OGH 4Ob28/69

OGH4Ob28/6922.4.1969

SZ 42/57

Normen

GesmbH.-Gesetz §39
GesmbH.-Gesetz §84 (1) Z2
GesmbH.-Gesetz §39
GesmbH.-Gesetz §84 (1) Z2

 

Spruch:

Haft als vom Dienstnehmer verschuldete Dienstverhinderung.

Entscheidung vom 22. April 1969, 4 Ob 28/69.

I. Instanz: Arbeitsgericht St. Johann im Pongau; II. Instanz:

Landesgericht Salzburg.

Text

Mit dem schriftlichen Engagementvertrag vom 4. Oktober 1967 hat sich der Kläger als Alleinunterhalter (Musiker) zur Dienstleistung in dem vom Beklagten betriebenen Hotel in B. für die Zeit vom 25. Dezember 1967 bis 31. März 1968 bei einer Gesamtmonatsgage von 1500 DM netto verpflichtet. Punkt 23 des Vertrages enthält folgende Vereinbarung:

"Bei schuldhafter Nichterfüllung dieses Vertrags hat der vertragsbrüchige Kontrahent eine Konventionalstrafe in der Höhe der vereinbarten Monatsgage zu entrichten. Die Geltendmachung eines weiteren Schadens bleibt vorbehalten."

Der Kläger wurde auf Grund eines vom Bezirksgericht Gastein erlassenen Haftbefehles wegen Verdachtes des Verbrechens nach § 81 StG., dadurch begangen, daß er am 29. Februar 1968, 12.45 Uhr, dem Vollstrecker des Bezirksgerichtes Gastein, der bei ihm eine Taschenpfändung vornahm, in der Absicht, diese Exekution zu vereiteln, Schläge in die Magen- und Brustgegend versetzte, vom Gendarmerieposten Bad Hofgastein am 29. Februar 1968 um 16.00 Uhr wegen Fluchtgefahr in Haft genommen. Er befand sich bis 11. März 1968 in Verwahrungshaft und wurde mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichtes Salzburg vom 3. April 1968 wegen Verbrechens nach § 81 StG. und der Übertretungen nach § 312 StG. und § 1 ExekutionsvereitlungsG. zur Strafe des strengen Arrestes in der Dauer von zwei Monaten, bedingt auf drei Jahre, verurteilt. Für den Monat Februar 1968 erhielt der Kläger keine Gage.

Im vorliegenden Rechtsstreit begehrt der Kläger vom Beklagten an Entgelt für die Zeit vom 1. Februar 1968 bis 28. Februar 1968 den ziffernmäßig unbestrittenen Betrag von 1448.44 DM oder 9414.86 S samt 4% Zinsen ab 1. März 1968. Der Beklagte wendete ein, seitens des Klägers liege schuldhafte Nichterfüllung des Vertrages im Sinne seines Punktes 23 vor, wodurch dem Beklagten ein (im einzelnen detailliert aufgeschlüsselter) Schaden in der Höhe von 9932 S entstanden sei. Der Kläger habe daher gemäß Punkt 23 des Vertrages die Konventionalstrafe in der Höhe einer Monatsgage verwirkt. Der Kläger bestritt diese Einwendungen.

Mit dem Ersturteil wurde das Klagebegehren abgewiesen. Das Erstgericht ging dabei von der Erwägung aus, eine Haft die zur Verurteilung führte, könne nicht als unverschuldet angesehen werden. Es müsse sich daher der Kläger die Aufrechnung der verwirkten Konventionalstrafe auf seine Februargage gefallen lassen. Einwände gegen die Höhe der Konventionalstrafe aber seien vom Kläger nicht erhoben worden.

Das Berufungsgericht gab der gegen das Ersturteil erhobenen Berufung des Klägers Folge. Es änderte das Ersturteil dahin ab, daß es 1. die eingeklagte Forderung mit dem Betrag von 1448.44 DM zu Recht bestehend; 2. die Gegenforderung der beklagten Partei bis zur Höhe des Klagebetrages nicht zu Recht bestehend erkannte und 3. die beklagte Partei schuldig erkannte, der klagenden Partei einen Betrag von 1448.44 DM oder von 9414.86 S je samt 4% Zinsen ab 1. März 1968 sowie sämtliche Verfahrenskosten zu bezahlen.

Das Berufungsgericht ging dabei von den folgenden Rechtsauffassungen aus:

In der Bestreitung der Gegenforderung auf Bezahlung einer Konventionalstrafe, sei auch schon das Begehren auf deren Mäßigung enthalten, doch falle dies nicht weiter ins Gewicht, weil den gegen die Klagsforderung erhobenen Einwendungen die rechtliche Grundlage fehle. Eine Konventionalstrafe stelle einen pauschalierten Schadenersatz dar. Schadenersatz aber setze das Bestehen eines Zusammenhanges zwischen dem rechtswidrigen Verhalten und dein rechtswidrig herbeigeführten Erfolg voraus. Es müsse der sogenannte Rechtswidrigkeitszusammenhang gegeben sein. An diesem Rechtswidrigkeitszusammenhang zwischen dem Verhalten des Klägers am 29. Februar 1968, welches den Tatbestand des Verbrechens nach § 81 StG. verwirklichte, und dem Schaden, welcher dem Beklagten durch die Verhaltung des Klägers und das daraus folgende Fernbleiben des Klägers vom Dienst ab 29. Februar 1968 verursacht wurde, fehle es aber. Denn die vom Kläger verletzte Norm des § 81 StG. sollte nur die ungestörte Amtshandlung des Vollstreckungsorganes schützen, keinesfalls aber den vertraglichen Anspruch des Beklagten auf die Dienstleistung des Klägers. Im Verhalten des Klägers liege daher nur eine sogenannte relative Rechtswidrigkeit. Rechtswidrig sei sein Verhalten nur gegenüber dem Vollstreckungsorgan und, soweit er die Exekution vereitelte, gegenüber seinem Gläubiger gewesen. Nur diese Interessen sollten durch die verletzten Normen geschützt werden. Der Beklagte könne daher gegenüber dem Kläger weder den in Form der Konventionalstrafe pauschalierten Schadenersatz noch aufrechnungsweise detaillierte Schadenersatzansprüche gegenüber der Klagsforderung geltend machen.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Beklagten Folge und hob die Urteile der Untergerichte auf.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Mit Recht wendet sich die Rechtsrüge gegen die Auffassungen des Berufungsgerichtes, aus denen es dem Beklagten die Berechtigung abspricht, den Kläger wegen Verfalles der vereinbarten Konventionalstrafe in Anspruch zu nehmen.

Der Beklagte leitet seinen Anspruch auf eine ihm vom Kläger zu entrichtende Konventionalstrafe ausschließlich aus Punkt 23 des Dienstvertrages mit der Behauptung ab, der Kläger habe den Dienstvertrag schuldhaft nicht erfüllt. Nach dieser Vertragsstelle hat "bei schuldhafter Nichterfüllung dieses Vertrages der vertragbrüchige Kontrahent eine Konventionalstrafe in der Höhe der vereinbarten Monatsgage zu entrichten". Es ist daher ausschließlich von dieser vertraglichen Bestimmung auszugehen und nur zu prüfen, ob der Kläger den bedungenen Haftungsgrund verwirkt hat. Nur dann, wenn die Dienstleistungen des Dienstnehmers durch einen Umstand unmöglich gewesen wären, den der Dienstnehmer (Kläger) nicht zu vertreten hat, wäre die Vertragsstrafe nicht zu zahlen (vgl. auch Wolff in Klang[2] VI 187 erster Absatz). Dabei kommt es entscheidend darauf an, was unter "schuldhafter" Nichterfüllung zu verstehen ist. Dem Berufungsgericht ist insofern beizupflichten, daß das festgestellte Verhalten des Klägers, das zu seiner strafgerichtlichen Verurteilung führte, keinen direkten Verstoß gegen eine den vertraglichen Anspruch des Beklagten auf die Dienstleistungen des Klägers sichernde Norm darstellte. Damit ist aber die Frage, ob die Nichterfüllung des Vertrages schuldhaft war, noch nicht beantwortet. Da infolge der Haft des Klägers die Vertragserfüllung durch diesen unmöglich war, hängt die Entscheidung davon ab, ob man ein Verschulden des Klägers an der Verhinderung der Dienstleistung als gegeben annimmt. Die Frage, unter welchen Voraussetzungen die Verhinderung der Dienstleistung als vom Arbeitnehmer verschuldet anzusehen ist, stellt zufolge der Bestimmungen des § 1154b ABGB. (im gleichen Sinne § 616 I BGB.) und des § 8 (3) AngG. eine arbeitsrechtliche Frage von allgemeiner Bedeutung dar. Ein Verschulden aber des Dienstnehmers ist jedenfalls dann immer anzunehmen, wenn der Dienstnehmer die Dienstverhinderung durch sein ungewöhnlich leichtfertiges oder mutwilliges Verhalten herbeigeführt hat, wenn er sich mutwillig Gefahren aussetzt, die erheblich über das bei einer normalen und vernünftigen Lebensweise übliche hinausgehen (Nikisch, Arbeitsrecht[2] I. Bd. S. 506, Nikisch, Arbeitsrecht[3] I. Bd. S. 615, Hueck - Nipperdey, Lehrbuch des Arbeitsrechtes[6] I. Bd. S. 304, Hueck - Nipperdey, Lehrbuch des Arbeitsrechtes[7] I. Bd. S. 332). Die Folgen eines solchen Verhaltens auf den Dienstgeber abzuwälzen, wäre unbillig. Dies hat namentlich für die durch eine strafbare Handlung verursachte Strafhaft oder mit Recht verhängte Untersuchungshaft und die dadurch bewirkte Dienstverhinderung zu gelten (Nikisch a. a. O.). Haben demnach die Parteien eine Konventionalstrafe für den Fall der "schuldhaften" Nichterfüllung vereinbart, wird diese Vereinbarung bei Dienstverhinderung infolge begrundeter Untersuchungshaft wirksam. Ein solcher Fall liegt hier vor. Denn die bedungenen Dienstleistungen konnte der Kläger ab dem 29. Februar 1968 ausschließlich aus dem Gründe nicht mehr verrichten, weil er am 29. Februar 1968 über richterlichen Haftbefehl wegen Fluchtgefahr in Haft genommen wurde, die bis 11. März 1968 andauerte. Den Haftbefehl aber hatte der Kläger einzig und allein durch sein renitentes, den Tatbestand des Verbrechens nach § 81 StG. und auch der Übertretungen nach § 312 StG. und § 1 ExekutionsvereitelungsG. verwirklichendes Verhalten aufgelöst und damit gröblichst gegen die von einem verständigen Menschen im eigenen Interesse - insbesondere als Ausländer - zu erwartende vernünftige Lebensweise verstoßen. Dieses Verhalten und die dadurch verursachte Verhaftung und Haft sind demnach Umstände, die vom Kläger zu vertreten sind, der somit aus einem Verschulden vertragsbrüchig wurde.

In der vorliegenden Sache kann aber noch nicht abschließend abgesprochen werden. Denn der Kläger hat - wie dies auch das Berufungsgericht erkannte - jedenfalls die Gegenforderung auf Bezahlung einer Konventionalstrafe bestritten, worin auch das Begehren auf deren Mäßigung enthalten ist (SZ. XXV 90, ArbSlg. 7587), und überdies bereits in der Klage im Zusammenhang mit der vom Beklagten beanspruchten Vertragsstrafe behauptet, der Beklagte habe bereits einen Tag nach Verhaftung des Klägers seinen Gästen Ersatz bieten können, welchem Vorbringen ebenfalls ein Verlangen auf Mäßigung unterstellbar ist. Es wird nun Sache des Klägers sein müssen, nachzuweisen, daß die vereinbarte Konventionalstrafe unbillig hoch ist (SZ. XXV 90, ArbSlg. 7587). Mag auch eine Konventionalstrafe keinen Nachweis eines Schadens voraussetzen (SZ. XXV 272, JBl. 1968 S. 567, 5 Ob 190/67), so dürfte jedenfalls die Konventionalstrafe vom Richter nicht unter den Betrag des wirklichen Schadens herabgesetzt werden (Ehrenzweig, System II/12, § 318 IV, Wolff in Klang[2] VI 189, ArbSlg. 7587). Da es an Feststellungen in diesem Zusammenhang fehlt, werden diese nunmehr vom Erstgericht nachgeholt werden müssen.

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