechtsprechung bei der Beurteilung der Verwechslungsgefahr auf den Gesamteindruck ankommt und zu berücksichtigen ist, daß der Durchschnittskäufer Vorbild und Nachahmung fast nie gleichzeitig sieht, sondern in der Regel ein Wahrnehmungsbild mit einem Erinnerungsbild vergleicht, wobei an die Aufmerksamkeit und Urteilsfähigkeit des Publikums in der Eile des Geschäftsverkehrs regelmäßig nur geringe Anforderungen gestellt werden können (ÖBl 1981, 154; ÖBl 1991, 213 mwN). Auch die Empfänger von - wie hier - im Wege des Postwurfes an Haushalte versandten Werbeprospekten behalten deren Einzelheiten nicht im Gedächtnis, sondern - hinreichende Eigenart vorausgesetzt (ÖBl 1979, 19; ÖBl 1983, 21; Baumbach-Hefermehl aaO 595 f Rz 525) - nur ein mehr oder minder vages Erinnerungsbild. Demnach droht die Gefahr, daß der Verkehr auf Grund der Nachahmung auch die ältere Werbung dem Nachahmer zurechnet und der Nachahmer einer eigenartigen und umfangreichen fremden Werbung das Erinnerungsbild des flüchtig lesenden und beschauenden Verkehrs verwischt (Baumbach-Hefermehl aaO 596 Rz 526). Ob aber im vorliegenden Fall die Beklagte, der eine fast unbegrenzte Gestaltungsmöglichkeit zur Verfügung gestanden war, mit ihrem Prospekt Beilage ./B von jenem der Klägerin, Beilage ./A einen so großen Abstand gehalten hat, daß sie in zumutbarer Weise alle möglichen Verwechslungen hintangehalten hat, ist keine Frage, die über den Einzelfall hinaus von Bedeutung ist; sie ist daher nicht erheblich im Sinn des § 528 Abs 1 ZPO.

Auch die Ausführungen des Rekursgerichtes zu der - eine Voraussetzung für den Tatbestand der vermeidbaren Herkunftstäuschung bildenden - Verkehrsbekanntheit entsprechen der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes. Demnach ist die Verkehrsbekanntheit von Waren schon dann anzunehmen, wenn das Publikum das Erzeugnis (noch) nicht einem bestimmten Unternehmen zuordnet (ÖBl 1989, 39 mwN; ÖBl 1991, 213), liegt doch die Sittenwidrigkeit der Nachahmung eben gerade darin, daß der Nachahmende ein im Verkehr bekanntes Produkt - mag es vom Publikum auch keinem bestimmten Erzeuger zugeordnet werden - auf eine solche Weise nachmacht, daß der Interessent annehmen kann, es handle sich bei diesem neuen Produkt um das ihm bereits bekannte, seinen besonderen Wünschen und Vorstellungen entsprechende Erzeugnis (ÖBl 1986, 43; ÖBl 1989, 39; ÖBl 1991, 213 ua). In gleicher Weise muß aber auch Verkehrsbekanntheit von Werbemitteln schon angenommen werden, wenn - wie hier - ein Werbeprospekt an eine unübersehbar große Zahl von Haushalten ausgesandt wurde, mag auch nur ein kleiner Teil der Empfänger daraufhin beim werbenden Unternehmen nachgefragt haben. Die Beklagte mißversteht den Begriff der Verkehrsbekanntheit, wenn sie dafür nur jenen Personenkreis berücksichtigt wissen will, der auf die Werbung mit der Anforderung von Informationen reagiert hat; zweifellos hat auch ein nicht unbeträchtlicher Teil der übrigen Leser den Werbeprospekt wahrgenommen und - wenn auch eher undeutlich - im Gedächtnis behalten, so daß eine Verwechslung mit einem später zugesandten, ähnlichen Prospekt eines Mitbewerbers eintreten kann. Auch in diesem Bereich liegt daher keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung im Sinn des § 528 Abs 1 ZPO vor.

Aus diesen Erwägungen war der Revisionsrekurs zurückzuweisen (§§ 78, 402 Abs 4 EO, § 510 Abs 3, letzter Satz, § 528 a ZPO).

Der Ausspruch über die Kosten des Revisionsrekursverfahrens gründet sich auf §§ 78, 402 Abs 4 EO, §§ 40, 50, 52 ZPO. Da die Klägerin auf die Unzulässigkeit des Revisionsrekurses nicht hingewiesen hat, diente ihre Rechtsmittelbeantwortung nicht der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung (RZ 1985/6 uva).

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