OGH 4Ob28/62

OGH4Ob28/623.4.1962

SZ 35/41

Normen

Handelsvertretergesetz §1
Handelsvertretergesetz §22 Z3
Handelsvertretergesetz §24 (1)
Handelsvertretergesetz §1
Handelsvertretergesetz §22 Z3
Handelsvertretergesetz §24 (1)

 

Spruch:

Auch der selbständige Handelsvertreter ist zur Arbeitsleistung verpflichtet.

Entscheidung vom 3. April 1962, 4 Ob 28/62.

I. Instanz: Arbeitsgericht Linz; II. Instanz: Landesgericht Linz.

Text

Das Erstgericht hat die vom Kläger erhobene Provisionsforderung von 28.646.29 S als zu Recht bestehend, die von der beklagten Partei bis zur Höhe des Klagebegehrens eingewendete Gegenforderung aus dem Titel des Schadenersatzes wegen vorzeitiger unbegrundeter Lösung des Vertragsverhältnisses durch den Kläger als nicht zu Recht bestehend erkannt und demgemäß die beklagte Partei zur Zahlung von 28.646.29 S samt Nebengebühren verurteilt. Es stellte fest:

Der Kläger ist etwa um den 5. Jänner 1960 als Vertreter in die Dienste der beklagten Partei getreten und hatte als solcher Kaufabschlüsse über Waschmaschinen zu vermitteln. Die beklagte Partei, die zahlreiche Vertreter beschäftigt, setzt diese hiebei derart ein, daß mehrere Vertreter gemeinsam mit einigen Werbedamen in einem VW-Bus ein bestimmtes, von der beklagten Partei zugewiesenes Gebiet bereisen, wobei die Leitung dieser Vertretergruppe dem jeweiligen Busführer obliegt. Zu Beginn seiner Tätigkeit war nun der Kläger im Rahmen einer solchen Kolonne als Vertreter tätig und hiebei einem Busführer unterstellt, von dem wiederum dem Kläger innerhalb des der Vertretergruppe zugewiesenen Gebietes ein bestimmter Sprengel zur Bearbeitung zugewiesen wurde und dem der Kläger die von ihm getätigten Aufträge abzuführen hatte. Etwa gegen Ende Februar, Anfang März 1960 wurde der Kläger dann selber als Busführer eingesetzt und ihm von dem Geschäftsführer der beklagten Partei, Leopold F., der Bezirk St. zugewiesen. Der Kläger hatte nun seinerseits die Arbeiten auf die einzelnen mitfahrenden Vertreter aufzuteilen, die von diesen gesammelten Aufträge entgegenzunehmen und zum Ende der Arbeitswoche, und zwar jeweils am Donnerstag dem Geschäftsführer F., dem der Kläger nunmehr als Busführer unmittelbar unterstellt war, abzuführen. Nach einigen Wochen, etwa um Ende April, legte der Kläger jedoch dann seine Stelle als Busführer wieder zurück, da er sich bei der Zuteilung der Werbedamen benachteiligt fühlte, und war dann wiederum wie zu Beginn seines Dienstverhältnisses als Vertreter im Rahmen der Busgemeinschaft tätig. Erst die letzten ein bis zwei Wochen seines Dienstverhältnisses ist der Kläger dann zusammen mit der Vertreterin H. in seinem eigenen Personenkraftwagen auf Reisen gegangen, wobei ihm vom Geschäftsführer, dem er nun als Einzelvertreter ebenfalls wiederum unmittelbar unterstellt war, der Bezirk L. zugewiesen wurde.

Während seiner Tätigkeit war der Kläger, soweit er in einem Bus mitfuhr, dem Busführer gegenüber, soweit er aber als Busführer oder Einzelvertreter fuhr, dem Geschäftsführer gegenüber berichterstattungspflichtig, da sich die beklagte Partei auch überzeugen wollte, daß tatsächlich auch das dem Kläger zugewiesene Gebiet bereist werde. Dem Kläger, der von der beklagten Partei auch einen entsprechenden Vertreterausweis erhalten hatte und der keinen eigenen Gewerbeschein besitzt, war es während seiner Tätigkeit für die beklagte Partei auch nicht gestattet, gleichzeitig für einen anderen Geschäftsherrn tätig zu sein, und er war auch tatsächlich für die beklagte Partei tätig.

Als Entlohnung für seine Tätigkeit erhielt der Kläger kein Fixum, sondern nur Provisionen in der Höhe von ursprünglich 15%, später 18% der von ihm getätigten Umsätze, wobei während der Tätigkeit als Busführer weitere Provisionen von 2% der von den einzelnen Vertretern seines Busses getätigten Aufträge bekam. Als der Kläger dann als Einzelvertreter fuhr, bekam er außerdem als Ersatz für die Benzinspesen seines eigenen Personenkraftwagens wöchentlich ein Spesenpauschale von 250 S.

Ursprünglich wurde der Kläger von der Beklagten Partei als Angestellter geführt, wobei die Höhe der Provisionen - unabhängig von der Busführerprovision - 15% betrug. Er war während dieser Zeit auch zur Sozialversicherung gemeldet, und es wurde ihm von seinem Verdienst die Lohnsteuer abgezogen. In der Folge wurde dem Kläger allerdings von der beklagten Partei nahegelegt, sich selbst eine eigene Steuernummer zu besorgen und sein Einkommen sodann selbst zu versteuern; die beklagte Partei war nämlich interessiert, möglichst viele Vertreter aus dem Angestelltenverhältnis herauszubringen, weil dies für sie verhältnismäßig einfacher erschien und ihr geringere Kosten verursachte. Etwa Anfang März, als der Kläger das zweite Mal als Vertreter mit einer Buskolonne fuhr, besorgte er sich dann auch eine eigene Steuernummer und wurde nunmehr von der Beklagten als sogenannter selbständiger Vertreter geführt. Er erhielt dafür als Anreiz für seine weitere Tätigkeit nunmehr eine Provision in der Höhe von 18%, wobei er nunmehr allerdings sein Einkommen selbst versteuern und auch für seine allfällige Sozialversicherung selbst aufkommen mußte. Von dieser Erhöhung der Provisionssätze abgesehen, trat jedoch in den Rechten und Pflichten des Klägers gegenüber der beklagten Partei keine einzige Änderung ein, wobei insbesondere auch der Umstand, daß der Kläger bald darauf als Einzelvertreter fuhr, nur rein zufällig zeitlich mit diesem Wechsel ungefähr zusammenfiel, mit ihm jedoch ansonsten in keinem ursächlichen Zusammenhang stand.

Während dieses Beschäftigungsverhältnisses hat der Kläger zahlreiche Geschäftsabschlüsse vermittelt, für die ihm noch - vereinbarungsgemäß mit Auslieferung der Ware fällige - Provisionen zustehen. Diese betragen insgesamt 28.646.29 S.

Das Beschäftigungsverhältnis hat der Kläger in den ersten Tagen des Monats Juni 1960 ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist selbst aufgelöst. Er sah sich hiezu deshalb veranlaßt, weil er sich bei der Zuteilung der Werbedamen und der von ihm zu bereisenden Gebiete benachteiligt fühlte und ihm vom Geschäftsführer der beklagten Partei anläßlich einer Auseinandersetzung mit Frau H. die Türe gewiesen wurde. Der Kläger begab sich damals direkt zum Inhaber der beklagten Firma nach G., von dem er höhere Provisionen erwirken wollte, was dieser jedoch ablehnte und dem er schließlich hiebei auch von der Auseinandersetzung mit dem Geschäftsführer erzählte. Bei dieser Gelegenheit stellte der Kläger seine Bestellbücher zurück, woraus der Inhaber der beklagten Firma sofort erkannte, daß der Kläger sein Beschäftigungsverhältnis lösen wolle. Der Beklagte verwies ihn allerdings darauf, daß er auf der Einhaltung einer Kündigungsfrist bestehe.

Der Kläger hat nach der eben erwähnten Aussprache in G. seine Tätigkeit für die beklagte Partei nicht wieder aufgenommen. Für diese war es sehr schwierig, einen neuen Vertreter zu bekommen und einen solchen so weit einzuschulen, daß er von ihr im Verkauf eingesetzt werden kann. Tatsächlich hat die beklagte Partei auch für den Kläger während der ihrer Ansicht nach bis Ende September 1960 laufenden Kündigungsfrist keinen anderen Vertreter als Ersatz bekommen. Die beklagte Partei hat dadurch einen Verdienstentgang erlitten, den sie pro Monat mit 18 bis 20% des vom Kläger im Monatsdurchschnitt getätigten Umsatzes berechnet und von dem es ihr bereits im Zeitpunkt der Rückstellung der Bestellbücher durch den Kläger eindeutig klar war, daß er eintreten werde und in welcher Höhe er eintreten werde, da seine ziffernmäßige Feststellung nur mehr eine reine Rechenfrage auf der Basis der früheren Umsätze der Klägers war.

Rechtlich beurteilte das Erstgericht diesen Sachverhalt dahin, daß der Kläger angestellt gewesen sei und das Dienstverhältnis ohne wichtigen Grund aufgelöst habe. Da dies aber bereits in den ersten Tagen des Juni 1960 geschehen, die Schadenersatzforderung durch die beklagte Partei aber erst am 20. Jänner 1961 gerichtlich geltend gemacht worden sei, sei diese gemäß § 34 AngG. zu diesem Zeitpunkt bereits erloschen gewesen.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Partei, mit der diese nur den Ausspruch über die Gegenforderung bekämpft, nicht Folge. Tatsachenfeststellungen enthält das Berufungsurteil nicht. Das Berufungsgericht meint vielmehr, die Gegenforderung der beklagten Partei sei schon deswegen unbegrundet, weil die beklagte Partei im Berufungsverfahren die Prozeßbehauptungen aufgestellt habe, daß der Kläger nach dem Inhalt des zwischen den Streitteilen bestandenen Vertragsverhältnisses nach eigenem Belieben einen Urlaub antreten bzw. für eine von ihm selbst bestimmte Zeit seine Tätigkeit für die beklagte Partei einstellen habe können, wobei er lediglich die beklagte Partei von dieser Einstellung der Tätigkeit zu verständigen gehabt habe. Nach dem eigenen Prozeßstandpunkt der beklagten Partei habe für den Kläger keine Arbeitspflicht bestanden. Habe aber für den Kläger keine Arbeitspflicht bestanden, dann könne sich die beklagte Partei nicht beschwert erachten, wenn dieser während des Laufes einer allfälligen Kündigungsfrist für sie keine Arbeit mehr geleistet habe, und zwar unabhängig davon, ob das Vertragsverhältnis durch Kündigung oder durch vorzeitigen Austritt des Klägers beendet worden sei, und auch unabhängig davon, ob das Vertragsverhältnis der Streitteile den Bestimmungen des Angestelltengesetzes oder denen des Handelsvertretergesetzes zu unterstellen sei.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der beklagten Partei Folge, hob das Urteil des Berufungsgerichtes auf und verwies die Rechtssache an das Berufungsgericht zurück.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

In ihrer Revision führt die beklagte Partei zutreffend aus, ihr Prozeßstandpunkt sei immer gewesen, daß der Kläger nicht Angestellter, sondern selbständiger Handelsvertreter und daher nicht persönlich abhängig gewesen sei. Die vom Berufungsgericht aus dem Zusammenhang herausgelösten Behauptungen sind trotz ihrer vielleicht nicht besonders glücklichen Formulierung bei Würdigung des gesamten Vorbringens der beklagten Partei doch wohl nur dahin zu verstehen, daß damit der Mangel der persönlichen Abhängigkeit des Klägers, nicht aber der einer Arbeitspflicht überhaupt dargetan werden sollte. Daß auch der selbständige Handelsvertreter zur Arbeitsleistung verpflichtet ist, ergibt schon die Begriffsbestimmung des § 1 HVG., vor allem aber auch § 22 Z. 3 HVG. wie auch § 24 (1) HVG. (in diesem Sinn auch schon Oskar Pisko, Lehrbuch des österreichischen Handelsrechtes, S. 104). Wenn daher das Berufungsgericht aus der Berufung etwas so Ungewöhnliches entnehmen wollte, wie den Mangel einer Pflicht des Klägers, tätig zu werden, so hätte es dies zumindest gemäß § 182 ZPO. mit den Parteien erörtern müssen. Da dies, wie das Protokoll über die Berufungsverhandlung immerhin insoweit eindeutig ergibt, nicht geschehen ist, muß schon aus diesem Grund das Berufungsurteil aufgehoben und die Rechtssache an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden.

In der Sache selbst rechtlich Stellung zu nehmen, ist der Oberste Gerichtshof außerstande, weil - wie bereits erwähnt - das Berufungsgericht es unterlassen hat, irgendwelche Sachverhaltsfeststellungen zu treffen.

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