OGH 4Ob277/02t

OGH4Ob277/02t17.12.2002

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Kodek als Vorsitzenden sowie durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Graf, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Griß und Dr. Schenk und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Vogel als weitere Richter in der Pflegschaftssache der mj Kinder Joachim B*****, geboren am *****, und Verena B*****, geboren am *****, über den Rekurs der Kinder, vertreten durch den Magistrat der Stadt Wien, Amt für Jugend und Familie, als Unterhaltssachwalter, gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 28. August 2002, GZ 45 R 469/02g, 45 R 470/02d-48, mit dem die Beschlüsse des Bezirksgerichts Leopoldstadt vom 10. Juni 2002, GZ 1 P 367/01v-38 und 39, aufgehoben wurden, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben und in der Sache selbst beschlossen, dass der Beschluss des Erstgerichts, soweit er die Unterhaltsvorschüsse für den Zeitraum vom 1. Mai 2001 bis 28. Februar 2002 betrifft, wie folgt abgeändert wird:

„Die dem mj. Joachim B***** für die Zeit vom 1. Mai 2001 bis 28. Februar 2002 gewährten Unterhaltsvorschüsse werden um 11,30 EUR monatlich erhöht und die der mj. Verena B***** für die Zeit vom 1. Mai 2001 bis 28. Februar 2002 gewährten Unterhaltsvorschüsse werden um 9,97 EUR monatlich erhöht."

Text

Begründung

Die Minderjährigen sind die ehelichen Kinder Stefan B***** und Andrea B*****. Die Ehe der Eltern wurde am 9. 7. 1998 einvernehmlich geschieden; die alleinige Obsorge für die Kinder kommt der Mutter zu. Das Bezirksgericht Oberpullendorf bestätigte mit - in Rechtskraft erwachsenen - Beschluss vom 18. 3. 2002 in dem zu 5 S 75/01s über das Vermögen des Vaters anhängigen Schuldenregulierungsverfahren den zwischen dem Vater und seinen Gläubigern abgeschlossenen Zahlungsplan. Danach beträgt die Quote 15,71 %; sie ist innerhalb von 7 Jahren in 20 Vierteljahresraten zu zahlen, wobei die erste Rate spätestens am 15. 4. 2004 fällig wird. Mit - gleichfalls rechtskräftigen - Beschluss vom 26. 8. 2002 wurde das Konkursverfahren aufgehoben.

Mit Beschluss vom 15. 4. 2002, ON 37, erhöhte das Erstgericht die Unterhaltsverpflichtung des Vaters von zuletzt 1.575 S (= 114,46 EUR) für Joachim und von zuletzt 1.390 S (= 101,02 EUR) für Verena ab 1. 5. 2001 für Joachim auf 186,40 EUR monatlich und für Verena auf 164,46 EUR monatlich und gleich in der Folge am 10. 6. 2002 die den Kindern gewährten Titelunterhaltsvorschüsse von Amts wegen den erhöhten Unterhaltsbeiträgen an (ON 38, 39).

Das Rekursgericht hob die Beschlüsse über die höheren Unterhaltsvorschüsse, die in ihrem Ausspruch über die Erhöhung ab 1. 3. 2002 als nicht in Beschwerde gezogen unberührt blieben, im Übrigen auf und verwies die Rechtssache insoweit an das Erstgericht zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung zurück. Sowohl die Erhöhungsbeträge für die Zeit vor Konkurseröffnung als auch die Unterhaltsrückstände seien Konkursforderungen. Sie seien nur nach Maßgabe der Quote von 15,71 % zu zahlen. Nur in diesem Ausmaß sei auch ein Vorschuss möglich. Die Differenz zwischen bisherigem und erhöhtem Unterhalt betrage für Joachim 71,94 EUR und für Verena 63,44 EUR die bevorschussbare Quote demnach 11,30 EUR für Joachim und 9,97 EUR für Verena. Bei den Unterhaltsrückständen sei nicht klar, aus welchen Monaten sie stammten und wie sie sich aufteilten. Es könne daher derzeit nicht beurteilt werden, ob „eine der Konkursquote entsprechende Reduktion des Erhöhungsbetrags der Unterhaltsverpflichtung des Vaters dann überhaupt noch zu einer Erhöhung der Titelunterhaltsvorschüsse im Zeitraum vom 1. 5. 2001 bis 28. 2. 2002 führen kann". Das Erstgericht werde festzustellen haben, „in welchem Ausmaß Forderungen von rückständigem Unterhalt der Kinder im Umfang der Konkursquote nach der früheren Unterhaltsverpflichtung des Vaters einerseits und hinsichtlich der Unterhaltserhöhungsbeträge andererseits bestehen".

Rechtliche Beurteilung

Der gegen diesen Beschluss gerichtete Rekurs des Unterhaltssachwalters ist zulässig, weil Rechtsprechung zu einem gleichartigen Sachverhalt fehlt; der Revisionsrekurs ist auch teilweise berechtigt.

Der Unterhaltssachwalter macht geltend, dass § 19 Abs 2 UVG als einzige Voraussetzung für die Anhebung der Unterhaltsvorschüsse die Erhöhung des Unterhaltsbeitrags vorsehe. Der Vater habe die Forderung auf Unterhaltserhöhung in der Prüfungstagsatzung am 15. 3. 2002 anerkannt. Im Pflegschaftsverfahren hätte der Unterhalt daher für die Zeit vom 1. 5. 2001 bis 28. 2. 2002 nicht mehr erhöht werden dürfen. Die Entschuldung durch den Beschluss des Konkursgerichts vom 18. 3. 2002 könne frühestens Anfang April 2002 eingetreten sein. Wäre der Unterhaltsvorschuss vor diesem Zeitpunkt erhöht worden, so wäre dem nicht der Entschuldungstatbestand entgegengestanden. Dass die Erhöhung erst später erfolgt sei, könne den Kindern nicht zum Nachteil gereichen. Im Übrigen sei auch gar nicht sicher, ob die Forderungen nicht wegen Zahlungsverzugs des Schuldners wieder auflebten.

Richtig ist, dass § 19 Abs 2 UVG dem Gericht aufträgt, die Unterhaltsvorschüsse von Amts wegen zu erhöhen, wenn der Unterhalt erhöht wird, ohne die Anpassung von weiteren Voraussetzungen abhängig zu machen. Daraus folgt aber nicht, dass die Vorschüsse unabhängig davon zu erhöhen wären, ob die Unterhaltspflicht noch besteht. Nach § 7 Abs 1 Z 1 UVG hat das Gericht die Vorschüsse ganz oder teilweise zu versagen, soweit in den Fällen der §§ 3, 4 Z 1 und 4 UVG begründete Bedenken bestehen, dass die im Exekutionstitel festgesetzte Unterhaltspflicht (noch) besteht oder, der gesetzlichen Unterhaltspflicht nicht entsprechend, zu hoch festgesetzt ist. Diese Bestimmung ist auch im Verfahren nach § 19 UVG entsprechend anzuwenden (6 Ob 2294/96p = EFSlg 81.902; 1 Ob 191/01x = ZIK 2002/76).

In diesem Sinn ist nach der Rechtsprechung einem Antrag auf (Wieder-)Gewährung des Vorschusses in voller Höhe des vor der Herabsetzung zugrunde gelegten Unterhaltstitels nur stattzugeben, wenn nicht begründete Bedenken bestehen, dass die im Titel festgesetzte Unterhaltspflicht nicht zu hoch festgesetzt ist (6 Ob 2294/96p); begründete Bedenken nach § 7 Abs 1 Z 1 UVG dahin, dass eine titelmäßig festgestellte Leistungspflicht von der materiellen Rechtslage abweicht, können im Allgemeinen schon durch die Eröffnung des Konkurses über das Vermögen des Unterhaltspflichtigen entstehen (1 Ob 191/01x; s auch Schwimann/Neumayr, ABGB² § 7 UVG Rz 20, 26). Im vorliegenden Fall steht der Unterhaltserhöherungsbeschluss vom 15. 4. 2002 - der entgegen § 7 KO noch während des Konkursverfahrens gefasst wurde - im Widerspruch zu dem damals schon rechtskräftig bestätigten Zahlungsplan. Danach hätte der Unterhaltspflichtige die rückständigen Unterhaltsforderungen nur bis zur festgesetzten Quote zu zahlen. Demnach bestehen Bedenken gegen diesen Exekutionstitel iSd § 7 Abs 1 Z 1 UVG. Die Unterhaltsvorschüsse können daher für den Zeitraum vom 1. 5. 2001 bis 28. 2. 2002 nur im Ausmaß der auf die Erhöhungsbeträge entfallenden Quote erhöht werden. Die Unterhaltsvorschüsse wären wohl auch dann nicht in vollem Ausmaß zu erhöhen gewesen, wenn es bereits vor dem Wirksamwerden des im Schuldenregulierungsverfahren geschlossenen Zahlungsplans zur Anpassung gekommen wäre, weil anzunehmen ist, dass schon die Eröffnung des Schuldenregulierungsverfahrens zu begründeten Bedenken gegen die materielle Richtigkeit der Unterhaltsfestsetzung Anlass gegeben hätte. Dass ein allfälliger Verzug des Schuldners zu einem Wiederaufleben der Forderungen führen könnte, kann derzeit nicht berücksichtigt werden, weil - naturgemäß - völlig ungewiss ist, ob es je dazu kommt. Nicht zu berücksichtigen ist auch die Tatsache, dass der Unterhaltsschuldner rückständige Unterhaltsforderungen und damit auch die Erhöhungsbeträge nur nach Maßgabe des Zahlungsplans zu zahlen hat, weil es geradezu Zweck des Unterhaltsvorschussgesetzes ist, den Unterhalt des Kindes zu sichern, wenn ein Unterhaltstitel nicht realisiert werden kann (s Schwimann/Neumayr aaO § 1 UVG Rz 1 ff).

Das Rekursgericht hat angenommen, dass die Unterhaltsvorschüsse nicht anzupassen seien, wenn und soweit die Erhöhungsbeträge im Differenzbetrag zwischen der auf rückständige Unterhaltsleistungen entfallenden Quote und den tatsächlich gewährten Vorschüssen Deckung finden. Dies setzt voraus, dass ein Anspruch auf Rückzahlung bereits gewährter Vorschüsse besteht, der gegen den Anspruch, die Vorschüsse den erhöhten Unterhaltsbeiträgen anzupassen, aufgerechnet werden kann.

Vorschüsse sind zurückzuzahlen, wenn sie objektiv rechtswidrig gewährt wurden und wenn der Gewährungsbeschluss abgeändert oder aufgehoben wurde oder der Vorschuss eingestellt oder herabgesetzt wurde. Keine Rückzahlungspflicht besteht jedenfalls dann, wenn das Kind die Vorschüsse (redlich) verbraucht hat (§ 22 Abs 1 UVG; s Schwimann/Neumayr aaO § 22 UVG Rz 2 mwN; zur Frage, ob der Rückersatz nur bei redlichem Verbrauch ausgeschlossen ist s 4 Ob 507/91 = SZ 64/26). Über den Ersatz zu Unrecht gewährter Vorschüsse ist auf Antrag des Präsidenten des Oberlandesgerichts im Verfahren außer Streitsachen zu entscheiden (§ 23 Satz 2 UVG).

Im vorliegenden Fall wurde nicht einmal ein Antrag auf Rückersatz zu Unrecht gewährter Vorschüsse gestellt. Es gibt daher auch keinen Beschluss, mit dem den Kindern die Rückzahlung von Vorschüssen aufgetragen würde. Das schließt es aus, die Quote übersteigende Vorschüsse dadurch hereinzubringen, dass die im Ausmaß der Quote zustehenden Erhöhungsbeiträge gegen allfällige Rückersatzansprüche aufgerechnet werden.

Damit erübrigt sich die vom Rekursgericht aufgetragene Verfahrensergänzung. Wie hoch die Erhöhungsbeiträge sind und wie hoch die Quote ist, steht fest; für welche Zeiträume Unterhaltsrückstände bestehen, spielt hingegen keine Rolle.

Dem Revisionsrekurs war teilweise Folge zu geben.

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